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Kategorie: Belletristik

Shida Bazyar: Nachts ist es leise in Teheran

Shida Bazyar: Nachts ist es leise in Teheran

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Verlassene Heimat.

1979 wurde der Schah von Persien aus Teheran vertrieben, und durch eine Revolution, die vom Volke aus ging, gelangten die Mullahs an die Macht. Doch alle Hoffnungen auf Freiheit zerschlugen sich im Terror unter der neuen Herrschaft. Viele Freiheitskämpfer sahen sich zur Flucht aus dem Land gezwungen. Hier setzt der Roman von Shida Bazyar ein: ihr Held Behsad, dem Kommunismus verbunden, flieht und mit ihm seine geliebte Frau Nahid. In Deutschland leben sie und verfolgen von hier aus die Entwicklung in ihrem Orientgeknechteten Land. Behsad ist nach eigenem Bekunden Atheist. Menschen mit dieser Denkungsart können in einem Gottesstaat nicht leben, da sie sich damit der Verfolgung und dem Tod aussetzen.

1989 erleben wir Behsad mit seiner Frau und mehreren Kindern in Deutschland wieder. Hier ist man frei, hier darf man Brecht und andere linke Autoren lesen.

Über die Kinderbücher von Erich Kästner lernt man Deutsch und erfährt etwas über das Land, das ein Nazireich hervorgebracht hat.

Geheimnisvoll und in Andeutungen verläuft die Erzählung, die zu Beginn den Zauber des Orients atmet. In Deutschland erwarten die Flüchtlinge andere Sitten und eine andere Kultur. Sie trennt die Familie von den Gebräuchen ihrer Heimat. Behsad und Nahid gehören zu den ersten Emigranten, die ihr Land, das sie lieben, verlassen und in Deutschland ihr Heil suchen. Zurück ließen sie ihren guten Freund Peyman, von dem sie hinfort nur gelegentlich Nachrichten aus der Heimat erhalten.

Die Erzählung verläuft durch geringe Absätze und wenige direkte Reden in einer fast monotonen Weise. Vielleicht aber löst gerade diese Erzählweise Neugierde aus, denn sie unterstreicht die unterschiedliche Denkweise in Religion und Lebensweise der Völker des Orients von denen des Okzidents.

Behsad schaut genau hin und meint, etwas über den Kapitalismus zu lernen. Doch hier gibt es arm und reich, ohne dass die Rechte des Einzelnen eingeschränkt werden.

In Zehnjahresabschnitte wird aus den Augen der Kinder von Behsad und Nahid ein Bild aus dem Leben der Emigration gezeichnet. Die Kinder sind nach und nach assimilierte Deutsche geworden. Die Bindung an die Heimat ist zuletzt nur noch Erinnerung mit einer stillen Sehnsucht nach dem Land ihrer Väter.

Das Buch liest sich nicht leicht, weil die Zeitebenen zuweilen wechseln. Allerdings bekommt man einen Eindruck vom Leben in der Fremde. Kulturen wachsen in ihren eigenen Lebensräumen, und sie zu wechseln bedeutet Verlust, Sehnsucht und Heimweh. Politische Verhältnisse erfordern Anpassungen, die häufig gegen das eigene Gewissen stehen.

Shida Bazyar hat sicher persische Wurzeln, lebt aber schon lange in Deutschland, wo sie auch geboren wurde.

Ihr Buch bietet gerade unter den gegenwärtigen politischen Verwerfungen in Nahost und West einen emotional gewichtigen Beitrag zum Verständnis kultureller, politischer und religiöser Völkerdifferenzen.

Es ist ein eindrucksvolles Buch, das doch eine gewisse Fremdheit im Aufbau und Ausdruck vermittelt.

