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Autor: Claudine Borries

Lydia Tschukowskaja: Untertauchen

Lydia Tschukowskaja: Untertauchen

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Verfolgung, Terror, Tod…

Es ist bekannt, dass unter Stalin in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zahlreiche bekannte und auch weniger bekannte Dichter, Denker, Wissenschaftler und Künstler in Lager verbannt und dort zu Tode gekommen sind.

In ihrem hier vorliegenden sehr poetischen Roman, der 1988 erstmals erschienen ist, verarbeitet Lydia Tschukowskaja (1907 – 1996) ihre Zeit unter der Stalinära, in der sie selber der Verfolgung ausgesetzt war, und in der ihr Mann schon 1937 umgebracht wurde.

Ihre Protagonistin Nina Sergejewna befindet sich zur Erholung in einem Sanatorium auf dem Lande. Wir schreiben das Jahr 1949. Sie lernt zwei andere Schriftsteller kennen, unter ihnen Bilibin, einen Kollegen ihres Mannes. Von ihnen erhofft sie sich nähere Auskünfte über den Verbleib ihres Mannes, von dem sie seit seiner Verhaftung nichts mehr gehört hat.

Zuerst genießt Nina Sergejewna nur die verschneite Landschaft, die Birken- und Tannenwälder und die reine Luft. Sie kann sich nicht genug tun, in dieser abgeschiedenen Landschaft herumzulaufen und sich der Ruhe zu erfreuen. Langsam nähert sich ihr Bilibin. Sie aber will nur wissen, wie es ihrem Mann im Lager erging, und was er dort erleiden musste. Die Bilder um das Leiden und den Tod ihres Mannes verfolgen sie bis in ihre Träume. Am Ende ist sie bitter enttäuscht von Bilibins geschönter und harmonisierter Ausgabe seines in Arbeit befindlichen Erinnerungsbuches über die Lagerhaft.

Die ganze Erzählung ist durchdrungen von Melancholie und Abschiedsgedanken. Im Vordergrund steht immer wieder die eisige Landschaft mit ihren Birken- und Kiefernwälder und die Angst vor dem Terror, mit denen unter Stalin angesehene Männer und Frauen verfolgt, gedemütigt und ermordet wurden.

Lydia Tschukowskaja beschreibt in einer berückenden Sprache die Tiefe der Emotionen, die sie beherrschen, und mit denen man sich dem Treiben der Verfolgungen ausgesetzt sah. Sie besticht durch die Makellosigkeit ihrer Sprache. Man meint beim Lesen die Eiskristalle zu spüren und die reine Luft zu atmen.

Lydia-Tschukowskajas Erzählung erschien erstmals 1972 in New York. Daraufhin wurde die Autorin 1974 aus dem russischen Schriftstellerverband ausgeschlossen.

Svetlana Geier ist die berühmte und kongeniale Übersetzerin dieses Werks wie schon so vieler anderer russischer Schriftsteller.

Dem Dörlemann Verlag ist es wieder einmal zu verdanken, dass die kleine und feine Erzählung dem Vergessen entrissen wurde.

Die poetische, wunderbare Erzählung ist unbedingt sehr lesenswert.

Lydia Tschukowskaja
Untertauchen
256 Seiten, gebunden
Dörlemann, Januar 2015
ISBN-10: 3038200131
ISBN-13: 978-3038200130
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Lucy Clarke: Der Sommer, in dem es zu schneien begann

Lucy Clarke: Der Sommer, in dem es zu schneien begann

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Ambitiös und fantasievoll kommt ein Roman daher, der sich bestens zum Schmökern eignet.

Nachdem Eva seit kurzem das höchste Eheglück mit ihrem Mann Jackson genießt, fällt sie in tiefste Tiefen, als er unerwartet beim Angeln verunglückt. Kann man sich ein größeres Unglück vorstellen? Sie lebte mit ihm in London in einer schönen Wohnung, in der sie plötzlich alleine ist.

