Gerard Donovan: Winter in Maine

Gerard Donovan: Winter in Maine

Zuweilen sind es erste Sätze, die einen Leser in Bann schlagen und sofort Neugierde wecken, weiter zu lesen.
Diese Erfahrung verbindet sich für mich mit dem „ Winter in Maine.“

Ruhe, Geruch nach Wald und Holz, Stille und das Knacken der Äste, dazu das prasselnde Feuer im Ofen: hier fühlt man sich wohl, hier möchte man sein! In der Hütte an den Wänden stehen  Bücherregale mit zahlreichen Büchern, erste und seltene Ausgaben sind darunter.

Julius Winsome, ein Mann von 51 Jahren, sitzt in seiner Hütte  hoch oben im Wald nahe der kanadischen Grenze am Feuer und liest. Dann peitscht ein Schuss nicht weit entfernt. Wer könnte da geschossen haben?
Nach kurzer Zeit vermisst der Mann seinen Hund  Hobbes. Es dauert nicht so lange, da findet er ihn angeschossen nicht weit von der Hütte entfernt. Der Tod des Hundes verändert sein Leben und trifft ihn tief.

Er ist ein einsamer Mann, der in Verehrung für und mit seinem Vater lange Jahre zusammen hier in der einsamen Hütte im Wald  gelebt hat. Mit Sätzen wie diesen: „ er war ein freundlicher Mensch, „ und „ solche Menschen gibt es nicht oft “ bis zu dieser besonders charakteristischen Bemerkung „von ihm lernte ich auch, wie man still ist,“ kann man sich ein Bild von Vater und Sohn machen.

Was so still und freundlich beginnt, wandelt sich allmählich in eine zuerst beschauliche und zuletzt gefährliche Lebensgeschichte. Der große Shakespeare begleitet mit seinen Worten und Werken das Leben von Julius Winsome, den nach dem Verlust seines Hundes eine stete Unruhe treibt, der Boshaftigkeit des Menschen auf die Spur zu kommen.

Philosophisch und weise sucht er nach der Fährte des Hundemörders. Er begegnet seiner erneut seiner einzigen Gefährtin, die ihn vorübergehend vor einigen Jahren aus seiner Einsamkeit beglückend erlöst hatte. Schon bald aber kam sie nicht mehr und überließ ihn wieder seinem Leben in der Abgeschiedenheit.

Löst die Ruhe und Stille und der verschneite Wald eher poetische und besinnliche Gedanken aus, so treibt eine unausgesprochene Spannung den Leser in Gedanken zu dem trauernden Mann, der auf Rache am Tod seines Hundes sinnt.
Das Böse und das Gute stehen sich gegenüber. Die anhängliche, arglose Kreatur und der nachdenklich- mitleidige Held bilden eine Einheit, die in Spannung zur Gnadenlosigkeit und Unmenschlichkeit in Gestalt eines plumpen und bedenkenlosen Polizisten steht.
Man ist berührt und steht dem Widerspruch zwischen sensibler Beobachtung und grausamer Handlung ratlos gegenüber.

Das Ende der Geschichte entspricht der Intention des Romans, in dem es um Einsamkeit, Sehnsucht nach Gemeinschaft und Liebe, Verlust, Güte, Verzeihen und die dem Menschen innewohnende Aggression geht. Eine ungewöhnliche  und widersprüchliche Geschichte bringt den Leser ganz nahe an die existenziellen Gefühle des Menschen und stimmt nachdenklich, anregend, traurig und wütend.

Gerard Donovan ist ein Meister der überzeugenden Erzählkunst, der sich in die Herzen der Leser hineinschreibt, weil man sich seiner menschlichen Wärme und Anteilnahme nicht entziehen kann.

Gerard Donovan
Winter in Maine
Gebunden 208 S.
Luchterhand
ISBN-10: 3630872727
ISBN-13: 978-3630872728
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Gerd Käfer: Carpaccio – 77 hauchdünne Köstlichkeiten

Gerd Käfer: Carpaccio – 77 hauchdünne Köstlichkeiten

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Ganz fein in Scheiben geschnittenes rohes Rinderfilet mit einer cremeweißen Soße angerichtet, so sah das von Giuseppe Cipriani im Jahre 1950 kreierte Carpaccio aus, das seinem Namen einem venezianischen Renaissance-Maler zu verdanken hat, der gerade in Venedig eine Ausstellung hatte und den Koch dazu inspirierte.

