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Kategorie: Belletristik

Georg Diez: Der Tod meiner Mutter

Georg Diez: Der Tod meiner Mutter

Todesfälle in der Familie : eine Selbstbeobachtung.

Eine Vielzahl von Büchern erscheint jedes Jahr auf dem Buchmarkt, in denen Menschen ihre Todeserlebnisse protokollieren, den nahenden eigenen Tod oder den von Angehörigen.
Tod und Leben gehören zusammen: das sagt sich so leicht! Aber wie sieht die Wirklichkeit aus?
Georg Diez ist einer von jenen, die sich mit der Erinnerung an den Tod der Mutter etwas von der Seele geschrieben haben. Seine Form ist die einer differenzierten Reflexion über eine Mutter, deren Leben ganz im Zeichen der Veränderung stand.

Sie stammte aus einem bürgerlichen Elternhaus, in dem viel Schein und Verlogenheit herrschte. Die Großeltern von Georg Diez gehörten zu jenen Jahrgängen, die den Krieg überlebt hatten und mit der alten Welt ihre eigenen Lebensvorstellungen begraben mussten ohne neue an ihre Stelle setzen zu können. Kinder aus diesen Familien, Georgs Mutter also, gehörten häufig zu den Revolutionären der 68 ziger Generation, die gerne ihre Herkunft über Bord warfen. Sie wussten mit der Zerrissenheit und der unter autoritärem Gebaren verborgenen Scheinheiligkeit ihrer Eltern nichts anzufangen. Protest und Aufruhr waren die Zeichen der Zeit, in die Georgs Mutter hineingeriet. Das Ergebnis war eine tiefe gefühlsmäßige Verunsicherung, die gekoppelt war an eine unbeugsame Selbstbestimmung und die Trennung von ihrem Mann. Nach dem frühen Ende der elterlichen Ehe lebte der Autor abwechselnd beim einen oder anderen Elternteil. Er beschreibt sensible, atmosphärisch deutlich nachspürbare Augenblicke der Fremdheit, die es zwischen seiner Mutter und ihm gab.
Während ihres Sterbens bemüht er sich darum, ihr die angemessene Fürsorge angedeihen zu lassen, und er will wissen, wer sie ist!
Fragen nach der Selbst- und Fremdbestimmung sind Teile seiner Reflexionen, so dass es hier auch um eine Familienstudie geht. Hat die viel beschworene Selbstbestimmung der Mutter ihr wirklich nur Glück und nicht auch Isolation und Einsamkeit beschert?

In seinen Erinnerungen berichtet Georg Diez schonungslos über seine wechselnden Gefühle. Sein eigenes Leben ist angefüllt mit beruflichen und privaten Verpflichtungen. Schwankend zwischen Schuld, Sorge, Angst vor dem Verlust und Ärger über die ständigen Störungen wurden die Gedanken über den Verfall der Mutter ständige Begleiter seines Alltags. Bemerkenswert sind die ambivalenten Gefühle, mit denen die Lebenden den Wechsel zwischen der Aktivität des Alltags und der Teilnahme an der Trostlosigkeit des Untergangs erleben.

Minutiös zeichnet der Autor die Beobachtungen mit der Konfrontation des Todes als existenzielles Erleben auf.
Die Suche nach den Wurzeln der Gemeinsamkeit zwischen ihm und seiner Mutter ist Bestandteil seiner inneren Rückschau.
Es stellt sich hier die Frage, wem die Veröffentlichung dieser Bekenntnisse dienen soll. Ist sie womöglich eine Form exibitionistischer Selbstdarstellung?
Die Begründung liegt ganz einfach neben der Selbstbefreiung im Lerneffekt für andere!
Die Konfrontation zwischen Eltern und Kindern im Angesicht des Todes sind noch viele Erinnerungsbücher wert!

Georg Diez
Der Tod meiner Mutter
Kiepenheur & Witsch
208 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3462041422

Romain Gary: Die Liebe einer Frau

Romain Gary: Die Liebe einer Frau

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Hommage an die unvergängliche Liebe!

Mysteriös und sehr traurig beginnt die Geschichte von einem Mann, der die Liebe beschwört und die Melancholie über ihre Vergänglichkeit in jedem seiner Worte anklingen lässt.Er will von Flughafen Paris aus nach Caracas fliegen, kehrt jedoch spontan um und fährt wie magisch angezogen nach Paris zurück. Beim Aussteigen aus dem Taxi stößt Michel auf eine Frau, der bei dieser Gelegenheit alle Einkäufe aus der Hand fallen. Sie hat wunderschöne weiße Haare, entschuldigt sich, gibt ihm auf seine Bitten noch ihre Adresse und verschwindet.