Eva reist nach Tasmanien, der Heimat von Jackson, um Trost bei seinem Vater und Bruder zu finden. Doch hier beginnt eine lange Geschichte, die einen auf Wogen der Erinnerung in das vergangene Leben von Jackson spült.
Schon zwischen den Zeilen darf man alsbald wahrnehmen, dass das Glück mit diesem Mann auf tönernen Füßen stand.
Wunderschöne Meeresbeschreibungen bereichern den Blick auf Tasmanien, einer vor Australien gelegenen Insel. Jacksons Bruder Saul arbeitet an einem Strand als Meeresbiologe. Eva darf die Hütte nebenan bewohnen. Saul lässt sie nach anfänglichem Zögern an seinen Meereserkundungen teilnehmen. Bahnt sich da etwa ein neues Glück an? Die gemeinsamen Tauchgänge und spürbare emotionale Erregungen legen die Vermutung nahe.

Ein leichtes Leben scheint hier zu herrschen, und Eva beginnt fast ein wenig, ihr Unglück zu vergessen.
Was so dramatisch beginnt, entwickelt sich zu einer sehr geheimnisvollen Erzählung, in der nichts mehr an seinem Platz zu bleiben scheint.

Schmissig, gefühlvoll und voll berückender Lust und Liebe setzt eine komplizierte Kriminalgeschichte der äußerst fantasiereichen Erzählung zuletzt die Krone auf.

Lucy Clarke hat eine spannende Geschichte erfunden. In ihr wimmelt es nur so von Überraschungen, Geheimnissen und unerwarteten Eröffnungen über Jackson. Die Lektüre ist sehr unterhaltsam, zuletzt auch immer spannender, so dass man sich gemächlich den geheimnisvollen Hintergründen im Leben eines rätselhaften Mannes nähert.
Literarischen Anspruch darf man nicht erwarten. Das Buch ist im besten Sinne ein Schmöker für öde Regen – oder Ferientage.

Lucy Clarke
Der Sommer, in dem es zu schneien begann
400 Seiten, broschiert
Piper, April 2015
ISBN-10: 3492060129
ISBN-13: 978-3492060127
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Eyal Megged: Unter den Lebenden

Eyal Megged: Unter den Lebenden

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Wir fühlt es sich an, wenn ein sehr guter Freund so krank wird, dass er mit Sicherheit bald sterben wir?

Der Icherzähler in dem jetzt vorliegenden Buch von Eyal Megged kann es uns erzählen. Es ist tragisch, schrecklich und anrührend zugleich!

Boas Masor und der Erzähler sind sehr enge Freunde. Der Erzähler ist ein erfolgreicher Chirurg in einem Krankenhaus in Jerusalem. Sein Freund Boas ist nach einer schweren Krebserkrankung kürzlich verstorben. Nach dem Tod von Boas geht es dem Erzähler schlecht, denn er kann es nicht glauben und akzeptieren, dass dieser langjährige Lebensbegleiter, der ihm so viel bedeutet hat, nicht mehr unter den Lebenden weilt.

Ihre Gespräche waren ihm wichtig. Sie waren nie banal sondern immer inhaltsschwer trotz oder gerade wegen ihrer so verschiedenen Wesensmerkmale. In seinen Erinnerungen ersteht das Bild des Freundes als eines ausgeprägten Charakters. Auch Boas wollte schon als Kind Arzt werden. Doch sein Vater hat es ihm nicht zugetraut. So wurde er stattdessen ein anerkannter Wissenschaftler.

Die Freunde haben komplizierte Beziehungen zu ihren Frauen. Im Austausch über das,was sie erleben und fühlen, sind sie sich nah. Das Trennende bleibt dabei nicht ausgespart. Geduld, Einfühlsamkeit, Treue und Unterschiede in den Lebensentwürfen bringen sie häufig in eine unüberbrückbare Schieflage zu einander.

Sie sind teilweise grundverschieden, und in der nachhaltigen und intensiven Rückschau zeigt sich, dass Boas ein zufriedener und ausgeglichener Zeitgenosse war. Der Erzähler hat ihm die Todeserwartung aufgrund der schweren Krebserkrankung zu verheimlichen versucht. Er bewundert den Freund, und kann es nicht fassen, wie gleichmütig und vielleicht auch verleugnend Boas sein Leben weiter geführt hat.

Der Erzähler selber ist ein eher melancholischer und nihilistisch veranlagter Mensch. Sein Freund sagte einst zu ihm: “ein Mensch kann eine Null für dich sein, so lange er gesund ist, aber wenn du ihn operierst, ist er der Mittelpunkt der Welt.“ Mehr als deutlich beweist diese Aussage, mit welcher Leidenschaft sein Freund seinem Beruf nachgeht.

