Lothar Eichler: Lady Bonaparte

Lothar Eichler: Lady Bonaparte

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Jasmin, einzige Tochter eines reichen Verlegers, hat die Schule absolviert und verlässt mit achtzehn Jahren das Internat, um von nun an ihr Leben selbst in den Griff zu nehmen. Stoff genug für einen Konflickt mit ihren Eltern.

Sie denkt sehr viel über sich und das Leben nach, sie fragt sich dabei, ob das, was ihr Vater mit dem Verlag an familiärer Sicherheit und familiärem Reichtum geschaffen hat, etwas ist, was ihr ebensolche Zufriedenheit gewähren kann. Doch sie stellt fest, dass sie nicht von dem Geld ihres Vaters leben möchte. Sie möchte von dem leben können, was sie selbst geschaffen hat. Obwohl ihr Vater versucht, ihr alle Wege zu ebnen, alle Probleme von ihr abzuwenden, ihr ein Praktikum im Verlag anbietet, sie einen Auftrag in Paris erledigen lässt, entscheidet sie sich gegen den Willen ihrer Eltern, insbesondere ihres Vaters. Zweifelsohne hat er vor, Jasmin später einmal in seine Fußstapfen als Leiterin des Verlages treten zu lassen. Sie lässt ihn aber abblitzen, will sich selbst ausprobieren, will lernen, wie das ist, wenn man den ganzen Tag arbeiten muss und abends todmüde nach Hause kommt. Sie will ihr eigenes Leben führen, zumindest zunächst, denn sie schließt nicht aus, irgendwann einmal wieder unter die Fittiche ihres Vaters zu kriechen. Um sich aber selbst dafür entscheiden zu können, muss sie die andere Seite des Lebens zunächst kennen lernen. Also stürzt sie sich in das Leben. Sie entscheidet sich für ein Studium der Germanistik, weil sie darin verschiedene Möglichkeiten sieht, später einen Beruf auszuüben. Neben dem Studium beginnt sie in einem Restaurant zu kellnern und stellt fest, dass sie sich davon eine kleine Wohnung leisten und den bescheidenen Lebensunterhalt bestreiten kann. Bei all ihren Schritten wird sie von einem Freund begleitet, der von ihren Eltern komplett ignoriert wird. Über ihre Kellnerei und selbst ihr Studium rümpft ihr Vater nur die Nase. Mit einem Auftrag für Paris versucht er, seine Tochter wieder näher an sich zu ziehen. Er stellt einen Mann im Verlag ein, der als sein engster Assistent tätig wird, und hofft, dass Jasmin und sein Verteter einmal ein Paar werden würden. Obwohl Jasmin einige Male mit ihm ausgeht und sich sehr gut mit ihm anfreundet gibt sie ihm dennoch deutlich zu verstehen, dass aus ihrer Freundschaft keinesfalls mehr werden könne, denn schließlich wäre er von ihrem Vater ausgesucht. Dafür lernt Jasmin Jean kennen, der bald nicht mehr von ihrer Seite weicht. Auch er wird von ihren Eltern ignoriert. Er steht loyal zu ihr, aus Freundschaft wird Liebe. Nach vier Semestern Studium bricht Jasmin dieses ab, um nicht nur nebenbei, sondern Vollzeit arbeiten zu können. Aus ihrer Tätigkeit als Kellnerin heraus gewinnt sie einen engen Freundeskreis. Sie möchte mehr erreichen und mehr ausprobieren und beschließt, mit ihren Freundinnen und Freunden ein Literaturcafé aufzubauen. Jean hält fest zu ihr und unterstützt sie in ihrem Vorhaben. Jasmin denkt weit vorraus, wünscht sich eine Heirat mit Jean und Kinder, die nicht so aufwachsen sollen, wie sie aufgewachsen ist.

Dieser Roman, der in das Leben und die Gedankenwelt einer jungen Frau von der Zeit des Schulabschlusses bis kurz nach der Geburt des ersten Kindes in einer intakten Familie eintaucht, ist eine mitreißende Charakterstudie. Der Autor zeigt sehr großes psychologisches Einfühlungsvermögen und stellt in überzeugender Weise die Identitätsfindung einer jungen Frau dar. Es zeugt von detailreichem Wissen, was in den Köpfen junger Frauen vor sich geht. Faszinierend sind immer wieder die Schlussfolgerungen, die die Protagonistin aus ihren eigenen Gedanken zieht und die Realitätsnähe zum heutigen Tagesgeschehen. Mit einfachen Worten gelingt es dem Autor, dem Leser die Welt nach dem Schulabschluss vorzustellen, er bringt ihn in die Welt der Cafés, die der Studenten, die der Verlage, selbst ein kleines Stück Pariser Lebensgefühl.

