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Kategorie: Biografie

David Foenkinos: Charlotte

David Foenkinos: Charlotte

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Biographie

Der wunderbare Erzähler David Foenkinos hat sich der Biographie einer ungewöhnlichen Frau genähert. Er ist fasziniert von einer Künstlerin, die durch die Nazis umgebracht wurde und in wunderbaren expressionistischen Bildern die Geschichte ihres Lebens hinterlassen hat. Auf dem Umschlagsbild sieht man das Selbstporträt der Künstlerin: skeptisch, trotzig und abwartend!

Charlotte Salomon, geb. 1917, war Zeichnerin und Malerin und hat ihr besonderes Talent für die Malerei nur kurz feiern können. Sie war Jüdin und musste eine lange Flucht mit Verlusten überstehen, als die Judenverfolgung in Deutschland mit ihren Auswüchsen ihren Anfang nahm.

Doch wie begann das alles?

David Foenkinos berichtet über seine Entdeckung der Malerin und der Suche nach ihren Wurzeln. Er ist begeistert von ihr und verwendet in seinem vorliegenden Roman die Form der klaren Erzählung im Wechsel mit seinen eigenen Forschungen nach ihrem Werdegang. Ohne hier alles vorwegzunehmen, kann man sagen, dass auf ihrer Familie ein schweres Schicksal lastete. Zahlreiche Suizide haben in ungewöhnlicher Weise einzelne Familienmitglieder aus dem Leben gerissen.

Charlotte erfährt erst spät, wie ihre Mutter gestorben ist und besuchte in frühester Kindheit schon das Grab der Schwester ihrer Mutter, die ihren Namen trug. Die Mutter starb 1926 ebenfalls durch Suizid.

Die Künstlerin wirkte wie ein erschrockener Mensch, der sich schon in frühester Kindheit tragischen Familienereignissen ausgesetzt sah, ohne diese zu verstehen. Sie machten sie einsam und ließen sie früh schon zum Zeichenstift greifen.

Der Vater hatte 1930 in zweiter Ehe eine bekannte Konzertsängerin geehelicht, die von Charlotte sehr akzeptiert wurde. Man führte in Berlin Charlottenburg ein großbürgerliches Leben. Bekannte jüdische Künstler, Wissenschaftler und Größen aus Forschung und Lehre verkehrten in dem geselligen Haus.

Nach Hitlers Machtergreifung 1933 wurde das Leben für Juden jedoch ungeheuer schwer. Jeder kennt die Folgen.

Charlotte gelingt dank ihrer außergewöhnlichen Begabung und Befürwortung durch einen Kunstlehrer zunächst noch die Aufnahme in die Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst. Doch auch das Glück dieser Tage endete durch die politischen Ereignisse.

Foenkinos hat eine Gabe, klar und nüchtern und doch ansprechend zu erzählen. Er beschreibt detailgenau, wie er für dieses Sujet zu eben dieser Erzählweise fand. Die knappen und kurzen Sätze ergeben ein ungeschöntes aber wahrheitsgetreues Bild der Künstlerin. Jeder Satz beginnt auf einer neuen Zeile, als solle ihm damit Nachdruck verliehen werden.

Durch die Erzählweise in dieser besonderen Form, in der das Leben von Charlotte Salomon noch einmal heraufbeschworen wird, erfährt man von einer Ausnahmekünstlerin mit ihrer besonderen Ausstrahlung.

Obwohl sie innerlich einsam war, besaß sie doch enorme seelische Kräfte. Eine kurze Liebesaffäre mit dem Gesangslehrer ihrer Stiefmutter ließ sie nie mehr los. Die Geschicke der Zeit im dritten Reich führten sie auf einem langen Weg über Frankreich und das Lager Gurs nach Südfrankreich, wo sie für einige Zeit sicher war.

Ihre Lebensgeschichte hat sie in einer Zeichenmappe mit dem Titel „Leben? Oder Theater?“ mit Bildern und Texten als Vermächtnis hinterlassen. In zahlreiche Ausstellungen waren ihre Bilder seither immer wieder zu betrachten. David Foenkinos ließen sie nie mehr los!

