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Kategorie: Belletristik

Susann Pásztor: Ein fabelhafter Lügner

Susann Pásztor: Ein fabelhafter Lügner

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Familienlegenden mit Komik, Witz und Humor erzählt!

Selten hat mich ein Buch von der ersten Zeile an so fasziniert!

Schon bei den ersten Sätzen spürte man den Witz und Humor und die leicht makabere Inszenierung, mit der das Buch geschrieben wurde.

Da will einer seinen Selbstmord schön ordentlich vollziehen,–und natürlich misslingt ihm das! Um sein Bett versammeln sich ehemalige und gegenwärtige Partnerinnen, die eine schwanger, die andere kurz vor der Niederkunft und die dritte mit einem schon  zehnjährigen Sohn gesegnet. Dieser ist „nicht glücklich“, wie es so schön lakonisch heißt.

In der Kürze der berichteten Kuriositäten schaut ein hintergründiger Witz hervor, der einen sofort gefangen nimmt.

Großvater Jószef Molnár ist der mutmaßliche Vater einer Schar von Kindern verschiedener Frauen. Er ist längst tot, als die Nachfahren seiner Frauen ein Familienfest zu Ehren seines hundertsten Geburtstags beschließen. Erst einmal muss man allerdings alle auffinden! Hanna, Marika und zuletzt Gabor, letzterer schon leicht überdrüssig, finden sich zusammen.

Was zunächst skurril, witzig und amüsant beginnt, das geht in eine gar nicht komische Geschichte über: eine Frau und zwei Kinder von Joschi sind als Juden im Konzentrationslager Auschwitz geendet. Auch Joschi war s. Zt. in Buchenwald.

Niemand durchschaut so ganz, was Wahrheit und was Erfindung ist, denn Joschi betreibt seine eigene Legendenbildung, wozu auch die Frage zählt, ob er Jude war oder nicht. Er ist ein verschmitzter und mit allen Wassern gewaschener Tunichtgut!

Lily, seine Enkelin, wollte eigentlich nur ein Referat über Buchenwald schreiben! Als sie aber dort ankommt, ist es mit der Komik vorbei. Dennoch vermittelt Susann Pasztor aus dem Blickwinkel von Lily eine Familiengeschichte, in der sich Posse, Ulk und Schabernack zusammenfügen. Sie fabuliert über die verwirrende Herkunft aller Beteiligten, von dem Durcheinander und den komischen Zufällen in der Familie mit Schmiss und Charme.

Die Autorin findet den leichten und ernsten Ton, mit dem sie sich als einfallsreiche, frohsinnige und amüsante Erzählerin zeigt. Sie fühlt sich in die Vergangenheit ein und bezaubert mit ihrer Geschichte, die mit dem Talent des Humors bestrickt, ohne den Ernst zu vergessen. So ist das Leben: Tragik, Fröhlichkeit, Lebenslust und unterschiedliche Charaktere finden sich in Familien wieder; Legenden bilden den Hintergrund, auf dem die Geschichten dann weiter erzählt werden. Wer die Gabe hat, die Widersprüchlichkeiten zu begreifen, wird sich an den unterschiedlichen Mentalitäten ergötzen und sein Vergnügen an einem Familienleben der besonderen Art finden.

Susann Pásztor  macht uns bekannt mit einer Familiengeschichte, die ihresgleichen sucht!

Der Debütroman der Autorin, die bisher als Kinderbuchillustratorin gearbeitet hat, wird mit Sicherheit begeisterte Leser finden! Sie betätigt sich in der Nachfolge von I. B. Singer und Andre Kaminski, die mit ihren jüdischen Familiengeschichten unvergessen sind und noch heute gerne gelesen werden.

Susann Pásztor
Ein fabelhafter Lügner
Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
Kiepenheuer & Witsch
ISBN-10: 346204219X
ISBN-13: 978-3462042191

Jonathan Frantzen: Die Korrekturen

Jonathan Frantzen: Die Korrekturen

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Der amerikanische Gegenwartsautor erzählt in diesem umfangreichen Roman die Geschichte einer in der Mittelschicht angesiedelten Familie.