Wünschenswert wäre allerdings, der Leser hätte feste Punkte zum Ausruhen während der Lektüre. Ohne Kapitel und ohne besondere Absatzmarkierungen, z.B. eine Leerzeile zwischen den Absätzen, geht der packende Roman von der ersten bis zur letzen Seite in einem Atemzug durch. Obwohl er sich durchaus in unterschiedliche Kapitel gliedern ließe und eine Absatzmarke angebracht wäre, wenn zwischen zwei aufeinanderfolgenden Absätzen beispielsweise einige Monate ins Land gegangen sind.

Buchtitel und Titelbild mögen verwirren, glaubt man doch, einen Historienroman in Händen zu halten. Bis klar wird, warum dieser Titel gewählt wurde. Schade nur, dass er, abgesehen von der einmaligen Erklärung im Rahmen der Handlung, keine weitere Erwähnung erfährt.

Jedoch trotz aller Kritik ein höchst spannendes und interessantes Buch, welches nicht nur für junge Frauen lesenswert ist.

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Lothar Eichler
Lady Bonaparte
Roman, 274 Seiten, Softcoverausgabe
Centrum Verlag, Bad Schwartau
ISBN: 978-3-86672-983-4
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2009

Corina Bomann: Der Pfad der roten Träume

Corina Bomann: Der Pfad der roten Träume

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Seit ihr Vater verstorben ist, lebt Lucy als Dienstmädchen bei Reverend McCallahan. Glücklich ist sie hier nicht. Abwechslung bringen die Besuche des Reverends bei Mrs Burnett im Waisenhaus. Lucy darf mit und nutzt die Gelegenheit ihre Freundin Anne zu sehen, die hier lebt. Die beiden träumen davon, England zu verlassen und nach Australien zu gehen.

Als der Reverend stirbt, muss Lucy das Haus verlassen. Sie geht jedoch nicht, ohne die Geldvorräte an sich zu nehmen. Schließlich hat sie nie eine Bezahlung für ihre Arbeit erhalten.
Sie schleicht sich in der Nacht zum Waisenhaus, um Anne zu holen. Ihr Ziel ist klar. Die beiden schaffen es, sich Fahrkarten für die „Great Britain“ zu kaufen. Sechs Wochen dauert die Schiffsreise von Bristol nach Perth im Westen Australiens. Die Mädchen erfahren von einer Mission am Stadtrand, die Schwester Margaret leitet. Die beiden dürfen bleiben, um zu arbeiten. Lucy und Anne scheinen es geschafft zu haben. Doch Ruhe haben die beiden hier nicht. Lucy legt sich mit Harrisons Leuten an. Die wollen die Aborigines vertreiben, was Lucy nicht dulden kann. Harrison macht die Aborigines sogar für die vielen Fälle von Typhus verantwortlich. Auch Anne erkrankt daran und stirbt. Lucy verlässt die Mission, um weiter im Landesinneren auf einer Farm unterzukommen. Mr Callaway hat Lucy eingeladen, weil sie ihm einst nach einer Schießerei mit den Handlanger Harrisons, geholfen hat. Er hat einen Sohn, den Lucy ausgesprochen gerne mag.

Lucy ist ein mutiges, bewundernswertes, junges Mädchen. Sie kämpft für ihre Ziele ohne allzu viel Rücksicht auf sich selbst zu nehmen. So setzt sie sich für die Aborigines ein und riskiert dabei ein ums andere Mal ihr Leben.
Es ist ein Auswanderer-Schicksal von vielen, aber bezeichnend dafür. Im Blickpunkt steht auch der grausame Umgang mit den Aborigines. Die Autorin präsentiert hierzu in einem Nachwort geschichtliche Details und Hintergrundwissen zur Geschichte, die im Jahre 1875 beginnt.
Der Text liest sich flüssig. Manchmal zu sehr. Man hat doch hin und wieder den Eindruck, das Geschehen im Zeitraffer-Tempo zu erleben. Lucys Gefühle und die Beweggründe für ihr Handeln werden zu wenig deutlich gemacht. Man hätte gerne 100 Seiten mehr gelesen.
Die Geschichte ist lesenswert, auch weil sie so stimmungsvoll ist. Man wird wirklich gut unterhalten und lernt auch etwas dabei. Es ist ein historischer Roman, den man auch Erwachsenen empfehlen kann.

