Petra Neumann: Putz- und Waschseife sieden

Petra Neumann: Putz- und Waschseife sieden

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Wer sich einmal an die Herstellung eigener Seife herangewagt hat, möchte vielleicht auch eigene Haushaltsseifen sieden. Sie sind, mit den richtigen Zutaten gemacht, umweltfreundlich, da biologisch abbaubar, und sparsam im Verbrauch. Die Flut an Plastikverpackungen hat ein Ende.

Das Buch beginnt mit den Grundlagen. Hier ist zu erfahren, wie Reinigungsmittel funktionieren und auf welche Inhaltsstoffe es ankommt. Auch wird eine passende Ausrüstung für die Seifenherstellung vorgeschlagen. Den persönlichen Schutz beim Arbeiten nimmt die Autorin sehr genau und macht deutlich, warum die Einhaltung der Vorgaben wichtig ist.

Die Rohstoffe für die Grundseifen werden ebenfalls genau beschrieben. Die verschiedenen pflanzlichen und tierischen Fette werden dabei in Porträts vorgestellt, die aufschlussreich sind und aufzeigen, welche Eigenschaften eine Seife besitzen wird. Palmöl wird aus bekannten Gründen ausgespart. Es folgen Berechnungen, die für die Seifenherstellung wichtig sind.

Sehr interessant ist das Kapitel „Resteverwertung“. Hier geht es um Frittierfett und wie man es für die Seifenherstellung recyceln kann.

Nachdem die Grundlagen erarbeitet sind, folgt die Seifenherstellung. Der Rezeptteil umfasst beispielsweise Vorwaschseife, festes und flüssiges Waschmittel, festes und flüssiges Spülmittel, Putzpaste, Backofenspray sowie Mittel zur Fenster- und Bodenreinigung.

Die Autorin, sie ist Chemie-Ingenieurin, geht in ihrem Buch strukturiert vor und erklärt sehr ausführlich. Entsprechend hilfreich und verständlich ist das Buch. Es ist ein gutes Arbeitsbuch und Nachschlagewerk. Auch Anfänger sollten kein Problem haben, die ersten Putzseifen selbst herzustellen, zumal es Anfängerrezepte gibt. Fortgeschrittene können Ihre Putzmittel nach eigenen Vorstellungen anpassen. Es sind dazu viele inspirierende Vorschläge zu finden. Vor allem sind die Wasch- und Reinigungsmittel brauchbar und sinnvoll. Sehr schön ist außerdem, dass es in den Rezepten um verhältnismäßig kleine und damit für Haushalte geeignete Mengen geht.

Rezension von Heike Rau

Petra Neumann
Putz- und Waschseife sieden
Techniken und Rezepte für Küche, Bad Boden, Wäsche & Co.
128 Seiten, broschiert
Verlag Eugen Ulmer, April 2022
ISBN-10: 3818614350
ISBN-13: 978-3818614355
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Jane Gardam: Mädchen auf dem Felsen

Jane Gardam: Mädchen auf dem Felsen

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Wir befinden uns in einem flirrend heißen Sommer an der britischen Küste. Es ist die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen.
Wieder wie in vorhergehenden Romanen beschäftigt sich Jane Gardam mit den Tücken des Familienlebens, mit Freigeistern und mit Predigern.

Margaret lebt in einer Familie von bigotter Selbstherrlichkeit und sturen Regeln des Umgangs.
Sie ist 8 Jahre alt und langweilt sich tödlich. Ein Baby, der gerade erst geborene Bruder des Mädchens, nervt mit seinem Geschrei, seiner Hässlichkeit und den üblichen Ausdünstungen eines Neugeborenen. Vater hält biblische Reden und ist vollkommen desinteressiert am allgemeinen Familienleben.

Jane Gardam in ihrem bekannten Erzählstil vermittelt einen unmittelbaren Eindruck von der bigotten und weltfremden Welt ihrer Figuren.

Wäre da nicht Lydia, das neue Hausmädchen, Margaret wüsste nicht, wie sie sich die Zeit vertreiben sollte. Lydia ist deftig, drall und geradeaus. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund und scheint die einzige vernünftige Person in diesem Reigen menschlicher Unzulänglichkeiten und Plattheiten. Margaret liebt die Ausflüge mit ihr, bei denen sie sich endlich frei fühlt! Sie kann rumtollen, auf Bäume klettern und jeglicher Neugier frönen.