Enid und Alfred sind beide im Ruhestand, leben in ihrem mittlerweile sehr großen Haus und Mutter Enid wünscht sich nichts sehnlicher als noch ein einziges Mal die gesamte Familie, eine Tochter und zwei Söhne, zu Weihnachten bei sich zu Hause bewirten zu können. Ihre Geschichte wird in abwechslungsreichen Episoden erzählt, die jede für sich genommen eine eigenständige Novelle sein könnte. Mit den Episoden wechselt der Fokus der Erzählung auf die Person, die in dieser Episode die Hauptrolle spielt. So wird der Leser im ersten Abschnitt mit dem Sohn Chip und seinen Versuchen, erfolgreicher Autor zu werden und sein Leben in den Griff zu bekommen, bekannt gemacht. Der Sohn Gary wird mit seiner Familie in der zweiten Episode vorgestellt. Er ist ein erfolgreicher Investmentbanker und bemüht sich redlich um seine Familie, was ihm schwerlich zu gelingen scheint. Besonders seine Frau hält gar nichts davon, das nächste Weihnachten bei den Schwiegereltern zu verbringen. In einem weiteren Abschnitt werden schließlich Enid und der an Demenz erkrankte Alfred vorgestellt. Frantzen bedient sich dabei diverser Rückblenden, in denen er die Lebenswege der beiden aufzeigt und eine Zeit beschreibt, in der ihre Kinder noch Kinder waren. Eine Urlaubsbekanntschaft auf einem Kreuzfahrtschiff wird als Mittel benutzt, um das kleinbürgerliche Denken von Enid, die intellektuell nicht an die Bekannte heranreicht, mit all seinen Facetten zum Vorschein zu bringen. Eine vierte Episode gibt den Blick frei auf das Leben der Tochter Denise, die sich als Starköchin einen Namen gemacht hat und ebenso Mühe hat, ihr privates Leben in den Griff zu bekommen. In der fünften und letzten Episode steht Weihnachten schließlich unmittelbar bevor, alle Stränge werden zusammengeführt und zum Höhepunkt gebracht.

Bei der unter der Lupe betrachteten Familie handelt es sich keineswegs um eine typisch amerikanische Familie. Viele ihrer Züge, Befindlichkeiten und Eigenheiten sind schlichtweg menschlich und können ebenso in einer deutschen oder anderen, zumindest westeuropäischen, Familie wiedererkannt werden. Die prägnante Erzählweise von Frantzen, der dem Leser jedes Detail durch Handlung – lange bevor das Wort Demenz oder Altzheimer fällt, ist dem Leser klar, woran Alfred leidet – und nicht nur durch bloße Beschreibung miterleben lässt, erzeugt einen Klangteppich von Atmosphäre, die es unmöglich macht, dieses Buch aus der Hand zu legen. Die Charaktere sind mit solch einer Fülle an Eigenschaften, Emotionen, Gedanken und Handlungen ausgestattet, dass es nicht schwer fällt, sie als eigenes Familienmitglied zu akzeptieren. Ein Grund dafür, dass die einzelnen Episoden zwar so lang sind, sie aber nie zu lang wirken und der Wechsel zum nächsten Abschnitt durchaus von Wehmut begleitet wird, weil dieser dann den Fokus auf ein anderes Familienmitglied legt. Einen Wehrmutstropfen hatte für mich allerdings eine Geschichte, die von Chip und dessen leicht unmoralischer Arbeit in Litauen erzählt. Dient sie doch lediglich dazu, aufzuzeigen, dass Gary seinen Bruder verabscheut, weil er in seinen Augen reiche Amerikaner ausnimmt. Sie ist meines Erachtens zu lang gestreckt und jede andere Handlung außerhalb von Litauen hätte denselben Zweck erfüllt.

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Jonathan Frantzen
Die Korrekturen
Softcover, Taschenbuch
Rowohlt Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3499235234
ISBN-13: 978-3499235238
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2010

Albert Camus: Hochzeit des Lichts

Albert Camus: Hochzeit des Lichts

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Poetische Einsichten.

Albert Camus, 1913 in Algerien geboren und 1960 in Frankreich tödlich verunglückt, wurde bekannt als einer der Vordenker des Existenzialismus in Frankreich, der ihn für kurze Zeit mit J. P. Sartre zusammengeführt hat. Seine bekanntesten Werke „Die Pest“ und „Der Fremde“ zeigen ihn in seinem Denken von einer deutlich düsteren und nihilistischen Seite.