Hemmungslos verwirrt sucht Michel daraufhin die Nähe der Frau, die er aus dem Taxi kommend angerempelt hat. Sie macht kein Hehl daraus, dass ihr Leben nach dem kürzlich erfolgten Unfall ihres Ehemannes und dem Tod ihres Kindes den Sinn verloren hat. Auch Michel hat Kummer, denn seine Liebste ist krank. Sie wird sterben, und er fühlt sich ohne sie als ein Nichts! Kurz vor ihrem Ende haben sie sich getrennt, unfähig, den Abschied in Kummer und Sorgen zu ertragen.

Zwei betrübte Geister suchen Schutz und Nähe und sind und bleiben von ihrer Trauer gezeichnet.

In kurzen Szenen versinkt Michel in Trauer, Schweigen und Verzweiflung. Er lernt einen Dompteur kennen, der mit einem rosa Pudel und Schimpansen im Varieté auftritt. Trostlos erscheint auch dieses Milieu. Was wollen die beiden Männer von einander, die sich fremd und in ihrer Trauer doch ähnlich sind? Michel sucht sein Ebenbild im Spiegel, weiß nicht mehr wie und wer er ist. Er gerät durch Lydia, die Bekanntschaft der Nacht, in die Kreise russisch-jüdischer Emigranten und man erlebt clowneske Begegnungen und verwirrende Gespräche, die um die wahre Liebe kreisen.

Gary hat die Liebe in verschiedenen Tonarten hier besungen: betrübt, himmlisch, begeisternd, unzerstörbar und doch vom Ende bedroht. Mit Sätzen wie diesen :. „ Die Freude eines Kindes oder die Zärtlichkeit eines Paares leuchten für alle, sie sind immer ein Platz an der Sonne. Und ein Verzweifelter aus Liebe, der an der Liebe verzweifelt, ist ein recht seltsamer Widerspruch “… ruft er den Zauber des Glücks herbei.

Als Vorbild für das unglückliche Ende einer Liebe kann die eigene Verbindung des Autors mit Jean Seberg gelten: Romain Gary und die Schauspielerin waren von 1962 bis 1970 ein Paar und nahmen sich im kurzen Zeitabstand von eineinhalb Jahren nacheinander das Leben. Er hat den Zusammenhang seiner Protagonisten mit sich und Jean Seberg zwar verneint. Der alternde Beau, weltgewandte Diplomat und Draufgänger und die blutjunge Frau suchten seiner Zeit Erfüllung beieinander: Zärtlichkeit und Fürsorge von seiner und Schutzbedürftigkeit von ihrer Seite, wie sie sich in den Fotos spiegeln, fanden zu einer glücklichen Symbiose, die schlussendlich an der Realität zerbrach.

Romain Garys Erzählung handelt von der Liebe, die für ewig gelten soll, und deren Untergang man nicht überleben kann.
Wie es im Einband heißt: es geht um den existenziellen Wert der Liebe, an den Gary fest glaubte, und dem er über alle Zeitströmungen hinweg das Hohelied sang.
Nach seinem Buch gab es einen Film von Jean Luc Godard, in dem Romy Schneider und Ives Montand die Hauptrollen spielen.

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Romain Gary
Die Liebe einer Frau
192 Seiten, gebunden
SchirmerGraf
ISBN: 978-3865550699
ISBN-10: 386555069X
Originaltitel: Claire de femme

Szilárd Rubin: Kurze Geschichte von der ewigen Liebe

Szilárd Rubin: Kurze Geschichte von der ewigen Liebe

Ungarn nach dem zweiten Weltkrieg: Jeunesse dorée und heißblütige Liebe.

