Lieneke Dijkzeul: Vor dem Regen kommt der Tod

Lieneke Dijkzeul: Vor dem Regen kommt der Tod

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Renée Pettersen wird direkt vor ihrer Wohnung überfallen. Die junge Kripobeamtin setzt sich zur Wehr. Doch sie hat keine Chance. Trotzdem gelingt es ihr später, in ihrer Wohnung Krach zu schlagen. Was wirklich geschieht, bekommt jedoch keiner mit, dazu sind die Geräusche zu schlecht zuzuordnen. Aber dennoch klingelt ein Nachbar bei Renée, so dass der Täter beschließt zu flüchten. Der jungen Frau schafft es, ihren Kollegen Paul Vegter zu verständigen, bevor sie die Besinnung verliert.

Renée ist schwer verletzt, dann aber bald wieder auf dem Weg der Besserung, zumindest was das Körperliche betrifft. Psychisch hat sie unter dem versuchten Mord sehr zu leiden. In ihre Wohnung möchte sie nicht zurück. Sie sucht Unterschlupf bei ihrem Kollegen. Hier findet sie Trost und bald auch Pauls Zuneigung.

Die Motive des Täters liegen völlig im Dunklen. Sein Versuch Renée zu skalpieren, irritiert die Ermittler völlig. Zumal das Haar später gefunden wird. Rotes Haar. Bei seinem nächsten Opfer, gelingt der Mord. Auch diese junge Frau, eine Studentin, hat rote Haare. Sie wurde skalpiert. Zusammen mit seinen Kollegen Talsma und Brink versucht Paul Vegter dem Täter auf die Spur zu kommen.

Äußerst fesselnd! Tatsächlich scheint der Mörder seine Taten so perfekt geplant zu haben, dass man ihm kaum auf die Spur kommen kann. Doch dem Leser wird noch ein weiterer Erzählstrang geboten. Hier erfährt man, wer der Täter ist. Zunächst ist sein Handeln für den Leser aber auch nicht nachzuvollziehen. Aber John Verbruggen hat eine Ehefrau, die Galeristin Vivienne, die ihm Misstrauen entgegenbringt.

Der Krimi ist auf eine perfekte Art und Weise konstruiert und er wird aus vielen Perspektiven beleuchtet. Das macht das Buch interessant und spannend, auch wenn man sehr bald weiß, wer der Täter ist. Der Blick liegt auf den Charakteren, die hier sehr gut entwickelt sind. Es ist ein eher ruhiger Krimi. Das spiegelt sich auch im Schreibstil der Autorin wieder. Das Buch liest sich gut.

Rezensionen von Heike Rau

Lieneke Dijkzeul
Vor dem Regen kommt der Tod
Thriller
Aus dem Niederländischen von Christiane Burkhardt
336 Seiten, Klappenbroschur
Dtv – Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423248556
ISBN-13: 978-3423248556
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Karolina Sparring: Hhm, lecker! – Rezepte, die Kindern wirklich schmecken

Karolina Sparring: Hhm, lecker! – Rezepte, die Kindern wirklich schmecken

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Gesund und abwechslungsreich soll das Essen für Kinder sein. Vor allem aber soll es schmecken! Das ist der Anspruch des Buches. Man liest das schon im Klappentext. Dass Karolina Sparring diese Gerichte als Köchin im Kindergarten getestet hat, und diese auch ihren eigenen Kindern schmecken, soll eine gewisse Garantie dafür sein.

Montags gibt es Suppe! „Südfranzösische Fischsuppe“, „Gulaschsuppe“, „Kartoffelsuppe mit Safran und Fenchel“ oder „Thaisuppe mit Linsen und Spinat“.
Dienstags steht dann Fisch auf dem Speiseplan mit „Gebratener Hering mit Kartoffeln und Preiselbeeren“, „Fisch mit Blauschimmelkäse und Broccoli“, „Gratinierte Scholle mit Weißweinsoße, Krabben und Croutons“.
Mittwochs gibt es Fleisch: Hähnchenspieß mit Orangen-Rosmarin-Marinade“, „Wildeintopf“ und „Lammhack-Chili mit Rosmarin und Avocadocreme“.
Donnerstag gibt es Vegetarisches, darunter „Wurzelgemüsegratin mit Blauschimmelkäse“, „Mais-Kartoffel-Frikadellen“ und „Chili con Quorn“, einem Fleischersatz, der in Deutschland allerdings nicht zu haben ist.
Freitags werden Lieblingsessen gekocht. Dazu gehören „Sopa de carne mejicana“, „Panierter Fisch in kalter Soße“ oder „Thai-Hähnchen“.

Man merkt sofort, hier ist eine sehr ambitionierte Köchin am Werk ist. Gleich beim ersten Rezeptvorschlag fällt das auf. Die „Südfranzösische Fischsuppe“ wird mit Weißwein und Sambal Oelek zubereitet. Tatsächlich werden viele weitere Gerichte mit Wein und Chili gekocht. Das erwartet man in einem Kochbuch mit Alltagsgerichten für Kinder eigentlich nicht. Überhaupt könnte man die Gerichte auch in einem ganz normalen Kochbuch für Erwachsenen unterbringen.

