Jochen Metzger: Alle Macht den Kindern

Jochen Metzger: Alle Macht den Kindern

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Über einen Monat soll der Selbstversuch laufen. Die Kinder, die dreizehnjährige Lara und der zehnjährige Jonny, sollen mit ihren Eltern die Rollen tauschen und alle Entscheidungen über die Familie treffen. Die Kinder bekommen alle Rechte, während die Eltern ohne Widerspruch den Anweisungen ihrer Kinder folgen müssen. Mit dazu gehört auch, dass die Kinder das Familienbudget für einen Monat verwalten. Schon im Vorfeld gibt es Diskussionen. Vorbehalte müssen ausgeräumt werden. Aber dann kommt man doch überein, was die Regeln betrifft und das Experiment kann zu einem geeigneten Zeitpunkt beginnen.

Familienvater und Journalist Jochen Metzger hat in dieser Zeit Tagebuch geführt. Das Experiment ist ein spannendes Abenteuer für die ganze Familie geworden, das sicher für alle Eltern sehr interessant ist. Hautnah bekommt man Einblick in das Familienleben.
Die erste Woche läuft ganz gut. Alles ist neu und interessant. Es ist spannend zu sehen, wie die Kinder scheinbar schneller in ihre neue Rolle finden, als die Eltern. Dann treten immer wieder Schwierigkeiten auf. Zum Ende hin wird das Experiment zur Bewährungsprobe für alle Familienmitglieder.

Jochen Metzger sieht genau hin. Er hinterfragt in seinen Gedanken das Verhalten seiner Kinder und natürlich auch das eigene und das seiner Frau Helga. Er bekommt zu sehen, was von der Erziehung bleibt, wenn die Kinder tun und lassen dürfen, was sie wollen und auch noch über die Eltern entscheiden können. Wie ändert sich der Umgangston? Wie viel Freiheit nehmen sich die Kinder, welche Regeln hebeln sie aus? Wie konsequent sind die Eltern, die ja nun die Rolle der Kinder innehaben?

Was passiert, schildert Jochen Metzger auf eine sehr sensible Art und Weise. Es geht nicht darum etwas zu beweisen. Erfahrungen werden gemacht, neue Einsichten gewonnen. Es ist ein Buch, das ernst und humorvoll zugleich ist, das interessante und auch sehr persönliche Einblicke zulässt und das sich dadurch wirklich sehr spannend liest.

Rezension von Heike Rau

Jochen Metzger
Alle Macht den Kindern
Ein Selbstversuch
180 Seiten, Klappenbroschur
Patmos Verlag
ISBN-10: 384360083X
ISBN-13: 978-3843600835
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Anne Enright: Anatomie einer Affäre

Anne Enright: Anatomie einer Affäre

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Tücken der Liebe und des Zusammenlebens.

Die irische Autorin Anne Enright hat schon mit ihrem Roman „Familientreffen“ gezeigt, dass sie sich auf die tiefsten Gefühle des Menschen versteht. Hier beweist sie ihr psychologisches Feingefühl erneut mit der Liebesaffäre eines ungleichen Paares.

Gina und Sean sind mehr oder weniger zufrieden, eher unzufrieden, mit ihren Ehepartnern, als sie sich auf einer Gartenparty verlieben und sogleich eine besessene Sexaffäre beginnen. Beruflich in der gleichen Firma beschäftigt sehen sie sich täglich. Gina brennt vor Verlangen nach Sean, während er die ganze Geschichte eher cool angeht. Im normalen Berufsalltag merkt man ihnen nichts an, doch sie nutzen jede Gelegenheit, um ihre Sexbesessenheit auszuleben. Jeder Ort und jede Stunde scheinen ihnen recht dafür.

Im ersten Kapitel aber ist schon klar, dass Seans Tochter Evie die Hauptakteurin in diesem Stück einer Familientragödie sein könnte.

Sie entdeckt die beiden Ehebrecher Gina und Sean, als sie sich zum ersten Mal küssten.

