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Kategorie: Belletristik

Tom Lier: Sommerhit

Tom Lier: Sommerhit

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Glück und Freude nach Kummer und Leid!

Dieser wunderbare, anrührende und zutiefst ans Herz gehende Roman schildert das Leben und die Erfahrungen eines Jungen von 14 Jahren. Falk Lutter gerät aus für ihn nicht ersichtlichen Gründen als Ostler in den achtziger Jahren in den Westen. Die Flucht hat die Familie zerrissen, denn Schwester und Vater fielen der Bürokratie und den Schergen des DDR Systems zum Opfer. Besonders Schwester Sonja hat die Flucht der Familie hart getroffen und ihr quälende Lebensumstände aufgezwungen.

Falk aber schlägt sich als dicker Junge mit den bösartigen Cliquenbrüdern seiner Klasse herum. Seine Mutter arbeitet hart und hat kaum Zeit, sich um die Lebensumstände ihres nunmehr einzigen Familienmitglieds zu kümmern. Aus der Sicht eines 14 jährigen sieht das Leben noch einmal ganz anders aus als aus den Augen der Erwachsenen.

Doch nach langen Zeiten der Ernüchterung und des Schattendaseins als verachteter Ostler gelingt Falk ein phänomenaler Aufstieg zu einem bekannten und anerkannten Poppsänger. Die Stunde der Rache naht, als sich die Klasse nach 30 Jahren zu einem Klassentreffen vereint. Hier kann Falk Lutter als nunmehr gewandelter und erfolgreicher Musiker die Zähne zeigen und aufdecken, was aus den Angebern, Quälgeistern und sadistischen Träumern geworden ist.

Als modernes Märchen kommt die Geschichte daher. Das Gute siegt, die zerrissene Familie ist wieder vereint und der gute Sänger Falk Lutter alias Martin Gold erlebt eine zufriedene Zeit.

Heimatgefühle, Liebe und ein wenig Glückseligkeit besiegen die Machos und Kriecher in diesem Roman, und es stimmt froh, dass das Gute letztlich über das Böse siegt.

Kein bisschen kitschig sondern lebensnah und freundlich zeigt uns dieser Autor, wie wenig es zum Glück bedarf; man muss es nur suchen und finden!

Tom Lier
Sommerhit
Kindle Edition
Print-Ausgabe: 400 Seiten
Aufbau Digital, Juli 2011
ISBN-10: 3352008140
ISBN-13: 978-3352008146
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Véronique Bizot: Meine Krönung

Véronique Bizot: Meine Krönung

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Die Welt verlassen… oder ihr doch noch einen Tribut zollen?

Der misanthropische Kauz Gilbert Kaplan lebt ruhig, zurückgezogen und wohl versorgt von seiner Haushälterin Madame Ambrunaz in seiner Wohnung in Paris. Er ist schon sehr alt, und sein Berufsleben als Wissenschaftler hat er längst hinter sich gelassen. Doch ohne Vorwarnung soll er für sein früheres wissenschaftliches Werk mit einem Preis ausgezeichnet werden.

In einem langen Monolog schaut der alte Herr zurück und überdenkt sein Leben. Da gab es, abgesehen von dem frühen Freitod seiner Frau, keine großen Überraschungen. Seine beiden Schwestern waren ihm früh schon aus dem Blickfeld geraten, und sein Sohn begegnet ihm jetzt, kurz vor seiner „Krönung“, wie ein Fremder.

In lakonischem, teils drolligem Tonfall, so, als nähme er alles gar nicht so ernst, lässt Véronique Bizot ihren Protagonisten agieren und reagieren.

In seinen Selbstgesprächen erfährt man, wie es ihm als Forscher erging; auch hier scheint sich das Unwahrscheinliche mit dem Wahrscheinlichen in einem Ungleichgewicht zu befinden, und Erfolge werden eher als Überraschung wahrgenommen. Dass es bei Gilbert immer sehr unordentlich und chaotisch zugeht, zeigt ein Blick in seine Wohnung, in der es behaglich aber unübersichtlich aussieht. Er lebt schon lange ruhig und für sich allein.