Davon abgesehen, sind die vorgestellten Gerichte sehr fantasievoll, in der Zubereitung aber relativ gut machbar. Es gibt viele Gerichte, die schnell gekocht werden können und dennoch durch die Auswahl an Zutaten oder Gewürzen etwas Besonderes sind.

Beim Kochen der Gerichte sollen Kinder mit eingebunden werden. Schade, dass die Rezepte keine kindgerechten Namen tragen und das Kochbuch auch nicht abgestimmt auf Kinder illustriert ist. Die Fotos, auch wenn diese sonst sehr schön sind, zeigen keine „Kinderportionen“. Nur Kinderspielzeug auf dem Esstisch zeugt manchmal davon, dass hier Gerichte für Kinder vorgestellt werden. Nicht so recht ins Buch passen die Bilder mit den Kindern, die gar keinen Bezug zum Thema Kochen haben. Das sind auch insbesondere die schattig gehaltenen schwarzweißen und melancholisch wirkenden Kinderporträts. Möglicherweise sollen die Fotos damit auch einem künstlerischen Anspruch gerecht werden. Diese Wirkung wird in einem Kochbuch aber verfehlt.

Im Buch gibt es noch einige Textpassagen vom Familientherapeuten Jesper Juul. Hier wird beschrieben, wie wichtig gemeinsame Mahlzeiten für die Familie sind und wie diese gestaltet werden sollten. Es werden zudem Ratschläge für Eltern erteilt, deren Kinder wählerische Esser sind.

Rezension von Heike Rau

Karolina Sparring
Fotos von Karin Alfredsson
Hhm, lecker!
Rezepte, die Kindern wirklich schmecken
192 Seiten, gebunden
Jan Thorbecke Verlag
ISBN-10: 379950883X
ISBN-13: 978-3799508834
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Axel Scheffler und Julia Donaldson: Räuber Ratte

Axel Scheffler und Julia Donaldson: Räuber Ratte

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Räuber Ratte macht die ganze Gegend unsicher. Er ist ein skrupelloser und herzloser Dieb. Gutes Benehmen ist ihm fremd. Nie drückt er ein Auge zu. Er hat es nicht auf Reichtümer, sondern vor allem auf Essbares abgesehen. Mit seinem Degen im Anschlag fordert er Süßes und Gebäck. Er heimst ein, was er kriegen kann. Er nimmt der Häsin den Klee weg und dem Eichhörnchen die Nüsse. Widerspruch duldet er nicht. Er reitet von einem Ort zum anderen und wer ihm auf seinem Weg begegnet, hat nichts zu lachen. Selbst der Spinne klaut er die Fliegen aus dem Netz und seinem Pferd das Stroh.

Währen die armen Tiere nun am Hungertuch nagen müssen, futtert Räuber Ratte in aller Gemütlichkeit seine Beute. Doch eines Tages wagt es jemand, sich ihm entgegenzustellen. Eine Ente. Sie soll selbst, weil sie sonst nichts hat, zum Diebesgut werden und zum Abendbrot verspeist werden. Doch die Ente hat eine Idee und versucht mit einem Trick Räuber Ratte zu entgehen.

Die kleine Geschichte wird auf ganz wunderbare Weise von Julia Donaldson in Übersetzung von Salah Naoura erzählt, nämlich in kurzen Reimen. Das lässt sich sehr gut vorlesen. Kinder dürften diesen Text dann auch bald auswendig können. Vor allem die wiederkehrenden Zeilen machen Freude.

Mit Räuber Ratte ist nichts zu spaßen. Dennoch hat er eher etwas von einem kleinen frechen Kerl, wie er da auf dem riesigen Pferd durch die Lande reitet. Seine Verkleidung als Räuber, mit Augenbinde und verwegenem Hut, und der spitze Degen verschaffen ihm natürlich Respekt.
Ausgerechnet eine kleine Ente durchschaut den Räuber und stellt sich ihm in den Weg. Das wird Kinder zum Staunen bringen, vor allem, weil diese mutige Tat sich auszahlt.

Das Buch ist großformatig und durchgehend illustriert. Die Geschichte wurde von Axel Scheffler mit dem Zeichenstift nachgestellt. Diese Bilder sind überaus farbenfroh gehalten und detailreich. Es gibt viel zu entdecken. Damit ist das Buch sehr unterhaltsam für Kinder.

Rezensionen von Heike Rau

Axel Scheffler und Julia Donaldson
Räuber Ratte
32 Seiten, gebunden
Beltz & Gelberg
ISBN-10: 3407794479
ISBN-13: 978-3407794475
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Edmund De Waal: Der Hase mit den Bernsteinaugen

Edmund De Waal: Der Hase mit den Bernsteinaugen

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Assimilation und Antisemitismus am Beispiel einer Familienchronik.