In einer fast schwebenden Weise eröffnet der ungarische Autor Szilárd Rubin den Reigen einer Liebesbesessenheit, die während und nach dem zweiten Weltkrieg in Ungarn durchlebt wird.
Attila und Orsolya sind die beiden ungleichen Partner, die sich 1945 nach dem Ende des zweiten Weltkriegs in Ungarn wieder treffen. Sie kannten sich schon aus Kindertagen.
Attila geht seinen Träumen und Lebensplänen nach, ergeht sich in der Schönheit der Natur, erzählt von seinen Erlebnissen mit Freunden und begeistert sich für seine schöne Freundin. Er sehnt sich nach einem erfolgreichen Poetenleben. Seine Freundin Orsolya, die aus großbürgerlichem deutsch-ungarischem Elternhaus stammt, trägt die Wunden des verbrannten Dresden noch in sich, nachdem sie in ihr ehemaliges Elternhaus in Ungarn zurückgekehrt ist. Hat Attila in ihrem Elternhaus überhaupt eine Chance für ein Willkommen? Er gilt dort als erfolgloser Poet!
Freundschaften, Gespräche und die Nachkriegszeit bieten den Rahmen, in dem sich die Liebe der beiden Protagonisten abspielt. Es geht zwischen Romantik und Realität auf schwankendem Boden unermüdlich auf und ab zwischen den beiden. Überwältigende Szenen zeigen die Wollust der Sinne und den Zauber heißer Nächte, in denen sich Attila und Orsolya von der Tanzfläche schleichen, um im Teich des Parks ein Bad zu nehmen. „Zwischen den Bäumen hindurch schallte die Tanzmusik zu uns her, und wir sahen dem Gewirbel der bunten Kleider zu.“

Nostalgisch und exemplarisch werden Gefühlszonen berührt, die den vergangenen Krieg und das veränderte Europa mit bedenken. Zugleich negieren poetische Betrachtungen die Zeitspanne, in der die Grausamkeit des Krieges und damit einhergehend Ideologien die Gemüter verwirrt haben und der Jugend ihren Zauber nahmen. In einem Rausch der Sinne tanzt und feiert die Jeunesse dorée ganz unterschiedlicher Herkunft in euphorischem Gemeinschaftsgefühl, um sich im Vergessen zu üben. Es ist wie ein Tanz auf dem Vulkan. Nach dem Ende ihrer Studien zerstreuen sich die Freunde in verschiedene Richtungen, um erfolgreich in ihren Berufen zu arbeiten. Attilas poetische Übungen allerdings gelingen unter der neuen Herrschaft des großen russischen Übervaters nicht.
Attila und Orsolya können ihr Glück mit einander nicht finden und zermürben sich in einem von Hass gefärbten, besessenen und Besitz ergreifenden Liebeskrieg. In einer Art Metamorphose wird man Zeuge der Verwandlung einer großen Liebe. Attila sieht noch einmal im Rückblick die kleinen Mädchen seiner Kindheit mit ihren Samthöschen und kleinen Stiefeln,–aber es ist vorbei! Die Zeit der Unschuld und des Glaubens an eine glückliche Zukunft endet im Desaster der Unvereinbarkeit einer schönen Frau und eines unglücklichen Poeten, der zum Diener fremder Herren wird.

Tief berührt liest man Sätze von durchsichtiger Reinheit und sehnsuchtsvollen Erinnerungen. Rubins Beobachtungen umfassen Stimmungen und Gefühle, Trauer, Besessenheit und vergehendes Glück und das Ende einer großen Liebe. Mit feinfühligen Bildern geht er dem Hass und der Liebe auf den Grund, und man staunt über die Emphase, mit der sich seine poetischen Eindrücke in den Texten spiegeln.

In Lobeshymnen ergehen sich die Kritiken des frisch entdeckten ungarischen Autors Szilárd Rubin, der mit diesem neu aufgelegten Roman von 1963 seine Wiedergeburt erlebt. Von Proust bis zum „Großen Gatsby“ reichen die Vergleiche, und man kann sich dem auflebenden Ruhm nicht entziehen.
Das Buch bedeutet eine Entdeckung für alle Liebhaber der großen und einmaligen Werke der Literaturgeschichte!

Szilárd Rubin
Kurze Geschichte von der ewigen Liebe
220 Seiten, gebunden
Rowohlt Verlag
ISBN: 978-3871346316

Benjamin Markovits: Manhattan Love Story

Benjamin Markovits: Manhattan Love Story

Manhattan, seine Einwohner und der ganz normaler Alltag.

Ein sonderbares Völkchen rückt da im heutigen New York in den Fokus: Lehrer, Unternehmensberater, ein schwuler Lehrer mit seiner plötzlich aufgetauchten Tochter, Ergebnis der kurzen Begegnung einer Nacht, die Frau und Mutter dieser Tochter und sein Freund Tomas…..

Die Personen bewegen sich im Dunstkreis einer teuren Privatschule.
Amy ist Lehrerin dort und hat zu thanksgiving, einem amerikanischen Erntedankfest, ihre Familie eingeladen. Die Atmosphäre ist gespannt, und alle scheinen das Treffen unterschwellig als peinlich zu empfinden. Man ist verlegen in Gegenwart der anderen. Amy hat einen gut verdienenden Freund, Charles Conway, aber so recht nahe kommen sie sich nicht. Man spürt die Unruhe und Melancholie, die über Freundschaften und Familienbanden liegt, denn Amy weint viel. Sie fühlt sich einsam.