Im Buch findet man Variationen dieser Speise. Insgesamt „77 hauchdünne Köstlichkeiten“ werden zum Nachkochen vorgestellt. Es sind Vorspeisen, Hauptgerichte und fruchtige Desserts. Zunächst erfährt man aber, wie man diese hauchdünnen Scheiben hinbekommt. Die dazu nötigen Küchenutensilien werden vorgestellt. Gezeigt wird dann, mit welchen Zutaten das Carpaccio begleitet werden kann. Dazu gibt grundlegende Tipps zum Anrichten und zu den Beilagen.

Der Klassiker besteht aus hauchdünnen Rindfleischscheibchen. Dieses Rezept kann vielfältig abgewandelt werden, zum Beispiel zu „Kalbszungen-Carpaccio mit marinierten Karotten und Zwiebeln“. Auch Fisch und Meeresfrüchte bieten sich zum Verarbeiten an. Hier kann das „Orangenlachs-Carpaccio mit Olivensauce und Zitronenmelisse“ genannt werden. Vegetarische Gerichte findet man in der Rubrik „Gemüse“. Das „Gurken-Carpaccio mit Dillrahm und frittierter Zucchiniblüte“ gehört dazu. Das letzte Kapitel „Früchte & Käse“ hat ebenfalls überraschende Kreationen zu bieten, darunter ein „Mango-Mozarella-Carpaccio im Radicchioblatt mit Balsamico-Creme.

Die kleinen Speisen sind etwas ganz Besonderes und sicher festlichen Anlässen vorbehalten. Dabei verblüfft so manches einfache Gericht durch die perfekte Präsentation. Nur sorgsam ausgewählte Zutaten kommen in die Auswahl. Qualität ist oberstes Gebot.

Die Rezepte sind recht einfach nachzuvollziehen, besonders dann, wenn man die entsprechenden Küchenutensilien besitzt und die Technik beherrscht. Das Schwierige ist eher das perfekte Anrichten. Aber auch hierzu gibt es Tipps. Wenn man sich nicht auf die eigene Kreativität verlassen will, kann man sich an den sehr gelungenen Fotos orientieren. Die Bilder sind perfekt und sehr dekorativ. Man möchte das Buch am liebsten aufgeschlagen in er Küche liegen lassen.

Fazit: Wer besondere Gaumenfreuden liebt, wer gerne kocht, Gäste verwöhnt und auch Wert auf das perfekte Anrichten legt, wird viel Freude an dem Buch haben.

Rezension von Heike Rau

Gerd Käfer
Carpaccio – 77 hauchdünne Köstlichkeiten
160 Seiten, gebunden
Franckh-Kosmos Verlag
ISBN-10: 3440117456
ISBN-13: 978-3440117453

Leon de Winter: Das Recht auf Rückkehr

Leon de Winter: Das Recht auf Rückkehr

Thriller um Religionskrieg zwischen Judentum und Islamisten.

Wieder einmal geht es Leon de Winter um eine Geschichte, die Israel und seine politische Lage in einen Thriller von ungeheurer Spannung mit einbezieht.

Bram Mannheim betreibt im Jahre 2024 eine Agentur zum Aufspüren verschwundener Kinder. Vor Jahren war er Hochschulprofessor in Princeton und mit einer sehr geliebten Frau und einem ebenso geliebten Sohn gesegnet.

Das unerklärliche und katastrophale Verschwinden seines kleinen Sohnes kurz nach dem Erwerb eines schönen alten Hauses in der Nähe von Princeton hat sein Leben aus der Bahn geworfen. Zwanzig Jahre ist das jetzt schon her! Er irrte zunächst mit verrückten Zahlenkombinationen durch das Land, immer auf der Suche nach seinem verschwundenen Sohn. Seine Ehe war längst zerbrochen, bis er in Israel bei seinem Vater eine neue Bleibe fand und sich mit einer anders gearteten schwierigen Aufgabe befasste, in der sich sein eigenes Schicksal spiegelt.

Atmosphärisch geschickt baut Leon de Winter seine Geschichte auf.
Als gut situierter Professor mit Frau und Kind und als Sohn eines hoch begabten Nobelpreisträgers der Biochemie gewährleisten die wissenschaftlichen Karrieren beider Männer die Zugehörigkeit zu einer angesehenen Schicht.