Der vorliegende Band mit essayistischen Studien bietet hingegen das Bild eines Mannes von Mitte zwanzig, der in Gefühl und Ausdruck tief durchdrungen ist vom Glück des Seins. Sprache und Empfinden bilden eine Einheit, die von reicher und überschäumender poetischer Kraft ist. Sinnlich tief durchdrungen von der Wärme, dem Licht, den Farben und den Düften seiner Heimat Algerien meint man, die Lebenskraft des jungen Mannes und sein Glück in der innigen Verbundenheit mit der Natur zu spüren. Aus dem Hymnus an Demeter zitiert er: „Glücklich der Sterbliche auf Erden, der diese Dinge sah“. Und weiter „es ist keine Schande, glücklich zu sein“.

In seiner philosophischen Gedankenwelt befasst sich der Autor mit der Eigenwahrnehmung, die ihm umgeben von Naturschönheiten am besten gelingt. Der erste Teil  des Buches „Hochzeit des Lichts “ ist von einzigartiger Schönheit in der Wiedergabe der ihn umspielenden Empfindungen und Glücksmomente.

Ein mit „Die Wüste“ überschriebenes weiteres Kapitel befasst sich mit den Künstlern und der Landschaft in Italien. Sätze wie diese: “Lebenslust, Hass und Liebe kommen aus der Tiefe des Menschen und formen das Antlitz seines Schicksals“ werden in Beziehung gesetzt zu einem Bild der Grablegung des Renaissancemalers Giottino und rühren in seiner Erkenntnis der urmenschlichen Bedürfnisse an unser Innerstes. Wer die Toskana kennt und ihre Künstler liebt, dem wird das Herz aufgehen bei der Beschreibung, mit der Camus Land und Leute in ihren Gleichnissen einfängt. Das Glück zu erkennen und sich dessen bewusst zu werden ist eine der Botschaften, die einen mit diesen Essays erreichen. Tief, scharf und empfindsam schreibt hier einer über Gott und die Welt, und er bietet Einblicke in sein philosophisches Denken.

Man möchte dieses kleine Werk jedem empfehlen, der Sinn und Verstand für den Klang von echter Poesie hat! Er wird ein Kleinod finden! 1936 und 1938 erstmals veröffentlich  ist die Niederschrift nun in der ausgezeichneten Übersetzung von  Peter Gran und Monique Lang im Arche Verlag wieder aufgelegt worden.

1957 erhielt Albert Camus für sein Gesamtwerk den Nobelpreis für Literatur.

Albert Camus
Hochzeit des Lichts
Gebundene Ausgabe: 169 Seiten
Arche Verlag, Neuausgabe Dezember 2009
ISBN-10: 3716026344
ISBN-13: 978-3716026342

Assaf Gavron: Ein schönes Attentat

Assaf Gavron: Ein schönes Attentat

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An einem schönen Morgen fliegt in Tel Aviv ein Bus in die Luft, und Eitan Einoch preist sich glücklich, dass er den Bus zuvor verlassen hat. Er ist ein erfolgreicher IT Fachmann, der noch einen verdächtigen Mann mit Kleidersack und Wollmütze in den Bus einsteigen sah. Giora Gueta, ein anderer junger Mann, hat in böser Vorahnung Einoch eine Botschaft an seine Freundin mit gegeben, als dieser den Bus verlassen hat.

Später fragt sich Einoch, ob er die anderen nicht hätte warnen sollen. Wie er es auch dreht und wendet: jede Warnung hätte zum spontanen Auslösen des Zünders geführt, denn dem Attentäter war Zeit und Stunde für sein Vorhaben egal. Weitere Attentate folgen und Einoch entgeht wie durch ein Wunder wiederholt dem Tod. Er wird zur Berühmtheit in Funk und Fernsehen, weil man vermutet, er könne das Schicksal vorhersehen.

Was ihn aber besonders interessiert: Was wollte der junge Giora Gueta in Jerusalem? Eitan lernt dessen hübsche Freundin kennen und findet heraus, dass niemand etwas von Gioras Reise nach Jerusalem wusste.