Man bleibt fasziniert und vertieft sich mit anhaltendem Interesse in die Geschichte dieser feinen, sensiblen und tief fühlenden Künstlerin, die wie so viele andere am Ende den Tod im KZ fand.

Foenkinos hat ihr mit seiner fabelhaften Erzählweise in der Übersetzung von Christian Kolb Ausdruck und Leben verliehen.

David Foenkinos
Charlotte
240 Seiten, gebunden
Deutsche Verlags-Anstalt, August 2015
ISBN-10: 3421047081
ISBN-13: 978-3421047083
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Philippe Pozzo di Borgo: Ich und Du

Philippe Pozzo di Borgo: Ich und Du

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Schicksal meistern lernen…

Dieses neue Buch von Philippe Pozzo di Borgo nimmt einen von der ersten Zeile an gefangen.

Er hat ein ungewöhnliches Schicksal.

Nach der Lähmung von den Schultern abwärts durch einen Gleitschirmabsturz und nach dem Krebstod seiner Frau, als er ca 43 Jahre alt war, hat Philippe Pozzo di Borgo wohl so ziemlich alles an schwerem Leid ertragen müssen, was man als Mensch nur fassen kann. Zu Monate langen Krankenhausaufenthalten verdammt hat er, der aus einer wohlhabenden Familie stammt, viel Zeit zum Nachdenken und Reflektieren.

Jenseits des öffentlichen Hypes um den Autor, der mit seinem Buch und Film „Ziemlich beste Freunde“ seit einigen Jahren Furore macht, spricht hier derselbe Mensch über seine Selbsteinsichten gepaart mit zuweilen herber Selbstkritik. Die geäußerten Gedanken sind offen, ehrlich und aufrichtig.

Pozzo di Borgo hat offensichtlich seine Hybris und Eitelkeiten abgelegt und ist durch leidvolle Erfahrung zu einer inneren Haltung gelangt, die ihn wach und lebendig im Geiste zu immer tieferen Einsichten führt. Es geht ihm um Toleranz und Respekt dem Nächsten gegenüber, um eine Horizonterweiterung im Denken und darum, Mitmenschen in ihrer je eigenen Art gelten zu lassen. Seine These heißt: aus Ich und Du soll Wir werden in gegenseitiger Toleranz, Akzeptanz, Wohlwollen und Anerkennung.

Der Text ist selbstverständlich und klar im Ausdruck, so dass man keinerlei Eitelkeiten oder gar Eiferertum entdecken könnte.

Wenn das Leid gar zu groß wird, beschreibt er, wie er dann im „Augenblick“ zu leben beginnt. „Es mag prätentiös klingen, aber ich betrete dann die „Zeit“.( S 42)

Der Autor lässt mit dieser Niederschrift andere an seinen Einsichten teilhaben. Sympathisch, mit einem Schuss Ironie und Humor, hat di Borgo seine Entwicklungsgeschichte beschrieben, die ganz einfach neugierig macht. Neugierig auf einen Menschen, dessen Kräfte schier unerschöpflich zu sein scheinen, und der immer neue Stadien und Hürden des Lebens bewältigt.

Eingeflochtene kurze biographische Einschübe erweitern den Blick auf eine ungewöhnliche Persönlichkeit. Sie mag wahrlich Trost und Vorbild für andere Betroffene sein.

Festhalten muss man, dass Pozzo di Borgo eine visionäre Vorstellung über das menschliche Miteinander hegt, die sich nur schwer verallgemeinern lässt. Zu groß sind die Diskrepanzen der menschlichen Spezies zwischen Herkunft, Bildung, Begabung, Chancen und Wohlstand.

Man kann jedoch von seinem Weg durchaus für das eigene Wachsen und Gedeihen profitieren.

Für die Nachdenklichen unter den Lesern ist die Lektüre überaus lehrreich und anregend.