In wechselnden Szenen erlebt man Gina zuerst mit ihrem Freund Conor, den sie bald heiraten wird. Sean ist sehr viel älter und wirkt ausnehmend verführerisch, so dass Gina seinem Charme und seiner Verführungskunst erliegt. Spät erst merkt sie, dass sie nicht die einzige Liebe seines Lebens ist. Aber da haben sich beide schon von ihren Ehepartnern getrennt und versuchen ein Zusammenleben, das nicht gelingen kann. Evie mit ihren Allüren und psychischen Krankheiten hat alle und besonders ihren Vater voll im Griff. Sie bleibt die ungekrönte Königin: ein zwölfjähriges Kind, das alle durchschaut und seinem Frust freien Lauf lässt.

Von 2002 bis 2007 reicht die Geschichte und in ihr erlebt man Familienleben mit allen ihren Tücken und Gemeinheiten, wie sie auch im wirklichen Leben zu finden sind. Mütter, Ehemänner, Schwestern,–sie alle sind nicht gerade in großer Liebe vereint, denn jeder denkt nur an sein eigenes Wohlergehen. Am Ende bleiben alle auf der Strecke und einmal mehr zeigt sich, dass „Unrecht Gut nicht gedeihen kann“. Und Anne Enright zeigt auch einmal mehr ihr Talent, den Alltag, die Langeweile und die Sehnsüchte der Menschen zu artikulieren. Insofern stimmt der Titel der „Anatomie einer Affäre“, da sie jedes Detail im zwischenmenschlichen Miteinander unter die Lupe nimmt und der ganz gewöhnliche Alltag zuletzt alle Leidenschaften hinter sich lassen muss.

Anne Enright
Anatomie einer Affäre
320 Seiten, gebunden
Deutsche Verlags-Anstalt
ISBN-10: 3421045402
ISBN-13: 978-3421045409
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Sandra Lüpkes: Taubenkrieg

Sandra Lüpkes: Taubenkrieg

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Was genau in dem Bootsschuppen am Pinnower See passiert ist, kann man nicht sagen. Es ist ein Tatort ohne Leiche. Dass hier jemand sein Leben lassen musste, erkennt man an der großen Menge Blut auf dem Boden. Hauptkommissar Eberhard Wachtel schreibt das Geschehen Revierkämpfen unter Rockerclubs zu. Das Opfer hält Wachtel für ein Mitglied der „Devil Doves“ und sieht die Täter in den Reihen der „G-Point-Gangsters“. Es hatte kürzlich schon einen Polizeieinsatz wegen Ruhestörung gegeben.

Wencke Tydmers hat einen anderen Verdacht. Sie glaubt nicht an einen Rockerüberfall, sondern eher an einen ganz normalen Mord, eine Beziehungstat möglicherweise. Nach den Spuren zu urteilen, waren zur Tatzeit nur zwei Personen im Schuppen. Aber mit dieser Meinung steht die Fallanalytikerin ziemlich alleine da. Nicht mal ihr Kollege Boris Bellhorn scheint vollständig überzeugt von dieser These. Um Gewissheit zu haben, muss man die DNA-Analyse abwarten.

Tatsächlich wird das Blut Leo Kellerbach zugeordnet, dem Anwalt und Vorsitzenden der „Devil Doves“. Geht der Mord, wobei die Leiche immer noch nicht gefunden wurde, doch auf die Rechnung der „G-Point-Gangsters“? Um dahinter zu kommen, wird Wenke kurzerhand zu Christine Frey, der Verpächterin des neuen Clubhauses der „Devil Doves“. Man sollte die Rocker nicht unterschätzen. Doch genau das tut Wencke.

Der Fall ist außergewöhnlich, weil das vermutete Opfer nicht auffindbar ist. Man hat also wenig, um arbeiten zu können. Um Mörder und Motiv zu finden, muss Wencke ungewöhnliche Wege gehen. Sie lässt den Urlaub mit ihrem Sohn sausen und bringt den Jungen bei Axel Sanders Familie unter, obwohl zwischen ihr und Axel dringend eine Aussprache nötig wäre.