Edmund De Waal ist Nachfahre jener berühmten jüdischen Bankiersdynastie Ephrussi, die Mitte des 19. Jahrhunderts von Odessa aus ihren Weg in die Welt antrat. Aus einem kleinen Getreidehandel hatte Charles Joachim Ephrussi 1860 ein riesiges Unternehmen gemacht, das zu den größten Getreideexporteuren der Welt aufstieg. Die Familie schickte ihre Abkömmlinge zunächst nach Wien, andere nach Paris, wo sie eine den de Rothschilds ebenbürtige Bank gründeten.

Von dem Vorfahr Charles Ephrussi, einem gebildeten, hoch interessierten Kunstsammler, Mäzen und Freund Marcel Prousts, erhielt Edmund De Waal eines Tages als dessen Nachfahre 264 Netsuke. Es sind japanische geschnitzte Kleinplastiken, die Charles im Laufe seines Lebens zusammen getragen hatte. Ausgehend von diesen Figuren macht sich Endmund De Waal auf den Weg, seine Familiengeschichte zu erforschen und zu erzählen. De Waal ist selber ein Keramikkünstler, der mit ungewöhnlicher Sensibilität und Genauigkeit den einzelnen Zweigen seiner Familie nachgegangen ist. So ist eine Studie auch über die Entwicklung jüdischer Kaufleute und Bankiers entstanden, die reizvoll und vielversprechend mit vielen Details den Lebenswegen mit Erfolgen und Niederlagen der einzelnen Familienzweige nachgeht. Diese Wege führten von Odessa über Wien, Paris bis nach London und Japan.

Vor uns entfaltet sich die ganze Pracht und Herrlichkeit eines gebildeten, erfolgreichen, kunstbeflissenen, weltläufigen und unermesslich reichen Familienclans. Die Jahre 1871-1899 sind der Kunst und dem Aufstieg des französischen Zweiges der Familie gewidmet. Vielfarbig und detailgenau kann man dem Pariser Gesellschaftsleben folgen und den Künstlern, die mit Charles Ephrussi befreundet waren. Danach sieht man sich in der Familie zunehmend mit einem fortschreitenden Antisemitismus konfrontiert, der zum Ende des Jahrhunderts in der Dreyfusaffäre seinen Höhepunkt fand.

Edmund De Waal hat mit großer Empathie, ungeheurem Interesse und Fleiß die Chronik dieser außergewöhnlichen Familie nachgezeichnet. Sie bietet ein anschauliches Zeitgemälde des im ausgehenden 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gelebten Judentums. Mit dem gesellschaftlichen Wandel und der weitgehend praktizierten Assimilation gelang jüdischen Mitbürgern der Aufstieg zu Wohlstand und Bildung. Gleichzeitig behielt ein unterschwellig bis offen gelebter Antisemitismus weiterhin die Oberhand.

Edmund De Waal zieht als Fazit zum Ende seiner Aufzeichnungen: “Ich habe das etwas mulmige Gefühl des Biographen, mich unbefugt am Rande des Lebens anderer Menschen herumzutreiben. Lass es einfach. Hör auf zu suchen und Dinge aufzuheben, beschwört mich die Stimme. Fahr heim und lass die Geschichten.“

Und genau so ist es: unergründlich und reich an Erfahrungen mit der Vergangenheit verlässt der Autor sein Werk, das er unendlich noch fortführen könnte.

Es ist ein weit gefasstes Panorama, fein ziseliert und tiefgehend erforscht.

Edmund De Waal
Der Hase mit den Bernsteinaugen
352 Seiten, gebunden
Paul Zsolnay Verlag, August 2011
ISBN-10: 3552055568
ISBN-13: 978-3552055568
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Cornelia Schinharl und Christa Schmedes – Fein gebacken! – Das Grundbackbuch

Cornelia Schinharl und Christa Schmedes – Fein gebacken! – Das Grundbackbuch

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Ein Grundbackbuch sollte in keinem Haushalt fehlen. Selbstgebackenes ist schließlich ein ganz besonderer Genuss. Mit den Anleitungen im Buch wird es auch Anfängern leicht gemacht, das Backen zu erlernen, bzw. bereits vorhandenes Wissen zu erweitern.
Auf den ersten Seiten geht es um Grundsätzliches. Man erfährt hier alles über Backformen und Zubehör, die verschiedenen Mehlsorten, Backtriebmittel und weitere Grundzutaten.
Das Buch ist nach Teigarten untergliedert: Rührteig, Biskuitteig, Mürbeteig, Hefeteig, Quark-Öl-Teig, Blätterteig und Plunderteig, Brandteig, Strudelteig und Baiser.