Philippe Pozzo di Borgo
Ich und Du
152 Seiten, gebundn
Hanser Berlin, August 2015
ISBN-10: 3446249451
ISBN-13: 978-3446249455
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Helen Mcdonald: H wie Habicht

Helen Mcdonald: H wie Habicht

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Falknerin zu werden, war schon immer das Ziel von Helen McDonald. Schon als sie noch ein Kind war, nahm dieses Vorhaben Gestalt an. Ihr Vater ermutigte und unterstützte sie. Und so ging Helen ihren Weg. 2007 starb der Vater plötzlich. Helen gerät in eine tiefe Krise. Immer weiter zieht sie sich zurück. Beschließt dann aber, sich ein Habicht-Weibchen zu kaufen. Es wird ein anderer, als der ursprünglich zum Kauf stehende Vogel, weil es Faszination auf den ersten Blick ist. Sie nennt ihren Habicht Mabel. Die Abtragung geht langsam vonstatten. Aber Helen stellt sich dieser äußerst schwierigen Aufgabe.

Orientierung gibt ihr T. H. White mit seinem Buch „The Goshawk“. Die Zeit, die zwischen der Erscheinung dieses Buches im Jahre 1951 und der Gegenwart liegt, ist lang. Die Fehler, die man heute machen kann, sind dieselben wie damals. Helen will sie nicht wiederholen und arbeitet hart, mit Geduld und Zuversicht. Aber auch mit Besorgnis und Zweifeln. Bald hat sie erste Erfolge zu verzeichnen, aber immer sind auch Rückschläge hinzunehmen.

So konzentriert Helen auch arbeitet, die Zurückgezogenheit lähmt sie in allen anderen Bereichen. Doch sie braucht diese Zeit, um zu trauern und um sich zu erinnern. Die Natur und die Wildheit des Habichts helfen ihr, die Bodenhaftung nicht gänzlich zu verlieren. Letztendlich kann ein wildes Tier aber kein Gefährte sein. Doch die Realität muss warten.

Es ist ein autobiographisches Buch, das berührt. Helens Trauer scheint so unbezähmbar wie der Habicht. Das als Leser nachvollziehen zu dürfen, heißt, über das Leben nachzudenken und über den Tod. Es heißt, sich der Mediation der Autorin anzuschließen.

Es ist nicht so, dass mir das Buch durchweg gefallen hat. Es ist eine traurige und auch sehr persönliche Geschichte. Manche Zusammenhänge haben sich mir nicht offenbart. Trauer und Schmerz mit der Zähmung eines wilden Habichts zu verarbeiten, ist einfach für mich schwer nachvollziehbar. Manchmal konnte ich mich darauf einlassen, manchmal nicht. Aber wie auch immer: Es ist der Weg von Helen McDonald gewesen und für sie war es der richtige.

Rezension von Heike Rau

Helen Mcdonald
H wie Habicht
Aus dem Englischen von Ulrike Kretschmer
416 Seiten, gebunden
Allegria Verlag
ISBN-10: 3793422984
ISBN-13: 978-3793422983
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Verena Lueken: Alles zählt

Verena Lueken: Alles zählt

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Schicksale…

Wunderbar eingängig und sehr flott in der Diktion beginnt der neue Roman von Verena Lueken über eine Frau und ihre Geschichte.

Sie kommt aus Frankfurt/M nach New York, es mag im Jahr 2013 sein, und lebt für einen Sommer in der Wohnung von Freunden. Mit wenigen Worten verdichtet sich das Leben in der heißen, lauten, wilden und multikulturellen Stadt, in der in der Hitze des Abends Jazzklänge zum Tanzen verleiten, und die Menschen in einem fremdartigen Völkergemisch ihren Freuden, Nöten und allerlei sonstigen Tätigkeiten nachgehen.

Doch die Erzählerin ist krank. Sie wird eine schwere Operation erleiden müssen und sich den Fragen von Tod und Leben gegenübersehen.

Die Erzählung setzt sich schmissig fort und lässt in ihrem Tempo nicht nach. Erinnerungen an frühere Lebenszeiten und Erinnerungen an eine bewunderte Mutter und deren Lebenspartner wechseln ab mit den wachen Gedankenspielen darüber, welche Lebensphasen, Ziele und Gewohnheiten dem Leben inne wohnen.

Atmosphärisch dicht und im Erzählstrang nachdenklich erlebt man Reflexionen, Zweifel und kritische Lebensbetrachtungen einer Protagonistin, die es nicht leicht mit ihrer schweren Krankheit hat. Ihre nüchterne Betrachtungsweise und die klaren Ansagen zum eigenen Befinden werden sachlich vorgetragen. Erzählung reiht sich an Erzählung, in diesem Falle Erinnerungen und tägliche Begegnungen, ohne dass zwischen den einzelnen Episoden Brüche entstehen. Das erweckt den Eindruck einer flüssig fortschreitenden Geschichte.

