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Kategorie: Belletristik

Eliza Graham: Weil du mich liebst

Eliza Graham: Weil du mich liebst

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Südengland. Die Geschichte zweier Frauen. Eine davon spielt in der Gegenwart, die andere geht zurück auf das Jahr 1943. Minna Byrne ist nach dem Verlust ihres Sohnes durch einen Unfall mit ihrem Mann aus London aufs Land gezogen. Sie brauchen Abstand von dem Trubel, müssen in ihrer Trauer zu sich kommen. Der Tod des Sohnes scheint ihre Ehe zu zerreißen. Durch Zufall finden sie bei einem Spaziergang das Skelett einer Leiche an der Küste. Die Herkunft dieses Toten zieht Minna in den Bann. Dann trifft sie auf für Felicity Vance, genannt Felix, die nach sehr vielen Jahren in ihren Heimatort zurückgekehrt ist. Minna wohnt nun dort, wo Felix als Kind aufgewachsen war.

Schnell stellt sich heraus, dass der Tote ein amerikanischer GI aus dem Zweiten Weltkrieg ist. Felix beginnt zu erzählen, denn sie kannte diesen GI.

In beiden Geschichten werden Liebesgeschichten erzählt. Sie sind faszinierend ineinander montiert. Rückblenden wechseln mit der Gegenwart ab. Die heutige Geschichte um Minna und ihren Mann erzählt Minna selbst. Die gegenwärtige Erzählweise lässt den Leser alles direkt miterleben. Die Geschichte des GIs wird von einer dritten Person im Präteritum erzählt. Teilweise auch von Felix selbst, meist aber von einem unbekannten Erzähler.

Die Spannung wird von der Autorin auf mehrere Säulen aufgebaut. Man möchte einerseits wissen, ob Minna und Toni wieder zusammenkommen, warum und wie ihr Sohn ums Leben kam. Andererseits möchte man alles um den Toten GI wissen. Überraschungen sind vorprogrammiert.

Die Autorin erzählt interessante Geschichten. Besonders die von dem amerikanischen GIs vor dem berühmten D-Day bringt ungewöhnliche Sachen hervor. Der Lokalkolorit ist nicht ganz so ausgeprägt, lässt aber dennoch genug Stimmung aus dem südlichen England um Bournemouth erkennen. Das Lektorat hätte an einigen Stellen besser aufpassen müssen. Verwechselte Namen, falsche Erzählperspektiven einzelner Sätze geben dem Leser Rätsel auf, die eigentlich nicht sein mussten. Aber das soll den Gesamteindruck nicht wesentlich beeinträchtigen. Mir hat der Roman trotzdem gut gefallen.

Eliza Graham
Weil du mich liebst
Aus dem Englischen von Elfriede Peschel
blanvalet Verlag, München
ISBN 9783734103889

© Detlef Knut, Düsseldorf 2017

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Emylia Hall: In unendlicher Ferne

Emylia Hall: In unendlicher Ferne

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Die Hauptfiguren dieses Romans, Robyn Swinton und Jago Winters befinden sich zu Beginn (im Prolog) jeweils an einem Ort, an dem sie eigentlich nie sein wollten. Noch dazu jeder an einem anderen Ort, mehrere 1000 km voneinander entfernt. Während Robyn in Cornwall auf das Meer schaut, kümmert sich Jago im heißen Texas um die Pferde auf einer Ranch. Dabei ist Robyn ein Großstadtkind, die nur ihrer Eltern wegen, die in den Ruhestand gegangen sind, nach Cornwall mitgegangen ist. Jago hingegen ist in Cornwall geboren, liebt das Land, lebt mit seinem Vater zusammen und liebt die Arbeit mit Holz. Als Möbeltischler bestreitet er ganz gut seinen Lebensunterhalt.

Während der Leser im Prolog von zwei unterschiedlichen Menschen erfährt, beginnt deren Geschichte anschließend sieben Jahre zuvor. Nach und nach nähert sich der Lesende dem Ende des Spannungsbogens (Was machen sie hier an diesen Orten?), der im Prolog aufgebaut wurde. In einem ständigen Auf und Ab der Gefühle wird der Lebensweg beider in den letzten sieben Jahren geschildert.

