Der Sohn

Der Sohn

Giacomo Cacciatore
Der Sohn
rowohlt
ISBN 3498009362

Geheimnisvoll und unüberschaubar ist die Welt, in die Giovanni Vetro hineingeboren wurde.
Die Familie lebt in Palermo. Der Vater ist Polizist.
Kann man sich anderes vorstellen, als dass zu Sizilien und Palermo die Mafia gehört?

So ist es: Giovanni hört und sieht Dinge, die ihm unheimlich sind. Die Mutter bekommt anonyme Anrufe und schreit hysterisch herum. Sie muß ständig Tropfen einnehmen, um dem Leben gewachsen zu sein. Der Vater, den der Junge als einzigen Halt betrachtet, ist auf unheimliche Weise bedroht.
Er bedeutet ihm, zu schweigen und wegzuhören, denn, * was man nicht sieht, das gibt es auch nicht*.

Giovanni hört und sieht aber mehr, als er möchte. Mit niemandem kann er darüber reden. Seine Ängste um das Leben des Vaters sind unübersehbar. Ist der Vater mit der Mafia insgeheim verbunden? Bei Gelegenheiten geschehen Dinge, die das zu beweisen scheinen. Z.B. bekommt Giovanni seinen ersehnten Farbfernseher,–obwohl das Geld des Vaters dazu nicht reicht!

Da immer nur Andeutungen fallen und Morde passieren, die für den Jungen nicht verstehbar sind, bekommt die Geschichte einen geheimnisvollen und bedrohlichen Unterton.
Er möchte seinem Vater helfen, ihn warnen und schützen. Zugleich wächst ein Misstrauen, auch dem Vater nicht immer trauen zu können.

Die Geschichte ist in einem Ton gehalten, der aus vielen Andeutungen besteht.
Man kann sich vorstellen, dass in Sizilien vorgeblich brave Kaufleute und Bürger kriminell sein können, und dass es staatliche Stellen gibt, die sich nicht immer so schützend vor ihre Bürger stellen, wie man es von ihnen erwartet. Die Übergänge zwischen den offiziellen und inoffiziellen Bezügen sind fließend.

In der Erzählung verwischen die Spuren; Giovanni versucht, hinter die Geheimnisse seines Vaters zu kommen. Dabei findet er zu erstaunlichen Erkenntnissen.
Er muß aus seinen Beobachtungen zu eigenen Schlüssen finden, die ihn in unvorhersehbare Ratlosigkeit stürzen.

Sich in dem Dschungel unklarer Verhältnisse zurechtzufinden, ist ein Thema in diesem Buch. Daneben besteht eine Vater- Sohnbeziehung, auf die kein Verlass ist. Und dennoch: Giovanni wächst heran wird auch unter diesen Umständen erwachsen!

Giacomo Cacciatore hat eine literarische Form gefunden, in der die ehrenwerte Gesellschaft, wie die Mafia auch bezeichnet wird, in Erscheinung tritt, ohne dass klare Konturen erkennbar werden. Die feinen Skizzen, mit denen er seine Andeutungen über Begünstigungen, Bedrohungen und Befehdungen zeichnet, sind fein nachempfunden. Es ist ein Leben im Schweigen, was viele Bürger dort führen. Italien aus dieser Sicht zu betrachten, gibt einen Eindruck wieder, den man als Reisender der schönen Renaissancestädte des Nordens kaum glauben mag.
Giacomo Cacciatore hat ein mutiges Buch über die Mafia geschrieben. Er gilt als ein großes Talent der italienischen Gegenwartsliteratur.

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Erbin des verlorenen Landes

Erbin des verlorenen Landes

Kiran Desai Erbin des verlorenen Landes

Berlin Verlag ISBN 382700683X

In einer wunderbar filigranen Erzählweise eröffnet uns Kiran Desai den Blick auf ihre Heimat Indien.