Verena Lueken schreibt einen poetischen Stil, in dem das Leben in seiner ganzen Bandbreite Platz findet. Sie kann mit wenigen Worten Stimmungen, Ängste und Nöte einfangen, ohne je aufdringlich zu werden. Man fühlt sich berührt und liest mit großer Aufmerksamkeit, wie die namenlose Frau in dieser Erzählung ihr Leben zu meistern versucht.

Verena Lueken
Alles zählt
208 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, August 2015
ISBN-10: 3462047973
ISBN-13: 978-3462047974
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Hugues De Montalembert: Der Sinn des Lebens ist das Leben

Hugues De Montalembert: Der Sinn des Lebens ist das Leben

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Mut und Kraft zum Leben!

„Ich glaube, solange man morgens voller Hoffnung aufwacht, ist man guter Verfassung. Wenn man morgens aufwacht und sich am liebsten nur auf die andere Seite drehen will, um weiterzuschlafen, ist man in großer Gefahr. Und manchmal passiert das auch mir“.

Mit diesen klaren Worten beendet ein Mann seine Lebensgeschichte, die ihm ein unwahrscheinliches Lebensschicksal aufgebürdet hatte.

Der Autor ist nach einem Überfall in New York und einer damit einhergehenden Säureattacke innerhalb weniger Stunden vollständig erblindet. Dieses Schicksal erleidet ein Mann, der sich als Maler und Filmemacher verstand. Kann man sich vorstellen, was das bedeutet?

Hugues De Montalembert muss sich innerhalb kürzester Zeit auf ein Leben als Blinder einstellen. Wie er dieses Schicksal meistert und sich bemüht, seine alte Unabhängigkeit wieder zu erlangen, das beschreibt er in seinem vorliegenden Buch. Denn der Gedanke an den Verlust der Autonomie und die Vorstellung, fortan in seinem eigenen Käfig gefangen zu sein, bewegt ihn von der ersten Sekunde der Wahrheit an.

In zahlreichen eindrucksvollen Szenen beschreibt er, wie er sich ins Leben zurückkämpft. Er erkennt den Weg, wie er wieder zur Selbständigkeit zurückfinden kann.

An vielen Beispielen führt er auf, was man als Blinder nicht machen soll, um in der Abseitsfalle steckenzubleiben. Die Menschen anschauen und sich verhalten wie ein Sehender ist eine seiner zentralen Erkenntnisse, die ihn zuletzt zur Weisheit führten.

Als Reisender hatte er bisher sein Leben gestaltet. Sollte das unwiderruflich vorbei sein?

Wir erleben einen Mann, der sich ganz konkret zu einem Wissenden macht über das, was möglich, und das, was unmöglich sein könnte. Am Ende wird er feststellen und wir mit ihm, dass fast nichts unmöglich ist. Er wird sogar ein Ballett als Choreograph leiten!

Dieses kleine Büchlein ist ein weiser Lebensführer durch das Leben, wenn man die Möglichkeiten denn nur zu fassen weiß!

Lehrreich und erfahrungssatt schließt das Buch, das man jedem Verzagenden nur als Lektüre empfehlen kann!

Hugues De Montalembert
Der Sinn des Lebens ist das Leben
128 Seiten, broschiert
DuMont Buchverlag, Juni 2015
ISBN-10: 3832163247
ISBN-13: 978-3832163242
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Oliver Sacks: On The Move Mein Leben

Oliver Sacks: On The Move Mein Leben

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Abenteuer Gesundheit…

Als berühmtester Neurologe der Welt wird Dr. Oliver Sacks ausgewiesen!
Sein Buch „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ machte ebenso Furore wie das Buch mit dem Titel „Zeit des Erwachsens“, nach dem ein gleichnamiger Film entstanden ist.

Was macht uns als Leser so neugierig auf die Autobiographie?

Es sind u.a. die Fallgeschichten, mit denen er in seinen Büchern Furore gemacht hat. Wie war dieser Mensch mit seiner intensiven Affinität zu den ihm anvertrauten Patienten?