Shida Bazyar
Nachts ist es leise in Teheran
288 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, Februar 2016
ISBN-10: 3462048910
ISBN-13: 978-3462048919
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SOS – Liebe kann schwimmen (Buchvorstellung)

SOS – Liebe kann schwimmen (Buchvorstellung)

Im Rahmen des FeuerWerke Verlags erscheinen ausgewählte Romane aus Leselupe-Kreisen als Taschenbuch und eBook. Den sechsten Roman möchten wir Ihnen hier vorstellen:

Den neue Garantiert-Gute-Laune-Liebesroman der Top 10 Bestseller-Autorin Emma Lots
Mia hat von den Kuppelversuchen ihrer Freundinnen die Nase gestrichen voll. In einer Nacht- und Nebelaktion bucht sie eine Single-Kreuzfahrt durchs Mittelmeer, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Ohne sich vorab groß über diese Art von Reisen zu informieren, tritt sie die Kreuzfahrt an und erfährt vor Ort, dass sie sich die Kabine mit einer weiteren Teilnehmerin teilen muss. Nina, Ihre Zimmergenossin, erfüllt komplett das Klischee – Frisöse, blond, einfältig und anstrengend. Zudem macht es den Anschein, als sei das Ganze mehr eine wilde Party-Veranstaltung als ein seriöser Singletreff. Noch bevor die Reise richtig begonnen hat, würde sich Mia am liebsten über die Reling stürzen und zurückschwimmen. Doch die Reise ist bezahlt, Mia auf dem Schiff und so fügt sie sich ihrem Schicksal und versucht das Beste daraus zu machen.
Um die Annäherung zwischen den Singles zu erleichtern, hat sich der Veranstalter etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Jeder Teilnehmer erhält eine Anstecknummer sowie einen Pager, mit dem er Nachrichten an die Nummer des oder der Auserwählten senden kann. Mia ist weder von dieser Durchnummerierung, noch von den sexistischen Spielen des Veranstalters begeistert – auch kann sie das Verhalten von Nina, ihrer Zimmergenossin, nicht nachvollziehen. Die feiert nämlich begeistert mit, knutscht und kann ihrerseits die missmutige Mia nicht verstehen.
Auch ein Kamerateam befindet sich an Board, welches eine Dokumentation über die Single-Kreuzfahrt dreht. Als mehr oder weniger unfreiwillige Darstellerin, bekommt Mia sogar die Möglichkeit, bei dieser Doku mitzuwirken – allerdings entpuppt sich der Regisseur als Vollidiot und Mias Karriere als aufgehender Stern scheint damit auch schon wieder im Meer versunken.
Nina – mit der sich Mia von Tag zu Tag mehr anfreundet – beschließt, Mia endlich den Spaß an der Reise zu vermitteln, und die beiden gehen abends zusammen auf eine Bord-Party. Und endlich beginnt auch Mia etwas aufzutauen…
Am nächsten Tag erhält Mia Nachrichten, von einer ihr unbekannten Nummer. Erst interessieren sie die kleinen Botschaften nicht, da sie diese einem unangenehmen Passagier zuordnet, doch dem gehört die Nummer nicht. Aber wem dann? Der Unbekannte schreibt Mia immer wieder an, ohne jedoch um ein Treffen zu bitten. Mias Neugier wird geweckt, da ihr seine Art und Weise zu schreiben immer besser gefällt. Der Kontakt wird immer intensiver, ohne aber konkreter zu werden. Bis Nina – genervt von dem Getue – sich Mias Pager schnappt und dem Unbekannten eine Ansage schickt. Das Ergebnis ist ein anderes, als erhofft. Wird Mia ihren Traumprinzen finden…?

Titel: “SOS – Liebe kann schwimmen”
Autor: Emma Lots
Genre: Humorvoller Liebesroman
Verlag: FeuerWerke Verlag
Jahr: 2016
ISBN eBook: 978-3-945362-16-7
ISBN Taschenbuch: 978-3-945362-17-4
Leseprobe: PDF
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David Grossman: Kommt ein Pferd in die Bar

David Grossman: Kommt ein Pferd in die Bar

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Außergewöhnliche Schicksalsverarbeitung…

Der Titel zu diesem sehr anspruchsvollen Roman ist einem jüdischen Witz entnommen. Auf ihn soll hier nicht näher eingegangen werden.

Auf die Bühne eines Theaters in der kleinen Stadt Netanja in Israel kommt koboldhaft ein kleiner Mann gesprungen: Dovele Grinstein. Wie alt mag er sein? Er beginnt sofort einen Dialog mit dem Publikum. Da seine Einlassungen sehr unvermittelt kommen, ist der Leser zunächst frappiert und ratlos, was uns der Schriftsteller mit seinem Text sagen will.