Den Anfang macht also der Rührteig. Zunächst gibt es einfache Rezepte. „Rührkuchen mit Zitrone“. Der ist tatsächlich schnell gemacht. Damit dieser wirklich perfekt wird sollte man die Das-ist-wirklich-wichtig-Hinweise beachten. Auf dieses Rezept kann man aufbauen und „Rührkuchen mit Apfelspalten“ oder anderes backen. Auch Muffin-Rezepte gibt es, unter anderem „Heidelbeermuffins mit Joghurt“ oder „Schokomuffins mit Muskat.“ Hier findet man auch ein Rezept zu „Pikanten Muffins mit Chili“. Es gibt also nicht nur süßes Gebäck im Buch. Sehr interessant ist auch der „Sandkuchen im Glas“, damit kann man auch auf Vorrat backen. Etwas Können verlangen dann schon die „Donauwellen mit Schoko-Nougat-Guss“ oder der „Baumkuchen mit Marzipan“. Wer sich an einer Torte versuchen möchte, kann „Prinzregententorte ganz klassisch“ probieren. Spritzgebäck lässt sich ebenfalls aus Rührteig herstellen.

Weiter geht es mit dem Biskuitteig. Auch hier kann man zuerst einen einfachen „Biskuitboden mit Fruchtbelag“ herstellen. Schwieriger ist dann schon die Biskuitrolle mit Konfitüre. (Diese habe ich ausprobiert. Den Teig zu stürzen und dann aufzurollen, ist nicht einfach. Oftmals bricht der Teig oder reißt ein beim Aufrollen. Das ist mir jedenfalls schon passiert. Mit den Tipps im Buch ging es aber erstaunlich gut. Es ist eine schöne Rolle geworden. Und der Geschmack hat überzeugt.) Auch bei diesen Rezepten kann man sich also vortasten und dann vielleicht auch die „Schwarzwälder Kirchtorte“ oder die „Festtagstorte mit weißer Schokosahne“ mit den selbstgeformten Marzipan-Rosenblüten als Dekoration probieren.

Das Buch gefällt schon beim ersten Durchblättern. Die Vielfalt an Rezepten, die auch durch die verschieden Teigarten gegeben ist, überzeugt. Die Anleitungen sind sehr schön ausführlich, so dass man den Eindruck hat, sich auch dann heranwagen zu können, wenn in der Vergangenheit beim Backen einiges schief gelaufen ist. Natürlich braucht man Übung. Und vielleicht werden die ersten Kuchen auch nicht ganz perfekt. Aber man kann sich mit dem Buch weiterentwickeln. Es ist eines, das nicht im Regal stehen bleiben wird. Zum einen, weil es wirklich praktisch ist, zum anderen, weil man auch einfache Back-Klassiker darin findet.

Sehr gut gefällt auch die Aufmachung. Verschiedene Schriftgrößen sorgen für Übersichtlichkeit. Auch sind die Seiten sehr gut strukturiert. Es gibt sehr viel Bildmaterial, nicht nur zu den fertigen Gerichten, sondern auch zu den Tipps. Was man sieht, versteht man einfach besser. Und damit macht das Backen dann auch sehr viel Spaß!

Rezension von Heike Rau

Cornelia Schinharl und Christa Schmedes
Fein gebacken! – Das Grundbackbuch
240 Seiten
Fotos von Alexander Walter
Franckh-Kosmos Verlag
ISBN-10: 3440125920
ISBN-13: 978-3440125922
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Àlex Rovira und Francesc Miralles: Einsteins Versprechen

Àlex Rovira und Francesc Miralles: Einsteins Versprechen

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Lieber Leser, Sie sehen mich weinen. Warum? Ich habe soeben das Buch „Einsteins Versprechen“ zu Ende gelesen und habe – und das ist keine literarische Übertreibung – Tränen in den Augen. Vor Wut. Da habe ich mich einige Nachmittage lang durch das langweiligste spannende Buch gekämpft, das mir je untergekommen ist, und stehe nun vor der banalsten falsch-wahren Weisheit, die je verkündet wurde. Verwirrt Sie das? Ja? Mich auch.

Also was ist passiert? Ich habe ein Buch gelesen, das damit anfängt, dass ein spanischer Wissenschaftsjournalist namens Javier aus der Not heraus öffentlich spontan vermutet, Albert Einstein habe in seinen letzten Jahren offenbar etwas ganz Großes entdeckt, das so „potent“ ist, dass er es der damals noch nicht reifen Menschheit noch nicht offenbaren wollte. Kurz darauf sieht sich Javier in eine mysteriöse Suche nach dieser Erkenntnis hineingezogen. Diese Suche basiert auf der Idee, dass Einstein seiner unehelichen und von ihm lange ignorierten Tochter diese Erkenntnis zugespielt hat, sie ihr sozusagen „vererbte“. Jene Lieserl habe dann, so die Idee, dieses Erbe ihrer Tochter vermacht. Man müsse also jene Einstein-Enkelin finden, lautet die Arbeitsthese der Suchenden.