Er war offensichtlich von einer tiefen menschlichen Verständnisfähigkeit für die körperlichen Malaisen seiner Patienten.
Anomalien im Verhalten beruhen nach seinen Ausführungen auf einer Fehlsteuerung im Gehirn, Schädigungen der Hirnzellen oder auch seltenen Stoffwechselstörungen oder fehlgeleiteten Ausschüttungen wichtiger Botenstoffe im Gehirn, die für das Zusammenspiel von Körper und Geist vonnöten sind.

Nach einem Studium der Medizin in England ging er nach Amerika, wo er an verschiedenen Kliniken, zuletzt in New York, gearbeitet hat.
Mittlerweile ist er 81 Jahre alt und berichtet hier von seinem Leben, das von Wechseln, Krisen, Erfolgen und Neugier getragen war.

Seine Erfahrungen auf dem Gebiet der Medizin und Menschenkunde sind aufregend. Privat hatte er einige wenige sehr enge Liebesbeziehungen zu Männern. In einer kritischen Phase seines Lebens war er schwer drogensüchtig. Das Motorradfahren war ihm früh im Leben schon Lebenselixier, dem er sich mit Leidenschaft überließ.
Hohe Intelligenz und Kreativität zeichnen seinen Berufsweg aus.

Durch seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen gewann er Achtung und Ansehen, musste allerdings auch die unangenehmen Begleiterscheinungen von Neid und Missgunst erleben.

In seinem Buch über seinen Werdegang erlebt man einen sehr offenen und äußerst ehrlichen Burschen, der mit vielerlei eigenen Entwicklungsproblemen zu kämpfen hatte. Sein Buch ist detailreich, zuweilen sehr auf seine medizinischen Forschungen und Erfolge ausgerichtet, doch immer von einer tiefen Anhänglichkeit und Würde getragen, mit denen er nächsten Angehörigen, Mitarbeitern und guten Freundinnen und Freunden zugetan war.

Seine unterschiedlichen Charaktereigenschaften zeigen ihn in seinen menschlichen Bezügen liebevoll und treu. Eigene Konflikte werden souverän von ihm thematisiert. Sie lassen ihn sehr sympathisch erscheinen. Er stellt bewusst heraus, dass ihm nichts Menschliches fremd ist. Seine Persönlichkeit befähigt ihn offensichtlich in besonderer Weise, Menschen mit diversen Krankheitssymptomen gerecht zu werden.

Die Autobiographie liest sich spannend und anregend. Man ist beeindruckt von einem Menschen, der mit Kraft, Liebe und Engagement seiner Berufung als Neurologe und Schriftsteller nachgekommen ist. Sehr lesenswert!

Oliver Sacks

On The Move Mein Leben
Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
Rowohlt, Mai 2015
ISBN-10: 3498064339
ISBN-13: 978-3498064334
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Ram Oren: Gertrudas Versprechen

Ram Oren: Gertrudas Versprechen

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Dieser Bericht stützt sich auf eine wahre Begebenheit.

Er handelt von der Nazizeit, von Bedrängnis und aufkommende Verfolgung bis hin zu Flucht und Vernichtung aller menschlichen Würde und des jüdischen Lebens.

Gertruda hat nach einigen schweren Enttäuschungen in ihrem Leben eine Stelle als Kinderfrau bei einer sehr reichen polnisch-jüdischen Familie angenommen. Sie selber ist katholisch. Michael ist das einzige Kind der Familie, heiß ersehnt und fürstlich umgeben von Reichtum, Fürsorge und der Liebe seiner Eltern. Er ist ein reizendes Kind, für das Gertruda von Beginn an eine tiefe Zuneigung hegt.

Als die Nazis in Deutschland an die Macht kommen, mehren sich die Anzeichen, die auf schwere Verfolgungen bis hin zu Folter, Tod und Vernichtung aller Juden hinweisen. Der Millionär Jakob Stolowitzky und seine Frau Lydia können lange nicht glauben, das da in Deutschland passiert.