Das erste Kapitel dieses Erzählbandes ist mit „Herbst“ überschrieben. Es folgen der Winter, der Frühling und der Sommer.
Im Winter begegnet man Howard Peasbody, der seinen homosexuellen Alltag mit dem jungen Tomas teilt. Howard wird eines Tages mit einer dicklichen und nicht sehr anziehenden Tochter konfrontiert, die er in einer verwegenen Nacht mit Annie gezeugt hat. Annie hat vergeblich versucht, ihn schon früher auf seine Tochter aufmerksam zu machen. Hin und her gerissen zwischen dem neuen Verhältnis und seinem bisherigen Leben, scheint alles in die Brüche zu gehen.

In einer Aneinanderreihung von Geschichten aus dem Alltag sich wenig berührender Protagonisten gilt es, einzelne Ausschnitte zu betrachten. Fast jeder ist in seinen Verhaltensnormen, in den Wünschen und Erwartungen erstarrt. Frühe Prägungen haben die Weichen vorherbestimmt, in denen die einzelnen Protagonisten ihren Weg machen. Auf unterschiedliche Weise sind alle auf der Suche nach dem Glück, nach Erfolg und Anerkennung. Vom Glück beseelt ist jedoch keine der Figuren.
Erwartungen zerschellen an der äußeren Realität, und schlecht und recht sieht jeder zu, wo er bleibt. Der schöne Goethespruch fällt einem dazu ein“ Eines schickt sich nicht für alle! Sehe jeder, wie er’s treibe, sehe jeder, wo er bleibe, und wer steht, dass er nicht falle!“ So ist das Leben, und so beschreibt es Markovits: Höhepunkte sind nicht die Regel, sondern das gewöhnliche Allerlei bestimmt die Tage und die Nächte. Fluchtversuche enden zumeist in der Wiederholung des schon einmal gelebten Lebens, und so lebt jeder sein Leben ab.

Es ist eine melancholisch gefärbte Geschichte, die mit psychologischer Tiefenschärfe die kleinen und großen Miseren des Alltags beschreibt. Die Gesellschaftsstudie ist reflektierend und beobachtend. Auf einen Spannungsbogen, der die einzelnen Schicksale zusammenführt, wartet man vergeblich.

Benjamin Markovits
Manhatten Love Story
276 Seiten, gebunden
Insel Verlag
ISBN:  978-3458174288

Viktor Lodato: Mathilda Savitch

Viktor Lodato: Mathilda Savitch

Leben zwischen Wahn und Wirklichkeit.

Für eine Halbwüchsige ist das Leben voller Geheimnisse und verborgener Genüsse. Mit vagen Erwartungen und stiller Neugierde beäugt man die Erwachsenen, deren Handeln man nicht immer begreift. Mathilda Savitch ist ein eigenwilliges, leicht widerborstiges und mit wachem Verstand ausgestattetes junges Mädchen. Sie ist fünfzehn Jahre alt, frech und aufmüpfig und hat eine empfindsame Beobachtungsgabe.

Monoton und witzig plaudert sie vor sich hin, und man erfährt so allerlei aus ihrem jungen Leben. So hört man, dass die Schwester Helene tot ist, und die Eltern seither sprachlos und stumm sind. Geheimnisumwittert bleibt der frühe Tod der Schwester, die eines Morgens vor einen Zug gestoßen wurde. Aus dem Schatten der naiv neugierig parlierenden Göre tritt ganz allmählich eine Familie in den Fokus, in der nicht alles so einfach, problemlos und taufrisch ist, wie es aussieht.

Victor Lodato hat seine einmalig sensible Erzählung mit vielen feinen Psychodetails ausgestattet!
Der Ton seiner Protagonistin Mathilda ist verwundert, fragend und naiv auf eine Weise, die anziehend und bestrickend ist. Düstere Wolken ziehen am Himmel auf, je tiefer man in die Familiengeschichte eintaucht. Man wähnt sich zuletzt zwischen einer möglichen wahren Geschichte und einem Psychothriller. Leicht verrückt und zuweilen von anrührender Komik bleibt der Autor die ganze Zeit bei der Hauptprotagonistin, aus deren Augen, Sinnen und Trachten man das skurrile und traurige Leben der kleinen Familie betrachtet.