In einer langen Folge von Episoden vermittelt Jane Gardam die skurrilen Formen menschlichen Lebens mit engem Horizont und spießigen Lebensansichten. Aber man täusche sich nicht! Unter der nach außen gezeigten Wohlanständigkeit schlummern heftiges Begehren, „unzüchtige“ Gedanken und schließlich auch Handlungen.
Der Vater von Margaret, ein bigotter Prediger für Moral und Anstand, kann seinen eigenen Gelüsten nicht wiederstehen.
So spitzt sich die Geschichte zu einem Drama zu. Das Gebäude wankt, denn auch Margarets Mutter wird von ihren „verbotenen“ Sehnsüchten eingeholt.

Mit feiner Beobachtungsgabe beschreibt Jane Gardam die Geschichte einer kleinen und befangenen Gruppe von Menschen, die sich in ihrer eigenen Gedankenwelt bewegen und sich in verborgenen Fantasien verfangen.

Viele Jahre vergehen bis zum Ende der Geschichte, bei dem herauskommt, wie das Leben für alle weiterging. Zuweilen sind die Figuren in ihren Beziehungen untereinander und die Zeitsprünge etwas verwirrend, in denen sich die die Handlung bewegt. Alles in Allem ist der Roman eine anregende Lektüre.

Die begabte und erst spät zu Ruhm gelangte Schriftstellerin Jane Gardam ist mit ihrer Trilogie von „Old Filth“ zu Weltruhm gelangt. Ihre nachgereichten früheren Romane kommen an diese ausnehmenden Werke nicht heran.

Jane Gardam
Hanser Berlin, April 2022
224 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3446272283
ISBN-13: 978-3446272286
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Christa Hein: Die Frau am Strand

Christa Hein: Die Frau am Strand

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Christa Hein hat ein gewaltiges Familienopus geschrieben.

Liz, ihre Heldin, bekommt eines Tages Besuch von ihrer Nichte, die lange verschollen war. Sie sieht ziemlich verwildert aus und ist froh, bei der Tante einen Unterschlupf zu finden. Eine Weile nistet sie sich bei der Tante ein, und Liz kommt mit der Zeit ins Erzählen. Inese interessiert sich sehr für die Familiengeschichte.

Bei dieser Gelegenheit fallen Liz eine Reihe von Gegenstände aus dem Familienbesitz ein, die alle eine Geschichte haben. Auch hat sie sorgfältig Notizen ihrer Großmutter aufgehoben, aus denen man die Familiengeschichte rekonstruieren kann.

Liz ist Schriftstellerin und setzt sich hin, um alles aufzuschreiben. Beim Schreiben vertieft sie sich ganz in die alten Geschichten. Auf diese Weise entsteht ein Familienporträt von ungeheurer Weite. Beginnend Ende des 19. Jahrhunderts umfassen die Erinnerungen Städte und ferne Kontinente ebenso wie fantastische Landeroberungen und abenteuerliches Leben. Liz geht einzelne Episoden an und fängt bei Urahnen und Ahnen an. Dadurch bleibt man ganz bei den einzelnen Lebensphasen der diversen Urgroßeltern und Großeltern.

Die Urgroßeltern gingen nach Amerika und machten Land urbar. Sie starben früh und ließen ihre beiden Kinder Annie und Fred als Waisen zurück. Die beiden schlagen sich wacker durch, werden aber durch die Geschicke getrennt. Während Annie, die Großmutter von Liz, in Europa ihr Glück findet, zieht es Fred zur Seefahrt, und die Geschwister verlieren sich aus den Augen.

Christa Hein hat die Zeiten mit ihren wechselnden Landschaften und Lebensumständen wunderbar getroffen. Annie liebt die Kunst und malt selber gerne. Sie wird bei einer entfernten Verwandten zu einem geordneten Leben erzogen und macht eine erstaunliche Karriere. Schließlich findet sie einen netten Mann und beginnt ein eigenes Leben.