Brams Frau Rachel ist begabt und bildschön. Beide leben nach der Geburt von Ben in einer erotisch prickelnden Beziehung.
Unversehens und unheimlich bricht das unerklärliche Verschwinden von Ben den Glückszustand und Bram stürzt ab.
Die Geschichte seines Absturzes und die jahrelange Suche nach Ben bilden den eigentlichen Plot der Geschichte.
Dramatisch und hautnah erlebt man Bram auf seiner Irrfahrt durch sein weiteres Leben, das zeitweise von Irrwitz und Wahn bestimmt zu sein scheint. Die Verzweiflung, der Jammer und die seelische Verkümmerung eines Menschen nach einem unerträglichen Schicksalsschlag geben der Geschichte eine menschliche Seite und eine Spannung, die den Leser ganz in seinen Sog nimmt. Unerträglich erscheint das Leid, und der Mann gerät ganz aus dem Gleichgewicht.

Schließlich hat er sich fast schon in sein Schicksal und die neue Aufgabe ergeben, als sich eine annähernd märchenhafte und irrwitzige Lösung anbahnt.
Weltumspannend sind die Verwicklungen, und der Islam und das Judentum begegnen sich in einem dramatischen Verwirrspiel. Die zahlreichen Abirrungen, die väterliche Berühmtheit und eine neue Liebe versprechen die Auflösung eines Thrillers, der an Spannung nichts zu wünschen übrig lässt.

Leon de Winter
Das Recht auf Rückkehr
Gebundene Ausgabe: 549 Seiten
Verlag: Diogenes
ISBN-10: 325706733X
ISBN-13: 978-3257067330

Joanne Owen: König der Marionetten

Joanne Owen: König der Marionetten

Milena trauert um ihren Vater und auch das ihre Mutter verschwunden ist, kann sie nicht verwinden. Ihr Ziel ist es, das Haus der schönen Träume, das Marionetten-Theater ihres Vaters eines Tages wiederzueröffnen. Milena wohnt bei ihrer Großmutter. Eines Tages kommt ein anderes Marionetten-Theater nach Prag. Milena begegnet dem Meister der Marionetten, einen unheimlich wirkende Mann, der behauptet, sie bald wiederzusehen. Tatsächlich interessiert Milena die Aufführung auf dem Laurenzberg sehr. Ihre Tanten Katerina und Tereza wollen Karten kaufen. Dann können auch Großmutter Baba und Milenas Freund Lukas mit. Doch davon weiß Milena nichts.

Sie nimmt die zwei Karten, die der Meister ihr für die Premiere für die „Legenden der Zukunft“ schickt. Zu diesem Geschenk gehört noch eine Wachspuppe, die aussieht wie Milena selbst. Dass der Meister sie damit manipulieren will, ahnt das Mädchen nicht. Sie kann nicht wissen, dass der unheimliche Mann ein Meister der Manipulation und so etwas wie ein Geisterbeschwörer ist. Am Tag der Premiere verschwindet Milena. Auch sie ist ein Opfer der Marionetten-Meisters geworden, so wie einst ihre Mutter.

Das Buch weckt Aufmerksamkeit durch seine Aufmachung. Die schöne Leinenstruktur des Einbandes und das geheimnisvolle Cover fallen ins Auge. Und auch die Seiten sind mit ganz besonderen Illustrationen und Abbildungen geschmückt. Das vermittelt eine ganz eigenwillige Stimmung, die allerdings nicht ganz Übertragung auf den Text findet. Inhaltlich schon, aber nicht im Schreibstil, zumindest am Anfang.

Die Geschichte ist märchenhaft. Erzählt wird von einem Mädchen mit einer ganz besonderen Vergangenheit, die ihr nun zum Verhängnis werden soll. Milena bekommt es mit einem machthungrigen Mann zu tun, der bereit ist, alles zu tun, um König von Böhmen zu werden.
Alte Legenden werden wieder wach. Sie haben mit Milenas Vergangenheit zu tun. Diese alten Geschichten werden immer wieder zwischen die eigentliche Handlung eingeschoben, die so zu einem großen Ganzen wird.
Die Geschichte begeistert. Wer Märchen und Legenden mag, wird das Buch mit Begeisterung lesen. Das alte Prag dient als Kulisse.
Im Anhang findet man zusätzliche Hintergrundinformationen zu den Legenden und der tschechischen Marionettentradition, Anmerkungen zu den Illustrationen und ein Glossar.