In langen Passagen reflektiert der Erzähler sein eigenes Leben und das des Freundes. In seine Überlegungen fließen Gedanken von Nähe und Distanz ein und von Zuwendung und Liebe zu dem langjährigen Freund.

Unterbrochen sind die Gedanken des Erzählers von eigenen Überlegungen zu Leben und Tod und von Einsichten in seine eigenen Unzulänglichkeiten. Nicht zuletzt sind die poetischen Berichte über die Landschaften in und um Jerusalem bemerkenswert.

Es ist ein nachdenklicher, sensibler und stets von Reflexionen getragener Roman. Da die Handlung keinen genauen Erzählstrang erlaubt, bleibt es bei den sinnierenden und gedankenträchtigen Überlegungen des Haupterzählers.

Eyal Megged ist der Mann der bekannten israelischen Autorin Zeruya Shalev. Die Übersetzerin Ruth Achlama lebt in Israel und übersetzt die Romane so bekannter Autoren wie Amos Oz, Ayelet Gundar-Goshen und Meir Shalev.

Eyal Megged
Unter den Lebenden
352, gebunden
Berlin Verlag, April 2015
ISBN-10: 3827012422
ISBN-13: 978-3827012425
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John Williams: Butcheer’s Crossing

John Williams: Butcheer’s Crossing

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Nach dem großen Erfolg des Romans „Stoner“ von John Williams erschien jetzt bei DTV ein weiterer Roman vom gleichen Autor:„Butcher’s Crossing“.

Im Gegensatz zu „Stoner“, dem aus armen Farmerverhältnissen hoch gekommene Literaturprofessor, kommt der Held dieses Romans von der Universität Harvard in das abgeschiedene Örtchen Butcher’s Crossing. Die Geschichte spielt um 1870. William Andrews entflieht der aufkommenden Zivilisation, um auf einer Jagdreise die wilde Natur und das Abenteuer zu suchen.

Andrews schließt sich drei Draufgängern an, und man macht sich auf dem Rücken von Pferden und in Begleitung eines Ochsenkarrens auf die beschwerliche Reise in die Berge von Colorado. Die Männer wollen dort Büffel jagen und mit dem Verkauf von Fellen zu Geld kommen. Diese Reise mit ihren Entbehrungen macht den Hauptteil der Erzählung aus.

Da geht es um Hitze, Durst und die Qualen des tagelangen Reitens zusammen mit der Suche nach dem richtigen Weg. Die Männer sind wortkarg und verbissen in den Erfolg ihrer Sache. Das Glück bei der ersten Wasserquelle und der Erfolg bei der Jagd bringen die Emotionen in Wallung. Die vier Männer sind den Naturgewalten in aller Vielfalt ausgesetzt. Lange Ritte durch ödes und trockenes Land fordern den äußersten Durchhaltewillen von allen Beteiligten.

Die wenigen Ochsen, die den Karren mit Munition und Vorräten ziehen, und die Pferde der Reiter sind ähnlichen Qualen ausgesetzt wie die vier Männer. Hervorragend ist die Szene, in der Miller mit einem Lappen aus den Wasserresten der Mannschaft eine Befeuchtung der Mäuler an den Ochsen und Pferden vollzieht, die den weiteren Weg sonst kaum noch bewältigen würden. In den Bergen zwingen früh einsetzende Schneefälle zur Überwinterung in der einsamen Gegend.

Der Roman beschwört nicht etwa eine Illusion über die glorreichen Entdeckerzeiten früherer Wildwesterforschungen. Eher zeigt er die Härte, die diese Zeiten für alle, die dabei waren, bedeuteten. Nahrung, Kleidung, Unterbringung und der Mangel an nahezu allem, was der Mensch für sein Leben benötigt, markiert den Beginn der Besiedelung im nicht erschlossenen Westen in der Aufbruchzeit der Eroberer.

Dass William Andrews sich dem Härtetest dieser Reise aussetzte, ist eher dem persönliche Wunsch nach Veränderung und Identitätssuche geschuldet.

Sprachlich unübertroffen fängt John Williams die Öde des noch ganz primitiven Ortes Butcher’s Crossing ein. Staub, einfachste Wohnverhältnisse und die Leere eines nicht erschlossenen Raumes spürt man, als wäre man dabei gewesen. Die Stimmungsbilder in den verschiedenen Phasen des Rittes gen Westen bestimmen das allgemeine Geschehen.