Rezension von Heike Rau

Corina Bomann
Der Pfad der roten Träume
320 Seiten, gebunden
ab 14 Jahren
Verlag Carl Ueberreuter
ISBN-10: 3800054981
ISBN-13: 978-3800054985

Gerhard Staguhn: Das Neueste vom Universum – Warum das Weltall immer rätselhafter wird

Gerhard Staguhn: Das Neueste vom Universum – Warum das Weltall immer rätselhafter wird

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Das Universum gibt uns unendlich viele Rätsel auf. Es ist ein breites Betätigungsfeld für Wissenschaftler. Unermüdlich wird geforscht. Das führt zu neuen Erkenntnissen. Diese sind nicht immer gesichert. Manches ist Theorie. Der Autor stellt in seinem Buch dar, was wir gegenwärtig über das Universum wissen oder vermuten. Wobei hier besonders die Erkenntnisse aus den letzten zehn Jahren zugrunde gelegt sind.

Zur Einstimmung auf das Thema gibt es erst einmal einige Fotos. Zum Beispiel vom Hubble-Weltraumteleskop. Dieses wird auch gleich im Anschluss beschrieben, wobei natürlich auch andere, auf der Erde installierte „Himmelsspäher“ in Augenschein genommen werden. Es wird erklärt, was diese uns an Informationen liefern und welche Schlüsse man aus den ausgewerteten Daten gezogen hat. Natürlich wird auch ein Blick in die Zukunft gewagt. Die Teleskope werden immer weiter entwickelt und man erhofft sich daraus neue aufschlussreiche Erkenntnisse.

„Das Neueste vom Universum“ ist der Titel des Buches. So liest man, was man jetzt über ferne Galaxien, über den Prozess der Sternentstehung und das Sterben der Sterne weiß. Man liest von braunen Zwergen, von extrasolaren Planeten, von Kometen und Asteroiden, von unserer Sonne, dem Mars und den Gasriesen Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Auch das Neueste von Pluto und vom Mond kann man in Erfahrung bringen. Zum guten Schluss wird der augenblickliche Stand der Kosmologie noch einmal zusammengefasst.

Wir haben es hier mit einem Thema zu tun, das ausgesprochen spannend ist. Aber es ist, und das liegt in der Natur der Sache, auch sehr verwirrend und kompliziert ist. Dazu kommt, das sehr viele Fragen noch offen sind.
Dem Autor ist es aber gelungen, sich dem Thema in sehr gut verständlicher Sprache zu widmen. Das Buch ist für ab 12-jährige geschrieben und auch für diese Zielgruppe ist es gut zu verstehen. Man kann sich also auch als Laie an diesen sonst so schwer zu verstehenden Stoff heranwagen, ob es nun um die Urknall-Theorie geht oder Entstehung von Galaxien. Was man schon lange weiß, wird verbunden mit neuen Erkenntnissen.
Der Autor bedient sich einer sehr bildhaften Sprache, arbeitet oft auch mit Vergleichen, um sich verständlich zu machen. So kann man sich eine bestimmte Vorstellung zu unserem Universum machen.
Es ist, als erlebe man beim Lesen ein Abenteuer.

Rezension von Heike Rau

Gerhard Staguhn
Das Neueste vom Universum – Warum das Weltall immer rätselhafter wird
189 Seiten, gebunden
ab 12 Jahren
Carl Hanser Verlag
ISBN-10: 3446234233
ISBN-13: 978-3446234239