Wencke wird diesmal sehr widersprüchlich dargestellt. Der Job scheint ihr über alles zu gehen. Aber genau das macht die Handlung sehr spannend. Der Fall ist nur mit einer Ermittlerin zu lösen, die aufs Ganze geht.
Der Krimi ist gut aufgebaut. Man wird mit vielen Wendungen überrascht, auch weil die Rockerszene Wencke im Grunde fremd ist. Hier herrschen andere Gesetze und das bekommt sie hautnah zu spüren. Doch fast schon verbissen, will sie ein Scheitern ihrerseits nicht zulassen. Ganz nachvollziehen kann man das nicht. Aber möglicherweise liegt es an ihrer inneren Zerrissenheit. Sie fürchtet Sanders verloren zu haben, der sich wieder mehr seiner Familie zuwendet. Im Buch wird das aber nicht gut miteinander verknüpft.

Was hinter dem vermuteten Mord steckt, ist dann aber doch noch mal eine ganz andere Geschichte, als erwartet. Da steigt die Spannung noch einmal sehr an. So hat der Krimi dann auch einen überraschenden Ausgang.

Rezension von Heike Rau

Sandra Lüpkes
Taubenkrieg
320 Seiten, gebunden
Dtv – Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423248580
ISBN-13: 978-3423248587
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Ute Andresen: Lass mich mal – lesen und schreiben

Ute Andresen: Lass mich mal – lesen und schreiben

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Meist passiert es schon im Vorschulalter, dass Kinder beginnen, sich für Buchstaben zu interessieren. Besonders erstrebenswert ist es, den eigenen Namen schreiben zu können. Wobei das vielmehr ein Malen der Buchstaben ist. Das Verständnis für den Zusammenhang der Buchstaben zu einem Wort fehlt noch. Aber auch diesem Geheimnis wird das Kind auf die Spur kommen.

Die Geschichten im Buch stehen als Beispiel dafür. Hier wird erzählt, wie Kinder die Buchstaben und das Lesen entdeckten. Jedes Kind im Buch hat eine ganz eigenen persönliche Erfahrungen gemacht und das Geheimnis der Buchstaben ein wenig anders entschlüsselt. Die Geschichten sind für vorlesende Eltern und zuhörende Kinder gleichermaßen interessant. Kindern gibt es Anregung genauer hinzusehen und sich Zusammenhänge zu erschließen. Eltern zeigt es, in welcher Form sie ihr Kind unterstützen können. Und das bedeutet vor allem, Kinder in der Vorschulzeit ihren eigenen Entdeckungen machen zu lassen, ohne vorzugreifen. Der Aha-Effekt, der schließlich den Lernerfolg bringt, ist wichtig. Nur so ist ein wirkliches Verstehen möglich.

Sehr anregend für Kinder sind auch die Zeichnungen. Es gibt hier viel zu sehen und zu entdecken. Die Welt der Buchstaben und Wörter wird fantasievoll dargestellt, so dass das Interesse der Kinder für diese kleinen Kunstwerke sich ganz von selbst einstellen dürfte. So kann ein interessantes Gespräch zwischen Kindern und Eltern entstehen, das das Lernen fördert, weil es Buchstaben und Wörter in ihrer Bedeutung begreifbar macht.

In das Buch können Kinder direkt hineinschreiben. Ihre ersten Buchstaben und kleinen Schreiberfolge sind hier gut aufgehoben. Zu jedem Buchstaben gibt es eine Seite. Linien mit Pfeilen in den Modellbuchstaben zeigen auf, wie der Stift geführt werden muss. Auch die Proportionen der kleinen und großen Buchstaben finden natürlich Beachtung. Geschichten und Beschäftigung für das Kind bietet das Buch also gleichermaßen.

Rezensionen von Heike Rau

Ute Andresen
Lass mich mal – lesen und schreiben
Bilder von Verena Ballhaus
155 Seiten, gebunden
Beltz & Gelberg
ISBN-10: 3407753551
ISBN-13: 978-3407753557
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Cosima Bellersen Quirini: Joghurt, Quark und Käse – Natürlich selbstgemacht

Cosima Bellersen Quirini: Joghurt, Quark und Käse – Natürlich selbstgemacht

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Heute wird wieder viel selbstgemacht. Man besinnt sich auf alte Rezepte. Auch Milchprodukte kann man selbst herstellen. Der Joghurt zum Beispiel kann ohne Aufwand mit dem Joghurtbereiter gemacht werden. Aber da hört es dann meist schon auf. Cosima Bellersen Quirini zeigt, welche Möglichkeiten man noch hat.
Zunächst wird erklärt, welchen Vorteil es hat, die Küche in eine Hobbykäserei zu verwandeln. Man erhält Basiswissen über die Milch. Dabei werden die verschiedenen Milchsorten beschrieben. Es folgen grundsätzliche Regeln, die man bei der Herstellung von Milchprodukten beachten muss und erfährt, was man dazu braucht.