Zu den Zuschauern hat Dovele einen alten Freund aus Kindertagen eingeladen: einen pensionierten hohen Richter, dessen Urteile ihn immer wieder fasziniert hatten. In den irrwitzigen Vorführungen des kleinen Komödianten erkennt der Richter das eine oder andere Mal seinen alten Freund wieder. Doch worum geht es bei diesem Wiedersehen?

Der Kobold bittet ihn, ihn zu „erkennen“ oder auch das zu sehen, was man nicht aussprechen kann. Ist das nicht eine fast biblische Metapher? Sich „erkennen“ bedeutet hier, den wahren Kern des anderen zu sehen.

In irrwitziger Weise reißt der Komödiant das Publikum mit. Seine Ausbrüche in Gestalt von Witzen und langen Reden gemahnen in ihrer Form an eine Art Katharsis. Zwischen Komik und Trauer, zwischen Verzweiflung und Aufruhr erfährt man mehr über die israelische Gesellschaft und Doveles eigenes Schicksal, als man erwartet hat. Kein lustiger Comedy – Abend wird dem Zuschauer geboten, sondern ein Abend über tiefe Wunden, die durch die Shoah verursacht wurden.

Durch die Erzählung hindurch schwingt der Versuch mit, auf komödienhafte Weise dem täglichen Ernst des eigenen Schicksals zu entkommen. Der Roman stimmt traurig und melancholisch. Nichts ist wirklich komisch, denn es handelt sich hier um das Schicksal von Dovele und von dem der Juden nach dem letzten Weltkrieg.

In zahlreichen Episoden erfährt man von Dovele, wie sein Leben verlaufen ist; was ihn erschüttert hat und was ihm unerklärlich geblieben ist, und wo er vermeintlich Schuld auf sich geladen hat.

Die Form eines pausenlosen Monologs und Dialogs ohne besonderen Handelsstrang macht die Lektüre zu einer nicht leicht zu bewältigenden Hürde. Man muss sich dem Gesang des Augenblicks überlassen, um das ganze Geschehen zu erfassen.

David Gossmann ist ein außergewöhnlicher Schriftsteller, dessen sensible und feinfühlige emotionale Wahrnehmung menschlichen Seins schon in seinem Buch „Eine Frau flieht vor einer Nachricht“ ergreifend war. Hier gelingt ihm das wieder auf besondere Art und Weise.

David Grossman
Kommt ein Pferd in die Bar
256 Seiten, gebunden
Carl Hanser Verlag, Februar 2016
ISBN-10: 3446250506
ISBN-13: 978-3446250505
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Val McDermid: Northanger Abbey

Val McDermid: Northanger Abbey

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Die schottische Thrillerautorin Val McDermid hat sich auf ein ganz besonderes Experiment eingelassen und einen Liebesroman geschrieben. Das Genre ist schon ungewöhnlich genug, aber noch ungewöhnlicher ist die Tatsache, dass sie einen bestehenden Roman der großen Schriftstellerin Jane Austen in die heute Zeit transformiert hat. Sie hat sich Northanger Abbey vorgenommen und neu geschrieben. Dabei aber das 19. Jh. gegen das 21. Jh. ausgetauscht. Herausgekommen ist ein sehr frisch wirkender jugendlicher Liebesroman, der immer noch genügend Auskunft über das gesellschaftliche Gebaren der britischen Bevölkerungsschichten gibt. Das Projekt ließe sich auch als „Val McDermid feat. Jane Austen“ nicht besser beschreiben, um es mit heutigen Worten zu sagen.