Hall erzählt eine Geschichte von einer tiefen Freundschaft und lässt die Leser spüren, dass da offenbar noch mehr als Freundschaft ist. Doch es wird eine Geschichte von verpassten Gelegenheiten. Faszinierend hat die Autorin die Landschaft von Cornwall in das Geschehen eingebunden. Penzance, Porthcurno, St. Ives sind immer wieder genannte Orte, die Malerei, die in diesem Landstrich eine besondere Rolle spielt, nimmt auch im Roman einen festen Platz ein. Dennoch ist der Roman nicht ein simpler Regionalroman. Der Sog geht von der Geschichte aus. Doch dabei eine Region kennen zu lernen, die man noch nicht kannte, kann ein wunderschöner Nebeneffekt sein. Ebenso für denjenigen, der diese Landstriche selbst schon bereist hat. Dem einen oder anderen mag der Roman zu einer Reise nach Cornwall animieren.

Detailreiche und bildhafte Beschreibungen von Landschaft und Gefühlen machen den Roman zu einem Erlebnis. Amüsant und interessant die Nebenhandlung um Eltern im Ruhestand und der Aufstieg einer Musikband sind weitere schöne Zutaten.

Dieser Roman macht riesigen Spaß!

Emylia Hall
In unendlicher Ferne
Aus dem Englischen von Astrid Mania
btb Verlag, München
ISBN 9783442714667

© Detlef Knut, Düsseldorf 2017

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Kurt Palm: Strandbad Revolution

Kurt Palm: Strandbad Revolution

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Es ist der Sommer im Jahre 1972. Mick, er nennt sich so, weil er Mick Jagger verehrt, sollte eigentlich für die Nachprüfung in Französisch lernen. Doch er kann nicht bei der Sache bleiben. Seine Eltern schaffen es auch nicht, ihn zu motivieren. In scheinbarer Zufriedenheit gehen sie ihren Alltagsgeschäften nach.

So verbringt Mick viel Zeit mit seinem Freunden im Bad, es sind schließlich Ferien, und schaut den Mädchen hinterher. Zu seinen Freunden gehören Mü, Candy, Taylor und Hendrix . Sie sprechen über Dinge, die sie beschäftigen und über das, was verändert werden sollte. Sie planen drastische Aktionen, um ihre Mitmenschen aufzurütteln und ihre Ansichten zu verändern. Mick versucht unterdessen die Aufmerksamkeit eines Mädchens, irgendeinen Mädchens, auf sich zu ziehen. Er denkt darüber nach, wie er wahrgenommen wird oder wie er auftreten müsste, um wahrgenommen zu werden. Er sucht nach Orientierung und sinniert Songtexten nach, die ihn beschäftigen. Das wird auf sehr intensive Art beschrieben. Der Autor nimmt sich Zeit für Gedankengänge und Diskussionen, die er Mick aus seiner Sicht darstellen lässt.

Die Kindheit ist vorbei, das wird sehr deutlich gemacht. Auch wenn keiner recht weiß, wie die Zukunft nun aussehen soll. Zumindest haben die jungen Leute sich nun zu benehmen wie Erwachsene. Sie haben die Folgen für ihr Handeln zu tragen. Aber die Frage ist, ob sie über genug Reife verfügen. An Lebenserfahrung fehlt es nun mal, denn sie sind jung. Im Laufe der Handlung ist diese Frage nicht mehr von Belang. Das, was passiert, muss bewältigt werden. Der Autor lässt aus Komödie, wenn man so will, eine Tragödie werden. Es ist keine Zeit mehr zum Träumen. Und wirklich wichtige Dinge einfach zu ignorieren und den Kopf in den Sand zu stecken, macht es nicht besser. Es liefert dem Leser aber viel Stoff zum Nachdenken.

Rezension von Heike Rau

Kurt Palm
Strandbad Revolution
256 Seiten, gebunden
Deuticke Verlag
ISBN-10: 3552063374
ISBN-13: 978-3552063372
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Katie Kitamura: Trennung

Katie Kitamura: Trennung

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Ehescheidung oder Schicksalsfall?

Eine junge Frau bekommt von ihrer Schwiegermutter einen Anruf, in dem diese fragt, wo ihr Sohn Christopher denn sei. Sie weiß nicht, dass das Paar bereits in Trennung lebt. Die namenlose junge Frau, eine Übersetzerin, bekommt von der ihr feindselig gesinnten Schwiegermutter den Auftrag, aus London, wo sie lebt, nach Griechenland zu fliegen, um den Sohn ausfindig zu machen.

Diese Reise entpuppt sich als eine merkwürdige, dubiose und leicht unheimliche Geschichte.

Frau X, nennen wir sie so, spürt in dem abgelegenen Hotel einer wüsten Landschaft, fünf Autostunden von Athen entfernt, dem Verschwinden ihres Mannes nach. Sie findet heraus, dass eine Hotelangestellte womöglich eine kurze Beziehung zu ihrem Mann Christopher hatte. Er war notorisch untreu, was zur Entfremdung des Paares beigetragen hat. Frau X. wollte ihrem Mann die Scheidung antragen. Doch sie trifft ihn im Hotel nicht an.