Ganz einfach herstellen, kann man zum Beispiel Dickmilch, die gut mit frischen Früchten schmeckt oder auch als Salatsoße genommen werden kann.
Es folgt der Joghurt. Hier werden Rahmjogurt, Schafsmilchjoghurt und andere Sorten hergestellt. Auch für Kefir, Ayran und Lassi gibt es Rezepte.

In der Rahmküche wird dann zum Beispiel Butter hergestellt. (Die Zauberstab-Butter habe ich ausprobiert, weil man hier nur Rahm und Schmand braucht, einen Mixer und eine hohe Rührschüssel. Es funktioniert tatsächlich. Ungefähr nach zehn Minuten kann man beobachten, wie die Sahne sich auf dem Weg zur Butter verändert. Das Schlagen wird dann auch schon etwas anstrengender. Man sollte also wirklich, so wie die Autorin es empfiehlt, eine hohe Rührschüssel nehmen, denn es spritzt etwas. Die fertige Butter wird dann noch geknetet. Ich habe sie etwas gesalzen. Außerdem kann man die Masse in eine gewünschte Form gebracht werden. Man hat zum Schluss nicht nur ein halbes Stück Butter, sondern auch ein Glas Buttermilch. Beides sehr lecker!)

Weiter geht es mit der Käseküche. Man erfährt, wie Käse entsteht. Hier wird es schon ein bisschen komplizierter. Wer experimentierfreudig ist, wird also fündig. Gearbeitet wird mit Säureweckern, Säuerungsmitteln, spezifischen Kulturen und Lab. Auch Essig, Wein und Fruchtsäuren können zum Einsatz kommen, ebenso Edelschimmelpilze. Die Käseherstellung wird Schritt für Schritt erklärt.
Man kann aber zunächst ganz einfach anfangen. Mit Frischkäse. Dazu gehören zum Beispiel auch Quark und Hüttenkäse. Hat man jetzt noch keine entsprechenden Kulturen oder Lab da, kann man auch ganz einfach den Frischkäse aus Buttermilch probieren oder den Frischkäse mit Zitronensaft. Die Autorin macht viele Vorschläge zum Verfeinern von Frischkäse.
Weiter geht es dann mit Käse der reifen muss, also Weichkäse, Schnittkäse und Hartkäse. Im Kapitel „Sonstige Käsearten“ findet man dann noch Pasta Filate wie Mozzarella, dann noch Schmelzkäse und Lakenkäse.

„Joghurt, Quark und Käse“ ist ein tolles Buch, für alle, die ihre Milchprodukte selbst herstellen möchten. Die Autorin zeigt, dass das nicht schwierig sein muss. Wobei man sich hier natürlich, was Aufwand und Anspruch betrifft, steigern kann. Das Buch eignet sich für Anfänger, aber auch wer schon Erfahrungen hat, findet Rezepte. Wer auf dem Land lebt, auf einem Bauernhof, und über den Eigenbedarf hinaus in einem Hofladen Milchprodukten anbieten möchte, kann sich Anregungen holen. Man hat hier ein unglaublich breites Betätigungsfeld.

Man erhält ein Basiswissen rund um die Milch und die Milchprodukte. Die Autorin streut auch immer wieder Unterhaltsames ein. So erfährt man beispielsweise den Ursprung der Redewendung „alles in Butter“. Oder man kann nachlesen, wie Milchprodukte in der Volksmedizin eingesetzt werden, etwa als Quarkwickel.
Dass man von der Autorin direkt angesprochen wird, gefällt gut. Das Buch ist sehr benutzerfreundlich gemacht. Es ist übersichtlich und enthält ansprechendes Bildmaterial.