Jeff Strand: Grabräuber gesucht – Keine besonderen Kenntnisse erforderlich

Jeff Strand: Grabräuber gesucht – Keine besonderen Kenntnisse erforderlich

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Andrew Mayhem braucht dringend Geld. Also macht er den Job. Er gibt die Kinder bei seinem Kumpel Roger ab und legt sich mit der Kamera auf die Lauer. Von einem Baumhaus aus hat er den besten Blick ins Schlafzimmer und kann das Stelldichein filmen, das beweisen soll, das Mr. Ballard fremdgeht. Alles läuft bestens, bis er von drei Typen aus der Nachbarschaft erwischt wird. Die zerstören seine Kamera und Prügel muss Andrew auch noch einstecken. Für den Job wird er kein Geld bekommen.
Als Andrew und Roger in einem Café die Zeit totschlagen, werden die beiden von einer Fremden angesprochen. Sie sucht, natürlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit, Grabräuber. Ihr verstorbener Mann hat einen Schlüssel mit ins Grab genommen, den sie aber dringend braucht. Eigentlich müsste man so etwas ablehnen, aber das Geld lockt.
Bei Nacht und Nebel machen Andrew und Roger sich auf den Weg. Der zwar unangenehme, aber doch recht leichte Job, erweist sich unerwartet als Albtraum. Der Tote im Sarg ist nämlich gar nicht tot, später dann aber doch. Es wird eine Kettenreaktion ausgelöst, die sich die Grabräuber nie hätten träumen lassen. Die beiden geraten ins Fadenkreuz eines Serienkillers, der ein übles Spiel auf Leben und Tod mit ihnen treibt.

Der Titel macht unglaublich neugierig, also greift man zu diesem Buch. Der Anfang ist auch gleich wirklich gut. Andrew Mayhem ist ein Draufgänger, der immer einen dämlichen Spruch drauf hat und trotzdem muss man ihn einfach lieben. Der Anfang des Buches ist also dementsprechend humorvoll gehalten. Doch das schlägt bald um, als Andrew den Serienkiller auf dem Hals hat und auch seine Familie, allen voran die Kinder, massiv bedroht werden. Musste man anfangs noch über die Szenerie schmunzeln, vergeht einem dies immer mehr. Man muss sich auf blutige Gemetzel und grausige Folterszenen gefasst machen. Grenzen werden überschritten. Das ist eine sehr schaurige Art der Unterhaltung, eine Mischung aus abgedrehtem Horror und spannungsgeladenem Thriller, die für Gänsehaut sorgt. Da entwickelt sich die Hauptperson natürlich mit. Aus dem Angeber mit fraglichen Gelegenheitsjobs entwickelt sich ein knallharter Actionheld.

Rezension von Heike Rau

Jeff Strand
Grabräuber gesucht – Keine besonderen Kenntnisse erforderlich
254 Seiten, gebunden
Otherworld Verlag
ISBN-10: 3800095084
ISBN-13: 978-3800095087

Terézia Mora: Der einzige Mann auf dem Kontinent

Terézia Mora: Der einzige Mann auf dem Kontinent

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Schöne, traurige und arglistige neue Welt!

Darius Kopp ist ein Technikfreak.

Er ist Informatiker und vertritt als einziger auf dem Kontinent eine amerikanische Firma für kabellose Netzwerke. Er ist Deutscher und Ossi, eine Kombination, die ihn nicht gerade zu einem Liebling unter den ausländischen Kollegen macht. Als ihm ein englischer Chef vor die Nase gesetzt wird, ist er ganz schön ärgerlich. Er wird dazu verdammt, ausstehende Gelder von Kunden einzutreiben, eine Arbeit, für die er sich bisher nicht zuständig fühlte. Ein Armenier bringt ihm einen Koffer voll Geld, weniger, als er der Firma schuldet, aber immerhin… Nun weiß Kopp nicht, wie und wo er das Geld unterbringen soll. Niemand von seiner Firma ist zu erreichen, weder per Telefon noch per E-Mail.

Irgendwie bekommt Darius Kopp so recht nicht mit, dass wir uns alle mitten in einer globalen Krise befinden. Seine Frau ist eine zarte Seele, die ihren Träumen von einem besseren Leben nachhängt. Er seinerseits isst, und isst, und isst und wird immer dicker,–Ausdruck seines unbewussten Frusts?

Ein Wochenende verbringt er mit seiner Frau Flora im Wochenendhaus einer Freundin. Sie liebt den Wald und das Wasser, die Stille und die Geräusche der Natur. Er ist eher hilflos ohne Telefon, Fernsehen und seinen Laptop. Er verkörpert ganz die neue Zeit und kann mit der Stille der Nacht und der Natur nichts anfangen. Spannungen zwischen ihm und Flora treten unmerklich in den Fokus.