Eingepackt in eine Überraschungs-Story aus Liebe, Berufserfolg, Auftragsmord und Eifersucht verfolgt der Autor Assaf Gavron die Problematik der zwischen Israel und Palästina schwelenden Konflikte.

Mit Zeitlupenblick beginnt er seine Geschichte.

Täglich passieren Explosionen, sterben Menschen, junge, alte und Kinder. Keiner weiß, wenn er am Morgen zur Arbeit fährt, ob er am Abend gesund nach Hause kommen wird. Die Atmosphäre der täglichen Angst ist unüberhörbar.

Nebenan in den Gebieten um Israel leben Palästinenser in ihren Notunterkünften, vertrieben aus ihren Städten und Dörfern und sinnen auf  Gegenwehr. Einer von ihnen ist Fahmi Sabih, der auf einer Krankenstation im Koma liegt und als Drahtzieher zahlreicher Attentate gilt.

Eine unhaltbare Lage auf beiden Seiten der Kriegszonen führen zu Hass und Rache.

Das Verdienst liberaler und aufgeklärter israelischer Schriftsteller liegt in der Fähigkeit, sich in die eine und die andere Seite hineinzuversetzen. Auf diese Weise wird der Nahostkonflikt in seiner ganzen ausweglosen Grausamkeit nachvollziehbar. Barbarisch kämpfen hier zwei Lager darum, zu überleben. Mit biblischen Ausmaßen wird die tägliche und fast apokalyptische Tragödie aufgezeigt. Die Erzählung ist nicht witzig, wie auf dem Klappentexte vermerkt ist, sondern höchst dramatisch und gelegentlich sehr traurig. Die Figuren haben alle ihre Eigenheiten und sind aus der Nähe betrachtet Menschen wie du und ich. Sie verfangen sich im Netz der aufgerichteten Schranken und sehen sich als Gegner, ohne wirklich zu wissen, was der andere empfindet und denkt.

In einem Experiment hat der bekannte Dirigent und Pianist Daniel Barenboim das West- Eastern Divan Orchestra gegründet. Hier spielten junge Israelis, Palästinenser aus den besetzten Gebieten und eine Reihe von Musikern anderer arabischer Staaten in dem berühmten Ramallah Konzert zusammen. Nach dem Konzert und zurück in ihren Heimatländern zerfiel der freundliche Zusammenhalt. Es zeigte sich erneut, wie unüberbückbar sich die verfeindeten Seiten gegenüber stehen.

Über den Zustand von räumlicher Nähe und innerer Trennung berichtet Assaf Gavron in seinem Roman mit Empathie und Verständnis. Er gilt in Israel als Bestsellerautor.

Assaf Gavron
Ein schönes Attentat
Taschenbuch: 352 Seiten
btb Verlag, Januar 2010)
ISBN-10: 3442740088
ISBN-13: 978-3442740086

Lothar Eichler: Gedankenspiele

Lothar Eichler: Gedankenspiele

Ein kleines, schmuckes Büchlein mit sage und schreibe 33 kleinen und feinen, nachdenklich und schmunzelnd machenden Geschichten über das alltägliche Leben. Der Autor gewährt Einblick in seiner Gedankenwelt, er zeigt, wie er denkt, welche Themen ihn beschäftigen, und das sind nicht gerade wenige. Dabei wird nichts ausgespart. Geht es in der einen Geschichte um die Liebe zwischen Mann und Frau, so geht es in der anderen um die der Kinder zu ihren Eltern und umgekehrt, oder es geht um die Entstehung der Pommes frites oder die Globalisierung der Gesellschaft, es geht um das Arbeitsklima in der Firma oder um Menschen, die viel Zeit haben. Eichler beobachtet, beschreibt, denkt nach und erzählt. Die keineswegs langweilig wirkenden Gedankenspritzer, die von ihm aufs Papier gebracht wurden, sind nicht ohne verborgene Anspielungen. Sie decken so manche Unzulänglichkeit unserer Gesellschaft auf oder stellen vermeintlich fest vorgegebene Wege in Frage.