Rezension von Heike Rau

Cosima Bellersen Quirini
Joghurt, Quark und Käse – Natürlich selbstgemacht
144 Seiten, Klappenbroschur
Verlag Eugen Ulmer
ISBN-10: 3800176505
ISBN-13: 978-3800176502
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Georg Raab: Wasting the Big Apple

Georg Raab: Wasting the Big Apple

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Soll ich das Buch nun als “ungewöhnliches“ Tagebuch titulieren? Welches Attribut soll ich ihm geben? Es ist ein Tagebuch, ja. Es ist auch eine Reisebeschreibung, ja. Aber wie man es auch nennt, es lässt sich angenehm flüssig lesen und ist extrem unterhaltsam. Drei Monate, 87 Tage in New York, die der Autor beschreibt. Oft auf sehr humorvolle und abgehakte Art. Letzteres gehört zu einem Tagebuch, welches quasi stenografiert ist. Doch Raab hat gewisse Noten gesetzt, die es zu einem besonderen Tagebuch werden lassen.

Ungewöhnlich schreibt er in der ersten und zweiten Person abwechselnd. Es kommt klar zum Ausdruck, dass er auf der Reise nicht allein ist, sondern seine Freundin oft, aber nicht immer, dabei hat. So schreibt er vieles in der Ich-Form, stellt sich aber auch immer wieder vor, was sie in der einen oder anderen Situation gemacht oder gedacht hatte. Vieles liest er ihr dabei vom Gesicht ab. So wird aus dem Tagebuch ein Dialog, der immer wieder für Abwechslung sorgt. Das klingt dann in einer Bemerkung über die Nachbarin so: „Heute Morgen hast du dich bei Courtney beschwert, weil sie zum wiederholten Mal bis weit nach Mitternacht laut Musik gehört hat. „Wir konnten alles mithören! Wir haben dir doch gesagt, dass das Haus sehr hellhörig ist! Stupid bitch.“ Um eine Eskalation dieser Art zu vermeiden, hab ich dich gebeten, mit ihr Tacheles zu reden.“
Eine andere Note des Autors sind an nahezu jedem Abend die „Lessons learned“, die Lektionen bzw. Vokabeln, die er an diesem Tag hinzugelernt hatte. Teilweise sind es Abkürzungen und Vokabeln der amerikanischen Sprache, die so nicht im Schulenglisch vorkommen.
Immer wieder bringt der Autor kopfschüttelnd (Man sieht ihm dies wahrlich beim Lesen seines Buches an.) sein Unverständnis über die „verrückten“ New Yorker zum Ausdruck. Wie sie seine Wünsche im Restaurant oder beim Friseur ignorieren und ihm dann den vollen Preis dafür berechnen, obwohl er es so gar nicht bestellt hatte.
Die angemietete Wohnung ist von Anbeginn nicht sehr leise, doch dass er sich gelegentlich in dem ohnehin sehr lauten New York der relativen Stille wegen auf das gewisse Örtchen zur Erholung begibt, obwohl seine Freundin draußen an der Tür wartet, war ihm vor der Reise auch nicht klar gewesen.
Der Autor hat diese Stadt als Megacity wahrgenommen und das kommt in seinen Texten auch zum Ausdruck. Beispielsweise sind er oder seine Freundin oder beide ständig in irgendwelchen U-Bahnen oder Bussen oder Zügen unterwegs. Immer auf Achse, weil so gut wie kaum irgendetwas „um die Ecke“ liegt. Selbst, wenn es „einen Block“ weit entfernt ist, lohnt sich der Gang zur Metro.

Die vielen englischen Passagen und Floskeln, der Vergleich der Realität mit Beschreibungen von Max Frisch und Allen Ginsberg runden dieses quirlige Tagebuch ab und machen es zu einem kleinen Erlebnis. Wer New York kennenlernen möchte, macht bei diesem Buch nichts falsch. Wer sich auf eine Reise dorthin vorbereiten möchte, der liegt zu hundert Prozent richtig.

Georg Raab
Wasting the Big Apple
220 Seiten, broschiert
RomanVerlag, Riesa
ISBN-10: 3940373273
ISBN-13: 978-3940373274

© Detlef Knut, Düsseldorf 2011

Julian Barnes: Vom Ende einer Geschichte

Julian Barnes: Vom Ende einer Geschichte

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Unübertreffliche Jugendzeit!