Rezension von Heike Rau

Joanne Owen
König der Marionetten
Aus dem Englischen von Barbara Abedi
224 Seiten, gebunden
ab 12 Jahren
Loewe Verlag
ISBN-12: 3785568258
ISBN-13: 978-3785568255
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Manil Suri: Shiva

Manil Suri: Shiva

Indien, das Land der Geheimnisse, der politischen Unruhen und der auseinander driftenden Interessengruppen bietet den Plot zu vorliegenden Roman von Manil Suri.
Tief in die Sitten und Gebräuche indischen Lebens führt uns der Autor hinter die Kulissen eines Landes, das auch heute noch für uns fremdartig und von ungeheuren sozialen Unterschieden gezeichnet ist.
In den einfachen Hütten und Häusern der Armen gibt es kaum Strom oder fließendes Wasser, während die besser gestellten Bürger mit Klimaanlagen und westlichem Komfort leben können.
Als Meera sich in den Liebhaber ihrer Schwester Roopa verliebt, die längst eine bessere Partie für sich im Auge hat, weiß sie nicht, auf was für ein Leben sie sich einlassen wird.
Der Vater der beiden Mädchen, ein gebildeter Verleger, wurde schon als Kind mit einem Mädchen verheiratet, das weder lesen noch schreiben kann. Er ist ein guter Vater, der nur das Beste für seine Kinder will. Mit Entsetzen nimmt er zur Kenntnis, dass sich Meera mit dem kommenden Schlagersänger Dev eingelassen hat. Ausgestattet mit einer für die armselige Schwiegerfamilie hervorragenden Aussteuer, kann diese sich nur freuen über das neue Familienmitglied. Erst nach der Hochzeit mit dem hübschen und verwöhnten Söhnchen aus armem Hause ahnt Meera, welche Entbehrungen sie in der neuen Familie auf sich nehmen muss.

Mit Dev durchlebt sie schwere Zeiten, denn er ist unzufrieden in einem unter geordneten Beruf und träumt von seiner Sängerkarriere. Meeras Vater schmiedet den Plan, seine Tochter studieren zu lassen. Trickreich und unter schweren Opfern für seine Tochter kommt er seinem Ziel langsam näher.

Meera geht mit Dev nach Bombay, wo der Vater Studium und Wohnung bezahlt und dem Schwiegersohn bei der Verwirklichung seiner Sängerkarriere behilflich ist.
Meera schlägt sich schlecht und recht durch. Sie versucht Dev eine gute Frau zu sein, ist ihm willfährig, doch es zeigt sich, dass er von schwachem und labilem Charakter ist.

Einblicke in die beiden unterschiedlichen Familien zeigen das soziale und das Bildungsgefälle in dem übervölkerten Staat.

In seinem groß angelegten Indienroman lernt man die Zeiten nach der Unabhängigkeitserklärung von 1955 kennen. Unruhen zwischen Moslems und Hindus teilen in Geiste und Mentalität die Familien. Meeras gebildeter Vater ist liberal und offen, Devs Familie, die einen Bahnwärter zum Familienoberhaupt hat, ist eng im Denken und hängt der Organisation der Hindus an, die den Moslems feindlich gesinnt sind.
Die Auswirkungen der Schichtunterschiede sind beträchtlich. Sowohl die Lebensform, die Denkweise als auch das Miteinander der Familienmitglieder ist durch auffallende Unterschiede gekennzeichnet. Meera geht einen mühsamen Weg zwischen Tradition und Moderne.
Der Autor bietet Einblicke in das Innere des Landes und seiner Bevölkerung und in Konflikte, die sich aus Bildungsunterschieden, Armut, Hoffnungslosigkeit, Lethargie und dem Lebensstandard einzelner Bevorzugter ergeben. Meera ist die zentrale Figur, auf die sich die Potenziale aller Möglichkeiten konszentrieren. In ihrer Figur sieht man sich mit den Widersprüchen konfrontiert, die sowohl die politische, traditionelle und mit den Gegenwartslösungen befasste Realität für jeden Beteiligten bedeutet.