Trotz der höchst unterschiedlichsten Texte zieht sich ein roter Faden durch das Büchlein. Es ist der Faden der Liebe. So findet dieses Thema schließlich seinen Höhepunkt in der letzten Geschichte, die in ihrer Form eine starke Ähnlichkeit mit einem Liebesbrief aufweist und ein Kompliment darstellt. Wenn auch in jeder Geschichte unterschiedliche Fragen aufgeworfen werden, so gibt es letztendlich eine Antwort auf alle Fragen: wo der Verstand seine Grenzen erreicht, da ist die Liebe die Antwort.

Eine nette Lektüre, die sich in jeder Situation sehr gut für Zwischendurch eignet, ob im Zug, im Flugzeug, oder im Warteraum des Zahnarztes. Die Geschichten, von denen viele nur zwei Seiten lang sind, passen immer. Und manch eine sehr philosophisch erscheinende Geschichte lädt auch noch beim zweiten und dritten Lesen zu neuen Entdeckungen zwischen den Zeilen ein.

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Lothar Eichler
Gedankenspiele
Softcover, Taschenbuch
Centrum Verlag in der WFB Verlagsgruppe
ISBN: 978-3-86672-988-9
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2010

J.D. Salinger: Der Fänger im Roggen

J.D. Salinger: Der Fänger im Roggen

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Kultbuch und literarisches Kleinod.

Nach dem Tod von Jerome David Salinger, abgekürzt und bekannter unter dem Namen J.D. Salinger, der mit 92 Jahren vor kurzem gestorben ist, überschlugen sich die Feuilletons der großen Zeitungen mit Nachrufen auf den berühmten Autor. Ist doch sein bekanntestes Buch „Der Fänger im Roggen“ in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts zum Kultbuch der Jugend der westlichen Welt, vor allem aber in Amerika geworden. Eine ganze Generation von jungen Menschen fanden sich in der Hauptfigur des Holden Caulfied wieder. Ähnlich wie der Schauspieler James Dean verkörperte der Held von „Der Fänger im Roggen“, den aufmüpfigen und widerspenstigen Helden, der die Erwachsenenwelt mit ihren Lügen durchschaut und gegen sie rebelliert.

Holden ist 17 Jahre alt, als er wieder einmal, wie schon einige Male zuvor, von der Schule fliegt. Sein schnodderiger Jugendjargon durchzieht das Buch von der ersten bis zur letzten Zeile. Er widerspricht allen, misstraut vielen und in seinem ununterbrochenen Redefluss erzählt er von seinen Eindrücken über Mitschüler, Lehrer und Geschwister. Seine jüngste Schwester liebt er, seinen ältesten Bruder bewundert er, und den nächsten Bruder betrauert er, denn er starb an Leukämie.

In seiner so vermeintlich coolen Weltbetrachtung bekommen fast alle ihr Fett weg. Ob es die Pickel des älteren Mitschülers sind, die Arroganz oder die vermeintlichen „Weibererfolge“ von anderen, -er lässt kaum ein gutes Haar an ihnen. Aber man spürt, wie er sich  nach Liebe sehnt, und dass er sich aus seiner Haut nicht befreien kann. Ganz versteckt hört man den rührenden Satz: „Ich bin so verdammt einsam“.

Und das ist es wohl: noch nicht erwachsen und kein Kind mehr spiegelt die Erzählung die wechselvollen Gefühle, denen man sich mitten in der Teenagerphase, um das Wort  „Pubertät“ zu vermeiden, ausgesetzt sieht.

Der Roman ist für Jugendliche wie Erwachsene gleichermaßen geeignet.

J. D. Salinger hat nach diesem großen Erfolg nie wieder einen vergleichbaren Roman veröffentlicht. Als junger Mensch hübsch und ansehnlich, war er am Ende ein verknitterter alter Mann, der auf einem der letzten Fotos misstrauisch in die Welt schaut. Er lebte zurückgezogen und misanthropisch bis zu seinem Tode auf seinem Landgut in Cornich, New Hampshire.