Wobei „Suche“ ein fast schon euphemistischer Ausdruck ist, zumindest was Ich-Erzähler Javier angeht. Der Journalist wirkt eher wie ein im Wind aus Zeichen, Andeutungen und Hinweisen getriebenes halbtotes Blatt. Sarah, mit der er gemeinsam unterwegs ist, scheint da schon gezielter vorzugehen, obwohl auch das eher eine Vermutung als eine im Buch erkennbare Tatsache ist. Die anderen Suchenden überleben übrigens das Buchende nicht, nach und nach werden sie von diesem oder jenem eliminiert. Einer der „Mörder“ ist eine junge Frau, die – wie auch immer sie das schafft – offenbar besser als alle anderen sichtbaren und (anfangs) unsichtbaren Figuren weiß, was gerade vorgeht.

Das für mich unverständlicher Weise mit einem Literaturpreis geehrte Buch (laut Klappentext: der hochdotierte „Premio de Novela Ciudad de Torrevieja“) wird in einer Sprache erzählt, die extrem leicht lesbar weil extrem simpel gehalten ist. Spaß am Text lag eindeutig nicht in der Intension der Autoren. Àlex Rovira und Francesc Miralles setzen statt dessen auf einen der neumodischen Verschwörungs-und-Quest-Plots. Nicht, dass ihnen das gut gelingen würde, die Figuren nähern sich zwar faktisch und lokal ihrem Ziel, der Einstein-Erbin, das eigentliche Geheimnis bleibt aber trotz diverser Annäherungsversuche so fern wie am Anfang. In dieser Sache passiert nichts – bis zu jenem unsäglichen Finale, das mich so erbost und verzweifeln lässt.

Wenn ich sage, es passiert nichts, dann bezieht sich das auch auf die Figuren. Sie sind das, was ich als Lektor meinen Kunden gegenüber als Marionetten bezeichne. Dass Javier offenbar nicht den geringsten Nerv dafür hat, in seinen Mitmenschen Emotionen und Stimmungen zu erkennen und seine Beschreibungen sich auf rein Plakatives beschränken, mag ja noch entschuldbar sein, aber er selbst ist innerlich – vorsichtig ausgedrückt – auch eher tot als lebendig. Ihn wandelt immer mal ein wenig Trauer an, wenn er an seine zerbrochene Ehe zurückdenkt, und er versucht dem Zuhörer weis zu machen, er habe sich in Sarah verliebt. So wie das erste pure Behauptung bleibt, kann man auch das zweite zwar zur Kenntnis nehmen, aber sehen, nachfühlen kann man es nicht. Dass auf Javiers Empfindungen bei Mord und Totschlag und sogar bei den (angeblich) spektakulären Enthüllungen am Ende der Begriff „blass“ noch eine maßlose Übertreibung ist, passt da prima ins Bild.

Und genau das macht das Buch langweilig. Zwar erlaubt der kunstlose Schreibstil, dass man der Frage „Was hat Genie Einstein wohl herausgefunden?“ ohne Anstrengung hinterlaufen kann, aber auf dieser Rennstrecke gibt es nichts zu entdecken. Die Figuren sind uninteressant, der Ablauf der Suche nicht aufregend, weil sich nie akute Spannung aufbaut. Statt mit Spannungsbögen arbeiten die Autoren mit Sätzen wie „Hätte ich geahnt, auf was für einem Spielfeld ich mich bewegte, hätte ich niemals auf ,Senden‘ geklickt.“ oder „Hätte ich jedoch den Namen Sarah Brunet rechtzeitig überprüft, wäre alles, was in Kürze geschehen sollte, vollkommen anders verlaufen.“ Das ist Spannungsbildung für Möchtegern-Schriftsteller. Magisch, wie der Klappentext auf dem Buch behauptet, ist da gar nichts.

Bevor ich zum Hauptdesaster dieses Werkes komme, will ich mal einen kleinen Ausflug in die Abteilung „Gut am Buch“ machen. Groß ist die allerdings ohnehin nicht. Die anspruchslose Sprache in den vielen superkurzen Kapiteln zum Beispiel zählt in dem Sinne dazu, dass sie das Lesen nicht zusätzlich erschwert, und wer noch nicht viel über Einsteins Leben wusste, kann es anhand der biografischen Einschübe ein wenig kennenlernen.

Als günstig erwies sich auch, dass man über Physik generell und die Einstein’sche im Besonderen gar nichts wissen muss, um dem Buch folgen zu können. Denn auch wenn ständig so getan wird, als habe das zu lüftende Geheimnis eine vergleichbare Bedeutung wie die zur Atombombe geführt habende Gleichung E = mc2: Die „Enthüllung“ ist eher simpelste Kindergarten-Philosophie. Dazu hätte weder Einstein bemüht, noch ein mit Toten gepflasterter Weg beschritten werden müssen. Dafür ist weder die Weltreise der Figuren nötig gewesen noch das am Ende dahingesagte Existieren von zwei rivalisierenden Organisationen (die ganz bestimmt als Methaper für dies und jenes gemeint sind, wie so manch anderes in dem Buch). Denn – bitte halten Sie sich fest! – die letzte große Erkenntnis Einsteins ist nicht der Grundstein für eine Superbombe oder die Lösung aller Energieprobleme der Menschheit, keine Erkenntnis darüber, dass wir alle nicht real sind, dass wir allein sind im All oder auch nicht allein sind. Nein, es viel ungeheuerlicher. Einsteins letzte Erkenntnis ist die von der Über-Kraft, die alle anderen Kräfte in sich vereint und damit die von den Wissenschaftlern seit jeher gesuchte Einheitliche Theorie des Universums möglich macht. Es ist – Trara! – die Liebe.