Catherine Morland, genannt Cat, 17 Jahre, Tochter ens Pfarrers in Dorset, jüngere Schwester von James, lebt in ihrer kleinen, liebevollen Familie. Sie ist das, was heute als Bücherjunkie bezeichnet wird. Sie verschlingt Bücher und lebt auch in ihren Tagträumen in den Geschichten, die sie liest. Vorrangig sind das momentan Vampirromane. Ihre Tagträume lassen die reale Welt mit der virtuellen Welt verschmelzen. Eines Tages wird sie von den Nachbarn, einem freundlichen kinderlosen Ehepaar namens Allen, zu einem Buchfestival nach Edinburgh eingeladen. Mr Allen fährt seit vielen Jahren jedes Jahr teils geschäftlich dort hin. Dieses Jahr fährt seine Gattin mit und denkt mit der Nachbarstochter Cat an eine nette Begleitung. Cat nimmt die Einladung natürlich an, schließlich kann das nur ein großes Abenteuer werden. Etwas anderes als ein Abenteuer erwartet sie eh nicht vom Leben. Genauso wie in den Geschichten. Cat gewinnt in Edinburgh neue Freunde, lernt neue Menschen kennen und besonders die Familie Tilney, denen das Anwesen Northanger Abbey gehört, welches etwas außerhalb Edinburghs liegt. Die Tilneys laden Cat dann ihrerseits nach Northanger Abbey ein. Dort muss sie in den alten Gemäuern mit verschlossenen Türen, Gängen und Treppen feststellen, dass irgendetwas mit dieser Familie nicht zu stimmen scheint. Der Tod deren Mutter vor wenigen Jahren erscheint ihr besonders mysteriös.

Val McDermid hat den Stoff von Jane Austen hervorragend umgesetzt und auch die deutsche Übersetzung hat das gängige moderne Vokabular, um der Geschichte einen frischen Anstrich zu geben. SMS, Facebook, Twitter gehören genauso dazu wie aktuelle Buch- und Musiktitel. Die weiblichen Figuren stehen voll im heutigen Leben und lassen nichts vom generösen Staub des 19. Jh., wie es zwangsläufig im Original erscheint, spüren. Gerne bin ich Cat gefolgt, wie sie ihren Weg ins Leben findet und zu dem Schluss gelangt, dass das reale Leben nicht das ihrer Romanhelden ist.

Eine hinreißende, moderne Liebesgeschichte nicht nur für Jugendliche.

McDermid, Val
Northanger Abbey
Aus dem Englischen von Doris Styron
HarperCollins, Berlin
ISBN 9783959670180

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016

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Verschwunden

Verschwunden

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Ein stiller Ort am Meer in Irland: Galway an der Atlantik Küste.

Eine Mutter verbringt hier ihren ersten Weihnachtsurlaub alleine mit dem Sohn Tomas. Der Vater hat sie verlassen.

In sehr stimmungsvollen Bildern wird uns die Ruhe, der Geruch des Meeres, Sturm und das Tosen der Brandung nähergebracht.

Tomas bekommt einen Neoprenanzug zu Weihnachten. Er liebt es, im Meer zu sein. Mit seinen 13 Jahren ist er schon kräftig. Aber er ist auch unfügsam und ungebärdig. Außerdem ist er gehörlos.

Man erfährt noch, dass er ein russisches Kind war, das Rebecca und ihr Mann eines Tages adoptiert haben.

Am Morgen nach dem Fest ist Tomas verschwunden.

In dieser wilden, herben Landschaft ist man den Gezeiten ausgesetzt wie nirgendwo.

Colum McCann kann sehr aufwühlend und sensibel von dem Beisammensein von Mutter und Kind berichten.

Konnte Rebecca keine eigenen Kinder haben? Warum hat sie sich ausgerechnet dieses damals sechsjährige Kind in Russland ausgesucht?

Man weiß es nicht. Nur so viel: sie liebt diesen angenommenen Sohn sehr und ist fassungslos, als er nun plötzlich nicht mehr auffindbar ist.

Die poetisch und fein beschriebenen Vorgänge lassen einen gar nicht los. Sie erzeugen unter der ruhigen Oberfläche eine unterschwellig wahrnehmbare Spannung, die einen ganz in Bann zieht. Vor allem meint man immer wieder den aufgerissenen Himmel und die raue Luft zu spüren, die mit den tragischen Ereignissen um Mutter und Sohn korrespondieren.

Diese kurze aber feine Erzählung liest sich leicht und schnell und eindrucksvoll. Sie eignet sich bestens auch als kleines Geschenk für diverse Gelegenheiten.