Ein unfassendes Bild indischer Wirklichkeit ist entstanden, das verwirrend, glaubwürdig und folgerichtig in der Darstellung und spannend zu lesen ist.

Manil Suri
Shiva
Gebundene Ausgabe: 496 Seiten
Verlag: Luchterhand Literaturverlag (24. August 2009)
ISBN-10: 3630872891
ISBN-13: 978-3630872896
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Gerhard Gemke: Der falsche Orden

Gerhard Gemke: Der falsche Orden

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Durch einen wirklich dummen Zufall werden Carl und Ede Küchenchefs im Knast. Da die beiden Landstreicher nicht kochen können, wird die Fantasie bemüht. So wird aus „Reis mit Ketchup“ dann „Risotto alla tomato“.
Hinter den dicken Gefängnismauern beweisen noch ganz andere Fantasie. Einige der Insassen sind ehemalige Mönche, die Mord zu verantworten haben. Trotzdem führt Klumpp die Geschäfte fort. Sein zweifelhafter Orden sucht stets nach gutgläubigen Mitgliedern, die man abzocken kann. Alles läuft übers Internet. Ein Glück, dass ein Wärter die Spielchen mitträgt.

In Bresel laufen die Weihnachtsvorbereitungen. Doch dann entdeckt Lisa eine Bombendrohung. Sie hat es geschafft, die seltsamen Schriftzeichen, die wiederum mit dem geheimnisvollen Orden zu tun haben, zu entschlüsseln. Natürlich kommt man den Mönchen schnell auf die Spur, auch wenn nichts bewiesen ist. Und klar wird die Bombe hochgehen, wenn die Mönche nicht auf freien Fuß gesetzt werden.
Doch möglicherweise ist noch etwas anderes im Gange. Lisa und ihre Freunde Jo, Jan und Freddie kommen einigen seltsamen Vorgängen in Bresel auf die Spur. Doch was das Ganze soll, können sie sich auf Anhieb nicht zusammenreimen.

Dies Gaunerkomödie ist ausgesprochen unterhaltsam. Der Autor schreibt in einer saloppen Sprache. Das bringt Schwung in die Geschichte. Das Lesen macht Spaß.
Die Handlung ist sehr turbulent. Zum Schluss hin geht es dann so richtig drunter und drüber. Das liegt auch an den handelnden Personen, die der Sache nicht so richtig gewachsen sind. Man hat keine Ahnung, wer da wem in die Hand spielt, wer sich nur blöd verhält und wer es wirklich ist. Die Polizei ist auf dem Holzweg, der Bürgermeister überfordert und so mancher Stadtbewohner beobachtet zwar Entscheidendes, ist aber nicht in der Lage zwei und zwei zusammenzuzählen. Die Gerüchteküche brodelt. Einzig Lisa und ihre Freunde scheinen der richtigen Spur zu folgen.

Das Buch hat also viele spannende Aspekte. Nicht zuletzt ist das auch die geheimnisvolle Stadtgeschichte von Bresel. Interessantes kann man hier auch noch einmal im Anhang lesen. Eine Karte von Bresel (mit Westen oben) gibt es ebenfalls.

Rezension von Heike Rau

Gerhard Gemke
Der falsche Orden
288 Seiten, gebunden
ab 10 Jahren
Verlag Carl Ueberreuter
ISBN-10: 3800054884
ISBN-13: 978-3800054886
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Elisabeth von Arnim: Verzauberter April

Elisabeth von Arnim: Verzauberter April

Vier Damen unterschiedlicher Herkunft aus England machen sich Mitte der zwanziger Jahre auf, um einen ungestörten Urlaub in der Toskana zu verbringen. Ihrer Ehen überdrüssig, voller Sehnsucht, den Alltagstrott einmal hinter sich zu lassen, gestatten sich zwei von ihnen, verwegen auf eigene Faust sich diesen Urlaub zu gönnen.
Zuerst sind es nur zwei, die sich verabreden, ein Castello unweit von Genua mit Blick auf das Meer zu mieten. Als die Miete ihnen zu hoch erscheint, gewinnen sie noch zwei weitere Damen zu ihrem Plan dazu.