Ein überragender und sprachlich einnehmender Roman liegt mit dieser Veröffentlichung in der hervorragenden Übersetzung von Bernhard Robben vor.

John Williams

Butcher’s Crossing
368 Seiten, gebunden
Deutscher Taschenbuch Verlag, März 2015
ISBN-10: 3423280492
ISBN-13: 978-3423280495
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Carola Saavedra: Blaue Blumen

Carola Saavedra: Blaue Blumen

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Liebe, Verlust, Leben, Leidenschaft…

Ein Mann und ein Frau geraten sehr zufällig in einen geheimen Kontakt zueinander.

Die Frau schreibt Liebesbriefe an ihren verflossenen Liebhaber, die sie an die Adresse richtet, in der mittlerweile ein anderer Mann wohnt.

Wortgewandt im Ausdruck und tiefschürfend in den Gefühlen kann man den Liebesbriefen entnehmen, dass die unbekannte Frau ihren Freund sehr geliebt hat. Sie lässt in ihren Schilderungen keine Einzelheiten dieser für sie mit Sehnsucht nach Glück besetzten Beziehung aus. Ihr Liebhaber hat sie verlassen, und nun geht sie in ihren Gedanken den gemeinsamen Erlebnissen und gelebten Erinnerungen nach. Indem sie ihn direkt anspricht, wähnt man die Frau in einer Art Selbstgespräch mit dem verflossenen Liebhaber. Die langen Monologe bieten Erinnerungen, gute, schlechte, traurige und melancholische.

Der fremde Mann, der in den Besitz dieser an einen anderen gerichteten Briefen gelangt, wird neugierig und gerät nach und nach ganz in den Bann der für ihn so fremden Frau. Doch er ist selber ein Verlassener, der ab und zu seine dreijährige Tochter bei sich hat. Er fühlt sich fremd in seiner Haut mit dem kleinen Kind und einer Frau, die ebenfalls die Trennung herbeigeführt hat.

Mit zahlreichen Beispielen und Wendungen in der Wortwahl darf man sich in eine Welt hinein versetzen, in der Gefühle aufgespürt und aufgerührt werden, die beide Protagonisten im tiefsten Inneren anrühren und verbinden.

Während die Briefschreiberin merkwürdig fleischlos wirkt, ist der Mann auch im Alltag zu sehen: er führt Gespräche mit neuen Liebhaberinnen, mit seiner Exfrau, seinem Kind und seiner Sekretärin. Er ist ein trauriger und ganz in sich zurück gezogener Zeitgenosse. Voller Melancholie verirrt er sich in seinen Phantasien zu der geheimnisvollen Briefschreiberin, von der er sich ein illusionäres Bild macht. Sie ist ja nicht greifbar, nicht real und nur immer in ihren sehnsuchtsvollen Briefen vorhanden.

Insgesamt ist der Roman von tiefer Melancholie, Resignation aber auch Leidenschaft und Einsamkeit getragen. Fiktion bestimmt das Leben der Protagonisten, die den Weg ins reale Leben nicht zu bewältigen scheinen.

Die Geschichte bietet ein nachdenkliches und poetisches Bild einer Welt zwischen Traum und Wirklichkeit.

Das Ende bietet noch einmal eine überraschende Wende, in der so recht deutlich wird, wir leicht wir von unseren Phantasien überwältig werden können, die uns ein Leben mit Leidenschaft und Glück verheißen wie es sie in dieser reinen Form wohl niemals gibt.

Maria Hummitzsch ist eine kongeniale Übersetzerin. Man lese das Buch in einer ruhigen Stunde, um sich ganz dem Eindruck des Lebens dieser beiden Hauptfiguren zu überlassen.

Carola Saavedra
Blaue Blumen
223 Seiten, gebunden
C.H.Beck, März 2015
ISBN-10: 3406675670
ISBN-13: 978-3406675676
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Ayelet Gundar-Goshen: Löwen wecken

Ayelet Gundar-Goshen: Löwen wecken

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Eine Frage von Schuld und Sühne.

In diesem Roman handelt Gundar-Goshen die Liebe und das Leben ab in einer Weise, die fesselnd und tiefschürfend ist.

Worum geht es?