In der unübertrefflichen Zeit zum Ende der Kindheit und Schulzeit geht Tony Webster in die letzte Klasse des Gymnasiums. Er bildet einen Freundschaftspakt mit Alex und Colin. Eines Tages kommt Adrian Finn hinzu. Er wirkt überlegen, reif und zurückhaltend. Seine intellektuelle Denkschärfe und das Geheimnis, das seine Herkunft umgibt, macht die anderen drei zu neugierigen Komparsen.

Wie es so ist in der Gruppe der halb erwachsenen Jungen, tauscht man sich aus über die Liebe, die Bücher, den Sex und die Weltanschauung. Neugierig tastet man sich zum anderen Geschlecht vor und bewegt die großen Fragen der Menschheit. Tony, der Icherzähler, gibt sich schüchtern und scheint Adrian zu bewundern. Tonys erste Beziehung zu einem Mädchen ist bald vorbei. Später gesteht ihm Adrian, dass er jetzt mit Veronica „geht“ und erbittet dafür Tonys  Einverständnis.

Wir erleben die Jugendlichen zu Ende der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre in England, wozu die Diktion von Freundschaftsbeziehungen passt. Alle Beteiligten wechseln bald auf die verschiedenen Universitäten und verlieren sich ein wenig aus den Augen.

Zuletzt ist Tony pensioniert. Er hat eine Ehe und eine Scheidung hinter sich, hat eine erwachsene Tochter und schon Enkelkinder. Da passiert Unvorgesehenes!

Das Vermächtnis einer kleinen Erbschaft zusammen mit einem Brief aus frühen Jugendtagen katapultiert unseren Helden in die Vergangenheit zurück. Auf seiner Suche nach der verlorenen Zeit und der Wahrheit seiner Erinnerungen kommt er zu Erkenntnissen, die sein Selbstbild erheblich in Frage stellen. Hoch reflektiert und getragen von schemenhaften Erinnerungen sucht Tony nach den wahren Ereignissen, die seine Freundschaft mit Adrian und seine frühe erste Liebe mit Veronica betrifft.

Julian Barnes entwickelt seine ganz große Fähigkeit, in reflektierender Weise Vergangenes zu durchleuchten, Gedanken, Visionen und nicht zuletzt kritische Selbsteinsichten zu assoziieren. Diese Form biographischer Erinnerung ist die Stärke eines Autors, der sich auf philosophische und psychologische Gedankengänge versteht.

Hoch aktuell und tiefenscharf sieht sein Held Tony in das vergangene Selbst und muss in Eigenerkenntnis auch die dunklen Seiten seines Charakters ertragen lernen.

Dieser Roman wird die Herzen der Leser erobern!

Julian Barnes bekam 2011 den hoch angesehenen Booker Preis. Er lebt in England.

Julian Barnes
Vom Ende einer Geschichte
231 Seiten, Sondereinband
Kiepenheuer & Witsch, Dezember 2011
ISBN-10: 3462044338
ISBN-13: 978-3462044331
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Ulrike Schweikert: Das Herz der Nacht – Mit GEWINNSPIEL

Ulrike Schweikert: Das Herz der Nacht – Mit GEWINNSPIEL

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Fürstin Therese Kinsky ist ihrem Retter András Petru Báthory sehr verbunden. Aussichtslos war ihre Lage, als die Pferde mit dem Phaeton durchgingen. Es hätte ihr Tod sein können. So sorgt sie dafür, dass sie diesen faszinierend Mann wiedersieht. Auf ihren Wunsch hin erkundigt er sich am nächsten Abend nach ihrem Befinden. Später in der Nacht kommt er noch einmal und trinkt vom Blut ihres Mannes, bevor er unbemerkt auch in ihr Gemach vordringt, nur um zu sehen. Er ist nicht der Einzige, der nachts im Palais umherschleicht. Kammermädchen Liesbeth ist zu einem kurzen Stelldichein unterwegs. Sie kommt nicht ungeschoren davon.