Abenteuerlich und wirklich zuweilen etwas irritiert über den eigenen Mut, gehen sie die Reise an. Das adlige Fräulein Caroline und die alte Frau Fisher sind die neu hinzu gewonnenen Partnerinnen dieser ungewöhnlichen Reise.
Was es an Zauber zu bewundern gibt,–sie geben sich gerne und aufgeschlossen dem Anreiz der malerischen und bunten Landschaft mit den fremden Blumen und Früchtedüften hin.

Allerdings zeigt sich alsbald, dass sich Hierarchien wie überall entwickeln, und dass ohne Aufsicht des Personals der tägliche Arbeitsablauf nicht gelingen will. Jede denkt, die andere soll es richten, und so entsteht ein gruppendynamischer Prozess, der es in sich hat.

Fein und detailliert beobachtet die Autorin die Eigenarten der einen wie der anderen. Sie weiß genau zu berichten, was in den Köpfen der einzelnen vor sich geht. Wie da gerangelt und innerlich gestritten wird, und wie eine jede versucht, die andere zu übertrumpfen oder zu unterjochen….
Jede hat ihr Schicksal, sei es mit einem ungeliebten Mann, sei es ohne einen Gemahl, oder bei der hübschesten, jüngsten und adeligen unter den vieren in Erwartung einer Zukunft mit Familie!
Man erlebt einen wirklich zauberhaften April in Italien mit dem blauen Meer, einem herrlichen Ambiente, liebevollem Dienstpersonal und einer schrulligen Mrs. Fisher, die sich zur Obergouvernante über alle anderen erhebt.
Es ist ein Lust, das kleine Büchlein zu lesen, das in das England der zwanziger Jahre entführt, bürgerliche Konventionen berührt und vier ganz verschieden geartete Charaktere in Gestalt der vier Damen lebendig werden lässt.

Elisabeth von Arnim Verzauberter April
Broschiert 273 S.
Insel Verlag
ISBN-10: 345834957X
ISBN-13: 978-3458349570

Martin Haberer: Taschenatlas Gehölze

Martin Haberer: Taschenatlas Gehölze

Gehölze sind im Garten unentbehrlich, im Hausgarten genauso wie im Park. Ihre Vielfalt ist groß. Mal ist es die Blattfarbe, die Blicke auf sich zieht, mal die Blütenpracht oder auch die Früchte, die sehr schmückend wirken oder sogar essbar sind. Diese Vielfalt ist unüberschaubar geworden, auch weil es viele fremdländische Arten gibt, die auch gut in unseren Gärten gedeihen. Das vorliegende Buch bietet Orientierung für den Nachwuchs im Gartenbau und der Floristik und natürlich für jeden Hobbygärtner.

Vorgestellt werden im Buch 727 Laubgehölze und 48 Nadelgehölze. Immer vier Porträts stehen auf einer Seite. Unter dem Foto findet man kleine Symbole. Man sieht auf den ersten Blick, wie groß die Pflanze ist, wie groß die Blätter, wann Blütezeit ist und ob die Pflanze giftig ist oder nicht. Unter dem wissenschaftlichen Namen und ihrer Familienzugehörigkeit findet man auch die deutsche Bezeichnung. Weiter geht es stichpunktartig mit Informationen zu Heimat, Wuchs, Blatt, Blüte, Frucht, Standort, Verwendung, Arten und einigen Hinweisen unter dem Punkt Sonstiges.
Im Anhang findet man Informationen zur Vermehrung der Gehölze, eine Literaturliste und ein Register.

Das kleine Buch ist sehr nützlich zum Nachlagen und Informieren. Man bekommt einen guten Überblick über die verschiedenen Gehölzarten, was sich gerade bei der Gartenplanung bezahlt macht. Auf besonders schöne Gartensorten wird aufmerksam gemacht. Die Pflanzenbeschreibungen sind sehr kurz gehalten, enthalten aber alle benötigten Informationen. In Verbindung mit dem Foto ist das ausreichend.