Etan Grien ist Neurochirurg. Er lebt glücklich und zufrieden mit seiner Frau, einer Polizeikommissarin, und seinen beiden Söhnen in Beer – Scheva. Die Familie bewohnt eine geräumige Villa. Nur die warmen Winde und der Wüstensand bereiten zuweilen Beschwerden. Etan Grien ist ein aufrechter Mann, den man aus Tel Aviv in das hiesige Krankenhaus versetzt hat, weil er allzu rebellisch gegen die Korruption seiner Vorgesetzten vorgegangen ist.

Vom Krankenhaus auf einer abendlichen Fahrt nach Hause fährt er einen illegal hier lebenden Eritreer an. Panik ergreift ihn, als er feststellen muss, dass der Mann tot ist. Was tun? In einer konfusen Reaktion beschließt er, seine Fahrt ohne weitere Rücksichten fortzusetzen. Sein glückliches Familienleben und sein zufriedenes Dasein wären seiner Meinung nach andernfalls abrupt zu Ende. Doch was folgt, ist schlimmer, als er es sich vorstellen konnte. Die Frau des Toten erpresst ihn, sich um andere illegale Flüchtlinge zu kümmern. Fortan muss er ein Doppelleben führen zwischen nächtlichen Behandlungen der kranken und verletzten Flüchtlinge und dem Tagesbetrieb im Krankenhaus seines Alltags. In der Wüste arbeitet er unter schlimmsten Bedingungen in einer alten Werkstatt.

Man wird unweigerlich in den Sog dieser tragischen Geschichte hineingezogen. Wie wird Etan sich aus der Affäre ziehen? Wie lange wird er dieses Leben aufrechterhalten können? Seine seelischen Qualen sind unübersehbar.

Die Autorin Ayelet Gundar-Goshen ist von einer begnadeten psychologischen Weitsicht. Sie lässt ihre Protagonistin Liat, Frau von Etan, sehr genau die Stimmungen und Gefühle ihres jeweiligen Gegenübers erkennen. Liat muss aufpassen, dass man ihr nicht anmerkt, wie sie zu einer ungewollten Beschauerin des Innenlebens anderer wird. „Eine vertrackte Angelegenheit, dieses Sehen. Denn wie groß und stark fühlt sie sich, wenn sie so in den Menschen stöbert, unbemerkt, ohne Durchsuchungsbeschluss.“

Mühelos versteht sie zu unterscheiden zwischen „Distanz aus Unsicherheit und Distanz aus Arroganz, zwischen künstlicher und ruhiger Gelassenheit, zwischen gesundem Flirt und echter Verführung…..“

In diesen Passagen zeigt sich die hervorragende Fähigkeit der Autorin, psychologische Vielfalt im Dunst des alltäglichen Lebens zu beschreiben. Doch Liat rätselt unermüdlich darüber, wie sie das unerklärliche Benehmen, die Unruhe und Veränderungen im Wesen ihre Mannes, mit dem sie sich bis dahin einig fühlte, verstehen soll. Misstrauen und Verdächtigungen versetzen sie in ein unerträgliches Wechselbad der Gefühle.

Gundar-Goshen baut ihren Roman zu einem gewaltigen Epos auf, in dem es um illegale Einwanderer in Israel geht und darum, wie es um die inneren Gefühle der sich nahe stehenden Menschen steht.

Spannend und subtil führt sie ihren Roman zu Ende, der keine Wünsche offen lässt: teils Krimi, teils Familiengeschichte und teils erfahrbare Verführungen, die das Fremdsein und die geheimnisvollen Verhaltensweisen einiger Protagonisten umgibt. Was zunächst wie ein einfacher Familienroman beginnt, wächst sich zuletzt zu einem gelungenen und sehr lesenswerten Thriller aus.

Ayelet Gundar-Goshen
Löwen wecken
432 Seiten, gebunden
Kein & Aber, Februar 2015
ISBN-10: 3036957146
ISBN-13: 978-3036957142
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Martin Suter: Montecristo

Martin Suter: Montecristo

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Martin Suter ist der Meister des intelligenten Thrillers. Auch dieser neue Roman macht da keine Ausnahme!

Worum geht es?
Jonas Brand ist Videojournalist, der mit seinen Reportagen nicht unbedingt reich zu werden verspricht. Zu gerne wäre er Filmregisseur. Er hat auch schon eine Geschichte für einen Film im Kopf.