Dass man sich so genau in die Gedanken – und Gefühlswelt einer Fünfzehnjährigen hineinversetzen kann, ist erstaunlich genug. Hinzu kommt die witzige und in skurrile Einfälle verpackte Sozialstudie einer Familie, die durch den unfassbaren Tod einer ums Leben gekommenen Tochter in Schockstarre geraten ist. Nur Mathilda scheint lebendig und neugierig in ihrer ungetrübten Unschuld und begibt sich unscheinbar und unaufdringlich auf die Suche nach dem Täter. Sie geht es ruhig und schlau an. Schon der Schattenriss des jungen Mädchens auf dem Buchumschlag zeigt sie auf der Suche: nicht nur nach einem Mörder, sondern auch nach ihrem eigenen Woher und Wohin. Der preisgekrönte Autor wird mit seinem Debütroman die Bestellerlisten erklettern!

Victor Lodato
Mathilda Savitch
220 Seiten,  gebunden
C.H. Beck
ISBN:  978-3406590740

Tim Parks: Träume von Flüssen und Meeren

Tim Parks: Träume von Flüssen und Meeren

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Paul Roberts ist Autor. Sein Interesse gilt Albert James. Er beabsichtig über den großen Denker eine Biografie zu schreiben. Zu seinem Bedauern stirbt der Mann, bevor er ihn kennen lernen kann.

Für John kommt der Tod seines Vaters ebenfalls sehr überraschend. Er fliegt die 6000 km von London nach Delhi. Hier sind seine Eltern zu Hause. Helen hatte eigentlich keine Lust gehabt, John zu verständigen. Und so ist sie an ihrer Arbeit im Krankenhaus, als John ankommt. Den jungen Mann irritiert das zutiefst. Er hat Fragen, die eigentlich keinen Aufschub dulden. Auch später kommt er kaum ins Gespräch mit seiner Mutter.

Paul Roberst, ebenfalls nach Indien gereist, will sich nicht so einfach abspeisen lassen. Die Biografie soll von der Witwe wenigstens autorisiert werden. Doch Helen verweigert dies.

Obwohl Albert James verstorben ist, spielt er die Hauptrolle im Buch. Er hat größten Einfluss auf seine Familie und andere nahestehende Personen. Sein plötzlicher Tod ist für John unerträglich. Die Sprachlosigkeit der Mutter ist für ihn kaum auszuhalten. Helen entzieht sich dem Leben, ihrem Sohn und den Fragen des Biografen.

Aber dem Leser offenbart der Autor Hintergrundinformationen vorab. So ist dieser den handelnden Personen immer ein Stück weit voraus, erkennt Zusammenhänge eher.

Albert James war eine faszinierende, geheimnisumwitterte Persönlichkeit. Seine Arbeit als Anthropologe ist allerdings kaum nachvollziehbar. Der Nutzen wird immer wieder in Frage gestellt. Helen kennt seine Geheimnisse, ob nun privat oder beruflich. Immer schwerer wird es für sie, zu schweigen. Für sie gibt es schließlich nur einen Weg, sich dem zu entziehen.

Das Buch hat Tiefgang. Man liest vom Untergang einer Familie, die rätselhafter nicht sein könnte. Nur nach und nach erfährt man mehr über den Verstorbenen. Die Familiensituation kommt einem Verwirrspiel gleich. Was enthüllt wird, überrascht. Man kann sich dem nicht verweigern. Dafür sorgt der Autor. Seine klare Sprache, seine Art, die Geschehnisse zu analysieren und die Charaktere zu zeichnen, fasziniert.

Rezension von Heike Rau

Tim Parks
Träume von Flüssen und Meeren
Aus dem Englischen von Ulrike Becker
512 Seiten, gebunden
Verlag Antje Kunstmann
ISBN-10: 3888975794
ISBN-13: 978-3888975790

Gut gegen Nordwind – Daniel Glattauer

Gut gegen Nordwind – Daniel Glattauer

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Gut gegen Nordwind – Daniel Glattauer, ISBN: 3552060413

„Zauberhafte Liebesgeschichte unserer Zeit“

In diesem Roman wird eine wunderbare und hinreißende Liebesgeschichte erzählt.

Sie ist in jeder Hinsicht bemerkenswert, denn sie ist Ausdruck unserer Zeit, dem Zeitalter der Technik und der Computer, das man sich im Einklang mit Romantik und zarten Liebesbanden nur schwer vorzustellen vermag.

Emmi und Leo geraten zufällig in einen E-Mailaustausch.

Was als Versehen beginnt, steigert sich zu einer intensiven, leidenschaftlichen, imaginären Liebesbeziehung. Sie ist voller Zärtlichkeit und Erotik, voller Spannung und steigert sich zu einer unstillbaren Sehnsucht des Einen zum anderen.