Eine Woche im Leben des Darius Kopp zeigen ihn als an sich selber irre werdenden, die Realität verleugnenden, seine Frau liebenden und zwischen seinem beruflichen Chaos und der wahren Geschäftswelt hin und her irrenden Zeitgenossen, der sich an das klammert, was ist. Die Wirklichkeit ist ihm zuwider, und so träumt er sich weiter in die Rolle des erfolgreichen und  geliebten Mannes,–dabei ist seine Frau Flora drauf und dran, ihn zu verlassen.

Der Roman verkörpert Zeitgeschichte, wie sie besser nicht dargestellt werden kann. Gibt es doch diese Abhängigkeiten und Unwägbarkeiten in der Welt der Manager und Erfolgreichen, die zu Opfern ihrer eigenen Vorstellungswelt werden und nicht fassen können, dass alles ganz anders ist.

Nicht jeder wird sich in den Lebenskonflikt des Protagonisten einfühlen können, doch fängt Terézia Mora  die Welt ein, wie sie sich für viele Vierzigjährige heute darstellt.

Ein aufwühlender und bemerkenswerter Roman ist der erfolgreichen Autorin Terézia Mora mit ihrem neuen Roman gelungen.

Terézia Mora 
Der einzige Mann auf dem Kontinent
Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
Verlag: Luchterhand Literaturverlag
ISBN-10: 3630872719
ISBN-13: 978-3630872711

Alai: Ferne Quellen

Alai: Ferne Quellen

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Der kleine Junge geht gern zu Gongba dem Pferdehirten. Genau wie er möchte er gerne allein in den Bergen leben. Doch Gongba ist dazu gezwungen. Sein Gesicht ist entstellt. Gongba träumt davon, zu den heißen Quellen zu reisen. Sie versprechen Heilung. Der Junge hört die Geschichten über die Quellen, die im Grasland jenseits der Berge liegen und sein Fernweh bekommt ein Ziel. Dort bei den heißen Quellen könnte er seine Schüchternheit ablegen. Die Zeiten haben sich jedoch geändert. Wer weiß, ob der Junge es unter diesen Umständen jemals zu den Quellen schafft.
Der Junge besucht die Grundschule und träumt davon, das rote Halstuch der Pioniere tragen zu dürfen. Darum zu bitten, wagt er jedoch nicht. Ein Versuch vor den Augen des Leiters der Arbeitsgruppe scheitert kläglich.
Als der Pferdehirte stirbt, werden die Pferde abtransportiert. Sie sollen fortan den sozialistischen Aufbau unterstützen und Äcker pflügen. Der Junge versteht, auch er muss fort, genau wie die Pferde.
Zehn Jahre später arbeitet er als Fotograf und füllt die Propagandaschaukästen mit Bildmaterial über den Wandel der Zeit und den damit verbundenen gesellschaftlichen Fortschritt. Es ist eine Arbeit mit künstlerischem Anspruch.
Von den Quellen träumt er immer noch. Sie sind nun nicht mehr unerreichbar. Doch ob Traum und Wirklichkeit zusammenpassen, muss sich erst noch zeigen.

Die fernen Quellen stehen als Sinnbild für den Traum von einem freien Leben. Denn dieses wurde den Menschen genommen. Traditionen können nicht mehr gelebt werden. Das Dorf ist nun eine Volkskommune.
Erzählt wird ein Stück einer Lebensgeschichte, das sehr traurig anklingt. Der Junge scheint seine Einsamkeit nicht loswerden zu können, auch als Erwachsener nicht. Das zeigt, dass man die Vergangenheit nicht einfach abstreifen kann. Von dem Kind, das man einst war, geht nichts verloren, auch wenn man sich weiterentwickelt. Allerdings ist diese Entwicklung nun mehr nur noch in streng gezogenen Grenzen möglich. Einen dementsprechenden schwermütigen Eindruck macht die Atmosphäre, die im Buch herrscht.
Das Buch gibt viel Stoff zum Nachdenken her. Viele Fragen bleiben offen. Man hat das Gefühl, ein sehr persönlich wirkendes Buch in den Händen zu halten. Einmal, im Verlauf der Geschichte, wird die Hauptperson dann auch mit Alai angesprochen.
Dennoch wirken die Charaktere etwas oberflächlich dargestellt. Die Geschichte plätschert so dahin, ohne Höhen und Tiefen. Nichts ist so recht greifbar.
Der Autor sorgt dafür, dass man sich keine Illusionen macht. So manche Suche nach dem Glück dauert eben ewig.