Die Zeit der englischen Kolonialherrschaft ist vorbei.
Ein pensionierter indischer Richter hat sich nach Kalimpong an den Hängen des Himalaja zurückgezogen. Dort lebt er in einem verkommenen Haus mit seinem Hund Mutt, einem Koch und seiner Enkelin, die er mehr aus Notwendigkeit als aus Zuneigung zu sich genommen hat. Der Richter ist ein verbitterter Mann. Seine Tochter war mit einem ihm nicht genehmen Mann verheiratet, der sich in Russland als Astronaut hat ausbilden lassen. Unglücklicherweise sind die Eltern der kleinen Sai in Moskau bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
Wie lebt es sich in dieser abgelegenen Welt?
Zwei Damen in der Nachbarschaft unterrichten Sai, bis ihre Kenntnisse nicht mehr ausreichen und ein Hauslehrer ins Haus kommt: Gyan! Natürlich verliebt sich Sai in dieser verlorenen Gegend in ihn, der die einzige Abwechslung zu bieten vermag in einem ansonsten trostlosen Ambiente.
Und dann gibt es auch noch den Koch, der immer dann lebendig zu erzählen weiß, wenn es um seinen in Amerika lebenden Sohn Biju geht.

In Rückblenden erfährt man die ganze Geschichte dieser vier Personen.
Der Richter hatte in England studiert und unter der Verachtung der Engländer gelitten. Bei seiner Rückkehr hat er seine Frau, die er vor seinem Studienaufenthalt geheiratet hatte, zu ihrer Familie zurück geschickt, weil er sie nicht ertragen konnte. Er hat die englische Lebensart angenommen und zugleich abgelehnt. Er ist sich selbst ein Fremder geworden.
Der Aufstand der Ghurkas Mitte der achtziger Jahre in dem Gebiet Kalimpong verändert das Leben aller Protagonisten. Gyan schließt sich den Rebellen an und verlässt wütend Sai, die seinen Wandel nicht versteht.

Im Zusammenspiel der beteiligten Personen wird ein lebendiges und zerrissenes Indien gezeigt, das mit den Folgen der Kolonisation noch lange nicht fertig ist.
Arm und reich bilden einen unüberbrückbaren Gegensatz. Die Moderne ist noch nicht angekommen, und die Charaktere zeigen, dass es die Starken sind, die dem Land zum Auftrieb
verhelfen könnten.
Biju kehrt zu seinem Vater zurück, Sai verlässt das Dorf, und der unsympathische Richter bleibt alleine zurück.
Es ist eine Buch, das eine aufgewühlte Welt zeigt, die noch viele Jahre der Konsolidierung brauchen wird, um zu einer ruhigen, friedlichen und ausgewogenen, auch zu einem von sozialer Gerechtigkeit getragenen Gesellschaft zu werden.
Kiran Desai schreibt leidenschaftlich und engagiert. Man merkt ihr an, dass in dem Buch das Thema verhandelt wird, das ihr am meisten am Herzen liegt.
Wer sich für Indien, seine Widersprüche und Unausgeglichenheit interessiert, der wird mit dieser Lektüre auf seine Kosten kommen.
Es ist ein wild, lebendig und ausufernd beschriebenes Szenario einer uns noch sehr fremden Welt!
Im Dezember wird das Buch als TB erscheinen.

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Galileos Tochter

Galileos Tochter

Dava Sobel Galileos Tochter btv Verlag
ISBN : 3442722969

Im Zeitalter der Raumfahrt und immer tieferer Durchdringung des Universums bleiben die ersten Erfahrungen durch Kopernikus und Galilei Galileo mit ihren Erkenntnissen über den Weltraum von unverminderter Aktualität.
Stellten sie doch mit ihrer Erkenntnis, dass sich die Erde um die Sonne dreht, und wir in einem Planetensystem leben
s. Zt. das gesamte religiöse, weltanschauliche und philosophische Weltbild auf den Kopf.