Nikolaus Hansen, der Herausgeber dieser kleinen netten Reihe Edition Kattegat im Dörlemann Verlag fügt der Erzählung noch einige Eindrücke im Zusammensein mit Colum McCann an. Sie erhellen den Blick auf einen außergewöhnlichen Autor.
Er fügt wunderbar feinfühlig Realismus mit Fiktion zusammen.

Colum McCann wurde in Dublin geboren und lebt heute mit Frau und Kindern in New York.

Colum McCann
Verschwunden
112 Seiten, gebunden
Dörlemann, Januar 2016
ISBN-10: 3038200301
ISBN-13: 978-3038200307
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Lynne Schwartz: Für immer ist ganz schön lang

Lynne Schwartz: Für immer ist ganz schön lang

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Über das Auf und Ab in der Liebe…

Oh ja, eine Ehe kann einem ganz schön zu schaffen machen!

Lynne Schwartz, ich muss bekennen, dass ich die Autorin noch nicht kannte, hat einen wunderbaren Roman über ein Paar geschrieben, das es sich nicht leicht gemacht hat mit dem Zusammenleben.

Ivan und Caroline sind Akademiker, leben und arbeiten an einer Universität in Boston und konnten sich nur schwer auf eine feste Bindung einlassen. Ihre Berufe erfüllen sie beide sehr. Sie ist Mathematikerin, und er ist Kunstsachverständiger. Ein Kinderwunsch stellte sich erst nach Jahren und dann sehr heftig bei Caroline ein. Es war zunächst schwer, zur Erfüllung dieses Wunsches zu gelangen.

Kinder verändern das Leben. Das kann man bei diesen beiden charaktervollen Menschen sehr deutlich erfahren. Die beiden bekommen in langen Jahren Abstand zwei Töchter. Erst jetzt beginnt die wahre Herausforderung für ihre Liebe. Sie müssen Beruf, Familie und Interessen unter einen Hut bringen.

Lynne Schwartz zeichnet zwei Liebende, die immer wieder Zeiten der inneren Trennung durchleben. Zwischen Zuneigung und Entfremdung vergehen die Jahre. Nach zwanzig Jahren ist dann ein Tiefpunkt erreicht, aus dem fast kein Entrinnen möglich scheint.

Wie dieses Paar das Leben zu zweit meistert, wie sehr sie sich lieben und doch auch in Gegnerschaft aneinander geraten, das ist grandios beobachtet und fesselnd beschrieben. Man liest das Buch mit wachsender Spannung und erlebt eine Biographie, die der Wirklichkeit abgeschaut zu sein scheint. Als das Paar später in New York lebt, bietet sich genug Anschauungsmaterial, um sich ein Bild von ihrem Alltag zu machen. Im Zentrum der Erzählung stehen immer wieder die Liebe, die Zweifel an der Dauer einer Liebe, das Durchhalten in belastenden Situationen, der gemeinsame Kampf um den Erhalt ihrer Zusammengehörigkeit und das Älterwerden.

Das Buch ist ein gelungenes Meisterwerk, das alle Wünsche nach anspruchsvoller Unterhaltung erfüllt. Empfehlungen von Raymond Carver und Joyce Carol Oates bürgen für literarische Glanzleistungen.

Der Roman von Lynne Schwartz ist bereits 1980 in Amerika publiziert worden und liegt jetzt in einer Neuübersetzung in Deutsch von Ursula Maria Mössner in Verlag Kein & Aber vor.

Lynne Schwartz
Für immer ist ganz schön lang
256 Seiten, gebunden
Kein & Aber, September 2015
ISBN-10: 3036957251
ISBN-13: 978-3036957258
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Jennifer Niven: All die verdammt perfekten Tage