Man erfährt einiges über die emotionale Wahrnehmung der jungen Frau. Sie beobachtet und gibt ihre Empfindungen zu dem Beobachteten preis. Dem Pförtner, den Hotelangestellten und dem Taxifahrer gilt ihre besondere Aufmerksamkeit. Doch auch eigene Erinnerungen und die Ehe von Christophers Eltern fließen in ihre Betrachtungen ein.

Die Landschaft in ihrer trockenen Dürre tut ein Übriges, um den Leser zu faszinieren. Als die Dame schon unverrichteter Dinge nach London zurückfliegen will, bekommt sie die Mitteilung, dass ihr Mann tot aufgefunden wurde.

In langen, intensiven Reflexionen folgt man dem inneren Monolog von Frau X. Sie bieten die Möglichkeit, sich die unterschiedlichen Ehe- und Familienstrukturen der beiden Paare vorzustellen und sich Gedanken über den Tod ihres Mannes zu machen. Er wurde vermutlich ermordet.

Eine nüchterne und geheimnisvolle Atmosphäre zeichnet die Erzählung aus.

Sie bietet Einblicke in bizarre, verlogene und teilweise auch drastische Lebensweisen. Jeder/ jede scheint jedem etwas vorzumachen.Vieles im Leben der Protagonisten (oder vielleicht aller Menschen?) deutet auf Rollenspiele hin, die wir betreiben, und auf Sichtweisen, die subjektiv der Realität entgegenstehen. Was aber ist Realität, was Fantasie und Vision?

Nachdenklich und intellektuell werden wir mit dem konfrontiert, was das Leben in seinen Tiefen ausmacht. Die Mischung zwischen einem möglichen Kriminalfall und realer Existenzbetrachtung bringen Spannung in die Geschichte, die man angeregt beiseite legt.

Katie Kitamura lebt als Journalistin und Literaturkritikerin in New York.

Katie Kitamura
Trennung
256 Seiten, gebunden
Carl Hanser Verlag, Januar 2017
ISBN-10: 3446254455
ISBN-13: 978-3446254459
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Susann Pásztor: Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster

Susann Pásztor: Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster

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In dem neuen Roman von Susann Pásztor beobachtet sie einen Sterbehelfer und seinen Sohn bei ihrem Ehrenamt.

Fred, die Hauptperson in diesem Roman, ist geschieden und wirkt traurig. Er ist zugleich ein rührender Vater für seinen Sohn Phil. Dieser ist eine wenig kleinwüchsig, begabt und ruhig in seinem Wesen.

Phil entstammt der Ehe mit Sabine. Fred und sie kannten sich schon aus der Schule. Ihre Beziehung war ein seltsames Gemisch aus Gewohnheit und Überdruss und erschien merkwürdig leer. Als sie sich anderweitig orientiert, findet die Ehe in einer schnellen und friedlichen Scheidung ihr Ende. Ohne viel Aufhebens bleibt Phil bei seinem Vater. Die regelmäßigen Besuche bei seiner Mutter sind für ihn Pflichtbesuche, die er folgsam und ohne Freude absolviert.

Fred hatte sich zum ehrenamtlichen Sterbehelfer ausbilden lassen und betreute seine erste Klientin. Karla ist krebskrank und weiß, dass ihre Lebenszeit begrenzt sein wird.

Mit Fred weiß sie wenig anzufangen. Als Phil ihr beim Scannen ihrer Fotos hilft, erlebt sie in dem kleinen Kerl einen sensiblen, künstlerischen und aufgeweckten kleinen Kerl, der es ihr angetan hat. Er fragt nicht so viel, aber sie spürt, dass er sich in sie einfühlen kann.

Wie immer bei Susann Pásztor kommt in ihren Erzählungen der Humor nicht zu kurz.

Die Beschreibungen der Supervision, an der Fred in Ausübung seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Sterbehelfer teilnehmen muss, wachsen sich zu ironischen kleinen Events aus. Da gibt es den Redestein, den derjenige, der etwas sagen möchte, in die Hand nehmen muss. Die Kommentare und Beispiele zeigen etwas von den charakterlichen Sonderlingen, die sich hier zusammengefunden haben. Fred ist ein unsicherer, nachdenklicher Bedenkenträger, der sich viele Fragen stellt über das, was er hier tut, und ob sein Handeln wohl richtig ist. Es muss nicht erwähnt werden, dass er an einem ausgeprägten Helfersyndrom leidet. So drängelt er ängstlich und etwas schwächlich seine Hilfe förmlich auf, die von der spröden Karla entsprechend abgewiesen wird.