Tja. Was soll man da noch sagen …

Àlex Rovira und Francesc Miralles
Einsteins Versprechen
384 Seiten, gebunden
List
ISBN-10: 3471350519
ISBN-13: 978-3471350515
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Horst Eckert: Schwarzer Schwan

Horst Eckert: Schwarzer Schwan

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Gerne wird der Kriminalschriftsteller Horst Eckert von den Medien in und um Düsseldorf als regionaler Autor oder Autor von Düsseldorf-Krimis tituliert. Doch solch eine Bezeichnung wird ihm nicht gerecht. Tatsache ist, dass ein Krimi nun mal irgendwo spielen muss. Bei Donna Leon ist es Venedig, bei Henning Mankell Ystad und bei Horst Eckert ist es (zumeist) Düsseldorf. Das heißt noch lange nicht, dass es sich um einen Regionalkrimi handelt, wie er langläufig definiert wird. Selbst, wenn ein Düsseldorfer Oberbürgermeister eine wichtige Rolle darin spielt („Königsallee“). Eckert beweist erneut in dem soeben erschienenen Krimi „Schwarzer Schwan“, dass es sich um einen hochbrisanten, alarmierend aktuellen Politthriller handelt, der überall in Deutschland spielen könnte.

Vor dem Hintergrund des Bankencrashes im Jahre 2008, der sich in Wirklichkeit als Gelddruckmaschine für die Banken herausstellte, über den Atomausstieg der jetzigen Bundesregierung bis hin zur Griechenlandpleite wird in einem Mordfall und einem Entführungsfall ermittelt. Dass es sich um zwei voneinander losgelöste Fälle handelt, mag der Leser bald nicht mehr wahr haben. Dass die beiden Verbrechen ein beinahe banales Motiv haben, ebenso wenig. Schnell wird klar, dass die Motivlage in einem Gewirr aus Bankern, Wirtschaftsbossen, Lobbyisten und Politikern verborgen liegt. Selbst die Bundeskanzlerin bekommt eine Rolle in diesem Stück. In vielen parallelen Handlungen, die in Düsseldorf genauso wie in Berlin spielen, taucht der Leser in das schwer durchschaubare Geflecht ein.

Die Bankerin Hanna, deren Millionendeal auf höchster Vorstandsebene zum Schaden der eigenen Bank gekippt wird, zweifelt am Sinn des Lebens und erkennt nicht, dass sie nur wie ein kleiner Hamster in einem Rädchen strampelt. Erst als der Polizist Dominik in ihrer Wohnung Abhörwanzen entdeckt, wird ihr das ganze Ausmaß von dem, was ihr schon längst Bauchschmerzen verursachte, bewusst. Dann verschwindet auch noch ihre Nichte. Zwischen der Entführung Leonies und dem in Düsseldorf verübten Mord an der Lobbyistin Paula, die ebenfalls aus dem Politrummel aussteigen wollte, gibt es einen Zusammenhang: ein alter, weißer Golf II.
Eckert schafft in diesem Thriller eine erschreckende Nähe zum aktuellen Tagesgeschehen. Gespräche aus den Polittalkshows werden sofort präsent. Als Leser steht man mittendrin. Trotz der vielen Namen und Figuren macht es keine Mühe, der Handlung zu folgen. herausgehoben und von etwas mehr Ruhe begleitet wird ein Handlungsstrang aus der Sicht der entführten Leonie, deren Szenen aus der Perspektive dieses Mädchens erzählt werden. In diesen Passagen verzichtet Eckert auf Tempo, umso mehr gehen sie in die Tiefe und lassen den Leser mitfühlen.

Ein handwerklich sehr gut gemachter Krimi, der einen Adler-Olsen nicht fürchten muss und von solch einer Brisanz ist, dass er alle anderen Krimis auf hintere Plätze verweist. Herzlichen Glückwunsch für den Dortmunder Grafit-Verlag, solch einen hochkarätigen Krimiautor in seinem Programm zu haben.