Fürstin Kinsky und Graf Bárthory freunden sich immer mehr an. Sie nehmen sogar gemeinsam am gesellschaftlichen Leben teil, auch wenn Fürst Kinsky, mit dem sie in unglücklicher Ehe verbunden ist, es unterbinden will.
Doch dann werden die Besuche des Grafen seltener. Eine weitere Frau, auf die ihn Fürstin Kinsky auch noch selbst aufmerksam gemacht hat, vermag ihn zu begeistern. Es ist die begabte, aber sehr zurückgezogen lebende Pianistin Karoline Wallberg. Er nimmt Klavierunterricht bei ihr. Ihre uneheliche Tochter Sophie kommt dem Fremden nicht mit ihrem Vertrauen entgegen. Sie spürt, dass etwas Unheilvolles ihn umgibt.

Für die bestialischen Morde an jungen Frauen Wiens ist Graf Bárthory aber nicht verantwortlich. Und dennoch führt eine geschickt gelegte Spur zu ihm. Der kaiserlich-königliche Kommissär Hofbauer ist in seinem Ehrgeiz nahe dran, ihn der Verbrechen zu überführen.

Graf Bárthory ist ein charismatischer Vampir, der seine Geheimnisse geschickt verbirgt. Er ist Scheusal und Liebender zugleich und das fasziniert an ihm. Die Frauen, die ihm zu Füßen liegen, scheint er geradewegs ins Verderben zu führen. Es ist nicht sein Bestreben. Es ist sein Schicksal. Das wird sehr deutlich gemacht.

Auch wenn Graf Bárthory die Hauptrolle spielt, so sind auch die anderen Charaktere sehr gut ausgearbeitet.
Man liest das Buch mit Faszination und Beklemmung zugleich. Es spielt im winterlichen Wien des 19. Jahrhunderts und die frostige nächtliche Kälte tut ein Übriges. Die Kulisse wird gut beschrieben. Die Geschichte spielt in einem interessanten historischen Kontext. Hier sind viele Details eingeflossen.

Die Szenerie ist also perfekt. Das Geschehen stimmig. Mit ihrem leicht lesbaren Schreibstil führt die Autorin auf unterhaltsame Weise durch das Buch. Das Geheimnisvolle, das Gefährliche ist immer präsent. Es ist eine klassische Vampirgeschichte, die von bekannten Klischees lebt ohne klischeehaft zu wirken. Das gefällt sehr gut.

Rezension von Heike Rau

Ulrike Schweikert
Das Herz der Nacht
476 Seiten, broschiert
Egmont LYX
ISBN-10: 380258497X
ISBN-13: 978-3802584978
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Amanda Hocking: Unter dem Vampirmond – Verführung

Amanda Hocking: Unter dem Vampirmond – Verführung

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Es sind Ferien. Und die verbringen Alice und ihr Bruder Milo bei Jack im Haus am See. Wo Peter ist, weiß Alice nicht. Wichtig ist, dass beide Abstand wahren, auch wenn sie einander nach einem uralten Gesetz verbunden sind. Es ist für Alice zu gefährlich in Peters Nähe, wie sich gezeigt hat. Auch zu Jack fühlt sich Alice nach wie vor hingezogen. Aber auch er hält Abstand, auch wenn es ihm schwerfällt. Alices Gefühle sind vollkommen durcheinander.

Dann geschieht ein schrecklicher Unfall. Alice muss daraufhin für ihren Bruder eine Entscheidung treffen. Dieser Entschluss hat auch einen weitreichenden Einfluss auf ihr eigenes Leben. Ihren Wunsch, sich in einen Vampir verwandeln zu lassen, muss aufgeschoben werden. Vielleicht beruht dieser Wunsch ohnehin auf einer falschen Vorstellung von den Vampiren. Kannte sie bisher nur Jack, seine Brüder Peter und Ezra und dessen Frau Mae, so lernt sie nun auch noch andere Vampire kennen. Vampire, die offenbar keine Selbstbeherrschung haben, und die es auch bald auf ihr Blut abgesehen haben. Und so ist Alice in einer unglaublich gefährlichen Lage, in der es dann nur ums Überleben geht.