Mit dem Mittel der langsamen Rückschau erscheinen die Erlebnisse des Lebens wirklich wie weit entfernt und nicht so richtig wichtig. Wie eine Verfremdung der Gegenwart ist diese in der Rückschau gar nicht mehr so bedeutend und weltbewegend, wie sie zu Zeiten des Erlebens gewesen sein mag.

In diesem Sinne spricht Gilbert eher belustigt von seinen so unterschiedlichen Schwestern, von denen sich die altmodische und umständliche Alice zu seiner „Krönung“ angemeldet hat.

Eine kurze Weile begleiten wir den alten Herrn auf seinem letzten Lebensabschnitt, der ihm gelegentlich zusetzt und ihn auch mürrisch macht, denn das Alter zeigt ab und zu hässliche Seiten. Dem aber steht Madame Ambrunaz entgegen! Sie ist die gute Seele, die für ihn sorgt mit ihren feinen Linsensüppchen und anderen Überraschungen und auch dafür, dass er sich nicht ganz in sich selbst verliert.

Mit feinem Humor, sicherem Instinkt für die Befindlichkeiten des Alters und einem leicht melancholischen Unterton erzählt Véronique  Bizot ihre Geschichte von dem alten Herren. Hinreißend kurze Sätze bilden einen Erzählstil, dem man mit Entzücken folgt.

Ein wunderschöner, weiser, kluger und humorvoller Debütroman ist der Autorin  Véronique Bizot hiermit gelungen, für den sie mehrfach ausgezeichnet wurde.

Auch die Übersetzung von Tobias Scheffel und Claudia Steinitz ist hervorzuheben.

Nicht vergessen sollte man die äußere Aufmachung des kleinen aber feinen Büchleins, die der komisch-melancholischen Stimmung des Inhalts bestens gerecht wird.

Véronique Bizot
Meine Krönung
126 Seiten, gebunden
Steidl, März 2011
ISBN-10: 3869302305
ISBN-13: 978-3869302300
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Michael Kumpfmüller: Die Herrlichkeit des Lebens

Michael Kumpfmüller: Die Herrlichkeit des Lebens

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Der schwierige, sensible und empfindsame Franz Kafka lernt im Sommer 1923 Dora Diamant kennen. Sie arbeitete in einem Kinderheim in Graal-Müritz an der Ostsee. Hier erholte sich FK von einer Lungentuberkulose, die ihn zunehmend schwächt und sein Leben überschattet.
Dass nach mehreren Verlobungen und Frauenbeziehungen die schlichte Dora zu seiner treuen Begleiterin wurde, ist ihrem zugleich schüchternen, liebevollen, einfühlsamen und handfesten Charakter geschuldet. Franz Kafka fand in ihr die unkomplizierte und treue Lebensgefährtin, an deren Seite er Ruhe und Fürsorge fand.
Michael Kumpfmüller hat die zarte und schüchterne Beziehung mit poetischen und eindringlichen Bildern nachgezeichnet. Die Annäherung der beiden Liebenden auf langen Spaziergängen am Ostseestrand und die spröde und einnehmend herbe Landschaft bildet den Rahmen, in dem Franz Kafka und Dora zögerlich zu einander finden. Von beiden Seiten sieht man eine ersehnte und angestrebte Gemeinschaft, die zu einem eheähnlichen Zusammenleben führte.