Der dreizehnjährige Phil ist hingegen ein heimlicher Dichter mit Neigung zur Beobachtung und klaren Erkenntnissen über die Welt der Erwachsenen. Karla ist trotz ihrer heftigen Schmerzen voller Selbstironie und grober Ablehnung gegenüber allen falsch bekundeten Mitleidsbezeugungen. Kein Wunder, dass sie Phil am liebsten um sich hat!

Susann Pásztor versteht auf unnachahmliche Weise, Ernst mit Komik zusammenfügen.

Das konnte man schon in ihrem Debütroman “Ein fabelhafter Lügner“ feststellen.

Wie soll man das Leben in schwierigen Phasen auch anders ertragen?

Wie die Autorin Details herausgreift und auf den Punkt bringt ist bemerkenswert. Der feine Humor, der durch die Erzählung blitzt, gibt der Erzählung einen leichten Anstrich und macht die Dramatik von Krankheit und Tod auf erträgliche Weise fassbar.

Sie bietet in ihrem Roman gekonnte Einblicke in das Leben und Sterben der Betroffenen. Ferner lässt sich uns teilnehmen an einer glücklichen Vater-Sohn-Geschichte.

Susann Pásztor ist selber Sterbehelferin. Man kann sich vorstellen, dass sie für diejenigen, die sie betreut, mit ihrem Humor und Witz eine wahre Hilfe ist.

Ein gelungenes kleines Werk liegt hier vor. Es bietet Einblicke und Sichtweisen, die den Leser unterhalten, nicht langweilen und durchaus zum Nachdenken anregen.

Susann Pásztor
Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster
288 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, Februar 2017
ISBN-10: 3462048708
ISBN-13: 978-3462048704
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Zsuzsá Bánk:Schlafen werden wir später

Zsuzsá Bánk:Schlafen werden wir später

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Frauenfreundschaften…

Die Schriftstellerin Márta lebt mit ihrer Familie, Mann und drei kleinen Kindern, In einer Großstadt in Hessen. Ihre Freundin Johanna wohnt im Schwarzwald, bezeichnend von ihr „schwarzer Wald“,  genannt. Sie liebt die Natur, ist Lehrerin, unverheiratet und promoviert schon lange über Annette von Droste-Hülshoff. Beide sind an die 40 Jahre alt.

Márta ist mit ihrer großen Familie anderen Anforderungen ausgesetzt als ihre alleinstehende Freundin, die sich mit ihrem Leben als Lehrerin einrichten musste und schon eine Krebserkrankung und eine zerbrochene Beziehung zu einem Mann hinter sich hat.

Die Frauen stehen in einer überschwänglichen und unverbrüchlichen Freundschaft zueinander. In täglichen Mailkontakten teilen sie einander mit, was sie denken und tun,  woran sie arbeiten, und wie es ihnen ergeht. Es sind gefühlvolle, tiefschürfende und ihr Inneres aufschlüsselnde Befindlichkeiten, über die sie sich austauschen. Dass man als LeserIn daran teilnehmen darf, wirkt fast ein wenig indiskret. Die Briefe sprechen eine eigene Sprache, die von Zuneigung, ja fast Liebe, berichten, und sie sind voller Gefühlsergüsse. Auch die detailreiche Sprache, die alles, was man so beobachten kann, sezierend wiedergibt, ist nicht immer beeindruckend! Wen interessieren die leer gegessenen Müslischalen, das Tirilieren der Vögel oder wie „.. die Sommervögel den Tag bin die Welt schicken“! …..  Diese Art Tagesbeschreibungen füllen einen großen Teil des Werks.

Naturbeschreibungen und Mondscheintage finden ebenso reichlich Erwähnung wie die täglichen Nöte. Obwohl sie in verschiedenen Sphären leben, können sie einander gut verstehen, ermutigen, zuhören und am Leben der jeweils anderen teilnehmen.

Mir selbst wurden die intimen Bekenntnisse leider allmählich zu viel. Es ereignet sich zu wenig, und diese ewigen Ergüsse haben mich genervt. Stimmungen wechseln täglich, und Selbstanklagen und Klagen sind Hauptthema der beiden. Lebt man das richtige Leben? Kann man allen Anforderungen, die man an sich stellt erfüllen? Und können andere die eigenen Erwartungen erfüllen? Die Erzählung wächst sich zu einer Art Lebensbilanz aus.