In der Erzählung geht es von Sylt nach Amerika und dann zurück nach Fehmarn, weiter nach Hamburg, Berlin, Gibraltar, Portugal und so fort. Der Erste Weltkrieg zwingt dem Großelternpaar ganz neue Wege auf.
Das Meer mit seinen besonderen Reizen spielt keine geringe Rolle in dem ganzen Geschehen. Auch die Malerei hat einen herausragenden Stellenwert.

Insgesamt umfasst die Geschichte fast ein Jahrhundert. Christa Heim hat jedem Zeitalter den ganz eigenen Charakter zuerkannt: Farmerleben in Amerika, in Deutschland der Erste Weltkrieg, Inflation und zwanziger Jahre bis hin zu Nazideutschland und die Zeit danach.

Zwischen Fabulierkunst und fast autobiographisch anmutenden Zeilen entwickelt die Autorin ihr Zeitgemälde. Fiktion und Wahrheit scheinen dicht beieinander zu liegen.
Zuletzt sind die Verbindungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern fast nicht mehr überschaubar.

Der Roman ist kein literarisches Meisterwerk.
Ich würde diesen Schmöker für lange Urlaube oder regenreiche Sonntage empfehlen.

Christa Hein
Die Frau am Strand
Frankfurter Verlagsanstalt, März 2022
576 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3627002954
ISBN-13: 978-3627002954
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Richard Irvine: Wild Days – Abenteuer unter freiem Himmel

Richard Irvine: Wild Days – Abenteuer unter freiem Himmel

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Die Natur hält viele Abenteuer für Kinder bereit. Wer Inspiration sucht, liegt mit diesem Buch genau richtig. Der Autor, er ist Naturpädagoge, überrascht mit unterhaltsamen Ideen und Bastelprojekten, für die Naturmaterialien verwendet werden. Die Vorschläge lassen sich nicht nur im Wald umsetzen, sondern teilweise auch im eigenen Garten oder im nahen Park. Ein Stück Natur sollte sich überall finden.

Zunächst gibt es allgemeine Hinweise zum Verhalten in der Natur und wie für Sicherheit zu sorgen ist, denn verantwortungsvoll zu handeln, ist wichtig. Und natürlich geht es um die passende Ausrüstung von der Kleidung bis hin zum Insektenschutzmittel. Zudem wird hilfreiches Werkzeug beschrieben. Weiterhin geht es um praktisches Wissen. So wird erklärt, wie das Schnitzen funktioniert und auch eine kleine Knotenkunde gibt es.

Das Buch ist in verschiedene Kapitel untergliedert. Den meisten Seiten beansprucht „Bauen und Basteln“. Kinder werden in die Lage versetzt, einen kleinen Unterstand zu bauen, eine Feuerstelle anzulegen und eine hier Mahlzeit zuzubereiten. Wie wäre es, unterwegs mit einem Seil eine Schaukel zu bauen, einmal selbst Pflanzenfarbe und Pinsel herzustellen oder einen einzigartigen Wanderstock zu fertigen?

Alle Projekte sind Schritt-für-Schritt erklärt und recht einfach nachzuvollziehen, da es immer reichlich Bildmaterial gibt. Es sollte also nicht schwer für Kinder sein, Erfolge zu erzielen. Oft ist die Hilfe eines Erwachsenen nötig, besonders bei kleineren Kindern, sodass viele Vorschläge Familienprojekte sein können. Im Buch sind ohnehin auch Spiele zu finden. Wie eine richtig gute Lagerfeuergeschichte funktioniert, wird ebenfalls erklärt. Der Autor gibt Inspiration für Aktivitäten im Freien, die lehrreich sind und Spaß machen. Er regt dazu an, wild wachsenden Pflanzen zu bestimmen, Sterne zu beobachten oder an Fluss oder Teich zu schauen, was es an Lebewesen gibt.

Das Buch ist ausgesprochen vielfältig und die Projekte gut ausgesucht. Die Texte sind interessant geschrieben. Die Kinder werden direkt angesprochen und motiviert. Das funktioniert mit Selberlesen und mit Vorlesen. Manche Projekte sind einfach umzusetzen, andere brauchen etwas Planung und mehr Zeit. Es gibt Beschäftigungsmöglichkeiten für einen Nachmittag oder für das Wochenende. Das Buch lockt Kinder garantiert hinaus ins Freie.