Michael Kumpfmüller ist ein sensibler Beobachter. Er zeigt in klugen und feinfühligen Bildern, wie sich Dora und Franz in einander verlieben. Die scheue und zugleich dringliche Liebe wird von beiden Partnern intensiv herbeigesehnt. Dora liebt den Mann ohne jede Einschränkung, während Kafka, schon von schwerer Krankheit gezeichnet, jeden Tag und Augenblick mit Dora genießt. Durch die Zeilen von Kumpfmüller zieht uneingeschränkt ein Hauch von Melancholie und Abschied. Kafka hängt von den Schwestern und von seinen Eltern ab, denn er ist seiner schweren Krankheit wegen schon mit 40 Jahren pensioniert worden. Er schreibt und quält sich mit seiner Arbeit. Er isst zu wenig, leidet an heftigen Fieberattacken und erscheint blass und ausgezehrt. Doch diese einmalige Liebe zwischen ihm und Dora ist für ihn wie ein Lebenselixier. Der Leser nimmt Teil an einem ergreifenden Schicksal: der vom Tod gezeichnete Mann in der Fürsorge und in den Armen seiner ihn über alles liebenden Dora. Sie kämpft um sein Leben, das doch unaufhörlich dem Ende zugeht.
Diese atemberaubende Liebesgeschichte mit tragischem Ende wird in den wunderbarsten Worten beschrieben, so dass man das Buch nicht aus der Hand legen möchte.
Sehr lesenswert!

Michael Kumpfmüller
Die Herrlichkeit des Lebens
256 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, August 2011
ISBN-10: 3462043269
ISBN-13: 978-3462043266
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Jonathan Evison: Alles über Lulu

Jonathan Evison: Alles über Lulu

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Humorvoll, spritzig, traurig, tief melancholisch und anrührend: eine Familiengeschichte.

Will ist ein lieber Junge von etwa 10 Jahren.
Nach dem frühen Tod der Mutter geht es ihm nicht so gut. Er lebt mit seinen zwei jüngeren Zwillingsbrüdern und dem Vater Big Bill in Kalifornien. Sein Vater betätigt sich als Bodybuilder, -und das ödet Will an!
Will ist Vegetarier, unsportlich und trägt eine dicke Brille. Sehr anziehend wirkt er daher nicht! Eher fühlt er sich im Kreis der Brüder und des sportlichen Vaters nicht so recht am Platze. Erst als Lulu mit ihrer Mutter Willow bei der verlassenen Familie einzieht, blüht Will wieder auf! Die gleich alte Lulu wird seine große Liebe! Für sie tut er alles. Er spricht sogar wieder und schwebt in Wolken vor Glück!

Doch lange soll sein Glück nicht währen. Nach einem Sommerkamp kehrt Lulu verändert zurück. Sie spricht nicht mehr mit ihm, kümmert sich nicht um ihn, und Will fühlt sich vollkommen verlassen und ratlos.
In der Folge erleben wir ein turbulentes Heranwachsen vierer Teenager und das Chaos, das in der Familie herrscht. Jedes Kind und die beiden Erwachsenen haben ihre Eigenheiten, und alle haben ausgeprägte Charaktere, was gelegentlich zu heftigen Konflikten führt. Dass die muntere Hülle ein Familiengeheimnis verdeckt, ahnt man nicht.

Die Erzählung steigert sich zu ungeahnten Höhen und erst ganz zuletzt ist die Verwirrung komplett. Doch amüsanter und lebendiger kann man sich ein Familienleben nicht vorstellen.
Mitten darin brodelt die Liebe zwischen Lulu und Will und führt zu erheblichen Verwicklungen.

Herrlich lakonisch im Stil, humorvoll und einfallsreich sprüht Jonathan Evison vor Witz bei der Geschichte über die Familie Miller. All’ die trüben Gefühle und traurigen Augenblicke des kleinen Will sind so einmalig in der Komik und der mitfühlenden Diktion, dass man sofort von diesem Roman gefangen ist. Das ist ein Entwicklungsroman von besonderem Timbre, wie er uns nicht jeden Tag begegnet. Ist das Leben der Heranwachsenden doch ganz eingesponnen in die ersten Liebessehnsüchte und überschwemmt von unbekannten Gefühlen. Mitten in diesem Gefühlsdurcheinander sucht sich Will seinen Weg; im Wechselbad seiner Empfindungen steht immer wieder Lulu. Sie ist mit eigenen Eindrücken, ihrer emotionalen Entwicklung und einem belastenden Geheimnis schwer beschäftigt.