Galileo Galilei war ein frommer Mann, der mit seinen Erkenntnissen keinesfalls die religiösen Dogmen aushebeln wollte. Dieser Konflikt war jedoch nicht lösbar.
Wissenschaft und religiöse Dogmen blieben unvereinbar.
Bis heute blieb und bleibt die Unvereinbarkeit der Schöpfung in ihrer religiösen Entstehungsgeschichte mit der Darwinschen Theorie der evolutionären biologischen Menschheitsgeschichte in zwei unvereinbaren Lagern ebenso bestehen, wie zu Beginn der Neuzeit die Erkenntnisse Galileis, die den Klerus und die Wissenschaften in zwei Lager spalteten.

Dava Sobel kommt das Verdienst zu, in leicht verständlicher und gut zu lesender Weise eine Geschichte des Galileo Galilei geschrieben zu haben. Dass dabei die Töchter eher im Hintergrund bleiben, ist verzeihlich. Geht es doch um die Zeit im Mittelalter, als in Italien die Wissenschaften erblühten. Physiker, Mathematiker und Philosophen befruchteten sich gegenseitig mit ihren Ideen und kamen zu immer neuen Einsichten. Bischöfe und Päpste blieben einbezogen. Ihnen kam die Rolle zu, die religiösen Vorstellungen gegenüber dem Neuen zu bewahren. Das gelang je nach deren persönlicher Haltung mehr oder weniger gut.
Dava Sobel beschreibt ausführlich und detailliert, wie die Schriften der Gelehrten über die Erkenntnisse von der Beschaffenheit der Sterne, Planeten und Fixsterne mit den einschlägigen Aussagen in der Bibel in Übereinstimmung zu bringen waren.
Galilei war seit seinen Erkenntnissen in Fortsetzung der Forschungen von Kopernikus von der Inquisition bedroht, und er war stets bemühte, sich die Bischöfe und Päpste gewogen zu halten.
Dass am Ende eine Überzahl von Gegnern ihn vor die
Inquisition zwangen, und er seinen Lehren abschwören musste hat seine Bedeutung bei der Erforschung des Universums nicht schmälern können.

Breiten Raum nehmen in diesem Buch die Schilderungen der Krankheiten des Galileo Galilei ein. Zur Zeit des ausgehenden Mittelalters gab es die großen Krankheiten wie Pest und Cholera, die viele Menschen dahinrafften. Er selber litt an einer Art Gicht, die ihn immer wieder wochenlang auf das Krankenlager warfen.
Galilei hatte seine beiden Töchter in das Kloster der Klarissinnen San Matteo gegeben, die in der Nachfolge des Franz von Assisi lebten. Die Autorin zeichnet dabei ein anschauliches Bild des Lebens in den Klöstern.

Galileis Tochter Maria Celeste, zu der Galileo G. eine besonders innige Beziehung pflegte, starb schon im Alter von 34 Jahren. Von ihr sind 124 Briefe an ihren Vater erhalten, die bei der Recherche für dieses Buch eine wichtige Informationsquelle bildeten.

Dava Sobel beschreibt in einem einfachen und eingängigen Stil die komplexen Vorgänge um die Erforschung des Weltraums. Für den Laien wird die Dramatik um die kontroversen Positionen Kirche und Weltlichkeit praktisch vorstellbar.

Dava Sobel ist eine mit mehreren Preisen ausgezeichnete Wissenschaftsredakteurin der New York Times.
Das Buch hat eine schöne bibliophile Aufmachung, wird aber auch im Januar in einer Neuauflage als Taschenbuch erscheinen.