Jennifer Niven: All die verdammt perfekten Tage

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Finch steht auf dem Glockenturm seiner Schule und überlegt, ob es wohl einen besten Tag zum Sterben gibt. Er hat die Diagnose erhalten, dass er unaufhaltbar sterben wird. Warum dann nicht jetzt? Vielleicht ist heute doch der beste Tag dazu, denkt er. Warum sollte er dem Tod die Auswahl des Zeitpunktes überlassen? Doch dann erblickt er auf dem Mauersimms des Turms Violet. Sie schaut ihm in die Augen und scheint ihn anzuflehen, nicht zu springen… Aber Finch ist sich gar nicht so sicher, ob sie nicht vielleicht selbst springen würde. Die Situation ist mehr als verfahren. Zudem scheint Violet Angst vor einem Sturz zu haben. Indem Finch Violet for einem Absturz schützt, schützt sie ihn vor seinem Selbstmord.
Im zweiten Kapitel erfährt der Leser etwas mehr über Violet, die vor einigen Monaten ihre Schwester bei einem Unfall verloren hat, an dem sie sich selbst die Schuld gibt. Außerdem war ihre Schwester zugleich ihre beste Freundin, was den Schmerz besonders tief macht. Violet ist deshalb in Therapie.
In abwechselnden Kapiteln, die jeweils aus der Sicht von Finch oder Violet erzählt werden, erlebt der Leser, wie sich beide behutsam näherkommen und welche Möglichkeiten sie erfahren, ihre Schicksale nicht ihr alltägliches Leben bestimmen zu lassen. Es steuert alles auf eine anrührende Liebe zu. Als beide für den Leser längst sichtbar ineinander verliebt sind, sprechen sie selbst nur von Freundschaft. Als sie von ihrer Liebe ahnen, sprechen sie in Gegenwart ihrer Klassenkameraden und Eltern von Freundschaft.

Jennifer Niven hat die Geschichte aufgebaut wie ein großes Puzzle. Viele Kapitel (deren Überschriften wie eine Tagebuchnotiz wirken), besonders die kleineren, erscheinen wie detaillierte Beobachtungen des ganz normalen Alltags von Jugendlichen. Gespräche über den ersten Kuss, die gestrige Party. Diese kleinen Details wirken banal. Sie sind es aber angesichts des tragischen Hintergrundes der Schicksale der beiden Protagonisten mitnichten. Sie zeigen, dass das normale Leben weitergeht. Dass es selbst vor der Liebe kein Entrinnen gibt, selbst, wenn ein großes Unheil droht. Die Komposition all dieser Einzelheiten zu einem komplexen Bild einer herzlichen Beziehung zweier junger Menschen macht dieses Buch zu einem wahren Stück Literatur. Doch leider nicht bis zum Ende des Buches. Das ist sehr schade. Die Auflösung der Geschichte erfolgt viel zu früh. Alles, was danach kommt, ist nicht mehr spannend und liegt an der Grenze zum Sachbuch. Auch anschließende Adressen zu Selbsthilfegruppen von selbstmordgefährdeten Jugendlichen verstärkt diesen Eindruck. Das wertet den Roman leider ab, der ohne diesen Schluss ein sehr, sehr starker Roman hätte sein können. Doch den erhobenen Zeigefinger ignorierend darf sich der Leser auf eine wunderschöne und unterhaltsame Geschichte freuen.

Niven, Jennifer
All die verdammt perfekten Tage
aus dem Amerikanischen von Alexandra Ernst
Limes Verlag, München
ISBN: 9783809026570

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Truman Capote: Wo die Welt anfängt

Truman Capote: Wo die Welt anfängt

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Erzählungen können niemals eine ganze Lebensgeschichte enthüllen. Immer geht es nur um Episoden aus dem Leben einzelner.

Diese spät entdeckten Erzählungen aus jugendlichen Jahren von Truman Capote erfüllen alle Kriterien von gut erzählten kurzen Lebensabrissen. Es ist ein kurzes aber inhaltsreiches Bändchen nur.

Mit kraftvoller Sprache und großer Intensität erzählt Capote die skurrilsten und drolligsten Geschichten. Einmal makaber, dann wieder tragisch und geheimnisvoll begegnet man zwei alten Damen, die über den Freitod eines Mannes sprechen. Dann wieder malen sie sich aus, wie man gekonnt und unauffällig jemanden um die Ecke bringen könnte, der einem im Wege ist. Auch ein Mord passiert, vor dem einen graust. Die Geschichten zeigen Fantasien, die von tiefen Gedanken des Abseits getragen sind.

Der kleine Junge, der sich einen Hund wünscht, der ungewöhnliche Tod eines anderen, seltsame Kindheitsfantasien und traurige Lebenserfahrungen: alle zusammen ergeben Blitzlichter aus dem gewöhnlichen Leben, die uns erschauern lassen. Sie sind von poetischer Sprachgewandtheit, lebendig, vielfarbig und originell.