Einzig interessant ist die Tatsache, dass wohl Frauen zu solcher Art Freundschaften fähig sind, während sich Männerfreundschaften m.E. auf anderem Boden bewegen. Für Frauen bedeuten derartige Freundschaften viel, sind sie doch fast Ersatz für geführte Tagebücher, auf deren Einträge man allerdings keine Antworten bekommt. Insofern erfüllen sie einen wichtigen Lebensbereich zur Reflexion und zu Kommentaren über das tägliche Allerlei.

Das Buch konnte mich  in seiner literarischen Form nicht überzeugen!

Zsuzsá Bánk
Schlafen werden wir später
688 Seiten, gebunden
Verlag: S. FISCHER, Februar 2017
ISBN-10: 3100052242
ISBN-13: 978-3100052247
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Joel Dicker: Die Geschiche der Baltimores

Joel Dicker: Die Geschiche der Baltimores

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Familiengeschichte aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt.

„Ich bin der Schriftsteller……“

So beginnt dieser unvergleichliche Roman von Joel Dicker über eine amerikanische Familie jüdischer Herkunft.

Marcus, der Icherzähler und Schriftsteller im Roman, erzählt seine Familiengeschichte. Sie beginnt 1994 und endet 2012 wird jedoch in wechselnden Jahresphasen erzählt.

Nathan und Saul Goldman sind Brüder. Der eine gehört zum amerikanischen Mittelstand, der andere ist ein reicher Anwalt in Baltimore. In New Jersey leben die „Montclairs“, Saul aber lebt mit seiner Familie in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland in besten Verhältnissen. Beide Familien haben fast gleichaltrige Söhne. Marcus aus „Montclair“ beneidet seinen Vetter Hillel glühend, dessen Herkommen aus dem begüterten Elternhaus ihm so manche Freiheit gewährt. Er ist intelligent aber zart und schmächtig.

Durch diverse Zufälle gerät zu den „Baltimores“ noch ein verlorenes Heimkind Woody, der in der Schule zum Beschützer des zarten Hillel wird.

In einem breit angelegten Epos erzählt uns Joel Dicker die Geschichte der drei Jungen, deren Jugend durch ihre innige Freundschaft zu einer glorreichen und glücklichen Zeit wird. Sie schwören sich ewige Freundschaft.

Familiengeschichten haben ihre eigene Dynamik und immer auch Geheimnisse, die schwer zu entschlüsseln sind.

Äußerlich wirken alle harmonisch miteinander. Sauls Frau Anita ist eine besonders anziehende, gütige und liebevolle Person. Doch unterschwellig gibt es Neid und Eifersucht, die sich durch unausgesprochene Kämpfe und langes Schweigen bemerkbar machen.

Im Aufbau zeigt der Autor in zwei Ebenen, die der Eltern und deren Kindern, wie Menschen aus der unbeschwerten Jugendzeit zu Heranwachsenden werden. Mit Beginn des Studiums und mit der Liebe werden neue Akzente gesetzt. Hier erst zeigen sich die kleinen Eifersüchteleien, die Furcht vor Bevorzugung, der Ehrgeiz und die Konkurrenz, die so manches Erwachsenenleben beschweren. Vieles bleibt zwischen Eltern, Kindern und unter Freunden unausgesprochen. Auf diese Weise erwachsen Misstrauen, Kränkungen und Verletzungen aller Art. Da der Autor im Buch mit Hinweisen auf zukünftige Veränderungen und Katastrophen arbeitet, entsteht eine ungemeine Spannung, die sich steigert. Eltern und Söhne, Nachbarfamilien und mehr oder weniger kleine und große Lieben oder ihr Vergehen begleiten uns während der Erzählung und steigern die Spannung. Es kommt zu vollkommen unerwarteten Ereignissen, die Unglück über die Familien bringen. Dramatisch bis zuletzt gibt es aber auch ein gutes Ende.

Das Leben IST spannend, und Joel Dicker zeigt uns in seiner Geschichte, wie die Wirklichkeit aussehen kann. Es ist, als habe diese Familie wirklich so, wie sie beschrieben wird, gelebt. Obendrein bietet Dicker in seinem Roman Einblicke in amerikanisches Familienleben mit Aufstieg und Fall, Armut oder Reichtum und Niedergang. Dazu die Weite des Landes, in der man schnell von einem Staat in den anderen, von Nord nach Süd oder Osten komm.

Man möchte schließlich das Ende wissen und gleichzeitig soll die Lektüre nie enden!