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Cool, jetzt werden wir Unternehmer

Cool, jetzt werden wir Unternehmer

Stella kann es kaum glauben. Die Jury von „Next Game Industries“ hat sie für ein Praktikum ausgewählt. Ihre Ideen sind super angekommen. Die Vierzehnjährige reist also von Wien nach Berlin. Die Computerspiel-Firma gehört ihrem Onkel Carl. Er ist Daniels Vater. Mit ihrem Cousin hat Stella begonnen, ein Handyspiel zu entwickeln, das bei dieser Gelegenheit fertiggestellt werden soll. Die Heldin ihrer Geschichte ist die Manga-Prinzessin „You Star“.
Als das Spiel fertig ist, bekommt sie sogar eine eigene Internetseite.
Das Handygame wird zunächst zum Gratis-Download bereitgestellt, um zu sehen, wie die Zielgruppe es annimmt und auch um zu sehen, ob es sich lohnt, das Spiel weiterzuentwickeln, denn noch steht es nicht für alle Handytypen zur Verfügung.
Als Stella, wieder Zuhause angekommen, erfährt, dass das Spiel in einer Woche mehr als tausend Mal heruntergeladen worden ist, kann sie das kaum glauben.
Stella und Daniel wollen nun eine Firma gründen. Doch Jugendlichen in diesem Alter ist das nicht erlaubt.

Beschrieben wird im Buch eine wirklich sensationelle Erfolgsstory, die fast zu schön ist, um wahr zu sein. Für Stella und Daniel entwickelt sich alles wirklich ganz wunderbar. Die beiden müssen zwar einen kleinen Rückschlag hinnehmen, aber der wird nur auf ein paar Seiten abgehandelt. Es wird also, könnte man sagen, der bestmögliche Verlauf angenommen.
Vermittelt werden soll aber in erster Linie Wirtschaftswissen und das mit einer Geschichte zu tun, ist eine wirklich gute Idee. Es wird am direkten Beispiel erklärt, wie man sich eine Firmengründung vorstellen muss. Dabei wird ersichtlich, welche Dinge man beachten muss, um erfolgreich ins Wirtschaftsleben starten zu können. Grundsätzliche Informationen werden direkt in der Geschichte durch Dialoge vermittelt.
Stella und Daniel sind sehr kommunikativ und neugierig und verstehen es, sich Auskünfte zu beschaffen.
Alle im Text verwendeten Fachausdrücke sind im Fettdruck dargestellt. Ihre Bedeutung ergibt sich zwar aus dem Text, kann aber auch noch einmal in aller Ausführlichkeit im Wirtschaftslexikon hinten im Buch nachgelesen werden.

Fazit: Ein tolles Buch, das sehr anschaulich erklärt, wie Wirtschaft funktioniert.

Rezension von Heike Rau

Miriam Özalp
Cool, jetzt werden wir Unternehmer
Wie Wirtschaft funktioniert
Mit Illustrationen von Hans-Jürgen Feldhaus
175 Seiten, gebunden
Verlag Carl Ueberreuter, Wien
ISBN: 978-3800016075
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Das bin doch ich

Das bin doch ich

„Die Arbeit der Nacht“ ist beendet und liegt den Verlagen vor. Nun muss Glavinic warten, die Zeit totschlagen. Ablenkung bringt nicht mal seine Frau Else oder der kleine Sohn Stanislaus. Dabei hasst Glavinic das Nichtstun. Ob das Buch erfolgreich wird? So wie Daniels „Die Vermessung der Welt“?
Glavinic kann nicht abschalten, egal was er tut. Die eingebildeten Krankheiten verlangen nach Aufmerksamkeit. Er trifft sich mit einer Ärztin, ganz privat. Sich hier Kontakte aufzubauen, soll helfen gegen Hypochondrie. Das Treffen verläuft anders als erwartet, daher nimmt Glavinic ab sofort wieder mit seinen Künstlerkollegen vorlieb. Und spricht dem Wein zu. Das entspannt. Unterdessen steigen die Verkaufszahlen von Daniels Buch auf unfassbare Weise. Aber das Leben geht weiter. Es dümpelt vor sich hin, bis die Agentin anruft. „Die Arbeit der Nacht“ wird im Hanser Verlag erscheinen. Aber ein Grund zum Aufatmen ist das nicht. Wer weiß, ob das Buch erfolgreich wird?