J.D. Salinger
Der Fänger im Roggen
Taschenbuch: 269 Seiten
Verlag: Rowohlt Tb. 9. Auflage, Januar 2004
ISBN-10: 3499235390
ISBN-13: 978-3499235399

Franz Rettenböck: Bollmann schreibt

Franz Rettenböck: Bollmann schreibt

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Ein vorlauter Rabe ist es, der das Leben von Herrn Kowalski ändert. Mit dem einen unverschämten Wort, das der Vogel sagt, bringt er dessen Lebenskonzept ins Wanken. Kowalski bastelt sich eine Depression und steigt damit auf ärztlichen Rat in den vorzeitigen Ruhestand ein. Doch die Hände in den Schoß legen, will der ehemalige Finanzbeamte nicht. Er beschließt, sich schriftstellerisch zu betätigen. Von seinen Fähigkeiten in dieser Hinsicht ist er überzeugt. Also beginnt er, sich in der Szene herumzutreiben, beteiligt sich an Literaturforen und Lesungen. So langweilig wie sein ehemaliger Kollege Dinglechner will er aber nicht werden. Und trotzdem wird Dinglechner bald darauf literarisch verwurstet. Aus ihm wird Kowalskis Figur Claus Bollmann. Dieser soll auch Schriftsteller werden wollen. Bollmann erfindet die Figur des Roman Schreiber und dieser hat ebenfalls schriftstellerische Ambitionen.

Hatten wir das nicht schon mal? Geht es jetzt immer so weiter? Schreibt ein Autor über einen Autor, der über einen Autor schreibt? So einfach ist es dann doch nicht. Denn nicht jedem liegt die schriftstellerische Arbeit. Bollmann tut sich schwer, auch nur einen vernünftigen Satz zu Papier zu bringen. Trotzdem lässt Kowalski Bollmann leben. Er ist ihm zu ähnlich. Autobiografisches wird immer mehr eingebracht. Man hat als Leser den Eindruck, beide Männer verschmelzen miteinander. Kowalski betrachte sein Leben neu. Geht zurück in der Zeit, sucht nach Stoff. Er hält sich an die Geschichten, die das Leben schreibt und drückt sie Bollmann auf. Doch der hat bald die Nase voll davon, sich sein Leben vorschreiben zu lassen. Er beginnt eigene Wege zu gehen und treibt damit Kowalski in den Wahnsinn.

Wen wundert es, das die Geschichte beginnt, in ihren Grundfesten zu wanken? Immer mehr verstrickt sich Kowalski in seine Ideen. Er beißt sich so fest, das bald nicht einmal mehr seine Frau hier mitziehen will. Aber Kowalski weiß, Bollmanns Leben hängt von ihm ab. Die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion verschwimmen immer mehr. Es ist interessant für den Leser, diesen Prozess zu beobachten.
Schreiben kann süchtig machen, ob man nun gut ist oder nicht. Als Hobbyschriftsteller kann man die Warnungen kaum übergehen. Das Schreiben kann das Leben verändern. Wer sich berufen fühlt, sollte sich also wappnen. Und das Buch lesen! Dieser schräge Blick auf den Hobby-Literaturbetrieb ist sehr amüsant.

Rezension von Heike Rau

Franz Rettenböck
Bollmann schreibt
214 Seiten, gebunden
Skalding Verlag
ISBN-10: 3940695033
ISBN-13: 978-3940695031

Paul Torday: Charlie Summers

Paul Torday: Charlie Summers

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Charlie Summers ist ein Hochstapler!

Mit Unverfrorenheit und Chuzpe nähert er sich in Frankreich zwei englischen Freunden, die dort zum Urlaub und Golfspielen verabredet waren.

Hector Chetwode- Talbot, genannt Eck, und sein Freund Henry Newark sind einigermaßen überrascht, als sich der schmuddelig aussehende Charlie Summers aufdringlich an ihre Fersen heftet.

Zurück in England nimmt Summers die Gelegenheit wahr, um einer leicht dahingesagten und nicht ernst gemeinte Einladung auf das Gut von Lord Newark zu folgen. Er nistet sich bald darauf in dem kleinen unansehnlichen Ort Stanton St.Mary in der Nähe von Stanton Hall ein, um von dort aus seine dubiosen Geschäfte mit angeblich aus Japan stammendem Hundefutter zu starten.

Inzwischen geht Eck seinen ebenfalls undurchsichtigen Geschäften mit Hedgefonds nach. Nachdem er die Armee verlassen hatte, war ihm ein Freund behilflich, ins Finanzgeschäft einzusteigen.

Was Summers im Kleinen tut, das veranstaltet Eck in großem Stil: er schafft mit seinen Beziehungen die Kontakte zu potenziellen Großanlegern. Nach und nach dämmert ihm, dass er bei Geschäftskontakten behilflich ist, die zu kriminellen Machenschaften bei der Anlage großer Summen führen.