Parallel zu dieser Geschichte gibt es in Deutschland Karl Rink mit seiner jüdischen Frau Mira und Tochter Helga. Karl hat während der Arbeitslosigkeit Aufnahme in die SS gesucht und gefunden. Auch er will nicht glauben, dass die angekündigten Exzesse Hitlers und seiner Nazibonzen zum Erfolg führen könnten, bis es so aussieht, als wäre es zu spät für Frau und Kind, dieser Hölle zu entkommen.

Ram Oren hat eine dramatische Geschichte zu erzählen. Ihm gelingt es, die Verdichtung von guten und friedlichen Zeiten und großem Glück hin zu der Zeit des Terrors, der Angst und schlimmster Verfolgung mit klugen und ausgewählten Beschreibungen herauf zu beschwören. Man fühlt sich ganz dicht am Geschehen, fürchtet sich und freut sich, je nach Schilderung, mit den Protagonisten. Wenn Dichtung und Wahrheit hier dicht beieinander liegen, so ist das Stilmittel der Dichtung durchaus erlaubt, um die schauerliche Zeit des Nationalsozialismus hautnah vor Augen zu führen. Der Erzählstrang führt gelegentlich alle erwähnten Personen zusammen.

Alles überragend wird hier auch die Geschichte einer Mutterliebe und einer Treue erzählt, wie sie ihresgleichen sucht.

Wie man das aus zahlreichen Erzählungen und vielen Biographien kennt, war die Hitlerzeit das Schlimmste, was in einem aufgeklärten christlichen Land geschehen konnte. Ram Oren besticht durch die Macht seiner Erzählkunst, mit der er die Geschichte so erzählt, dass man meint, man sei dabei gewesen. Unvorstellbare Strapazen, Ängste und Zufälle bestimmen das Geschehen, das in seiner Dramatik kaum zu überbieten ist. Man lese das Buch und erfahre erneut, wie die Barbarei in unserem Land Platz gefunden hatte.

Ram Oren
Gertrudas Versprechen
352 Seiten, gebunden
DuMont Buchverlag, Mai 2015
ISBN-10: 3832163336
ISBN-13: 978-3832163334
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Siegfried Lenz: Gespräche unter Freunden

Siegfried Lenz: Gespräche unter Freunden

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Ein stiller Künstler in seiner ganzen Größe…

Siegfried Lenz, 1926 – 2014, ist uns allen bekannt durch seine Romane, Hörspiele und Bühnenwerke.

Sein schriftstellerisches Werk zeichnet sich durch einen gewissen Ernst, Heiterkeit, Melancholie und Wehmut aus. Wehmut in Erinnerungen an Masuren, Ernst über die Zeitgeschichte, Gelassenheit durch die Ruhe, die seinen Werken inne wohnt.

In dem Buch „Gespräche unter Freunden“ versammeln sich nach und nach gesammelt aus fünf Jahrzehnten Schriftsteller und Journalisten von Rang und Namen zu gemeinsamen Gesprächen mit Siegfried Lenz.

Hier kommt uns dieser liebenswerte, weise und kluge Autor noch einmal ganz nahe.

Er war keiner, der sich produzierte, keiner, der laut wurde, und dennoch gehörte er zu den bedeutendsten Autoren Nachkriegsdeutschlands nach dem 2. Weltkrieg. Mit seiner leisen Unaufdringlichkeit hat er sich mit den allgemeinen Fragen von Gut und Böse auseinandergesetzt, hat seine Stimme zu wichtigen politischen Themen erhoben und blieb doch immer einer im Schatten.

In den Gesprächen dreht sich u.a. alles immer wieder um das Schreiben und die richtige Position, die Lenz im Leben und im Schreiben einnahm. Klar und deutlich artikuliert er seine Vorlieben für nördliche Landschaften, seine Vorstellung von Pflichtgefühl und seine persönliche Einstellung zu seinen Werken, über die er befragt wird.

Neben dem Freund von Siegfried Lenz, Marcel Reich- Ranicki, kommen Persönlichkeiten wie Manfred Durzak, Ekkehard Rudolf, Pavel Kohut und natürlich Günter Grass zu Wort. Weitere bekannte Namen wie Fritz Raddatz, Heinrich Böll und so viele, die uns im Zusammenhang mit der Gruppe 47, bekannt wurden, tauchen hier noch einmal auf. Die Gruppe 47 war eine Vereinigung deutscher Schriftsteller zur Förderung junger deutscher Talente und zur Reflexion über die eigenen Werke.