Rezension von Heike Rau

Alai
Ferne Quellen
Aus dem Chinesischen von Marc Hermann
153 Seiten, gebunden
Unionsverlag
ISBN-10: 3293004059
ISBN-13: 978-3293004054

Roland Mörchen: Wir gehen ins Museum – A visit to the Museum

Roland Mörchen: Wir gehen ins Museum – A visit to the Museum

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Lisa, Benni und Jens aus der 5. Klasse unterhalten sich auf dem Nachhauseweg von ihrer Schule über die Hausaufgabe. Die drei sollen zusammen ein Referat über Museen halten. Jens ist gar nicht begeistert. Lisa dagegen findet das Thema gut. Sie weiß, dass es viel Arten von Museen gibt. Benni schlägt vor, das Naturhistorische Museum zu besuchen.

Am Nachmittag treffen sich die Kinder dann vor dem Museum. Lisa besorgt noch schnell einen Museumsführer, dann geht es auch schon los mit dem Rundgang. Es gibt viel zum Staunen. Benni ist fasziniert von dem Skelett eines Dinosauriers. Er meint, der Dino würde ihn direkt ansehen. Das finden Lisa und Jens lustig. Sie machen Benni noch zusätzlich Angst. Der Junge will nur noch weg. Da reißt er ein Hinweisschild um und weckt damit die Aufmerksamkeit einer Aufsichtsperson. Die Kinder versprechen, sich fortan ruhig zu verhalten.

Das „Kein Durchgang“-Schild steht nun wieder auf seinem Platz. Dahinter ist ein Vorhang, der das Interesse von Jens weckt. Hier wird eine neue Ausstellung vorbereitet. Jens wird entdeckt und erzählt von ihrer Hausaufgage. Von einer Restauratorin erhalten die drei Kinder nun Informationen aus erster Hand. Damit sollte das Referat wirklich gut werden.

Die kleine Geschichte, die viele Sachinformationen über Museen enthält, findet man im Buch in deutscher und englischer Sprache, immer auf einer Doppelseite gegenübergestellt und in gut überschaubare Absätze unterteilt. Die Geschichte ist für Kinder interessant gemacht. Es wird gezeigt, wie spannend ein Besuch im Museum sein kann.

Zum Lernen einer Fremdsprache, hier Englisch, ist das Buch ideal. Kinder lernen themenbezogen neue Wörter und Ausdrucksweisen hinzu. Das Textverständnis wird durch die Übersetzung und die vielen Illustrationen sehr erleichtert. Das Buch kann im Familienumfeld und in der Schule genutzt werden. Kinder sehen, wie eine Fremdsprache in der Realität angewandt wird. Denn auch Umgangssprache kommt in den Texten zum Ausdruck.

Zusätzlich dazu gibt es am Ende des Buches weitere Informationen über Museen, eine Bildtafel und eine Wörterliste. So kann man das Buch zum Beispiel gut für eine Lesestunde in der Schule nutzen oder auch für einen Projekttag, verbunden mit einem Museumsbesuch.

Rezension von Heike Rau

Roland Mörchen
Wir gehen ins Museum – A visit to the Museum
Deutsch / Englisch
Illustrationen von Katja Kiefer
40 Seiten, gebunden
Georg Olms Verlag
ISBN-10: 3487088320
ISBN-13: 978-3487088327

Ceridwen Dovey: Der Koch, der Maler und der Barbier

Ceridwen Dovey: Der Koch, der Maler und der Barbier


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Über Rebellionen, das Leben mit dem Putsch und die Lebensumstände in Ländern mit Diktaturen.

In ihrem Debütroman erzählt Ceridwen Dovey  wie es in Diktaturen zugehen kann, und welche irrwitzigen Auswirkungen ständige politische Richtungswechsel mit sich bringen.

Hier findet in einem unbekannten südamerikanischen Staat wie so häufig wieder einmal ein Putsch statt. Der Koch, der Maler und der Barbier des Präsidenten werden auf seine Sommerresidenz verbracht, wo sie nunmehr den neuen Kommandanten bedienen sollen.

Einer nach dem anderen kommen im Wechsel zu Wort, und jeder erzählt die Geschichte aus einem anderen Blickwinkel.