Eckert, Horst
Schwarzer Schwan
352 Seiten, gebunden
Grafit Verlag, Dortmund
ISBN-10: 3894256672
ISBN-13: 978-3894256678

© Detlef Knut, Düsseldorf 2011
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Inna Segal: Die verborgene Sprache des Körpers – Das Handbuch zur Symptomdeutung und Selbstheilung

Inna Segal: Die verborgene Sprache des Körpers – Das Handbuch zur Symptomdeutung und Selbstheilung

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Heilerin Inna Segal sieht den Grund für Beschwerden und Krankheiten in ungesunden Emotionen, die man verdrängt hat. Macht man sich diese bewusst und arbeitet diese auf, kann man auch wieder gesund werden. Jeder Mensch trägt diese göttliche Heilintelligenz in sich, ist also in der Lage sich mit der richtigen Anleitung selbst zu heilen. Wie man die Selbstheilungskräfte aktiviert wird genau beschrieben.

Das Buch hat seine Grenzen. Man liest das gleich auf der ersten Seite. Den Ratschlägen zu folgen, heißt nicht, auf ärztliche Hilfe zu verzichten oder eine verordnete Medikamenteneinnahme zu unterlassen. Auch eine gesunde Lebensführung ist wichtig.

Im Grunde geht es darum, bewusst etwas für sich zu tun. Dass heißt auch, eine Krankheit nicht einfach hinzunehmen, sondern gegenzusteuern. Die Autorin zeigt, wie man die Wahrnehmung für Vorgänge im Körper schärft und das allgemeine Körperbewusstsein stärkt. Wie fühle ich mich und warum fühle ich mich so, ist die zentrale Frage. Zu erkennen, was krank macht an Gedanken und Empfindungen, ist ein erster Schritt zu einem besseren Körpergefühl.

Mit den gewonnenen Erkenntnissen kann man dann weiterarbeiten und herausfinden, was die eigene Gesundheit fördert. Das geschieht zum Beispiel durch Auflösung negativer Gefühle, Heilübungen, durch Visualisierung der Vorstellung von Gesundheit und Anwendung einer Farbtherapie.

Dazu eine göttliche Heilintelligenz anzurufen und diese praktisch in Form eines Gebetes um Heilung zu bitten, mag auf manche Menschen befremdlich wirken, gehört aber zum Gesamtpaket.
Sich mit ungesunden Emotionen auseinanderzusetzen und stattdessen gesunde Emotionen zuzulassen, ist natürlich immer hilfreich. Es ist eine Form des positiven Denkens. Auch die Farbtherapie ist nicht unbekannt und kann natürlich unterstützende wirken. Viele, teils auch heftige Schmerzen können durch Verspannungen entstehen. In solchen Fällen ist das Buch hilfreich.

Eine gesunde Skepsis solchen Heilmethoden gegenüber ist dann aber doch nicht von der Hand zu weisen, auch wenn die Autorin sich sehr bemüht diese zu zerstreuen. An etwas fest zu glauben, kann tatsächlich Veränderungen hervorrufen. Das wissen wir. Im Buch werden aber selbst als unheilbar geltende Krankheiten dargestellt und Wunderheilungen als sehr gut möglich betrachtet.

Rezension von Heike Rau

Inna Segal
Die verborgene Sprache des Körpers
Das Handbuch zur Symptomdeutung und Selbstheilung
Aus dem Englischen von Diane von Weltzien
400 Seiten, gebunden
Knaur MensSana
ISBN-10: 3426656779
ISBN-13: 978-3426656778
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Laura Moriarty: Weil wir glücklich waren

Laura Moriarty: Weil wir glücklich waren

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Zerbrochenes Familienglück!

Der Dachdecker lag in Mutters Bett, als unerwartet der Vater nach Hause kommt. Er versteht die Welt nicht mehr! Nach dreißig Ehejahren ist die Trennung der Eltern damit unausweichlich. Sie leben in Kansas City, und der Verkauf des gemeinsamen Hauses lässt nicht lange auf sich warten.

Fazit: die Ehe war schon lange nicht mehr gut und hat die beiden Protagonisten weit voneinander entfernt.

Veronica, die jüngere Tochter, studiert und schlägt sich mit dem Lernen und ihren Freunden herum. Die Krise ihrer Eltern nagt unbewusst an ihrem Dasein. Besonders ihre Mutter hat ihr Gleichgewicht verloren und nervt mit ihren Ratschlägen und diversen Anrufen. Zu beiden Eltern hat Veronica Kontakt und sieht sich immer wieder mit der Sorge ihres Vaters konfrontiert, dass sie ihr Leben nicht geregelt bekommen könnte. Er ist ein erfolgreicher aber cholerischer Anwalt, der allerdings den einzigen Halt bietet, wenn Veronica einmal gar nicht mehr weiter weiß. Ihr Weg an der Uni und mit ihren Freunden ist mit vielerlei Schwierigkeiten  behaftet. Elise, die ältere und verständige Schwester, lebt in Kalifornien als viel beschäftigte Anwältin weit vom Schuss und setzt der Schwester ebenso zu wie die Eltern. Wie findet man aus dieser Krise heraus?