Auf einer Zugfahrt mit Personenschaden, sehr häufig verursacht durch Suizid, lernt er die Eventmanagerin Marina Ruiz kennen. Man kommt sich rasch näher, und beide haben sich viel zu erzählen.

In wechselnden Szenen erfährt man, dass in Jonas Wohnung eingebrochen wurde. Kurz drauf wird er auch noch auf der Strasse überfallen. Er trägt ein Geheimnis mit sich, dass entsprechende Verfolger auf seine Spur getrieben haben könnten. Was nur ist die Ursache dieser verschiedenen Überfälle?

Suter führt uns in die aufregende und skrupulöse Welt der Banker, Gewinnler und Börsenmakler. Bis in die höchsten Kreise gibt es unerklärliche Morde und Totschlag. Über fatale Verdächtigungen bis zum vollendeten Mord weiß Suter in seinem Roman zu berichten. Er steigert den Thriller zu einem wüsten Bankenskandal mit Ausläufern in die höchsten Schweizer Regierungskreise. Das alles ist spannend und reizvoll und nicht nur irreal: man weiß von den Skandalen um die lehmann brothers bankhaus ag in New York und kann sich vorstellen, dass sich in diesem Thriller Anteile aus dem wahren Leben wiederfinden.

Von Geheimnissen zu Betrug und Verfolgungsjagden werden wir getrieben. Letztere sind subtil und perfide in Absicht und Durchführung. Garniert ist die Geschichte wie immer durch genaueste Beschreibungen von mehr oder weniger kultivierten Unterkünften, eigenwilligen Charakteren bis zur beachtenswerten Liebesgeschichte von Jonas mit der Eurasierin Marina.

Das Buch liest sich spannend, kurzweilig und unterhaltsam. Die Vielfalt und Verschiedenartigkeit der Einfälle von Martin Suters Romanen sind immer wieder überraschend. Man kann sich zuversichtlich auf gute Unterhaltung freuen!

Martin Suter
Montecristo
320 Seiten, gebunden
Diogenes; Auflage, Februar 2015
ISBN-10: 3257069200
ISBN-13: 978-3257069204
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Chantal Louis: Ommas Glück

Chantal Louis: Ommas Glück

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Formen der Demenz und wie mit ihnen umgehen. Heim oder daheim das ist hier die Frage.

„Ommas Glück“ ist die nette Geschichte über Chantal Louis’ Großmutter, die nach einigen Fehlläufen in einer Demenz-WG gelandet ist.
Im schönsten Ruhrpottdialekt werden die Besonderheiten des Alters und der in diesem Fall damit einhergehenden Demenz beschrieben.
Teilweise geht es da lustig und heiter zu, immer aber leicht und unbeschwert. Die Autorin erzählt von den fabelhaften Altenpflegerinnen, die mit so viel Geschick und Klugheit ihre ihnen anvertrauten Pfleglinge aus den Wirrnissen ihrer Empfindungen in die realen Gegebenheiten (essen, trinken, kleiden) führen. Sie sind geduldig, liebevoll und voller Empathie. Dass es Menschen gibt, die sich zu dieser Art Betreuung berufen fühlen, ist wunderbar. Ja, das wäre die ideale Voraussetzung, um auch diese Phase des Lebens zu meistern!
Doch wie sieht die Realität wirklich aus? Was wird nahen Angehörigen abverlangt, die zunächst jahrelang das Abgleiten ihrer Eltern, Geschwister, Ehepartner oder Großeltern erleben und erleiden?

Da ist einer ja nicht von Heute auf Morgen dement. Da gibt es gleitende Übergänge und eine Gratwanderung zwischen normal und irreal. Vergesslichkeiten, den ganzen Tag lang Fragen nach diesem und jenem, Verlegung von wichtigen Akten, Papieren und anderer Kleinigkeiten und ein unentwegtes Nähebedürfnis, im einen Fall mehr im anderen weniger, machen den Angehörigen, meistens den Ehefrauen oder Töchtern, zu schaffen. Das zerrt an den Nerven und macht auf die Dauer wütend, unduldsam und krank. Natürlich bleiben auch die „guten Ratschläge“ von allen jenen nicht aus, die aus der Ferne alles so gut zu durchschauen meinen und nach einem kurzen Besuch, in dem sich der/die demente Person von der besten Seite zeigt, genau Bescheid zu wissen glauben. Es gibt sogar Angehörige, die es den nahestehenden Betroffenen übel nehmen, wenn sie „Omma“ oder „Oppa“ ins Pflegeheim vermeintlich „abschieben“.