Jeder hatte ein anderes Motiv, das zum Dienst am Präsidenten geführt hat. Der eine will seinen Bruder rächen, der andere hat eine geliebte Frau, die ihm verloren scheint,–und was will die Tochter des Kochs mit der neuen Regierung?

Fast jeder gerät in den  Verdacht der Korruption oder zeigt sich mit wechselnder Dienerschaft als Verräter.

Angedeutet, hingetupft und einmal näher dann wieder fern im Blick des Fokus entsteht das Bild einer verlorenen Gesellschaft, in der keiner dem anderen traut. Brüder werden zu Verrätern, Mütter bevorzugen einen Sohn vor dem anderen, und Frauen können keine rechte Treue halten. Unheimlich, verzweifelt und geheimnisumwittert vollziehen sich Wandlungen, die nach und nach alle mit in den Abgrund zu reißen drohen.

Sehen die Folgen, die Verrohungen und die Lebensbedingungen unter Diktaturen so aus?

Auf dem südamerikanischen Kontinent haben fast alle Staaten mit den heftigsten politischen Rebellionen und wechselnden Tyranneien zu kämpfen. Einen kleinen Eindruck davon vermittelt diese Studie, die eindringlich von unheimlichen Praktiken, Angst und Frucht durchsetzt ist. Die Berufung des Barbiers, des Malers und des Kochs bieten allen dreien Möglichkeiten zum Mord oder zur Gefolgschaft. Wie werden sie entscheiden?

Geschickt und aufmerksam leitet die Autorin das Interesse in verschiedene Richtungen, so dass der Leser verunsichert nach dem Platz sucht, wo er seine Parteilichkeit hinlenken könnte.

Er findet diesen Platz nicht. Symbolisch spiegelt er damit wieder, was die Menschen in der Region umtreibt.

Der Debütroman der jungen Ceridwen Dovey ist gelungen, und zahlreiche Preise winkten ihr. Sie erhielt schließlich  den Sunday Times Fiction Prize 2008.

Ceridwen Dovey
Der Koch, der Maler und der Barbier
Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
Verlag: Luchterhand Literaturverlag
ISBN-10: 363087309X
ISBN-13: 978-3630873091

Chuck Williams: Schnelle Kuchen & Cookies

Chuck Williams: Schnelle Kuchen & Cookies

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Kuchen zu backen, ist meist eine aufwändige Sache. Das muss aber nicht sein. Im vorliegenden Buch findet man Rezepte, die man ohne großen Aufwand nachvollziehen kann.

Das Buch hat drei Kapitel. Im ersten findet man Gebäck, das in 30 Minuten fertig ist. Dazu gehören die „Butter-Nuss-Kekse“ und die „Himbeer-Zitronen-Muffins.
Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit Gebäck, das in 15 Minuten vorbereitet werden kann. Hier kommt dann also noch die Backzeit hinzu, die man ja aber anderweitig nutzen kann. An Rezepten findet man hier „Heidelbeerauflauf“, „Herzhaftes Maisbrot“ oder „Spinat-Feta-Strudel“, den man auch mal gut zum Mittag- oder Abendessen machen kann.
Das dritte Kapitel heißt „Auf Vorrat“. Hier geht es darum, ganze Kuchen oder den Teig vorzubereiten und im Kühl- oder Gefrierschrank aufzubewahren, bis man diesen braucht. So kann man beispielsweise den Teig für die „Erdbeer-Käsesahne-Torte“, wenn man Zeit hat, vorbereiten. Diesen Teig kann man aber auch für eine „Zitronentarte“ oder die „Schoko-Himbeer-Törtchen“ verwenden.

Geübte Hobbybäcker schaffen es sicher, die Zeitrahmen einzuhalten. Anfänger sollten allerdings schon etwas mehr Zeit einplanen.
Wenn man die im Anhang beschriebenen Grundzutaten vorrätig hat, lässt sich eigentlich immer ein leckerer Kuchen backen. Wenn man schon Teig im Kühl- oder Gefrierschrank hat sowieso.
Das Buch ist gut strukturiert. Immer eine Doppelseite gehört zu einem Rezept. An den Seiten findet man die Backanleitung und gegenüber zusätzliche Tipps zum Rezept wie etwa Vorschläge zu Variationen. Dass das Bild in der Mitte liegt, gefällt weniger, weil es von der Buchmitte zerteilt wird. Das zerstört oftmals die Wirkung der sonst sehr gelungenen Fotos.
Sehr hilfreich, gerade für Anfänger oder Ungeübte, ist der Serviceteil hinten im Buch. Hier findet man Allgemeines zum Backen, welche Arbeitsgeräte man braucht und was man auf Vorrat kaufen sollte. Auch einige Arbeitstechniken werden hier noch einmal erklärt.