Emmi outet sich als glücklich verheiratet mit zwei vom Ehemann mit in die Ehe gebrachten Kindern. Ist sie wirklich so glücklich? Man wird es erst noch sehen.
Leo hat eine längere Liebesbeziehung gerade abgeschlossen.

Der Ton der beiden bleibt in der Regel locker, leicht , fröhlich, amüsiert und verlockend. Und doch erfahren sie nach und nach mehr und auch ernstere Dinge von einander.

Verbunden mit allerlei Verwicklungen familiärer und freundschaftlicher Art bleibt der E-Mailaustausch das eigentliche Medium dieser Liebe.

Die auffällige Spannung entsteht aus den Phantasien, die bei einem derartigen Kontakt frei gesetzt werden und den Partner in einem ständig sich wechselnden und nicht fassbaren Bild erscheinen lassen: keine reale Gesetzmäßigkeit des Alltags stört die Beziehung, alles Physische bleibt der Verklärung und den Wunschträumen überlassen.

Die Erfahrung der Verklärung und der Wunschträume mag so manchen Internetkontakt bereichern: in dieser Form und in diesem Roman ist es auf eine wundersame Weise eine sehr menschliche, warmherzige und ungewöhnlich zauberhafte Erfahrung!

Glattauer benutzt eine vielschichtige und reiche Wortwahl, um Gefühle, die im wahren Leben durch Mimik, Gestik und Handeln vermittelt werden, auf dem Weg der Sprache und des Intellektes zu transportieren. Dass Leo auch noch Sprachpsychologe ist, der sich mit dieser Art Kommunikation in der Wissenschaft befasst, setzt der ganzen Geschichte die Krone auf!Das Ende ist echt und realistisch lässt keinen Gedanken an Kitsch aufkommen.

Es ist ein witziges und amüsant zu lesendes kleines Werk!

Gut gegen Nordwind – Daniel Glattauer
Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
Verlag: Deuticke im Zsolnay Verlag; Auflage: 30 (November 2006)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3552060413

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Katharina von der Leyen: Dogs in the City

Katharina von der Leyen: Dogs in the City

Die Journalistin Katharina von der Leyen gibt gerne zu, dass sie einen Hundetick hat. Mit einem Mann, einer Katze und den Mops Theo und den Königspudeln Luise und Ida lebt sie zusammen. Später kommt noch das Italienische Windspiel Harry dazu. Auch in ihrer Vergangenheit hatte sie immer wieder ganz unterschiedliche Hunde. Sie ist also eine erfahrene Hundehalterin.
Aus ihrem Leben erzählt sie mit einem Zwinkern im Auge. Es ist sehr unterhaltsam zu lesen, wie es sich mit den Hunden gestaltet. Es gibt so viele Erlebnisse, die weiterzuerzählen sich lohnt. Die Charaktere der Hunde und ihre Beweggründe zu tun, was sie eben tun, werden auch immer mit menschlichen Eigenschaften verglichen. Dabei vermenschlicht die Autorin in ihrer Haltung Hunde aber keineswegs. Vielmehr verfügt sie über großen Sachverstand. Sie beweist, dass sie auch mit schwierigen Hunden umzugehen versteht. Im Buch werden nicht nur die guten Erlebnisse mit Hunden beschrieben. Auch über Schwierigkeiten wird gesprochen. Deutlich wird auch, wie verschieden Hunde doch sind.
Das Buch hat damit nicht einfach nur einen Unterhaltungswert. Man kann auch von der Autorin einiges über den Umgang mit Hunden lernen.
Das Buch ist mit sehr viel Humor geschrieben. Viele Situationen werden überspitzt dargestellt. Damit hat die Autorin die Lacher auf ihrer Seite. Und dennoch werden auch traurige, zu Herzen gehende Situationen nicht ausgespart.
Das Cover passt überhaupt nicht zum Buch. Es vermittelt ein wenig Oberflächlichkeit und reduziert das Buch auf seinen Unterhaltungswert. Über den Text würde man das nie sagen.
Mit im Buch sind auch einige Fotos der Hunde. Die schaut man gerne an. Mit einem Bild der Tiere vor Augen liest sich das Buch noch besser.