Bankencrash und Finanzblasen, Freundschaften, Verrat an ihnen, die Liebe und unsaubere Geschäfte vereint Paul Torday zu einem spannenden Gesellschaftsbild, in dem Al Qaida und die Wirtschaftskrise von Ferne drohen und in dem sich der luderige Zeitgeist des 21. Jahrhunderts spiegelt.

Der Autor ist ein famoser Erzähler. Mit Witz, trockenem Humor und ironischen Betrachtungen nimmt er sich aktuellen Themen der Zeit an. Die Generosität der guten englischen Gesellschaft erfährt bei allem finanziellen Desaster Würdigung. Paul Torday legt in seinen Erzählungen den Finger auf Wunden gesellschaftlichen Wildwuchses und überzieht und karikiert damit aktuelle Zeitströmungen.

Nach seinem Roman „ Lachsfischen im  Jemen“ ist ihm erneut ein humorvoll und spannend  geschriebener Roman gelungen!

Paul Torday 
Charlie Summers
Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
Verlag: Berlin Verlag
ISBN-10: 3827008832
ISBN-13: 978-3827008831

Kristof Magnusson: Das war ich nicht

Kristof Magnusson: Das war ich nicht

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Drei Protagonisten und drei Schicksale.

Meike aus Hamburg übersetzt Arbeiten für einen Schriftsteller, der in USA lebt. Leider ist er nicht aufzufinden!
Pech für sie, die gerade ein Häuschen in der Nähe von Hamburg  bezogen hat und ohne Geldverdienst übel dran ist!

Mit einem flotten Plot beginnt die Geschichte, in die drei Protagonisten mit unterschiedlichen Zielsetzungen verwickelt sind.

Meike fliegt eines Tages nach Chicago, um den flüchtigen Schriftsteller zu suchen und zur Arbeit anzuhalten. Er hat schließlich versprochen, einen Jahrhundertroman zu verfassen!

In einem Kaffee stößt Meike auf den Banker Jasper Lüdemann aus Bochum, den es nach Chicago verschlagen hat, und der gerade nach der Frau fürs Leben Ausschau hält. Er verliebt sich in sie und versucht Annäherungen, die nicht so recht gelingen wollen.

Zu guter letzt erscheint auch Henry LaMarck noch, der Schriftsteller, ein leicht verrückter Typ, der seinerseits den smarten Banker für sich als Liebhaber gewinnen will. Dieser aber hegt andere Ambitionen: er will den Schriftsteller als potentiellen Kunden werben, denn Jasper Lüdemann ist Börsenhändler. Er brennt vor Arbeitseifer und Erfolgswahn. Dass ihm beim Jonglieren mit den Millionen Fehler unterlaufen, die seine ganze Existenz  ins Schleudern bringen, ist nur ein Teil der Geschichte. Der andere Teil befasst sich mit der Täuschung und der Freude des Autors am Spiel mit seinen Figuren. So spazieren die Gestalten durch seinen Roman, einer nach dem anderen in der Ichform referierend, und erleben aufgeregt, wie ihnen ihr Leben zu entgleiten droht. Einzig der Schriftsteller geht zielstrebig auf sein Ziel los: er will nicht mehr schreiben sondern in Rente gehen.

Die Verknüpfung der drei Schicksale erfolgt kongruent und zeigt eine Mischung aus Komödie, Krimi und ganz gewöhnlicher Alltagsgeschichte. Gut konzipiert nimmt Kristof Magnusson den Bankenalltag auf die Schippe, in dem alles möglich und unmöglich ist, und der Crash, wie heute ja bekannt, allenthalben vorprogrammiert ist. Den Schriftsteller zeigt er in seiner Erfindungsnot, und Meike ist eine Mischung aus frustrierten Liebesnöten, Emanze und zielstrebiger Erfolgsfrau. Nach farbigen und vielschichtigen Verwicklungen folgen für alle freudige Überraschungen und Kristof Magnusson kann sich beruhigt zurücklehnen in der Gewissheit, dass es seinen Helden in Zukunft gut gehen wird.

Eine heiter-satirische Komödie ist ihm mit seinem Roman gelungen!