Glavinic wird als ein Mann dargestellt, der sein Leben überdeutlich mit jeder Faser seines Körpers wahrnimmt. Dabei ist keine Leichtigkeit zu spüren. Unwirkliche Ängste bestimmen das Leben, das wird auch für den Leser spürbar.
Der Blick auf das Alltägliche ist keinen Moment langweilig. Es ist interessant zu sehen, wie der Autor beim Warten auf die Reaktion des Verlages aus dem Gleichgewicht gerät und nur mit Mühe und Not und viel Alkohol in der Spur bleibt. Alles um ihn verblasst. Sogar Frau und Kind rücken in den Hintergrund. Eine Beteiligung am Familienleben ist gar nicht möglich.
Ein Psychoanalytiker hätte viel Freude an diesem Buch. Aber auch ein interessierter Leser ohne entsprechende Ausbildung wird gut unterhalten. Der Roman entbehrt zwar einer gewissen Ernsthaftigkeit nicht, dennoch sind Witz und Ironie Eigenschaften, die den Roman auszeichnen.
Warum wohl hat der Autor diesen Roman geschrieben? Nach der Lektüre kommt nur eine Antwort in Frage: um die Zeit totzuschlagen. Und das kann auch der Leser mit diesem Buch.

Rezension von Heike Rau

Thomas Glavinic
Das bin doch ich
238 Seiten, gebunden
Carl Hanser Verlag
ISBN: 978-3446209121
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Expedition Wissen: Lebensräume der Tiere

Expedition Wissen: Lebensräume der Tiere

„Expedition Wissen“ ist eine neue Sachbuchreihe für Kinder aus dem Ravensburger Buchverlag. „In Lebensräume der Tiere“ erfahren Kinder ab acht Jahren alles über die Tiere, die es auf unserer Erde gibt. Besucht werden die unterschiedlichen Lebensräume wie Wiese, Wasser, Wald, Gebirge, Meer, Wüste und Savanne und die Polargebiete. Diese Lebensräume sind noch einmal untergliedert. Im Kapitel Meer beispielsweise in die doppelseitigen Abschnitte „Im Watt und am Strand“, „Im Meer“, „Im Korallenriff“ und „In der Tiefsee“.
Aufgebaut sind alle Wissensseiten auf die gleiche Art und Weise. Neben einem erklärende Text, kann man einen Steckbrief mit zusammenfassend dargestellten Daten und Fakten lesen. Man kann beschriftete Bilder ansehen, Postkarten lesen, mit denen die beiden Kinder Sarah und Lukas interessante Informationen austauschen. Es gibt kleine Bildergeschichten und informative Fakten, die unterhalten oder die verblüffend sind. Außerdem bekommt man Informationen zu weiterführenden Seiten im Buch. Wer möchte, kann über die Internetseite www.expedition.wissen.de weiterforschen. Mit zum Buch gehört auch ein Gewinnspiel. Dazu muss man Fragen beantworten und dann den Code knacken. Die Antworten auf die Fragen verbergen sich im Text. Wer das Lösungswort einschickt, kann Buchpakete gewinnen.

Das Wissensbuch ist sehr spannend und kindgerecht gemacht. Und es unterhält ausgesprochen gut. Man kann eine Menge über Tiere und ihre Lebensräume lernen. Die Fakten werden auf eine ansprechende Art vermittelt. Gut gefallen hat auch die Übersichtlichkeit der Seiten. Neben verschiedenen Textarten gibt es viele Zeichnungen zum Betrachten. Man muss das Buch nicht von vorn nach hinten durchlesen, denn man bekommt immer wieder Anregungen auf Seiten weiterzulesen, die mit dem eben gelesenen Thema zu tun haben oder die ähnlich interessant sind. Das Gewinnspiel ist natürlich eine tolle Sache, regt es doch an, die Texte besonders aufmerksam zu lesen. Besonders wissbegierige Kinder, werden sich freuen, im Internet auf der extra eingerichteten Seite weiterlesen zu können.
Das Buch kann auch als Nachschlagewerk genutzt werden. Ein Register ist vorhanden.