Die Erzählungen schreiten munter fort und bieten leicht überzogen ein buntes Kaleidoskop menschlicher Begebenheiten.

Eine jede Erzählung bietet einen anderen Grundton, doch bleibt die Erzählkunst Truman Capotes unverwechselbar in jeder seiner Geschichten spürbar. Er weiß Stimmungen und Landschaftsbilder gekonnt einzufangen, so dass man sich hautnah am Geschehen fühlt.

Die Geschichten stimmen einen nachdenklich und lassen darauf schließen, dass Capote frühzeitig eine intensive Beobachtungsgabe entwickelt und eigene sehnsuchtsvolle Lebenserfahrungen gemacht hat, die ihn zu einem Ausnahmeschriftsteller werden ließen.

Truman Capote
Wo die Welt anfängt
160 Seiten, gebunden
Kein & Aber, 2. Auflage, November 2015
ISBN-10: 3036957316
ISBN-13: 978-3036957319
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Petra Durst-Benning: Kräuter der Provinz

Petra Durst-Benning: Kräuter der Provinz

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Petra Durst-Benning hat mit dem vorliegenden Roman ihren ersten Gegenwartsroman veröffentlicht. Nach überragenden Erfolgen mit historischen Romanen hat sie sich in ein anderes Genre gewagt. Auch dies erfolgreich, wie ich finde. Denn auch in dieser Geschichte geht es um Frauen, Frauen, die ihr Leben auf den Kopf stellen wollen oder müssen, Frauen, die sich durchsetzen, und am Ende ihr Glück finden … oder auch nicht.

Therese hat in ihrem Heimatdorf Maierhofen im Allgäu einen Landgasthof zum Erfolg gebracht. Als Bürgermeisterin möchte sie solch einen Erfolg auch für das Dorf schaffen. Es gibt nur ein Hindernis: Eine Diagnose „Krebs“ liegt ihr im Nacken und lässt sie immer häufiger den Optimismus verlieren. Durch Zufall wird sie an ihre Cousine Greta erinnert, die sie seit ihrer Kindheit nie wieder getroffen hatte und die eine erfolgreiche Werbefachfrau geworden ist. Das bringt sie auf die Idee, Greta in das beschauliche Maierhofen zu holen und auf fachfrauliche Hilfe bezüglich des Dorfes zu hoffen. Greta, der gerade in der Agentur, in der sie arbeitet, eine viel jüngere neue Werbefrau an die Seite gestellt wurde, verliert die Lust an der Arbeit für diese Agentur. Aber ebenso wenig kann sie sich zunächst eine Kampagne für ein Dorf vorstellen. Sie ist ausgebrannt. Doch sie greift die Idee einer Auszeit und eines kleinen Checkups in dem Allgäu-Dorf ihrer Kindheit auf. Als ihre Ideen für eine Kampagne Gestalt annehmen, wird sie zusätzlich von Thereses Freundin Christine, der Frau des örtlichen Autohändlers und von Beruf Hausfrau, unterstützt.

Petra Durst-Benning zeigt mit diesem spannenden Roman Wege auf, um sich von persönlichen Tiefschlägen nicht in die Knie zwingen zu lassen. Sie will Mut machen und plädiert dafür, den Kopf nie in den Sand zu stecken, immer nach vorne zu schauen und gegebenenfalls neue Wege zu beschreiten. Das Buch trägt selbst in den Wintermonaten, in denn die Handlung teilweise spielt, so viel Sonne in sich, dass man glaubt, stets von dieser beim Lesen begleitet zu werden. Die Figuren, nicht nur die weiblichen, bringt uns die Schriftstellerin über ihr Handeln und Denken sehr nah. Es ist alles nachvollziehbar und plausibel. Es braucht nicht lange, um sie als Freunde ins Herz zu schließen.
Geschmückt wird der Aufbruch des Dorfes mit vielen Rezepten, die Leserin oder Leser gleich ausprobieren kann. Selbst Edy vegane Bratwurst ist dabei. Und wer beim Lesen Appetit auf ein dickes Butterbrot, bestreut mit Kräutersalzen, bekommt, muss sich keinen Zwang antun. Drei kleine Gläschen mit Kräutersalzen gehören ebenfalls zum Buch. Eine wunderschöne Idee für ein wunderschönes Buch, welches Lust auf die Zukunft macht.