Dieser zweite Band von „Unter dem Vampirmond“ ist eine echte Überraschung und fast gar nicht mit dem ersten Band zu vergleichen, was die Spannung betrifft. Jetzt beginnt die Geschichte nämlich erst richtig und nimmt ordentlich Fahrt auf. Alices Bruder Milo und auch ihre Freundin Jane, werden auf sehr dramatische Art und Weise in die Welt der Vampire mit hineingezogen. Überhaupt muss Alice ihre romantischen Vorstellungen und unrealistischen Träume begraben. Mit der märchenhaften Stimmung ist es vorbei.
Der Autorin ist hier wirklich eine phänomenale Gratwanderung gelungen. Ernsthaftigkeit kommt in die Handlung. Auch die Stimmung wandelt sich hin zu mehr Melancholie.

Die handelnden Personen entwickeln sich weiter. Und auch Alice stellt sich nun ihren Problemen. Sehr viel erwachsener ist sie geworden. Aber natürlich schimmert auch immer mal wieder die alte naive Alice durch, die bei Jack und Peter die Instinkte weckt, sie beschützen zu müssen.
Der Schreibstil ist geblieben. Das Buch liest sich flüssig. Weiterhin wird man gut unterhalten. Aber nun hat die Geschichte auch das gewisse Etwas.

Rezension von Heike Rau

Amanda Hocking
Unter dem Vampirmond
Teil 2: Verführung
Aus dem Amerikanischen von Anne Emmert
304 Seiten, Klappenbroschur
cbt, München
ISBN-10: 3570161366
ISBN-13: 978-3570161364
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Sara J. Henry: Ein Herzschlag bis zum Tod

Sara J. Henry: Ein Herzschlag bis zum Tod

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Troy Chance denkt nicht nach, sie handelt. Als sie den Jungen von der Fähre ins Wasser fallen sieht, springt sie. Dass es ihr gelingt, den Kleinen zu retten, grenzt an ein Wunder. Troy ist sich sicher, dass das Kind gestoßen worden ist. Dafür spricht auch das übergroße Sweatshirt, das der Junge an hatte und dessen Ärmel verknotet waren, um ihn zu fesseln.

Troy schafft es mit dem Jungen zum Fähranleger zurück, wo auf dem Parkplatz ihr Auto steht. Abgekämpft, unterkühlt und nass hat sie nur ein Ziel. Sie fährt mit dem Kleinen nach Hause, nachdem sie die Polizei anonym informiert hat.
Herausgeben möchte Troy den Jungen auf keinen Fall. Sie will nicht riskieren, dass Paul zu den Menschen zurückkommt, die ihn ertränken wollten und das können nun mal auch die Eltern des Jungen sein. Paul vertraut seiner Retterin und beginnt zu erzählen, was ihm wiederfahren ist. Tatsächlich scheint Paul mit seiner Mutter entführt worden zu sein. Nun liegt es an Troy, die Wahrheit herauszufinden.

Von Anfang an fühlt man sich der jungen, freiberuflich arbeitenden Reporterin Troy Chance verbunden. Ganz spontan und ohne an die Gefahr für sich selbst zu denken, rettet sie den kleinen Paul und gewinnt sein Vertrauen. Dass sie ihn nicht wiederhergeben will, kann man gut verstehen. Troy handelt sehr gefühlsbetont und aus dem Bauch heraus, das macht sie sehr sympathisch.

Ihre Recherchearbeit gestaltet sich sehr mühsam. Puzzleteil um Puzzleteil sammelt Troy, ohne die Zusammenhänge zu erkennen. Als bei ihr der Groschen fällt, ist sie längst in großer Gefahr. Allerdings wird das Buch, auch gerade was das Verhalten von Troy angeht, etwas unschlüssig. Der Fall wird überraschend, aber leider nicht ganz überzeugend aufgelöst, weil es im Vorfeld ein paar Ungereimtheiten gibt. Auch wenn das etwas von der Autorin erzeugten Spannung aufgefangen wird. Sonst ist es über lange Strecken ein eher ruhiges und berührendes Buch, das sich aber flüssig liest.

Rezension von Heike Rau

Sara J. Henry
Ein Herzschlag bis zum Tod
Deutsch von Susanne Goga-Klinkenberg
336 Seiten, Klappenbroschur
Dtv – Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423248882
ISBN-13: 978-3423248884
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