Rezension von Heike Rau

Sandra Noa
Expedition Wissen
Lebensräume der Tiere
80 Seiten, gebunden
ab 8 Jahren
Ravensburger Buchverlag
ISBN: 978-3473551637
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Kleiner Bruder zu verkaufen

Kleiner Bruder zu verkaufen

Als Lisas Bruder noch ein Baby war, war er einfach nur klein und süß. Nun ist, so findet sie, ein Monster aus ihm geworden. Er hat ihre Puppe kaputt gemacht, ihren Turm umstoßen, ihren Knetfiguren die Köpfe abgebissen und ihre Zeichnungen zerrissen. Das geht an die Nerven! Mama meint, er ist eben noch klein, was wohl heißen soll, dass sie Verständnis aufbringen muss.

Aber Lisa möchte ihren Bruder lieber loswerden. Allerdings passt er nicht in einen Briefkasten und für den Mülleimer ist er auch zu groß. Also setzt sie ihn vor die Tür und stellt ein Schild dazu: „ZU VERKAUFEN“. Benno kann gar nicht verstehen, dass Lisa den Kleinen verkaufen will. Er nimmt ihn gern, hat er sich doch schon immer einen kleinen Bruder gewünscht.

Lisa kann nun endlich nach Herzenslust spielen. Kein kleiner Bruder stört. Doch abends als sie allein in der Badewanne sitzt, muss sie an den Kleinen denken. Mit ihm zu kuscheln, fehlt ihr. Sie hält die Sehnsucht bald gar nicht mehr aus. Lisa will ihren Bruder zurück.

Das Buch ist für große Schwestern, die auch einen kleinen Monster-Bruder zu Hause haben, bestens geeignet. Bei allem Ärger überwiegt doch die Liebe zum Geschwisterchen, nur muss man sich das erst einmal eingestehen. Was Lisa da mit ihrem Bruder tut, um ihn loszuwerden, ist stark übertrieben. Und sicher wird jede große Schwester ganz empört sein, wenn sie sieht, wie Lisa ihren Bruder versucht, kopfüber in den Mülleimer zu befördern. Die Bilder sprechen also eine deutliche Sprache. Folgerichtig sind die Texte auf das Wesentliche beschränkt.

Rezension von Heike Rau

Marian De Smet / Marja Meijer
Kleiner Bruder zu verkaufen
28 Seiten, gebunden, durchgehend illustriert
ab fünf Jahren
Lappan Verlag, Oldenburg
ISBN: 978-3830311294
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Skulduggery Pleasant: Der Gentleman mit der Feuerhand

Skulduggery Pleasant: Der Gentleman mit der Feuerhand

Zur Eröffnung von Onkel Gordons Testament hat sich auch ein Fremder angesagt. Dementsprechend neugierig ist die Familie auf Mr. Skulduggery Pleasant, der angeblich Freund und Berater des Verstorbenen war. Tatsächlich ist er eine auffallende Persönlichkeit mit Schal, Handschuhen, Sonnenbrille und wildem Kraushaar. Irgendetwas stimmt mit ihm nicht. Die Testamentseröffnung lässt aber keinen Raum für Spekulationen.
Zur Überraschung aller Anwesenden wird Stephanie, eine Nichte Gordons, zur Haupterbin erklärt. Sie selbst kann es nicht fassen.

Als die Gelegenheit günstig ist, erkundet Stephanie den geerbten Landsitz ihres Onkels. Weil die Straße bei der Brücke überflutet ist, muss sie allerdings länger hier aushalten, als geplant. Gegen Mitternacht erhält sie einen merkwürdigen Anruf. Sie will den Fremden abwimmeln, doch der denkt gar nicht daran, taucht wenig später an der Tür auf und setzt seine Bedrohungen fort. Mit Gewalt verschafft er sich schließlich Zutritt. Doch gerade, als er Stephanie an den Kragen geht, stürmt Skulduggery Pleasant herein und zeigt sich als Retter in der Not. Er schlägt den Fremden in die Flucht.
Skulduggery ist eigentlich selbst ein Fremder für Stephanie. Und – er ist ein Skelett. Sein Aussehen schuldet er dem Umstand, dass es bei einer Zauberei einen Unfall gegeben hat. Nun arbeitet er als Detektiv und lüftet Geheimnisse.