Rezension von Heike Rau

Richard Irvine
Wild Days – Abenteuer unter freiem Himmel
160 Seiten, broschiert
Landwirtschaftsvlg Münster
ISBN-10:‎ 3784357113
ISBN-13:‎ 978-3784357119
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Julia Schoch: Das Vorkommnis

Julia Schoch: Das Vorkommnis

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Die Geschichte einer namenlosen Frau beginnt überraschend: es handelt sich um eine Schriftstellerin, die im Kulturzentrum einer Norddeutschen Stadt aus einem neuen Buch liest.
Während sie nach der Lesung Bücher signiert, spricht eine fremde Frau sie mit den Worten an: “wir haben übrigens den gleichen Vater.“ Sie springt auf und umarmt diese.

Was ist nur los mit ihr?

In der Folge erfährt man, wie sie lebt, was sie gerade tut, und wie es ihr geht.
Sie hat zwei kleine Kinder und einen Ehemann. Lesungen und Literaturaufträge führen sie bis nach Amerika.

In langen Reflexionen, die wie Träume daherkommen, erinnert sie sich an ihre Kindheit und ihre Eltern. Das Geheimnis um eine unbekannte Schwester treibt sie um. Als habe sie es immer schon geahnt, dass es ein Familiengeheimnis gibt!

Julia Schoch schreibt über eine Begebenheit, die in ihren Dimensionen immer weitere Blüten in der Fantasie ihrer Heldin treibt. Es geht um unerwünschte Schwangerschaften, Eheleben, Veränderungen und auch um das Leben in der DDR.

In langen Passagen wendet die Protagonistin ihre Zweifel über das, was wirklich ist und was nur Fantasie, immer intensiver hin und her. Sie wird ihren eigenen Einschätzungen gegenüber misstrauisch. Ihr Mann, ein unkomplizierter Typ, tut ihre Infragestellungen ab, er kann sie nicht verstehen.

Julia Schoch hat ein sehr reflektiertes Werk verfasst. Der Leser:in folgt dem Wahn der Icherzählerin, alles und jedes zu hinterfragen und gerät selber ins Grübeln. Leider vergiftet die Selbstbefragung nach und das Denken der Erzählerin, deren als Biographie bezeichnetes Leben sich vor uns abspielt. Sie wirkt dadurch der Gegenwart entrückt und in großer Distanz zu ihren Kindern, ihrer Mutter und auch ihrem Mann. Das Geheimnis um die fremde Frau lüftet sich, und ja, es gibt Dinge in Familien, die wir nicht wissen. Dass sie jedoch eine Art Unwirklichkeitsgefühle im Menschen auslösen mögen, mag sein. Insgesamt aber sind existenzielle Fragen nach den Veränderungen im Wesen, Verhalten und Aussehen natürlich und folgerichtig. Auch gibt es keine Statik zwischen Menschen. Von der Kindheit bis ins hohe Alter verändern sich Denken, Verhalten, Aussehen und die Ansichten. Julia Schoch ist es gelungen, mit psychologischem Feingefühl diesen Fragen nachzugehen.

Insofern ist die Geschichte gut konzipiert und durchaus realitätsnah. Wie zu lesen war, soll die „Biographie einer Frau“ noch Fortsetzungen erfahren. Wir dürfen neugierig bleiben!

Julia Schoch ist in der DDR geboren und aufgewachsen. Sie lebt in Potsdam und ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden.

Julia Schoch
Das Vorkommnis
dtv Verlagsgesellschaf, Februar 2022
192 Seiten, gebunden
ISBN-10: 423290218
ISBN-13: 978-3423290210
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Mina Teichert: Sommerwind in der Mähne

Mina Teichert: Sommerwind in der Mähne

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Die 15-jährige Enola verbringt den Sommer bei ihrer Tante in Schottland, die hier einen Ponyhof hat. Sie soll sich von ihrem Reitunfall erholen. Das Knie macht noch Probleme, aber viel schlimmer ist für sie der Tod ihres Pferdes. Damit klarzukommen, ist fast unmöglich. Und nun ist sie wieder unter Pferden.