Liebeskummer, Schmerz, Sarkasmus und Ausbrüche aus dem Familienalltag bereichern eine Familiengeschichte, die sicher zu den Glanzlichtern des Herbstes 2011 gehören wird.

Jonathan Evison wird auf dem Cover zu recht mit D.H. Salinger, John Irving und Dickens verglichen. Sein Roman wurde in Amerika ein Riesenerfolg und konnte sich mit dem Washington State Book Award schmücken.

Jonathan Evison
Alles über Lulu
384 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, August 2011
ISBN-10: 3462043331
ISBN-13: 978-3462043334
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Annette Pehnt: Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen

Annette Pehnt: Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen

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Geschichten aus dem Alltagsleben.

Annette Pehnt ist eine Meisterin in der feinen Beobachtung dessen, was Menschen bewegt und umtreibt.

Das hat sie schon in ihren früheren Romanen bewiesen. In dem Roman „Ich muss los“ folgt sie den Spuren eines Sonderlings, und in dem Roman „Mobbing“ konnte man die Zerstörung persönlichen Glücks erleben.

Auch in ihren neuesten Erzählungen geht es wieder um die kleinen Erlebnisse des Alltags. In der „Zugbegleiterin“  etwa gibt es Streiflichter über Reisende und ihre Gewohnheiten; im „schwarzen Stein“ erleben wir die Trauer zweier Geschwister um den Tod der Mutter. Mit den beobachteten Kleinigkeiten zeigt uns die Autorin bei dieser Gelegenheit, wie der Alltag auch das Sterben begleitet. Sie beschreibt Gedanken, die einem durch den Kopf gehen, Verrichtungen, die erledigt werden müssen und den Krankenhausalltag, in dem einem lakonisch die letzten Besitztümer der Sterbenden oder Toten übergeben werden. Damit werden Gefühle überlagert und der Schmerz wird überdeckt.

In einer weiteren Geschichte geht es um die Welt von Behinderten: skurril und nachsichtig erlebt die Autoren die Sonderbarkeiten, mit denen sich Behinderte ein wenig Glück herbeizaubern wollen. Oft scheitert dieses herbeigesehnte Glück an der Unnachgiebigkeit der Betreuer. Wie gut kann sich Annette Pehnt in ihre Figuren hineindenken und ihnen eine Stimme geben! Die kleine Untreue des vernachlässigten Ehemannes wird genauso thematisiert wie so viele Begebenheiten aus dem ganz gewöhnlichen Alltag der einfachen Leute. Annette Pehnt hat den durchdringenden und klugen Blick und besitzt die Fertigkeit der Sprache, allen Ereignissen eine Stimme zu geben. Auch als eBook ist das Buch zu empfehlen!

Annette Pehnt
Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen
Kindle Edition
Print-Ausgabe: 192 Seiten, broschiert
Piper Taschenbuch, April 2011
ASIN: B004YZIWWA
ISBN-10:3492271839
ISBN-13:978-3492271837
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Stefan Moster: Lieben sich zwei

Stefan Moster: Lieben sich zwei

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Ines und Daniel Pirrung sind glücklich miteinander. Bisher auch ohne Kind. Ines wollte keins und Daniel nahm das hin. Nach einem schicksalhaften Ereignis ändert Ines ihre Meinung. Doch es bleibt beim Kinderwusch. Ines wird nicht schwanger. Dabei sind die Voraussetzungen ideal. Beide haben eine schöne Wohnung in Hamburgs HafenCity. Er arbeitet als Projektmanager und sie als Weinhändlerin in ihrem eigenen kleinen Laden. Sicher haben beide auch ihre Probleme, aber alles in allem stimmt der Rahmen. Also nehmen Ines und Daniel medizinische Hilfe in Anspruch. Fortan wird ihre Leben von Ines‘ Zyklus bestimmt. Es ist nicht einfach die Partnerschaft und das Zusammenleben unter diesen Umständen zu gestalten. Die Hoffnung kommt und geht in Wellen. Dabei wird es immer schwieriger die Zuversicht zu bewahren. Immer bewusster wird den beiden, dass etwas fehlt in ihrem Leben. Der unerfüllte Kinderwunsch ist nicht leicht zu verkraften. Die Normalität im Leben ist unter diesen Umständen nicht aufrecht zu erhalten. Und vielleicht auch nicht die Liebe.