Wie stark sind erst die Schuldgefühle, wenn man wieder einmal merkt, dass man den anderen beschimpft und ermahnt hat, wo er doch eigentlich „nichts dafür“ kann! Das kann Jahre so gehen, und die Angehörigen werden sich sehr schwer tun, ihre „Omma“ oder den „Oppa“ ins Pflegeheim oder gar in eine WG zu geben.

Diese WGs, das bleibt nicht ungesagt, haben mit zahlreichen Unbilden zu kämpfen. Da geht es um Mietverträge, Verantwortlichkeiten, Versicherungen und Haftungen. Wer bestellt den richtigen Pflegedienst und übernimmt die Gehaltszahlungen? Was, wenn eine Pflegekraft plötzlich ausfällt, sei es durch Krankheit oder anderer Gründe wegen?
Was als Ei des Columbus erscheint, ist in Wirklichkeit mit unendlicher Mühsal und Arbeit verbunden. Dazu gehört Idealismus und Einsatzbereitschaft. Es klingt alles so verlockend und simpel. Doch fürchte ich, diese Wohnform für Alte wird auf lange Zeit Utopie bleiben.

Chantal Louis hat sich sicher verdient gemacht, indem sie einmal mehr auf das Thema „Demenz“ und ihre Folgen aufmerksam macht.
Ihr Buch beinhaltet wichtige Aspekte der Unterbringung und gibt wertvolle Hinweise. Doch eine Lösung für das Thema Demenz bietet sie nur sehr in Grenzen.

Chantal Louis
Ommas Glück
208 Seiten, broschiert
KiWi-Paperback, März 2015
ISBN-10: 3462047183
ISBN-13: 978-3462047189
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Anna Quindlen: Ein Jahr auf dem Land

Anna Quindlen: Ein Jahr auf dem Land

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Liebe, Ehe und ihre Vergänglichkeit…

Einmal mehr liegt uns ein Roman vor, der sich mit den Veränderungen des Lebens, ihren Folgen, dem Glück und der Unwägbarkeit vom allem befasst.

Worum geht es?

Die einstmals berühmte Fotografin Rebecca Winter vermietet ihre Wohnung in New York, um sich in einem kleinen Haus auf dem Land zu erholen. Sie sucht allerdings nicht nur die Ruhe sondern auch die Ersparnis, die mit diesem Aufenthalt verbunden sein soll. Die Miete für die Wohnung in NY bringt mehr ein als die Ausgaben, die sie nun haben wird. Denn es geht ihr wie so vielen Künstlern: ihr Ruhm ist verblasst, und die Einnahmen aus dem Verkauf ihrer großen Fotobilder sind geschwunden.

Wir erleben die Protagonistin auf dem Land in einem Häuschen, das wohl einstmals mehr als Wochenendhäuschen gedacht war.

Die Natur in Wald und Feld werden mit poetischen Bildern gezeichnet. Hier scheint die Welt noch in Ordnung, wenn auch die Individualität der kleinen Städte wie überall auf der Welt allmählich einem Gleichmaß in Gestaltung und Aussehen gewichen ist.

Die einzige Abwechslung in Rebeccas Leben auf dem Land sind die Besuche bei der Mutter in einem Seniorenheim und bei dem nicht entfernt wohnenden Vater. Allerdings erweisen sie sich als Schrecken. Nehmen sie doch in den Augen von Rebecca als Vision den eigenen Verfall und die eigene Sterblichkeit vorweg.

In Erinnerungen an ihre Ehe und den Sohn Ben findet Rebecca keine unbedingte Freude. Peter hat sie schon früh für eine andere Frau und Familie verlassen, so dass sie ihren Sohn alleine aufgezogen hat.

Mit dieser Einführung meint man, dass es nun mit dem Altwerden und der Alterseinsamkeit weiter gehen würde. Doch weit gefehlt: auch hier in der Einsamkeit des Landlebens tun sich unerhörte Dinge. Die Bewohner der kleinen Stadt in ihrer jeweiligen Einmaligkeit sind wach und aufmerksam. Rebecca erlebt sie mit neugierigem Interesse und lernt Jim kennen, der ihr bei Dachdeckerarbeiten geholfen hat. Ein Bär hatte sich im Dach des kleinen Hauses eingenistet!