Als ihr ein altes Tagebuch in die Hände fällt, beginnt sie darin zu lesen. Georgie hat es geschrieben. Er hat in den nahen Kohleminen gearbeitet und sein Pit-Pony Lucky half ihm bei der Arbeit. In den 30er Jahren gab es ein Unglück und die beiden wurden verschüttet. Doch nie hat Georgie den Mut verloren.

Vielleicht kann auch Enola nach ihrem Unfall einen Neuanfang wagen. Der schneeweiße Shetty-Wallach Pitty bemüht sich jedenfalls sehr, sie aufzuheitern. Effi aus der Nachbarschaft scheint ebenfalls völlig unvoreingenommen zu sein, obwohl sie Bescheid wissen muss. Ihr Bruder Finley erforscht die alte Kohlemine und hier schließt sich der Kreis. Denn auch Enola interessiert sich durch das Tagebuch dafür. Nur ist die Kohlemine ein gefährlicher Ort, an dem man sich besser nicht aufhalten sollte.

Die Autorin beschreibt sehr einfühlsam, wie Enola versucht, mit der Trauer und ihren Schuldgefühlen umzugehen. Die Aufarbeitung ist nicht leicht für sie. Aber sie kann sich nicht in ihrem Zimmer verstecken, schließlich wird ihre Hilfe auf dem Ponyhof gebraucht. Die Ponys wecken Erinnerungen, mit denen sie sich auseinandersetzen muss. So findet fast unmerklich eine Entwicklung statt, der sich Enola nicht entziehen kann.

Das Buch ist, trotzt Enolas Problemen, in einem munteren Schreibstil geschrieben. Zu ihr entsteht eine große Nähe, denn die Autorin schreibt aus ihrer Perspektive. Aber auch die anderen Charaktere, es ist ein eher kleiner Kreis, begeistern. Hier ist insbesondere Effi, die im Gegensatz zu ihrem eher zurückhaltenden Bruder Finley frech und schlagfertig ist, zu nennen.

Selbst verständlich gibt es wieder ein großes Abenteuer zu erleben, das nicht spannender hätte sein können. Freundschaft, Verantwortung und Zusammenhalt sind in diesem Zusammenhang wichtige Aspekte, die zum Tragen kommen. Und natürlich kommen Pferdefans voll auf ihre Kosten. Es ist die perfekte Mischung. Das Buch macht Spaß, weil es viele witzige Szenen hat.

Rezension von Heike Rau

Mina Teichert
Sommerwind in der Mähne
256 Seiten, gebunden
ab 10 Jahren
Ueberreuter Verlag März 2022
ISBN-10: 3764152338
ISBN-13: 978-3764152338
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Helen Wolff: Hintergrund für Liebe

Helen Wolff: Hintergrund für Liebe

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Hinter einer autobiographisch gefärbten Liebesgeschichte verbirgt sich Helen Wolff, die legendäre Verlegerin und Frau des ebenso bekannten Verlegers Kurt Wolff.

Im Sommer 1932 fuhr die Protagonistin des Romans mit ihrem Geliebten Kurt an die Cote d’Azur, um dort einen schönen Sommer zu verbringen. Beide arbeiten im Verlagswesen in Berlin.
Er, der zwanzig Jahre Ältere, freute sich darauf, seiner jungen Freundin Helen die herrliche Landschaft der Provence zu erschließen.

Was als wunderbares Liebesabenteuer beginnt, entwickelt sich zu einer überaus zarten, rauen und empathischen Geschichte.
Er, der im Text nur als „Du“ erscheint, ist weltgewandt und dynamisch. Sie hingegen ist eher unscheinbar und unerfahren.

Angekommen in Nizza bezieht er mit Helen ein feines Hotel. Schon bald tauchen nahe und ferne Bekannte von ihm auf, die zu einem ausschweifenden und lauten Partyleben verleiten.
Helen ist entsetzt, fühlt sich kreuzunglücklich und beginnt, sich aus dieser Gesellschaft und von „ihm“ abzunabeln.
Sie verschwindet aus dem Dunstkreis der „Partymenschen“, sucht und findet in Saint- Tropez ein im Schilf verborgenes Häuschen. Es ist spartanisch aber paradiesisch in seiner Abgeschiedenheit.