Der Autor geht sehr genau auf die Gefühle der Protagonisten ein, lässt den Leser die feinen Stimmungen und Verstimmungen spüren und zeigt, wie Gefühle sich wandeln. Zunächst fast unmerklich. Die begonnene Routine im vorgeschriebenen Zyklus, die Unerfüllbarkeit eines ganz dringenden Wunsches, tut der Liebe nicht gut. Das Gefühl, das etwas fehlt, wird immer stärker. Wie fängt man das ab? Wie gibt man dem Leben Sinn? Wie hält man die Liebe?
Leise Töne schlägt der Autor an, geht auf Ines und Daniel gleichermaßen ein. Er zeichnet ein überzeugendes und sehr realistisches Bild der Situation und sieht das Paar dabei nicht isoliert. Der Einfluss von außen, das Umfeld, beeinflusst natürlich. Ines und Daniel versuchen, einen Weg zu finden, mit der Situation umzugehen und geraten dabei auf Abwege. Das Buch ist da sehr tiefgründig und dadurch schonungslos. Stefan Moster hat mit seinem Roman ein sehr sensibles Thema aufgegriffen und gut umgesetzt.

Rezension von Heike Rau

Stefan Moster
Lieben sich zwei
416 Seiten, gebunden
Mareverlag
ISBN-10: 3866481632
ISBN-13: 978-3866481633
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Alex Capus: Léon und Louise

Alex Capus: Léon und Louise

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Eine ungewöhnliche Liebegeschichte!

Die wundersame Geschichte von Léon und Louise umfasst die Jahre vom Ende des Ersten Weltkriegs 1918 bis zum Jahr 1986. Vom Enkel wird liebevoll die Geschichte einer großen Liebe erzählt.

Mit 17 Jahren zieht es Léon in die Ferne, denn er ist das Leben zu Hause in Cherbourg leid. Da er nicht kriegstauglich ist, gerät er als Funker in das abgelegene Örtchen Saint-Luc-sur-Marne. Dort begegnet er der burschikosen Louise, und eine raue aber zärtliche Liebegeschichte nimmt ihren Lauf. Wie es das Schicksal will, geraten beide eines Abends auf der Strasse in einen Angriff der Deutschen Luftwaffe und verlieren sich ganz aus den Augen. Über lange Jahre wissen sie nicht einmal, ob der andere noch lebt.

Zeit geht ins Land. Léon heiratet und bekommt Kinder, und nach zehn Jahren sieht er Louise zum ersten Mal wieder. Die alte Liebe ist noch ganz präsent, und nach einer kurzen Liebesnacht gehen beide entsagungsvoll wieder auseinander.
Im Abstand von langen Jahren sehen sich die beiden immer mal wieder. Doch an eine feste Bindung ist nicht zu denken. Léon ist ein treuer Familienvater, der mit seiner Frau die Höhen und Tiefen eines langen Ehelebens durchlebt und für seine fünf Kinder sorgt.

Wie die Geschichte erzählt wird, das zeugt von tiefem Verständnis für schicksalhafte Begegnungen, vergeblichen Liebesglücks und menschlichen und allzumenschlichen Entsagungen. Fast ein ganzes Jahrhundert verstreicht mit allen geschichtlichen Wechseln, die das 20. Jahrhundert mit sich brachte. Dazu gehören in langen Passagen die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs. Sehr hautnah kann man die Gefahren, Léons stillen Widerstand und die Sorgen und Nöte während der deutschen Besatzung miterleben. Léon ist in seinen Gedanken häufig bei Louise. Auch Louise aber hat ihn nie vergessen und berichtet in langen Briefen von ihrem Leben, das so ganz anders als seines verläuft.
Doch es gibt Überraschungen, mit denen man nicht rechnet!