Rezension von Heike Rau

Martin Haberer
Taschenatlas Gehölze
320 Gehölze für Garten und Landschaft
2. aktualisierte Auflage
192 Seiten, 325 Farbfotos
Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart
ISBN: 978-3-8001-5944-4

Ulrich Wickert: Der nützliche Freund

Ulrich Wickert: Der nützliche Freund

Der bereits aus den vorhergehenden Kriminalromanen des ehemaligen Tagesthemen-Moderators bekannte Pariser Richter Jacques Ricou wird erneut ganz persönlich in einen Fall hineingezogen, zu dem er zunächst einmal dienstlich und auch so keine Beziehung hat. Aus der Zeitung erfährt er von den Machenschaften eines französischen Ölkonzerns in Deutschland beim Erwerb einer Raffinerie. Unverkennbar handelt es sich um die Leuna-Affäre. Seine Freundin, die mal mehr oder weniger auch seine Lebensgefährtin ist, recherchiert und ermittelt als Top-Journalistin Jahre nach Abschluss und Todschweigen dieser Affäre erneut, weil ein ehemaliger Mitarbeiter des Geheimdienstes sein Schweigen brechen und auspacken möchte. Durch Ricou‘s Freundin Margaux bekommt die ganze Sache einen privaten Aspekt und ist nicht mehr rein dienstlich zu betrachten. Während sich die Journalistin zwecks eines Interviews mit dem ehemaligen Agenten in dessen Appartement trifft, versteckt sie sich beim Klingeln an der Wohnungstür, um nicht auf unerwartete Besucher zu treffen. Kurz darauf wird der Agent tot und sie bewusstlos aufgefunden. Richter Ricou wird mit den Ermittlungen in diesem Fall betraut, jedoch ahnt zunächst keiner, dass es sich hierbei um die Fortsetzung der fast vergessenen deutsch-französischen Affäre handelt und der Richter selber unter Verdacht gerät.

Faszinierend gestrickt bleibt die Handlung, selbst der Hintermänner des Mordes und anderer Taten dem Leser nicht verborgen. In zwei Handlungssträngen werden einerseits die Ermittlungen in diesem Fall und andererseits die Auftragsvergabe für die Verbrechen durch ein Genfer Bankhaus beschrieben. Kapitelweise wird zwischen beiden Szenen gewechselt und im Falle des Bankhauses, welches seinen Reichtum im zweiten Weltkrieg mit den Geldern der Juden erwarb, die Skrupellosigkeit einer speziellen gesellschaftlichen Kaste dargestellt. Mithilfe der „Genfer“ Kapitel wird der Leser auf bevorstehende Aktionen vorbereitet und es werden bereits abgeschlossene Handlungen plausibel erklärt. Der Strang für die Ermittlungen beansprucht mit Recht einen erheblich größeren Teil der Romanhandlung und der Autor bringt all sein Können ein, um dem Leser in äußerst dramatischer und abwechslungsreicher Weise seine Liebe zu und dem Charme von Paris nahezubringen. Durch die Offenlegung der wahren Hintermänner stellt sich dem Leser also nicht die Frage nach dem Täter, sondern die, ob und wie der Richter die Hintermänner dingfest machen kann.

Da die Akten der tatsächlichen Leuna-Affäre beim Umzug der deutschen Regierung von Bonn nach Berlin plötzlich verschwunden und in Frankreich nur Handlanger verurteilt worden waren, bleibt natürlich viel Raum für Spekulation, den sich Wickert sehr geschickt zu Eigen gemacht hat. Alles, was zu recherchieren war, wurde recherchiert und anschließend gekonnt mit den fiktiven Spekulationen verbunden. Auf diese Weise scheint der Roman sehr nah an der Realität zu sein und könnte beinah reportagenhaft einen Überblick zur Leuna-Affäre geben. Die Handlung um den Richter herum scheint also in erster Linie die fiktive Handlung zu sein, wobei der Leser berechtigten Zweifel an der Fiktion bei der Beschreibung des französischen Lebensgefühls anmelden darf. Wer selbst schon einige Zeit in den Straßen, Bistros und Cafés in Paris verbracht hat, der wird bestätigen, dass Paris so ist, wie es in dem Buch beschrieben wurde. Die Gespräche in den Bistros, das Verhalten der Menschen und vor allem der Beamten scheinen eher ein echter Spiegel der Realität zu sein. Das Pariser Umfeld des Richters mit all seinen Freunden, Bekannten, Kollegen und Nachbarn wird sehr detailliert und angenehm geschildert. Somit lässt die Lektüre des Buches an dieser Stelle einen, wenn auch eingeschränkten, Hauch einer Reise nach Paris aufkommen. Ob das Gleiche für die offenherzige Zusammenarbeit der deutschen und der französischen Behörden gilt, wird der Autor selbst am besten einschätzen können.