Nun beginnt eine wirklich hinreißende Geschichte. Atmosphärisch nah und unmittelbar berührend beschreibt Helen den Zauber der Landschaft. Sie malt buchstäblich mit dahin getupften Worten die Farben und Düfte einer Gegend, die wohl jeden dafür empfänglichen Menschen begeistern kann. Das Meer in seiner Unendlichkeit, die Natur rundum, die zarten Farben der Häuser und der Duft nach fruchtbarem Landleben werden in den schönsten Farben gezeichnet. Helen findet Freunde und lernt das Leben zu genießen. Die lustvolle Begeisterung an Sonne, Meer, Essen, Wein und allgemeiner Lebensfreude ergreift Besitz von ihr.

Der Leser:in fiebert mit, wie sich die Liebesgeschichte zwischen ihr und ihrem „Du“ entwickeln mag! Provence ohne Charme und Liebe ist schwer vorstellbar.

Helen Wolffs Großnichte Marion Detjen hat sich in Archive vertieft und konnte dieses Manuskript entdecken.
Sie ist Historikerin und hat in einem zweiten Teil des Buches einen Essay hinzufügt, in dem sie die politischen Hintergründe und gesellschaftlichen Umstände jener dramatischen Jahre beschreibt.

Die einschlägige Künstlerszene traf sich damals an der Côte d’Azur, geriet in den Strudel vor Hitlers Machtergreifung und musste bald schon die Flucht nach Amerika antreten. Viele sehr bekannte Namen werden von ihr genannt, Liebschaften aufgedeckt und Verbindungen zwischen Autoren, Verlegern und Künstlern in einen Zusammenhang gestellt.

Sowohl die poetische Liebesgeschichte des fiktiven Paares, als auch die historischen Betrachtungen sind aufschlussreich und außerordentlich lesenswert.

Helen Wolff
Hintergrund für Liebe
Weidle, März 2020
216 Seiten, broschiert
ISBN-10: 3938803967
ISBN-13: 978-3938803967
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Lesley Kara: Die Lügen

Lesley Kara: Die Lügen

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Lizzie und Alice waren enge Freundinnen, bis Alice auf den Bahngleisen zu Tode kam. Lizzie, die einen epileptischen Anfall hatte, kann sich nicht an das Zugunglück erinnern. Die 13-jährige vermisst Ihre Freundin und doch sieht sie sich Vorwürfen ausgesetzt. In der Schule wird ihr das Leben zur Hölle gemacht. Catherine, die Schwester von Alice, glaubt, dass Lizzie eine Mörderin ist.

Auch viele Jahre später kann Lizzie sich nicht an das Unglück erinnern. Aus ihren bruchstückhaften Erinnerungen, die in Form von schrecklichen Albträumen über sie kommen, lassen sich die Geschehnisse nicht rekonstruieren. Es macht ihr sehr zu schaffen, dass sie nicht sicher sein kann, eine gewisse Schuld an Tod von Alice zu haben. Und doch ist es ihr gelungen, ein neues Leben zu beginnen. Sie wohnt zusammen mit ihrem Freund Ross, der Arzt ist, in einem schönen Haus. Doch seltsame Hinweise lassen die Vergangenheit wieder aufleben.

Das Buch verläuft zunächst recht unspektakulär. Der Unfall belastet Lizzie zwar noch immer, aber sie hat Strategien entwickeln, damit umzugehen. Auch ihre gesundheitlichen Probleme hat sie besser im Griff. Sie schmiedet gemeinsam mit Ross Pläne für die Zukunft. Doch dann erscheint Catherine wieder auf der Bildfläche. Und von da an baut sich eine seltsame Stimmung auf, die die Autorin zunächst geschickt zwischen den Zeilen hält. Aber das Misstrauen ist geweckt und wird gefüttert von kleinen Details, die zunächst übersehen werden könnten. Auch Lizzie bedient sich dieser Strategie. Sie redet sich selbst gut zu, schlägt Warnungen in den Wind. Als Leser hat man nur ihre Sicht auf die Dinge, denn die Autorin lässt Lizzie aus der Ich-Perspektive erzählen. Würde man sich verhalten wie sie? Wahrscheinlich nicht. Und was bedeuten diese geschickt eingestreuten kursiven Passagen? Um wen und um was es hier geht, bleibt zunächst unklar.