Der Roman entfesselt in feinster Poesie und großartigen Beschreibungen die jeweiligen Lebensphasen und Zeitabschnitte im Leben der beiden Liebenden. Betroffen und mitfühlend geht man deren Weg mit, der einen sehr tief anrührt.

Alex Capus
Léon und Louise
320 Seiten, gebunden
Carl Hanser Verlag, Auflage: 11, Februar 2011
ISBN-10: 3446236309
ISBN-13: 978-3446236301
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Hisham Matar: Geschichte eines Verschwindens

Hisham Matar: Geschichte eines Verschwindens

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Libyen steht hier im Hintergrund einer mysteriösen politischen Geschichte.

Hisham Matar gehörte schon mit seinem Roman „Im Land der Männer“ zu den ausgezeichneten Schriftstellern. Wieder handelt es sich um eine Geschichte aus dem arabischen Raum, in dem seit dem Ende des osmanischen Reichs Chaos und kriegerische Handlungen die Regel sind.

Nuri, ein zwölfjähriger Junge, lebt mit seinem Vater in Kairo. Dorthin ist Kamal Pascha el-Alfi Ende der sechziger Jahre vor den politischen Unruhen in Libyen mit seiner Frau und seinem Sohn über Paris geflüchtet. Kamal bekleidete einst selbst ein hohes Regierungsamt in Libyen und musste nach dem Sturz der Monarchie das Land verlassen.
Nach dem frühen Tod seiner Frau lebt Kamal ein abgeschiedenes Leben zusammen mit seinem Sohn und dem verbliebenen Hauspersonal.

1971 lernt Nuri am Strand von Alexandria die hübsche und sehr junge Frau Mona kennen. Er ist ganz hingerissen von ihr. Umso größer ist die Enttäuschung, als der Vater die um viele Jahre jüngere Mona heiratet. Der an der Grenze zur Adoleszenz stehende Junge leidet unter Einsamkeit und Eifersucht bis ihn weiteres Ungemach trifft. Mit der vorbereitenden Einleitung beginnt eine Geschichte, die uns in die Wirren komplizierter politischer Verhältnisse entführt.

Aus den Augen des jungen Nuri betrachtet man den Vater, der geheimen Aktivitäten nachgeht. Woher soll ein Junge wissen, wie Politik aussieht und warum sein Vater ein sehr vorsichtiger Mann geworden ist? Nuri verehrt den Vater und weiß nicht, warum dieser ihn nach England ins Internat schickt.
Doch eines Tages ist der Vater verschwunden.

Man ahnt mehr als zu wissen, dass der libysche Geheimdienst seine Hände im Spiel hat.

Hishan Matar findet die richtigen Worte, mit der unheilvolle Ereignisse ihr Mysterium behalten. Orient und Okzident sind gegenwärtig, wenn die Familie ihre Aufenthalte zwischen Kairo, der Schweiz, Frankreich und England wechselt.

Eingebettet in die politische Geschichte erlebt man das Heranwachsen von Nuri, der sich mit Mona in einer schicksalhaften Nacht verbindet. Poetische Beschreibungen bieten die schönsten Geschichten, die orientalische Lebensart und hierarchische Strukturen erkennen lassen. Nuri findet nach dem Verschwinden des Vaters seinen eigenen Weg, der von Einsamkeit gezeichnet ist und immer wieder bei der Suche nach Spuren des Vaters endet. Hinreißende Stimmungsbilder zeigen die leicht melancholisch gefärbte Welt, in der Nuri heranwächst. Mit Spannung erwartet man das Ende der Geschichte.

Schon der fein entworfene Einband offenbart in nebligen Grautönen verwischte Spuren von exotischen Pflanzen und Gebäuden.
Ähnlich verwischt sind die Farben, mit denen man Nuri in seiner familiären Verlassenheit erkennt.

Werner Löscher-Lawrence bietet mit der Übersetzung eine Meisterleistung.