Die Spiegelredakteure Volker Hage und Martin Doerry möchten S. Lenz aus der Reserve locken, in dem sie ihn zu kritischen Stellungnahmen ermuntern. Doch S. Lenz lässt sich nicht provozieren.

Eine der schönsten Anmerkungen finden sich im Gespräch mit Loki Schmidt. Hier geht es u.a. um das Thema „Altern“. Beide, Lenz und Loki, können diesem nichts abgewinnen. Loki aber meint, vielleicht ginge es einem gut, wenn man nicht mehr so viel mit bekäme und schon dankbar wäre „…wenn man sich darüber freut, dass man ein Süppchen bekommt, oder dass einen jemand mit einer Decke warm zudeckt“. Auch in diesem sehr anregenden Gespräch bleibt Lenz der Skeptiker und der zurückhaltende Melancholiker, während Loki die frische Zuversicht eines ganzen Lebens in sich trägt.

In den Gesprächen unter Freunden finden sich zahlreiche Einsichten, Stellungnahmen zu politischen und gesellschaftskritischen Themen und immer wieder Einlassungen zu den eigenen Werken.

Sie zeigen einen Schriftsteller, der einen sehr eigenen Weg gesucht und gefunden hat. Sein Ruhm wird hoffentlich anhalten und durch dieses Dokument einen Nachhall finden!

Siegfried Lenz

Gespräche unter Freunden
512 Seiten, gebunden
HOFFMANN UND CAMPE VERLAG, April 2015
ISBN-10: 3455503675
ISBN-13: 978-3455503678
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Ulrike Draesner: Mein Hiddensee

Ulrike Draesner: Mein Hiddensee

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Seit fast zwanzig Jahren zieht es die Autorin immer wieder auf die Insel. Auch jetzt wieder. Sie hat ihr Kind dabei und den Hund. Und ihren Mann, der aber nicht mehr an ihrer Seite ist und eine neue Partnerin hat. Vielleicht ist das der Grund, dass die Autorin von außen auf die Szene schaut und nicht in der Ich-Perspektive schreibt. Nicht mal Namen werden genannt. Das sorgt für den nötigen Abstand, lässt vielleicht auch den Schmerz außen vor. Ich kann mich allerdings mit dieser Art zu schreiben nicht anfreunden. Alles wirkt oberflächlich. Natürlich verwendet die Autorin für ihre Beobachtungen reichlich aussagekräftige Wörter. Aber es ist, als blicke man durch einen Schleier. Als würde die Schönheit der Natur herangezogen als Ablenkung. Um andere Gedanken abzugrenzen. Aber um Selbstfindung scheint es auch nicht zu gehen. Auch nicht um den Entwurf eines neuen Lebenskonzeptes. Vielleicht um die Betäubung der Sehnsucht nach einem Leben in einer stabilen Partnerschaft. Denn Sehnsucht ist es auch, die die Autorin immer wieder auf Hiddensee zieht. Aber auch hier nagt der Zahn der Zeit. Alles verändert sich. Die Natur gibt und nimmt. Geht es um die Vergänglichkeit der Zeit? Der ablaufenden Zeit? Anderen vor ihr ging es so. Darunter berühmte Menschen, die nur noch Erinnerung sind.
Die Stimmung im Buch ist durchweg melancholisch. Die Natur ist nicht immer nur schön und anschaulich. Nicht selten bläst ein harter Wind. Kaum, dass man sich auf den Beinen halten kann. Die Landschaft ist mitunter karg und von entsprechendem Bewuchs. Ruhe zu finden, scheint kaum möglich, der Wind bläst das Gehirn einfach nicht leer. Die Bilder zeigen eine Vision der wahren Gefühle. Gefühle, die nicht länger unterdrückt oder weggeschoben werden können. Die Autorin mal diese Bilder jedoch so, dass ich sie nicht sehen kann, auch wenn das Buch schon ein bisschen nachdenklich macht. Aber wirklich Zugang habe ich nicht gefunden.