Und dann, mit einem Paukenschlag, kommt es zu einer Wende, die unvorhersehbar war und die den Atem stocken lässt. Es ergibt sich nun ein völlig neues Bild, ein ungeahnt gefährliches Bild, da das Lügengespinst am Zerfallen ist. Die Spannung, die eigentlich schon auf dem Höhepunkt war, wird noch einmal gesteigert. Und so bleibt es bis zum Ende äußerst dramatisch. Ein wirklich gelungener Thriller!

Rezension von Heike Rau

Lesley Kara
Die Lügen
336 Seiten, broschiert
dtv Verlagsgesellschaft
ISBN-10:‎ 3423263210
ISBN-13: 978-3423263214
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Gianfranco Calligarich: Der letzte Sommer in der Stadt

Gianfranco Calligarich: Der letzte Sommer in der Stadt

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Dieser Titel von Gianfranco Calligarich ist schon 1973 zum ersten Mal erschienen und wurde im Januar 2022 mit großem Erfolg neu aufgelegt.

Held dieser Geschichte ist Leo Gazzarra.
Er ist buchstäblich ein Müßiggänger, der sein Leben zu genießen weiß.
Er kam aus Mailand in die große Stadt Rom, wo er Freunde, einen kleinen Job und Unterkunft fand.
Mit seinen Einkünften ist es nicht weit her. Hier und da leiht er sich etwas, vor allem aber findet man ihn auf Partys und in den einschlägigen Kreisen, wo man trefflich zu feiern weiß.
So weitet sich der Bekanntenkreis. Allmählich wächst er in eine Clique hinein, in der viel getrunken und gefeiert wird.

In hinreißenden Bildern schildert der Autor das süße Leben zu Beginn der siebziger Jahre in Rom. Sein Protagonist ist Journalist und hat eine feine Beobachtungsgabe, mit der er Einzelheiten des Lebens, der Stadt mit ihren Kunstwerken und des eigenen Wohlergehens beschreiben kann.

Arianna wird die große Liebe seines Lebens. Doch das Spiel, das in seinem neuen Bekannten-und Freundeskreis gespielt wird, ist auch ein tödliches Spiel. Arianna ist eine exzentrische Person, deren Launen Leo bald verzweifeln lassen.

G. Calligarich kann mit seiner ausgezeichneten Wortgewandtheit die Feinheiten der Atmosphäre im Rom der siebziger Jahre hautnah schildern. Die Sommer sind heiß, und die Treffen der Freunde zeugen von einem Leben im Müßiggang und Langeweile. Die Stadtbeschreibungen und Wiedergabe von Stimmungen sind treffend und zeugen von Einfühlungsvermögen. Sie stehen ganz im Gegensatz zu den ausufernden Trinkereien. Denn der Alkoholkonsum nimmt zu, und man lebt von einem Tag auf den anderen. La Dolce Vita ist angesagt. Architekten, Künstler, Filmschaffende und erfolgreiche Geschäftsleute bilden den Kern der Gemeinschaft. Leo arbeitet mit wenig Erfolg für eine Sportzeitung. Durch die richtigen Verbindungen sucht er gelegentlich nach neuen Betätigungsfeldern. Er ist ein sensibler, nachdenklicher und literarisch gebildeter Mensch. Der Alkoholkonsum bringt mehr als einen der Protagonisten zum Scheitern. Auch Leo verfällt mehr und mehr dem Alkohol. Letztlich zeigt sich ein morbides Gebilde der Gesellschaft, denn richtig froh ist niemand. Von Gefühlen der Wehmut und Melancholie befallen kann Leo seinem Schicksal nicht entgehen.

Der Leser wird mitgerissen von einem Erzählstil, der realistisch und einfühlsam einen Sommer in der Stadt vermittelt. Auf dem Klappentext heißt es „Ein Roman für alle, die Philip Roth und Jonathan Franzen lieben.“ Dem kann ich mich nur anschließen.