In einem überzeugenden Plädoyer führt Laura Moriarty durch diesen Roman, der den Verlust aller Sicherheit und des Zusammenhalts in der Familie zum Thema hat. Von Glück darf man nicht sprechen, wenn die Mutter schließlich mit ihrem geliebten Hund Bowzer sogar ihre Bleibe verliert und bei der Tochter im Studentenwohnheim unterschlüpft. Traurig ist der Zerfall und der soziale Abstieg, in dem Veronica als Hauptzeugin auftritt.

Vielleicht ein wenig zu weitschweifig gilt der Tenor des Romans der Ungleichheit von Mann und Frau, wenn es um die berufliche Fortentwicklung geht. Auch deshalb drängt der Vater seine Tochter Elise, nach der Geburt eines Kindes ihren Beruf nicht aufzugeben. Gekonnt aber wird das amerikanische Mittelschichtmilieu geschildert, in dem der soziale Aufstieg gleich nahe dem Abstieg liegt.

Der unterhaltsame und gut konzipierte Roman ist absolut lesenswert. Laura Moriarty mag nicht zu den ganz großen amerikanischen Autorinnen gehören, doch zeigt sie ein respektables Erzähltalent. Sie lebt mit ihrer Tochter in Kansas.

Laura Moriarty
Weil wir glücklich waren
400 Seiten, gebunden
Bastei Lübbe, Juni 2011
ISBN-10: 3404160495
ISBN-13: 978-3404160495
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Michael Chabon: Mann sein für Anfänger

Michael Chabon: Mann sein für Anfänger

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Von Vätern, Ehemännern und Söhnen…

Michael Chabon, den man in guter Erinnerung hat mit seinem pfiffigen und hintergründigen Krimi „Die Vereinigung jiddischer Polizisten“, hat sich in seinem neuen autobiographischen Buch dem Thema „Männer“ gewidmet. In irgendeiner Weise hat jeder Mann mit „Vätern“ zu tun, sei es dem eigenen oder dem als Vater von eigenen Kindern. Michael Chabon ist Vater von vier Kindern, und sie regen zu ständiger Reflexion an.

Vorausgeschickt sei seine Einsicht, dass der Autor sich in dieser Rolle nicht immer so ganz wohl fühlt, weil ihn die Kinder vor Aufgaben stellen, die nicht immer leicht zu lösen sind. Er sinniert darüber nach, warum Väter besonderer Erwähnung zuteil werden, wenn sie im Supermarkt nett mit ihren Kindern umgehen. Niemals würde man sich über Mütter wundern, wenn sie liebevolle Mütter sind.

In den ungünstigsten Augenblicken fragen die Kinder ihn nach Dingen, die ihn in Verlegenheit bringen. Darf man den Kindern die Fragen nach dem eigenen jugendlichen Drogenkonsum verweigern? Er sehnt in diesen Zeiten seine Frau herbei, mit der er sich über alle Fragen, die ihre gemeinsamen Kinder betreffen, verständigen kann. Auch stellt sich die Frage, wo man die vielen Kunstwerke der Kinder lässt. Man entsorgt sie schweren Herzens, weil sie womöglich den Haushalt überschwemmen würden,–und natürlich dürfen die lieben Kleinen davon nichts erfahren!

Michael Chabon hat eine witzige, scharfsinnige und kluge Einschätzung seiner Vaterrolle vorgenommen. Sie präsentiert sich voller Humor und wirkt absolut authentisch. Selten nur mögen sich Eltern zu so klarer Selbsterkenntnis durchringen.

Nicht genug damit ist seine Geschichte über Väter und Söhne reich an Anekdoten über erste Lieben, verschmähte Liebe, kuriose Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht, Treue, Liebe, Anhänglichkeit und dem Verhältnis zu den eigenen Eltern, frühen Freundinnen und ersten Sexerfahrungen. Ohne witzige und selbstironische Betrachtungen geht es dabei nicht zu. Das Judentum bekommt ebenso seinen Teil freundlicher Kritik ab ab wie die Rituale christlichen Lebens. Anlässlich der Bat Mizwa seiner Tochter Sophie befallen Michaael Chabon elegische Gedanken: „…als ihre Hand den Pfad der hebräischen Buchstaben auf dem Pergament nachfuhr, stellte ich fest, dass ich nicht an das Verstreichen der Zeit dachte, sondern an ihre unergründliche Stille, ihre Unbeweglichkeit, an die große universelle Fiktion, dass es so etwas wie Zeit überhaupt gibt.“ Das klingt nachdenklich und zeigt den Tiefgang bei aller Komik über das Mannsein.

Wie tröstlich, dass am Ende jeder weiß, dass niemand vollkommen ist, und Fehler uns Menschen eigen sind. Auch Kinder werden bei gelungener Sozialisation lernen müssen, dass ihre Eltern nicht die Ideale bleiben, zu denen man als Kleinkind aufgeschaut hat. Chabon hat dieses in eine humorvoll witzige Satire gekleidet, die man mit Vergnügen liest.

Michael Chabon
Mann sein für Anfänger
288 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, Oktober 2011
ISBN-10: 3462043307
ISBN-13: 978-3462043303
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