Für Fans von Familiengeschichten ein MUSS!

Joel Dicker
Die Geschichte der Baltimores
512 Seiten, gebunden
Piper, Mai 2016
ISBN-10: 3492057640
ISBN-13: 978-3492057646
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Hanya Yanagihara: Ein wenig Leben

Hanya Yanagihara: Ein wenig Leben

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Von den dunklen und hellen Seiten des Lebens…

Vier Studenten unterschiedlicher Hautfarbe, Herkunft und Zukunftspläne finden sich in New York zusammen. Sie kennen sich vom College, und man lernt sie nach und nach in ihren sehr verschiedenen Charakteren und Leidenschaften kennen.

Zuerst ist die Erzählung ein sanftes Herantasten an die gegenwärtigen Lebensbedingungen ihrer Protagonisten.

Da ist JB, der Künstler, Malcolm, der Architekt aus reichem Elternhaus, Willem, der Schauspieler werden will und Jude St.Francis, der geheimnisvolle und von heftigen Schmerzattacken gepeinigte letzte in der Runde, der sein Jurastudium beendet hat.

Die vier Freunde befinden sich nach dem Ende ihres Studiums auf der Suche. Es geht ihnen um gute Jobs, die nicht so leicht zu finden sind, um das Leben und den Sinn ihres Tuns, um Ablösung von herkömmlichen Bindungen, um neue Erfahrungen, um Liebe, Sex und Freundschaft! Letztere hält sie zusammen. Sie sprechen viel miteinander. Reich oder arm, weiß oder schwarz spielt die geringste Rolle, obwohl diese Merkmale sicher auch bei der Identitätsfindung von Belang sind.

Ganz allmählich wird der Leser in Bann gezogen von ihrem Lebensdrang, ihren Fragen aneinander, auch von den Alltäglichkeiten wie Umzüge, Wohnungs- oder Jobsuche.

Man begleitet die Jungs durch ihr halbes Leben. Sie sind sehr verschieden von Charakter und Herkunft! Jude trägt offensichtlich ein schweres Schicksal mit sich. Er ist der Geheimnisvolle und mehr und mehr die zentrale Figur, von dem man nur wenig weiß, der sich nie äußert und doch von allen geliebt wird.

Fesselnd und atemberaubend in ihrer Dramatik und von grausamer Düsternis scheint seine  Kindheit überschattet gewesen zu sein.

Was hatte es mit dem Heim oder dem Kloster auf sich? Er fügt sich selber Leiden zu, indem er sich mit Rasierklingen verletzt, um die Vergangenheit und seinen Selbsthass, der aus dieser Vergangenheit resultiert, zu ertragen. Nach außen hin bleibt er verschlossen, liebenswert und liebenswürdig, und jeder bemüht sich, hinter sein Geheimnis zu kommen.

Vorsichtig führt uns die Autorin in die Tiefen der Beziehungen. Hier ist von Hass, menschlicher Destruktivität, von Misstrauen und echter Zuneigung, von Kränkungen, Verstehen und nicht zuletzt von einer tiefen und unverbrüchlichen Freundschaft und homosexuellen Beziehung die Rede.

Als Leser ist man erschlagen von der Wärme der Gefühle und dem Zusammenspiel von Liebe und Freundschaft, von Glück und Verzweiflung. Es ist ein Buch, das einen zum Weinen bringt!

Hanya Yanagihara beschreibt das Amerika, das wir kennen; ein Amerika, von dem so mancher junge Mensch träumen mag. Vom Auf und Ab der Möglichkeiten, von Verlusten, vom Abstand des Kleinen zum Großen, von Chancen und von der schier unbegrenzten Freiheit, die junge Menschen beim Aufbruch ins Leben erhoffen dürfen. Die einen finden ein bescheidenes Glück, und die anderen sind geplagt von Sehnsucht nach der einen wahren und großen Liebe und von der Unerfüllbarkeit erhoffter Lebensträume. Die Wahrheit ist fast immer eine andere!

Hier erleben wir ein Amerika, das es heute nicht mehr gibt! Fast setzt der Roman einen Schlusspunkt unter das freie, liberale Vielvölkerstaatengemisch, das in den Vorstellungen der westlichen Welt die wahre Freiheit Amerikas verkörperte.

Bis zur letzten Seite kann man sich von den Geschehnissen nicht lösen. Der Roman wird vermutlich den Literaturbetrieb in diesem Frühjahr heftig beschäftigen!