Kristof Magnusson
Das war ich nicht
Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: Kunstmann
ISBN-10: 3888975824
ISBN-13: 978-3888975820

Dan Simmons: Drood

Dan Simmons: Drood

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Am 9. Juni 1865 geschieht das Zugunglück. Charles Dickens und seine Reisegefährtinnen überleben, während viele andere sterben. Fortan hat Dickens bei jeder Zugfahrt Probleme, seine Angst im Zaum zu halten. Und noch etwas setzt ihm zu: Die seltsame Gestalt im schwarzen Umhang, der er an der Unfallstelle begegnet ist. Man könnte den Mann für den Tod selbst halten, auch wenn Dickens ihn lieber für einen Leichenbestatter hält.
Willkie Collins erlebt Dickens nach dem Unglück vom Staplehurst erschreckend gealtert. Dickens hat sogar die Stimme eines anderen. Damit erzählt er ihm von dem merkwürdigen Mann, genannt Drood. Dickens will Drood aufspüren und seine Geschichte erfahren. Der Schriftsteller glaubt, hier den Stoff für eine Geschichte zu finden. Er spannt den ehemaligen Inspector Field für seine Zwecke ein, der ihm Detective Hatchery zur Verfügung stellt. Beide sind in Rente, bzw. beurlaubt von der Polizeiarbeit und arbeiten als Privatermittler.
Drood muss als blinder Passagier unterwegs gewesen sein. Alles deutet darauf hin, dass er in einem Sarg mit dem Zug gereist ist. Die Spuren führen in die Unterstadt. Und so steigen Dickens, Collins und Hatchery hinab in die Katakomben. Collins, dem die Zustände im unterirdischen London ungemein zusetzen, bleibt schließlich zurück, während Dickens seine Spurensuche fortsetzt. Er kommt tatsächlich mit einer Geschichte zurück, die er weiterverfolgen und später niederschreiben, aber nie vollenden wird und die auch Collins Leben fortan beschäftigen soll.

Collins erzählt die Geschichte aus seiner Sicht. Er hält sich für einen brillanten Autor, auch wenn er sicher nicht an Dickens heranreicht, der sein Freund und Mentor ist. Und doch sind die beiden auch Konkurrenten, was im Verlauf der Geschichte immer mehr zum Tragen kommt. Collins kommt im Grunde mit dem normalen Leben schon nicht klar. Er meistert den Alltag nur mit Laudanum, von dem er immer größere Mengen braucht. Es beflügelt auch seine Fantasie. Die Geschichte Droods setzt ihm immer mehr zu, er ist besessen davon. Und Dickens fördert dies noch, statt seinen Freund hier zu bremsen.

Das Buch ist über mehrere hundert Seiten ausgesprochen spannend. Es ist das Mysteriöse, was fesselt. Die Handlung erscheint perfekt geführt. Doch später weiß man nicht mehr, woran man ist. Wahrheit und Fantasie, aus dem Laudanum-Rausch heraus entstanden, vermischen sich immer mehr. Collins wird zu einem Erzähler, den man nicht mehr ernst nehmen kann. So ist es Dan Simmons auch nicht gelungen, für ein zufriedenstellendes Ende des Buches zu sorgen, auch wenn das Geheimnis um Edwin Drodd gelüftet scheint. Ob in Charles Dickens Sinne, sei dahingestellt.

Der Schreibstil des Autors gefällt gut. Er ist vom Bemühen um ausgesuchte Höflichkeit, selbst in haltlosen Situationen zu wahren, geprägt. Unter Gentlemen dieser Zeit war das so üblich und kommt besonders in den Dialogen zur Geltung. Allerdings bremsen lange Schachtelsätze, der sehr ausschweifend erzählten Geschichte, den Lesefluss ein wenig.
Das Handlung begeistert also schon. Und wenn die Geschichte im letzten Drittel des Buches einen anderen Verlauf genommen hätte, könnte man es uneingeschränkt weiterempfehlen. So aber, wird es nicht jedermanns Sache sein.

Rezension von Heike Rau

Dan Simmons
Drood
Übersetzt von Friedrich Mader
976 Seiten, gebunden
Wilhelm Heyne Verlag
ISBN-10: 345326598X
ISBN-13: 978-3453265981