Der Autor hat nie verschwiegen, dass er Frankreich und Paris liebt, warum sollte er es also in seinen Romanen verbergen. Aus diesem Grund ist „Der nützliche Freund“ nicht nur ein spannender, unterhaltsamer und flüssig zu lesender Kriminalroman mit dem Hintergrund einer früheren großen Politaffäre, sondern das Buch gleicht auch einer Reisebeschreibung von Paris. Es vermittelt ein Stück Paris und Pariser Lebensart und ist damit aber nicht nur für jeden Balkonien-Urlauber ein Muss.

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Ulrich Wickert
Der nützliche Freund
Roman, 313 Seiten, Hardcoverausgabe
Piper Verlag GmbH, München
ISBN: 978-3-492-05020-3
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2009

Mikael Engström: Ihr kriegt mich nicht!

Mikael Engström: Ihr kriegt mich nicht!

Was in Miks Familie vorgeht, soll geheim bleiben. Niemand soll wissen, dass der Vater trinkt. Mik sucht Ausreden für ihn, wenn er nicht zu Elternabenden oder Elterngesprächen kommt. Auch die Schulpsychologin lügt er an. Doch die Leute vom Sozialamt sind der Familie auf der Spur. Mik macht die Tür nicht auf. Sein Bruder Tony hat es ihm verboten. Und doch passiert es. Als Mik Tony erwartet, macht er die Tür auf. Die Frau und der Mann versprechen Hilfe. Miks Vater hat diese gerade sehr nötig, er muss ins Krankenhaus.
Mik wird bei seiner Tante Lena untergebracht. Sie wohnt in einer einsamen Gegend, in einem kleinen Dorf im Norden von Schweden. Es gefällt ihm hier auf Anhieb. Er wird von Lena herzlich aufgenommen und unter den zwölf Schülern findet er Freunde, obwohl diese von seinen schwierigen Familienverhältnissen wissen.
Die Kinder haben eine Möglichkeit gefunden, sich ein Taschengeld dazuzuverdienen. Sie verstecken Katzen und verdienen sich dann, wenn sie die Katzen zu ihren Besitzern zurückbringen, Finderlohn. Doch als er Lena die Sache mit den Katzen verrät, kehrt die Einsamkeit zu ihm zurück. Er wird ausgegrenzt, weil Lena die Sache nicht auf sich beruhen lässt.
Trotzdem will Mik nicht wieder nach Hause. Doch nach Neujahr kommen die Leute vom Sozialamt wieder. Mik soll zu seinem Vater zurück.

Die Geschichte erzählt von einem Jungen, der unter sehr schwierigen Familienverhältnissen aufwächst. Der Vater trinkt und Bruder Tony gerät immer mehr auf die schiefe Bahn. Mik sehnt sich nach Ruhe und Geborgenheit und findet dies bei seiner Tante Lena. Die würde den Jungen bei sich behalten, doch sie darf nicht. So wird Mik herumgeschoben bis er schließlich bei einer Pflegefamilie landet, die ihm das Leben zur Hölle macht. Man liest mit wachsendem Entsetzten, wie die Lage für Mik immer unerträglicher wird. Der Junge sieht die angebotene Hilfe vom Sozialamt als Bedrohung an und hat in seinen Fall recht damit.

Erzählt wird hier eine sehr traurige Geschichte, die zu Herzen geht. Man erträgt sie im Grunde nur, weil der Autor trotz aller Ernsthaftigkeit, humorvolle Szenen eingebracht hat. Man liest also nicht selten mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Die Geschichte ist sehr sensibel geschrieben. Miks Gefühle werden mit Achtung behandelt. Er wird ernstgenommen. Und das macht das Buch sehr realistisch. Schließlich ist es Miks Durchsetzungsvermögen, das ihm letztendlich ein besseres Leben ermöglicht. Es ist ein langer Weg dahin, den man als Leser mit Spannung verfolgt.

Rezension von Heike Rau

Mikael Engström
Ihr kriegt mich nicht!
Aus dem Schwedischen von Brigitta Kicherer
267 Seiten, Klappenbroschur
ab 12 Jahren
Carl Hanser Verlag
ISBN-10: 3446233792
ISBN-13: 978-3446233799