Stephanie fasst Zutrauen zu Skulduggery, denn er ist ein wahrer Gentlemen. Auch sie hat Interesse daran, den Einbrecher ausfindig zu machen, um in Erfahrung zu bringen, was er im Haus wollte. Bald stellt sich heraus, dass es Nefaran Sepenine war. Der Alchemist gehört zu den ganz Bösen. Er ist auf der Suche nach einem Zepter, das ihm ungeahnte Macht verleihen soll. Nun wird auch klar, dass Onkel Gordon möglicherweise nicht auf natürlichem Wege ums Leben kam. An dem angeblich erlittenen Herzinfarkt kommen Zweifel auf. Stephanie will zusammen mit Skulduggery herausfinden, was wirklich geschehen ist.

Man merkt es schon nach den ersten Zeilen. Der Autor hat einen ganz wunderbaren Schreibstil: leicht lesbar und fesselnd. Auch die Helden des Buches sind etwas ganz Besonderes. Skulduggery Pleasant ist ein Skelett. Er ist ein außergewöhnlich Typ, ein Gentlemen, aber auch ein Draufgänger, ausgestattet mit magischen Fähigkeiten. Man könnte sich in ihn verlieben, wenn er doch nur ein wenig Speck auf den Rippen hätte.
Stephanie steht ihm in nichts nach. Sie ist ihm gewachsen durch ihre Frechheit, ihren Mut und ihr loses Mundwerk. Die beiden geben ein tolles Team ab, haben es aber mit einem Widersacher zu tun, der für viele teuflische Überraschungen gut ist.
Die Geschichte gefällt. Es ist im weitesten Sinne ein Spuk- und Geisterkrimi der etwas anderen Art. Denn Magie spielt in diesem Buch eine große Rolle. So wird der Leser immer wieder mit Szenen, die alles andere als langweilig sind, begeistert. Richtig rasant geht es zeitweise zu, wenn es mit unlauteren Mitteln in den Kampf geht, und sich als unsterblich erweist, was längst platt gemacht ist.
In diesem Buch scheint alles möglich. Der Autor greift in die Vollen und schöpft seine Fantasie voll aus. Es ist, als liefe ein Film vor dem inneren Auge ab, so präzise und bildhaft ist alles beschrieben.

Rezension von Heike Rau

Derek Landy
Skulduggery Pleasant
Der Gentleman mit der Feuerhand
Aus dem Englischen von Ursula Höfker
344 Seiten, gebunden
Loewe Verlag
ISBN: : 978-3785559222
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Bis es wieder hell ist

Bis es wieder hell ist

Maarten wirkt ein klein wenig zerstreut. Das ist normal im Alter. Sein Gedächtnis war eigentlich schon immer schlecht. Dafür sind die Erinnerungen an die Vergangenheit klar wie nie. Manchmal vermischt sie sich mit der Gegenwart.

Immer wieder wird Maarten von seiner Frau Vera ermahnt. Aber den Alltag zu bewältigen, ist nun mal keine leichte Sache, wenn man so viele Lebensjahre auf dem Buckel hat. Der Tag gerät immer mal wieder ein wenig durcheinander. Alltägliche Verrichtungen werden fremd. Das Übliche im Alter.

Die Vergangenheit wird zur Gegenwart. In Gedanken sind längst Verstorbene wieder am Leben. Maarten weiß nicht mehr, ob es Tag oder Nacht ist. Er geht spazieren und vergisst die Zeit. Vera geht zu Dr. Eardly.

Maarten kann nicht mehr allein zu Hause bleiben. Vera kann nicht abschätzen, was ihm in den Sinn kommt. Dabei sieht sie ihm gar nichts an. Und doch wird er ihr immer fremder.