Gianfranco Calligarich
Der letzte Sommer in der Stadt
Paul Zsolnay Verlag, 3. Edition, Januar 2022
208 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3552072756
ISBN-13: 978-3552072756
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Bettina Flitner: Meine Schwester

Bettina Flitner: Meine Schwester

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Bettina Flitner begibt sich mit diesem Buch auf Spurensuche in die Vergangenheit. Es geht um ihre Familie, ihre Eltern, die Schwester und Großeltern. Ihre Eltern hatten sich in einer Zeit des Aufbruchs aus verkrusteten Strukturen in ein antibürgerliches und sexuell freies Leben begeben.

Anstoß zum Buch war der Suizid ihrer Schwester, die sich wie die Mutter mit 47 Jahren das Leben genommen hat.

In wechselnden Zeitebenen beschreibt Bettina Flitner ihr Kinderleben und ihr Erwachsenendasein. Ihre Schwester, um die es im Wesentlichen in diesen Aufzeichnungen geht, war schon früh ein gestörtes Mädchen mit Hungerattacken und innerer Unausgeglichenheit.

B. Flitner hat eine ungebrochene Gabe, in ihren Erinnerungen die täglichen Gegebenheiten trocken, nüchtern und auch gelegentlich karikierend darzustellen. In ihrer Erzählweise wirkt sie fröhlich, unbeschwert und ohne Ängste. Mit ihrer wenig älteren Schwester hatte sie ein enges Verhältnis. Sie heckten zusammen so manchen Schabernack aus. Auch die Großeltern spielen keine geringe Rolle und werden mit ihren skurrilen Eigenheiten beschrieben.

Sie beschreibt klar und schnörkellos, was sich täglich in ihrem Leben änderte. Viele Umzüge gehörten dazu und wechselnde Partner:innen der Eltern. So lebt eines Tages Frau Tasch mit in der Familie. So wie sie gekommen ist, verschwindet sie auch wieder. Ab und zu flüstern die Kinder „das ist seine Neue“, wenn wieder mal ein fremdes weibliches Wesen am Tisch Platz nimmt.

Etwa um 1970 ging es für eine Weile nach Amerika. Neugierig und munter beschreibt die Autorin ihre Schuleindrücke, die fremde Stadt New York mit ihren Geräuschen und Ausflüge zu einer „Landkommune“ etc. Dort geht es bunt, lustig und sehr freizügig zu.

In der Art wie B. Flitner ihre Kindheit und Jugend schildert, meint man zu spüren, dass sie sich in ihrem Inneren immer ein wenig auf Abstand zur Familie befand. Einzig die Schwester Susanne war lange Zeit ihr Kumpel und bester Freund. Diese fand sich wohl weniger leicht zurecht in dem ungeordneten Familienleben.

Dass die Mutter an Depressionen litt, zeigt die Autorin in wunderbaren Bildern. Es sind die schwarzen Vögel, die einer nach dem anderen kommen, um die zarte und empfindsame Mutter heimzusuchen. Den Vater beschreibt sie treffend mit den Worten“ Ein schwer zu fassendes Irrlicht, das mal hier und mal dort über einen morastigen Grund geistert“. (S.150) Mit diesen Worten wird die innere Distanz deutlich, mit der die Autorin ihre Familienmitglieder zu charakterisieren versucht.

D.h. nicht, dass sie nicht getroffen ist, als die Mutter stirbt.
Man spürt im Gegenteil ihr Mitgefühl mit dieser unglücklichen Frau.
Unmittelbar nachvollziehbar ist der Schock über den Tod der Schwester.

Alles in allem ist die Autobiographie in ihrer protokollarischen Darstellung reich an inneren Bildern, die Einblicke in ein unruhiges und wenig Halt bietendes Elternhaus öffnen.

Bettina Flitner ist Ehefrau von Alice Schwarzer und hat sich als erfolgreiche Fotografin einen Namen gemacht. Sie lebt in Köln.

Bettina Flitner
Meine Schwester
Kiepenheuer&Witsch, Februar 2022
320 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3462002376
ISBN-13: 978-3462002379
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