Hanya Yanagihara
Ein wenig Leben
960 Seiten, gebunden
Hanser Berlin, Januar 2017)
ISBN-10: 3446254714
ISBN-13: 978-3446254718
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Jean-Luc Seigle: ich schreibe Ihnen im Dunkeln

Jean-Luc Seigle: ich schreibe Ihnen im Dunkeln

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In einer subtilen Missbrauchsgeschichte zeigt uns Jean-Luc Seigle, welche Auswüchse der Krieg verursachen kann.

Zu Beginn des vorliegenden Romans erleben wir eine junge Frau in Marokko. Sie hat ein nettes Haus und verkehrt mit einer Schar junger Leute. Eines Tages spricht man über einen aufsehenerregenden Film, in dem Brigitte Bardot die Rolle einer jungen Frau verkörpert.

Niemand weiß, dass die Geschichte auf einer wahren Begebenheit basiert, die das Leben der jungen Frau darstellt.

Von der ersten Seite an wird man in den Sog einer Geschichte hineingezogen, die im Vorwort zunächst als wahre Geschichte wie eine sachliche Nachricht abgehandelt wird. Dann erst beginnt die romanhafte Darstellung, die in ihrer Feinheit der Beobachtung und im Ablauf der Geschehnisse eine spannende Liebes-und Lebensgeschichte lebendig werden lässt.

In Rückblenden und Gegenwartsbetrachtungen schält sich die Geschichte als trauriges Schicksal heraus.

Es geht um die Liebe einer jungen Französin zu einem Deutschen während des Zweiten Weltkriegs.

Die Folgen nach dem Krieg für Frauen und Mädchen, die sich mit deutschen Besatzern eingelassen hatten, waren hart und grausam. Angehörige der Resistance rächten sich auf bittere Weise an ihnen.

Auch Pauline entging diesem Schicksal nicht.

Pauline ist intelligent und studiert nach dem Krieg Medizin. Sie hat einen Verlobten, den sie innig liebt.

In poetischen Bildern und realistischen Darstellungen folgt für die junge Frau jedoch wie nach einem geheimen Plan ein Drama dem anderen. Ihr Verlobter sagt sich von ihr los, als er von ihrer Vorgeschichte hört, in der sie als Deutschenflittchen bestraft und gefoltert worden war, und sie rächt sich an ihm. Dafür sitzt sie lange Jahre im Gefängnis und lässt sich schließlich unter dem Vornamen ihres Vaters Andrée in Marokko nieder.

Jean-Luc Seigle versetzt sich emotional tief nachvollziehbar in ein Frauenschicksal, wie es ihrer ­sicher viele gab. Hass, Krieg, Grausamkeit, Folter und Schikane in dieser Art sind im Fall von Pauline verflochten mit dem besonderen Fall einer Familiengeschichte. Zwei Brüder sind im Krieg gefallen, und der Vater hatte nur einen Wunsch: seine Frau aus ihrem Trauerzustand zu befreien. Dazu ist ihm Paulines Verwandlung aus dem sehr jungen Mädchen in eine junge Frau gerade recht. Sie spielt das Spiel mit und kommt früh in Versuchung, sich mit Männern einzulassen. Sie ist begehrenswert und kann bei den Deutschen allerlei Nahrungsmittel hamstern, die der Mutter, die für ihr Leben gerne kocht, neuen Lebensmut geben soll. Man spürt bei Pauline eine tiefe Sehnsucht nach Liebe. Nach den Erfahrungen des Krieges träumt sie ständig von neuem Glück, weiß aber inzwischen, dass ihre persönliche Geschichte diesem Glück im Wege steht. Schließlich bringt sie ihre Erfahrungen in Form eines Briefes zu Papier. Ihre Sehnsucht nach einer erfüllenden Liebe zerbricht unweigerlich immer wieder an den Erlebnissen ihrer Vergangenheit. Männer verzeihen ihr diese nicht.

Es ist sehr traurig und anrührend, wie Frauen in Krieg zu Opfern der schieren Wut, Obsession und der Männergewalt werden können. In diesem Fall ist die Geschichte besonders infam, als auch der Vater das Kind für seine Zwecke missbraucht. Bis heute noch kann man in den Nachrichten aus aller Welt hören, dass Frauen zur Waffe der Gewalt in den Händen von Männerhass werden. Sie können sich nicht wehren, weil die Phalanx der Männergewalt so viel stärker ist.

Man ist umso tiefer berührt, da die ganze Geschichte auf einer wahren Begebenheit beruht.

Mit leisen Tönen der Angst und Not seiner Protagonistin folgend berichtet Seigle von dem Innenleben seiner Heldin, die sensibel ist und immer wieder scheitert.