Der vielfach mit Preisen ausgezeichnete Autor Hisham Matar lebt heute in London und hat in den Roman eigene autobiographische Erlebnisse einfließen lassen. Er hat erneut mit diesem Werk einen hoch zu lobenden Roman geschrieben.

Hisham Matar
Geschichte eines Verschwindens
192 Seiten, gebunden
Luchterhand Literaturverlag, Juli 2011
ISBN-10: 363087245X
ISBN-13: 978-3630872452
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Tim Krohn: Ans Meer

Tim Krohn: Ans Meer

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Sommerroman…

Ein unergründliches und belastendes Geheimnis trennt zwei Freundinnen, die sich in frühester Kindheit liebten. Die Familien der beiden besaßen ein Haus am Meer. An der Ostsee haben sie zusammen glückliche Kindertage verbracht. Doch eines Tages zerbrach die Gemeinschaft, und die Familien trennten sich.

Jetzt lebt Anna in Kiel und Josefa in Zürich. Beide haben sich zwölf lange Jahre nicht gesehen. Anna sucht schließlich erneut den Kontakt zu Josefa.

Bis es dazu kommt, wird das jeweilige Schicksal aller Beteiligten skizziert.
Josefa hat den zwölfjährigen Sohn Jens, den sie sehr liebt. Er drängt sie ungeduldig, zum Haus ans Meer zu reisen. Er möchte so gerne auf der Ostsee segeln! Doch Josefa ist taub auf dem Ohr. Sie will nicht zurück an den Ort ihrer Kindheit, wo es ein dunkles Geheimnis gab, das die Gemeinschaft aus glücklichen Tagen zerbrechen ließ.

Anna ist berufstätig und wünscht sich sehnsüchtig ein Kind von ihrem Partner Kalle. Leider wartet sie vergeblich, bis auch sie hinter ein Geheimnis kommt, das ihre Beziehung zu sprengen droht.
Man merk schon: das Buch steckt voller versteckter und verworrener Geschichten, und der Durchblick ist schwer!

Zahlreiche Spuren führen zu den einzelnen Figuren, die sich wie in einem Netz verfangen haben. Niemand weiß alles, jeder kennt nur Teile der Geheimnisse des anderen. Ungewöhnlich frühreif steht Jens, der zwölfjährige Sohn von Josefa, im Mittelpunkt der Erzählung. Aus seinen Augen schaut man zurück und sucht neugierig nach Spuren, die für ihn Unerklärliches verstehbar machen. Doch er und auch wir müssen lange warten, bis wir begreifen, wie es denn nun zu den Zerwürfnissen in den Familien gekommen ist!

Tim Krohn hat seinen Roman verschachtelt angelegt, so dass man sich getrieben fühlt, den einzelnen Spuren zu folgen, um endlich zu verstehen. Immer wenn man auf dem richtigen Erkenntnisweg zu sein scheint, muss man sich doch noch gedulden, bis man der Auflösung aller Rätsel näher kommt.

Der Autor hat einen leichten Roman verfasst. Auch alle unerklärlichen Todesfälle können die sommerliche Unbeschwertheit der Glücksmomente nicht überdecken. Lieben und geliebt werden, Treue und Untreue, Leidenschaft und Vergänglichkeit: alles kommt vor und man hat trefflich zu tun, der Aufklärung zu folgen. Wer der leichten Muse zugetan ist, der wird die kurzweilige Lektüre zwischen Krimi und Gesellschaftsroman genießen.

Tim Krohn
Ans Meer
328 Seiten, broschiert
Diogenes, Juni 2011
ISBN-10: 3257240767
ISBN-13: 978-3257240764
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Peter Härtling: Liebste Fenchel!

Peter Härtling: Liebste Fenchel!

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Gesellschaft und Leben zu Zeiten der Romantik.