Beschaulich und ruhig entwickelt Anna Quindlen ihr Kleinstadtpanorama, in dem es nicht an Aufregungen und Veränderungen aller Art fehlt. Ganz aus der Sicht von Rebecca erschließt sich ihr Leben mit allen ihren Höhen und Tiefen. Die Heldin gerät in inneren Aufruhr und erlebt wechselnde Phasen des Glücks, des Erfolgs, aber auch Enttäuschung und Versagen. Sie ist teils betroffen und andererseits beglückt. Alles in allem bietet die Geschichte nicht zuletzt Hoffnung und Freude. Man findet Stille, Ruhe und Tiefe in ihr.

Anna Quindlen

Ein Jahr auf dem Land
320 Seiten, gebunden
Deutsche Verlags-Anstalt, März 2015
ISBN-10: 3421046662
ISBN-13: 978-3421046666
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Katja Kraus: Freundschaft

Katja Kraus: Freundschaft

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Freundschaft: eine gute Form menschlicher Beziehungen.

Katja Kraus hat in loser Folge Menschen des öffentlichen oder privaten Lebens nach ihren Freundschaften befragt.

Mit dem Untertitel „Geschichten von Nähe und Distanz“ versucht sie, dem Geheimnis von Freundschaft auf die Spur zu kommen.

Neben der Eröffnung von sehr privaten Details aus dem Leben von Persönlichkeiten wie Egon Bahr, Bettina Böttinger und Roger Willemsen, um nur einige wenige zu nennen, sind es die sehr ähnlichen Erfahrungen, die so aufschlussreich dargestellt werden.

Als Extrakt ihrer Recherchen kann man zu folgenden Schlussfolgerungen kommen:

Einhellig ist allen Berichten gemeinsam, dass zu echter Freundschaft unbedingtes Vertrauen und Ehrlichkeit gehören. Verlässlichkeit, Zuwendung, Treue, grundsätzliches Wohlwollen und sogar die Liebe sind weitere wichtige Voraussetzungen für gute Freundschaften. Selbstverständlich ist damit noch nicht alles gesagt. Hängt doch die Art von Freundschaft auch von Charakter und Temperament ab, von Bindungsfähigkeit und Bereitschaft, sich auf andere Menschen einzulassen.

Egon Bahr hat eine lebenslange Freundschaft mit Willi Brandt verbunden.

Gegenseitige geistige und seelische Verständigung sind in diesem Zusammenhang ebenfalls existenzielle Voraussetzungen für echte Freundschaften.

Man bekommt aus den Aufzeichnungen von Katja Kraus einen lebhaften Ausblick auf das, was Freundschaft ausmacht. Für unzählige Menschen können nach ihren Berichten Freundschaften sogar Familienersatz sein, da wo es an familiären Bindungen fehlt. Doch auch Geschwister, Mütter oder Väter können enge freundschaftliche Bande zu ihren Verwandten pflegen.

Eine Vielzahl von Aspekten zeigt Katja Kraus in ihren Berichten auf. Sie benennt die Auswirkungen langjähriger Freundschaften, die zuweilen so lange währen können, bis der Tod sie scheidet. Doch auch das Ende von Freundschaften und die Ursachen für die zuweilen traurigen Brüche findet sie erwähnenswert.

Die Autorin hat sich interessiert und aufgeschlossen mit dem Thema beschäftigt. Umfassend, einfühlsam und verständnisvoll sind ihre

Aufzeichnungen mit den biographischen Episoden von Menschen aller Couleur. Die Überleitungen von einer Person zur anderen sind nachdenklich und gut durchdacht. Dankbar muss man der Autorin dafür sein, dass sie das Vertrauen ihrer Gesprächspartner gewinnen konnte.

Wer echte Freundschaften kennt und pflegt, dem werden hier nochmals die wichtigsten Kriterien aufgeführt, die zu einem beglückenden Wiedererkennungswert führen.

Wohl dem, dem enge Freundschaften beschieden sind! Sicher wäre ein Bericht auch über jene erwähnenswert, denen diese Freude im Leben nicht vergönnt ist. Mich könnte das interessieren. Vielleicht in einem nächsten Buch?

Katja Kraus
256 Seiten, gebunden
FISCHER, Februar 2015
ISBN-10: 3100021967
ISBN-13: 978-3100021960
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