Rezension von Heike Rau

Katharina von der Leyen
Dogs in the City
Franckh-Kosmos Verlag
192 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3440113363
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Donna Milner: River

Donna Milner: River

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„Er kam zu Fuss. Wie eine Fata Morgana erschien er zwischen den flirrenden Hitzewogen auf der Straße, die sich bis zu unserem Tor wand. Ich beobachtete ihn aus dem Schatten unserer geschlossenen Veranda heraus. An jenem heißen Julitag im Jahr 1966 war ich vierzehn, und bis zu meinem Geburtstag waren es nur noch ein paar Wochen. … Als der Border-Collie ihm die Hand leckte, lächelte er uns von der anderen Seite des Zauns zu. Mom lächelte zurück, strich sich die feuchte Schürze glatt und ging die Verandastufen hinunter. Ich zögerte nur einen Augenblick, dann stellte ich den Wäschekorb ab und folgte ihr. Wir trafen ihn am Tor.
Mom hatte ihn erwartet.
Was sie nicht erwartet hatte, war all das Leid, das wie ein kalter Wind folgen sollte.“
So beginnt der Debütroman der kanadischen Schriftstellerin Donna Milner. Ein romantischer Einstieg, der von einem Hippie erzählt, welcher als Vietnamskriegsgegner auf der Flucht vor den US-Behörden Zuflucht im benachbarten British Columbia sucht. Der Leser wird in die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück versetzt und auf die ländliche und sommerliche Landschaft eingestimmt, bis dann dieser letzte Satz des ersten Kapitels dort steht. Mit nur einem Satz wird die zuvor aufgebaute Idylle zerstört.
Natalie Ward, die Protagonistin dieser Novelle, erhält über dreißig Jahre später einen Anruf von ihrem Bruder, dass es der Großmutter sehr schlecht gehe und sie unbedingt nach Hause kommen müsse. Ihre Mutter ist wahrlich nicht mehr die Jüngste und so macht sie sich umgehend auf den Weg in ihre alte Heimat, die sie über Jahre nicht mehr besucht hatte. Auf dem Weg dorthin muss sie ständig an die alten Zeiten denken und so erzählt sie dem Leser ihre Lebensgeschichte. Sie erzählt vom Leben auf dem Lande, in einer Kleinstadt. Sie erzählt von der harten Arbeit eines Milchbauern, von ihren drei Brüdern, dem Ältesten Boyer, in den sie sich so verliebt hatte, dass sie ihn heiraten wollte und den beiden unzertrennlichen Morgan und Carl, die sich in dasselbe Mädchen verlieben. Sie erzählt von ihren Schulfreundinnen und vom Kirchenverein, sie erzählt davon, dass ihre Mom keinen Besucher wieder gehen lässt, bevor er nicht eine Kleinigkeit bei ihnen gegessen hat. Doch es hat seinen Grund, dass Natalie viele Jahre nicht in dieser, ihrer Heimat gelebt hat. Es ist der gleiche Grund, der ihre Mutter im Krankenbett davon abhält, in Frieden mit sich selbst das Zeitliche zu segnen.
Donna Milner erzählt die Geschichte auf mehreren Ebenen und vollzieht in geschickter Weise einen ständigen Wechsel zwischen den Ereignissen der Vergangenheit und der Gegenwart. Dabei gelangt die Ich-Erzählerin zu der Erkenntnis, dass die Vergangenheit nicht geändert werden kann, sondern dass man mit ihr leben muss, egal, wieviel Leid und Schmerz sie einem zugefügt hat. Detailliert beschreibt die Autorin das Leben in dem kleinen verschlafenen Kaff an der amerikanisch-kanadischen Grenze zu einer Zeit, als John F. Kennedy umgebracht und der Vietnamkrieg von den Amerikanern ausgetragen wurde. Es wird eine gewisse Idylle beschrieben, die für die damalige Zeit gelten mag. Auch das Verhältnis der einzelnen Familienmitglieder untereinander scheint sehr geregelt zu sein, die Mutter, die sich um den Zusammenhalt und den Haushalt kümmert, der Vater und die Söhne, die das Geld anschaffen, der große Bruder, der sich rührend mit einem Wortspiel um seine kleine Schwester kümmert. Doch alles scheint zu zerbrechen von dem Moment an, als sich die Mutter um eine zusätzliche Hilfskraft für die Landwirtschaft bemüht und sich auf ihre Anzeige hin ein Hippie auf dem Hof meldet. Dabei sollte es unverständlich sein, dass gerade dieser River Jordan derjenige sein soll, wegen dem alles zerbricht. Denn seine Liebenswürdigkeit macht vor keinem Menschen halt und selbst die Damen aus dem Kirchenverein mögen ihn nach einer gewissen Zeit.
Die Autorin zeichnet ein Bild von einer Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit und klagt die Bigotterie an, die hinlänglich auch als kleinbürgerlich bezeichnet wird. Wenn es sich um eine Autobiografie handelt, denn die Protagonistin ist genauso wie die Autorin eine Journalistin für Lokalzeitungen, dann ist es Donna Milner erstklassig gelungen, die biografischen Details in eine spannende Geschichte einzubinden. Als reine Biografie kann sie alleine deshalb schon nicht angesehen werden. Sie als einen Liebesroman abzutun wäre zu einfach, aber das ist sie natürlich auch. Faszinierend sind immer wieder die Überraschungen, mit denen die Autorin den Leser verblüfft. Sie bringt es ganz geschickt zustande, immer mal wieder auf eine mögliche Wendung hinzuweisen. Der Leser hat deshalb keine Chance, das Buch aus der Hand zu legen. Und sie zieht die Wendungen bis kurz vor dem Ende durch. Wenn der Leser nach der Hälfte des Buches vielleicht denkt, jetzt ist alles gelaufen und er muss nur noch das erwartete Ende erreichen, dann liegt er völlig falsch.
Die Spannung in diesem Roman zeugt von sehr hohem handwerklichem Können und man mag sich kaum vorstellen, dass es ein Erstlingswerk ist. Man darf gespannt sein, auf weitere Geschichten dieser Schriftstellerin, die bestimmt noch von sich reden machen wird.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2009