Jean-Luc Seigle
Ich schreibe Ihnen im Dunkeln
207 Seiten, gebunden
C.H.Beck; Auflage, Januar 2017
ISBN-10: 3406697186
ISBN-13: 978-3406697180
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Thomas C. Boyle: Die Terranauten

Thomas C. Boyle: Die Terranauten

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Big Brother trifft auf das in Südengland beheimatete Eden Project gemischt mit Desparate Housewifes, so könnte man das Thema des Buches kurz zusammenfassen. Vier Frauen und vier Männer werden für zwei Jahre in ein geschlossenes Ökosystem unter einer riesigen Glaskuppel eingesperrt. Sie leben experimentell in einem Terrarium. Die Abgeschlossenheit und das Gefängnishafte gleicht einer Raumstation. So bauen sich Beziehungen auf, aber auch Konflikte.

Boyle hat einen passenden Erzählstil für diese Geschichte, die Anfang der neunziger Jahre handelt, gefunden. Er lässt verschiedene drei Protagonisten in verschiedenen Phasen des Projektes erzählen: vor dem Einschluss in das Terrarium genannt E2 (Ecosphere 2), im ersten Jahr drinnen, im zweiten Jahr drinnen und nachdem sie das E2 verlassen haben. Wie in einem Tagebuch berichten diese Protagonisten, es sind Dawn und Ramsay von innerhalb und Linda, Crewmitglied außerhalb E2, die sich in ihren Erzählungen direkt dem Leser zuwenden und ihn ansprechen mit Sätzen wie: “Glauben Sie nur nicht, dass wir darüber nicht auch nachgedacht haben.“ Das schafft eine Nähe zu diesen Erzählern und lässt das Projekt wie eine Dokumentation wirken. Außerdem lernt man auf diese Weise nicht nur die Erzähler kennen, wie sie ticken, warum sie an dem Experiment teilnehmen, was ihre Motive sind. Der Leser lernt auch die übrigen Teilnehmern der Crew aus den Berichten der Drei kennen. Sowohl denen, die drinnen sind als auch denen, die von draußen das Projekt betreuen. So zeichnet Boyle einen Extrakt der menschlichen Gesellschaft mit allen Schattierungen. Die Leser können sich also auf ausgefeilte Charakterstudien unterschiedlichster Figuren freuen, wie der Boyle-Kenner von diesem Autor gewohnt sein dürfte.

Doch es gibt eine Nachlässigkeit, die mir in diesem Roman nicht ganz so zugesagt hat. Hauptsächlich in der ersten Hälfte gibt es lange, ermüdende Strecken, in denen der Autor bemüht ist, sein bei den Recherchen erworbenes Wissen weiterzugeben. Das ist zwar verständlich, aber hätte nicht sein müssen. Eingebunden in den Kontext zur Erklärung des Lebens in einer abgeschlossenen Ökosphäre, ist dies meines Erachtens etwas zu viel des Guten. So erfährt der Leser zum Beispiel was eine hypothalamische Amenorrhoer ist oder was es mit dem Chadwick-Indikator auf sich hat. In seiner Fülle ausgebreitetes Wissen, was nicht zum Fortgang der Geschichte beiträgt.

Ich kann aber beruhigen, denn in der zweiten Hälfte des Buches wendet sich das Blatt. Denn T. C. Boyle ist bekanntermaßen ein Meister des Showdowns, ein Meister der Zuspitzung. So verwundert es nicht, dass das Buch ab da so richtig Fahrt aufnimmt. Die Konflikte spitzen sich zu und scheinen auf eine Katastrophe zuzulaufen. Ausreichend Fäden und Konflikte wurden zuvor gelegt, die den Roman nun zu einem Pagerturner werden lassen.

Besonders hervorzuheben ist die Übersetzung durch Dirk van Gunsteren, der nach einer adäquaten Sprache im Deutschen gesucht und für mich auch gefunden hat. So fließt an passenden Stellen typisch deutsche Umgangssprache ein, wo im amerikanischen Original amerikanische Umgangssprache vorgelegt wird. Dadurch macht das Buch besonderen Spaß.

Wer die langen, belehrenden Phasen in der ersten Hälfte des Romans übersteht bzw. überspringt, der wird am Ende einen höchst spannenden Roman mit sehr viel Konfliktpotenzial genießen können. Das Thema gibt es allemale her und wurde offenbar noch nicht abschließend behandelt.

Thomas C. Boyle
Die Terranauten
Aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren
Hanser Verlag, München
ISBN 9783446253865

© Detlef Knut, Düsseldorf 2017
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