Als Peter Härtling die Nachricht von der Geburt seines siebten Enkelkindes erhält, das den Namen „Fanny“ tragen soll, fällt ihm sogleich Fanny Mendelssohn ein. Ihr widmet er sich fortan in einer Biographie, die ganz seine Handschrift trägt.
Schon in seinen Biographien über Schubert, Schumann und Hölderin zeigt P. Härtling sein herausragendes Talent, aus imaginierten Vorstellungen ferner Zeiten Wirklichkeit werden zu lassen. Er vertieft sich beinahe ganz mit seinen Gefühlen in das Leben um 1800 und verzaubert mit den filigranen Beschreibungen von Raum, Zeit und Handeln das Geschehen.

Fanny Menlssohn,1805 geboren, war die älteste Tochter von Lea und Abraham Mendelssohn, die nach ihr noch drei weitere Kinder haben werden. Unter ihnen zeigt der vier Jahre jüngere Felix später ein außergewöhnliches musikalisches Talent, mit dem er zu Ruhm und Ehre kommen soll. Auch Fanny ist eine hervorragende Musikerin. Peter Härtling lässt sie wie in einem flämischen Bild durch die häuslichen Räume tänzeln, sie summt vor sich hin und bildet sich anhand des Vorlebens ihrer Eltern, des Onkels und der Tante, die im gleichen Hause leben. Von Hamburg zieht es die Familie vor den Repressalien der Napoleontruppen nach Berlin, wo der Vater mit seinem Schwager Joseph ein Bankhaus begründete.

Schon früh musizieren die Geschwister zusammen, bis Felix seinen ersten Konzertauftritt mit 9 Jahren hat. Fanny muss zeitlebens im Schatten des Bruders stehen, weil sich Broterwerb für Frauen in ihren Kreisen nicht schickte.

Nur kurz aber intensiv bietet Härtling Einblicke in die religiösen Überzeugungen der Familie. Was es mit dem Glauben auf sich hat, führt bei Fanny zu nachdenklichen Fragen, denn ihr Großvater war der berühmte Philosoph jüdischen Glaubens Moses Mendelssohn, einer der denkerischen Begründer der Aufklärung. Die Eltern ließen ihre vier Kinder taufen und nahmen später selber den christlichen Glauben an.

P. Härtling beschäftigt sich intensiv mit der musischen Entwicklung und dem Familienleben der begabten Mendelssohnkinder Fanny und Felix. Ein ausgedehntes Gesellschaftsleben führte zu den so genannten „Sonntagskonzerten“, die im Hause der Mendelssohns veranstaltet wurden. Bach und immer wieder Bach wird gespielt und gesungen; auch Mozart und Haydn sind beliebte Komponisten, denen sich die Kinder verschrieben haben. Eigene Kompositionen von Fanny und Felix werden ebenfalls aufgeführt und bewundert. Felix ist der strahlende Stern der Familie Mendelssohn-Bartholdy, wie sie sich nach der Christianisierung nannte.
Die Geschwister fühlten sich bis zu Fannys frühem Tod emotional und musisch innig verbunden. Dazwischen aber lagen viele Jahre schöpferischen Schaffens, Hochzeiten und Kindergeburten.
Diese bilden zusammen mit den Abschieden immer wiederkehrende Ereignisse. Antisemitismus und Anfeindungen stehen im Wechsel zu Ruhm und Erfolg der musischen Familienmitglieder.
Mit fortschreitender Erzählung rundet sich das Bild einer künstlerisch anregenden und ereignisreichen Zeit mit zahlreichen bekannten Künstlernamen, zu denen Heine, Kleist, die Varnhagens und selbstverständlich auch Goethe zählten.
Peter Härtling hat seine gelungene Biographie über das Leben von Fanny Mendelssohn gründlich recherchiert.
Unvergleichlich in seiner sensiblen Vorstellungsweise taucht der Autor in das 19. Jahrhundert ein. So ersteht vor uns wahrhaftig ein Bild, das uns in ferne Zeiten entführt und unser Interesse bannt. Man fühlt sich verzaubert vom Reichtum der Erzählung Peter Härtlings und kann sich nur schwer von seinem Buch trennen.

Peter Härtling
Liebste Fenchel!
256 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, Mai 2011
ISBN-10: 3462043129
ISBN-13: 978-3462043129
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