Donna Milner
River
Roman, 416 Seiten, gebundene Ausgabe
Piper
ISBN: 978-3492051620

Mary Hooper: In königlichem Auftrag

Mary Hooper: In königlichem Auftrag

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Lucy wartet darauf, einen geheimen Auftrag der Königin zu erhalten. Bis es soweit ist, arbeitet sie weiter im Haushalt von Dr. Dee, dem Zauberer der Königin, um die Kinder zu betreuen.
Weil die Familie einen Ausflug macht, hat Lucy ihre Freundin Isabelle ins Haus eingeladen. Isabelle betritt es nur ungern, es ist ihr unheimlich. Dieses Gefühl sieht sie bestätigt, als sie bei der Besichtigung der Bibliothek einen leisen Seufzer hört, der sich nicht erklären lässt. Sie tritt die Flucht an. Am nächsten Tag hört Lucy wieder etwas. Sie wird aufmerksam. Als Hausangestellte kann sie sich frei im Haus bewegen und bekommt hier und da Gesprächsfetzen mit. Bald ist ihr klar, dass Dr. Dee und sein Assistent Mr. Kelly irgendetwas ausbrüten, um an Geld zu kommen. Als sie dem Zuckersieder William Mucklow einen Brief überbringen soll, bringt ihr das Gewissheit. Bei Mucklows herrscht ein großes Durcheinander. Miss Charity, die Tochter, soll mit einem Kerl durchgebrannt sein. Und Dr. Dee soll sie mit Hilfe der Kristallkugel ausfindig machen. Lucy zählt zwei und zwei zusammen und glaubt an eine Entführung des Mädchens. Und auch, wo die Gesuchte sich aufhält, ist ihr sofort klar. Solange die Königin ihrer noch nicht Bedarf, will sie Miss Charity helfen.

Die Geschichte ist super spannend. Lucy ist zwar nur eine einfache Hausangestellte, aber blitzgescheit. Sie weiß sich zu behaupten und mischt sich ein. Dabei geht sie äußerst geschickt vor. Sie stellt sich nicht ins Rampenlicht, agiert lieber aus dem Hintergrund heraus. Lucy löst diesmal gleich zwei „Fälle“. Sie hilft Miss Charity und bespitzelt im Auftrag der Königin eine Hofdame.
Das alles spielt vor perfekt inszenierter oder vielmehr perfekt nachempfundener historischer Kulisse. Hintergrundinformationen gibt es hier auch noch mal am Ende des Buches. Man erhält Informationen zum alltäglichen Leben einer bürgerlichen Familie aber auch zum Dasein bei Hofe.
Das Buch ist damit die perfekte Fortsetzung zu „Im Haus des Zauberers“. Es ist aber eine zum größten Teil in sich abgeschlossenen Geschichte. Das Buch lässt sich dank des ausgefeilten Schreibstils sehr angenehm lesen. Die Autorin zieht damit den Leser problemlos in den Bann der Geschichte. So ist man gespannt, auf eine Fortsetzung.

Rezension von Heike Rau

Mary Hooper
In königlichem Auftrag
256 Seiten, gebunden
ab 12 Jahren
Bloomsbury Kinder- und Jugendbücher
ISBN-10: 3827053412
ISBN-13: 978-3827053411
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