Fazit: Ein tolles Backbuch für alle, die wenig Zeit haben, aber trotzdem nicht auf selbstgebackenen Kuchen und Kekse verzichten wollen.

Rezension von Heike Rau

Chuck Williams (Hrsg.): Schnelle Kuchen & Cookies
Reihe: After Work Cooking
111 Seiten, gebunden
Egmont Vgs Verlag
ISBN-10: 3802536797
ISBN-13: 978-3802536793

J.M.G. Le Clézio: Lied vom Hunger

J.M.G. Le Clézio: Lied vom Hunger

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Kriegsschicksale in Frankreich: eine Familienstudie.

Vor dem zweiten Weltkrieg versammelten sich in Paris zahlreiche russische Adeligen, die nach der Revolution von 1917 ihre russische Heimat verlassen mussten. Mitte der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts wohnt auch Ethel mit ihren Eltern, die aus Mauritius stammen, in der Stadt.

Ethel freundet sich mit Xenia an, einer russischen Fürstentochter, die schon etwas älter, leicht raffiniert und ein wenig berechnend ist. Doch Ethel bewundert sie, weil sie zu Hause unter den Spannungen zwischen ihrem leichfertigen Vater und der streitenden Mutter leidet. Sie hätte so gerne ein Geschwisterkind und sucht in Xenia einen Ersatz dafür.

Ein in jungen Jahren von einem Onkel ererbtes  größeres Vermögen bringt Ethels Vater Alexandre als Vormund an sich. Er bringt alles Geld dann auch ganz schnell durch, so dass die Familie sehr bald dank der unseriösen Geschäftspraktiken des Vaters mittellos dasteht.

Früh schon taucht Laurent Feld im Kreise geselliger Abende bei Ethels Eltern auf. Ethel mag ihn, vertraut ihm und wünschte sich aufs sehnlichste einen Bruder wie ihn! Wie sich das Schicksal der beiden erfüllen wird, das erfahren wir später!

Durchsichtig und leicht spinnt Clézio seine Geschichte aus, in der es um Flüchtlinge in Paris, um Reichtum, Armut, um Rivalität, große Geselligkeiten und amouröse Abenteuer geht.

Die Atmosphäre der Vorkriegs – und Kriegszeit bestimmt die Gefühlslage in den Familien. Dass Alexandre ein schwadronierender Angeber ist, der seine Frau betrügt und die Familie in den Ruin führt, zeigt die eine Seite des damaligen Lebens. Die andere zeigt eine entschlossene junge Frau, die das Schicksal der Familie in die Hand nimmt und den traurigen Niedergang zu Ende führen muss. Die Familie hungert im Süden Frankreichs dem Kriegsende entgegen.

Ethel ist die Heldin dieses Stücks Zeitgeschichte, in der durch den Krieg und familiäre Umstände ihr Glück und ihre Zukunft nur noch durch eigene Kraft zu bewältigen sein wird. Ethel beeindruckt durch ihre sensible und scharfe Beobachtungsgabe, mit der sie ihr persönliches Unglück realisiert. Fein gezeichnet erlebt man eine dekadente Gesellschaft, die in den letzten Zügen liegt. Dass Esther ihr Leben und das ihrer Familie zu meistern versteht, bildet den Plot der Geschichte. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes ihre „eigene Schmiedin des Glücks!“

Die Naziherrschaft und die Judenverfolgung in Frankreich sind Themen, denen sich Clézio schon in anderen Werken( Fliehender Stern) angenommen hat.

Nachvollziehbar, lebhaft und glaubwürdig zeigt Clézio  als Meister der Poesie erneut, dass er den Nobelpreis 2008 verdient hat!

J.M.G. Le Clézio
Das Lied vom Hunger
Gebundene Ausgabe: 217 Seiten
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN-10: 3462041363
ISBN-13: 978-3462041361