Der Autor hat den Versuch gewagt, sich in einen Alzheimer-Kranken hineinzuversetzen. Er schildert wie Maarten von der Krankheit vereinnahmt wird, wie sein Leben rückwärst läuft, bis er praktisch wieder zum Kind, das rundherum versorgt werden muss, wird.
Das Besondere des Buches ist die Perspektive. Der Ich-Erzähler ist der Kranke selbst, dem nach anfänglicher Verwunderung bald nicht mehr klar ist, dass er überhaupt erkrankt ist.
Kein Mensch weiß, was bei Alzheimer in einem Menschen vorgeht. Aber man kann der Vorstellung des Autors gut folgen.
Das Buch macht betroffen. Es hat Tiefgang und berührt stark. Es weckt Verständnis für diese Krankheit, die auch Angehörige in tiefe Verzweiflung stürzt.
So zu schreiben, wie Bernlef es tut, ist eine Meisterleistung. Es erfordert Einfühlungsvermögen ungeahnten Ausmaßes. Dem Autor gelingt zu beschreiben, was eigentlich unbeschreiblich ist.

Rezension von Heike Rau

Bernlef
Bis es wieder hell ist
Aus dem Niederländischen von Maria Csollány
164 Seiten, gebunden
Nagel & Kimche
ISBN: 978-3312003952
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Im Fluss

Im Fluss

Mia ist in sich gekehrt und verschlossen. Sie hat ein traumatisches Erlebnis zu verarbeiten, von dem niemand weiß. Es könnte ein Neuanfang sein, der Umzug in das einsam gelegen Dorf am Fluss, auch wenn Mia eigentlich gar nicht umziehen wollte. Gefühle kann man nicht lange unterdrücken, so verliebt Mia sich in Alexander, der mit seinem Bruder, seiner Oma und dem Vater nebenan wohnt. Die Mutter hat ihre Kinder und ihren Mann vor Jahren verlassen.
Auch der Bruder, Jan, verliebt sich in Mia. Doch seine Freundin Alina klammert sich an ihn, will ihn nicht freigeben.

Die Familie der beiden Brüder umgibt ein dunkles Geheimnis. Das bekommt Mia zu spüren. Seltsame Dinge geschehen, die sich niemand erklären kann. Mia sollte sich raushalten als Zugezogene, als Fremde im Dorf. Doch sie ist neugierig, will wissen was vorgeht und wer ihr das Leben schwer macht. Damit schafft sie eine gefährliche Situation.

Die Autorin schildert die Geschichte aus drei Perspektiven. Hintereinander kommen Mia, Alexander und Jan zu Wort. Schon das ist eine Besonderheit des Romans. Der Leser weiß mehr, als die Hauptpersonen des Buches für sich genommen. Das Buch ist ohnehin anders als andere. Man spürt es zwischen den Zeilen, diese melancholisch-unheimliche Stimmung, die die Geschichte prägt und so fesselnd macht. Es ist das dunkle Geheimnis, das die Geschichte beeinflusst und das es zu entschlüsseln gilt.

Ab einem bestimmten Punkt ist die Geschichte vorhersehbar. Aber das macht nichts. Leider leidet die Glaubwürdigkeit, die Wahrhaftigkeit der Geschichte dann doch etwas, als man weiß, was das Geheimnis ist, denn im Grunde ist es nicht erklärbar. Psychologie und die Macht der Fantasie spielen entscheidende Rollen.

Das Buch lebt von den Stimmungen, die die Autorin mit ihre wunderbaren Schreibweise geschaffen hat. Damit ist das Buch sehr fesselnd und ungeheuer spannend geschrieben. Die Geschichte wird lange im Gedächtnis bleiben.

Rezension von Heike Rau

Marlene Röder
Im Fluss
252 Seiten, gebunden
Ravensburger Buchverlag
ISBN: 978-3473352777
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