Rezension von Heike Rau

Ulrike Draesner
Mein Hiddensee
192 Seiten, gebunden
Mare Buchverlag
ISBN-10: 3866482132
ISBN-13: 978-3866482135
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Chantal Louis: Ommas Glück

Chantal Louis: Ommas Glück

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Formen der Demenz und wie mit ihnen umgehen. Heim oder daheim das ist hier die Frage.

„Ommas Glück“ ist die nette Geschichte über Chantal Louis’ Großmutter, die nach einigen Fehlläufen in einer Demenz-WG gelandet ist.
Im schönsten Ruhrpottdialekt werden die Besonderheiten des Alters und der in diesem Fall damit einhergehenden Demenz beschrieben.
Teilweise geht es da lustig und heiter zu, immer aber leicht und unbeschwert. Die Autorin erzählt von den fabelhaften Altenpflegerinnen, die mit so viel Geschick und Klugheit ihre ihnen anvertrauten Pfleglinge aus den Wirrnissen ihrer Empfindungen in die realen Gegebenheiten (essen, trinken, kleiden) führen. Sie sind geduldig, liebevoll und voller Empathie. Dass es Menschen gibt, die sich zu dieser Art Betreuung berufen fühlen, ist wunderbar. Ja, das wäre die ideale Voraussetzung, um auch diese Phase des Lebens zu meistern!
Doch wie sieht die Realität wirklich aus? Was wird nahen Angehörigen abverlangt, die zunächst jahrelang das Abgleiten ihrer Eltern, Geschwister, Ehepartner oder Großeltern erleben und erleiden?

Da ist einer ja nicht von Heute auf Morgen dement. Da gibt es gleitende Übergänge und eine Gratwanderung zwischen normal und irreal. Vergesslichkeiten, den ganzen Tag lang Fragen nach diesem und jenem, Verlegung von wichtigen Akten, Papieren und anderer Kleinigkeiten und ein unentwegtes Nähebedürfnis, im einen Fall mehr im anderen weniger, machen den Angehörigen, meistens den Ehefrauen oder Töchtern, zu schaffen. Das zerrt an den Nerven und macht auf die Dauer wütend, unduldsam und krank. Natürlich bleiben auch die „guten Ratschläge“ von allen jenen nicht aus, die aus der Ferne alles so gut zu durchschauen meinen und nach einem kurzen Besuch, in dem sich der/die demente Person von der besten Seite zeigt, genau Bescheid zu wissen glauben. Es gibt sogar Angehörige, die es den nahestehenden Betroffenen übel nehmen, wenn sie „Omma“ oder „Oppa“ ins Pflegeheim vermeintlich „abschieben“.

Wie stark sind erst die Schuldgefühle, wenn man wieder einmal merkt, dass man den anderen beschimpft und ermahnt hat, wo er doch eigentlich „nichts dafür“ kann! Das kann Jahre so gehen, und die Angehörigen werden sich sehr schwer tun, ihre „Omma“ oder den „Oppa“ ins Pflegeheim oder gar in eine WG zu geben.

Diese WGs, das bleibt nicht ungesagt, haben mit zahlreichen Unbilden zu kämpfen. Da geht es um Mietverträge, Verantwortlichkeiten, Versicherungen und Haftungen. Wer bestellt den richtigen Pflegedienst und übernimmt die Gehaltszahlungen? Was, wenn eine Pflegekraft plötzlich ausfällt, sei es durch Krankheit oder anderer Gründe wegen?
Was als Ei des Columbus erscheint, ist in Wirklichkeit mit unendlicher Mühsal und Arbeit verbunden. Dazu gehört Idealismus und Einsatzbereitschaft. Es klingt alles so verlockend und simpel. Doch fürchte ich, diese Wohnform für Alte wird auf lange Zeit Utopie bleiben.

Chantal Louis hat sich sicher verdient gemacht, indem sie einmal mehr auf das Thema „Demenz“ und ihre Folgen aufmerksam macht.
Ihr Buch beinhaltet wichtige Aspekte der Unterbringung und gibt wertvolle Hinweise. Doch eine Lösung für das Thema Demenz bietet sie nur sehr in Grenzen.

Chantal Louis
Ommas Glück
208 Seiten, broschiert
KiWi-Paperback, März 2015
ISBN-10: 3462047183
ISBN-13: 978-3462047189
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