Durst-Benning, Petra
Kräuter der Provinz
Blanvalet, München
ISBN 9783734100116

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015
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Anne Gesthuysen: Sei mir ein Vater

Anne Gesthuysen: Sei mir ein Vater

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Fantasie und Wirklichkeit…

Die bekannte Fernsehmoderatorin Anne Gesthuysen hat nach dem Roman über drei Tanten „Wir sind doch Schwestern“ einen neuen Roman geschrieben. Die Geschichte ist angelehnt an die authentische Malerin Georgette Agutte und ihres Mannes Marcel Sembat.

Wie hat alles angefangen?

Zwei Austauschschülerinnen aus den achtziger Jahren haben enge Freundschaft geschlossen. Besonders Lilie Agutte aus Frankreich hat in dem Vater von Hanna am Niederrhein einen „Gastvater“ gefunden, dem sie sich eng verbunden fühlt. Ihre eigenen Eltern und besonders der Vater waren nie so richtig für sie da. Sie fährt 2007 nach Veen an den Niederrhein, um den Gastvater zu besuchen, der an Krebs erkrankt ist. Mit im Gepäck hat sie ein Bild, das lange in ihrer Wohnung in Paris herum hing ohne rechte Würdigung zu erfahren. Man hatte es ihr bei einem Einbruchsversuch zu entwenden versucht. Ist es denn etwas wert, und wer ist der/ die MalerIn? Hermann, der Gastvater, wird neugierig und beginnt, sich intensiv mit der Entstehungsgeschichte zu befassen. Dabei erleben er und seine zwei „Töchter“ Neuigkeiten ganz eigener Art. Die Entstehungsgeschichte des Bildes datiert etwa um das Ende des 19. Jahrhunderts.

In wechselnden Szenen sind wir einmal in Deutschland um 2007, um uns dann wieder in die Darstellung des Bildes und seines möglichen Ursprungs zu vertiefen. Lilie, Hanna und ihr Vater machen sich auf eine abenteuerliche Reise, um der Geschichte des Bildes und damit der Ahnen von Lilie auf die Spur zu kommen.

Wir werden zurückversetzt in die Zeit der Belle Epoque mit allen ihren damaligen Kunstrichtungen und den bekannten Malern und Künstlern des Impressionismus. Die drei erfahren bei ihrer Suche, dass Lilies Ururgroßtante Georgette Agutte eine talentierte Malerin war. Zu ihrem Freundeskreis gehörten Maler wie Matisse, Pissarro und viele andere Künstler. Sie war in zweiter Ehe glücklich verheiratet mit dem sozialistischen Politiker Marcel Sembat.

Anne Gesthuysen weiß leicht und unkompliziert zu erzählen, wenn ihr die Anfänge der Geschichte auch ein wenig breit und ausufernd geraten sind. Ihre Familiengeschichten sind warmherzig und liebevoll angelegt. Hier hat sie das Wagnis unternommen, eine wahre Geschichte mit einem fiktiven Roman zu verbinden. Das hat ihrer Fantasie keine Grenzen gesetzt. Man merkt, dass sie Lust am „Schreiben“ hat. In langen Passagen schildert sie Mensch und Natur, lässt ihre Figuren Dialoge führen und befasst sich mit Kunstgeschichte und Geschichte, die bis zum Beginn und Ende des Ersten Weltkriegs reicht. Wie den Faden eines Wollknäuels verwirrt und entwirrt sie ihre Geschichte mit immer neuen möglichen Lösungen. Nicht zuletzt dreht sich die Erzählung um Familienbeziehungen, gute wie weniger gelungene, und um die „Zeit“ als Rahmen für Beginn und Abschied.

Man darf mit Fug und Recht sagen: es ist eine leicht zu lesende Lektüre!

Anne Gesthuysen
Sei mir ein Vater
432 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, November 2015
ISBN-10: 3462048325
ISBN-13: 978-3462048322
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