Mina Teichert: Mein Sommer mit den Feuerpferden

Mina Teichert: Mein Sommer mit den Feuerpferden

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Es sind Sommerferien. Die 15-jährige Nelly verbringt die Zeit auf dem Pferdehof ihrer Oma Hilde. Auch Cousine Aurelie ist da, wovon Nelly nicht begeistert ist. Trotzdem muss sie sich ein Zimmer mit ihr teilen. Die beiden streiten viel, kümmern sich aber trotzdem gemeinsam mit Hilde liebevoll um die wenigen Ferienkinder. Praktikant Matti hilft bei der Arbeit auf dem Hof und macht sich mit den Islandpferden vertraut.

Als Nelly erfährt, dass der Hof möglicherweise verkauft werden muss, macht sie sich große Sorgen. Was wird dann aus den Islandpferden und ihrem Lieblingspferd Frekja? Es muss einen Weg geben, den Verkauf zu vermeiden.

Mit einem Tagebuch, das Nelly bei einer Entrümpelungsaktion in einem alten Schrank findet, taucht sie in die Vergangenheit des Hofes ein. Nonny hat die Einträge verfasst. Er hat früher mit seinen Eltern auf dem Hof gelebt. Doch ein Schicksalsschlag hat die Familie bewogen, in die isländische Heimat zurückzukehren. Im Tagebuch liest Nelly auch von einem versteckten Grab und einem geheimnisvollen Wikingerschatz. Den müsste man finden, träumt sie, dann wäre es vorbei mit den Geldsorgen und der Hof könnte gerettet werden.

„Mein Sommer mit den Feuerpferden“ ist ein Roman für pferdebegeisterte Kinder ab 10 Jahren. Es geht lebhaft zu in den Ferien auf dem Pferdehof. Die Autorin hat einen erfrischenden Schreibstil. Das Thema ist nicht neu, wird aber doch wieder anders umgesetzt und so kann man sich gut darauf einlassen und mit darauf hoffen, dass der Schatz gefunden wird und zum Erhalt des Hofes beitragen kann.

Viele extrem spannende Momente steigern die Leselust. Aber auch witzige Szenen tragen dazu bei. Die Mischung ist gut und es macht Spaß, das Buch zu lesen und die vielen tollen Charaktere kennenzulernen. Es geht um Freundschaft und Zusammenhalt und darum, sich für andere einzusetzen und etwas zu wagen. Schließlich wird der Ferienaufenthalt für alle zu einem unvergesslichen Abenteuer.

Rezension von Heike Rau

Mina Teichert
Mein Sommer mit den Feuerpferden
228 Seiten, gebunden
ab 10 Jahren
Ueberreuter Verlag, Juli 2020
ISBN-10: 3764151919
ISBN-13: 978-3764151911
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Hugo Hamiltom: Palmen in Dublin

Hugo Hamiltom: Palmen in Dublin

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In einem langen Monolog lässt uns der Icherzähler in diesem Roman an seinen Gedanken, Reflexionen und Erinnerungen teilnehmen.
Es gibt keinen nachvollziehbaren Handlungsstrang.
Er mag Anfang dreißig sein, als er mit seiner Frau Helene und zwei kleinen Töchtern nach einem langen Berlinaufenthalt nach Irland zurückkehrt. Wo ist er zu Hause? In Deutschland oder in Irland?
Man hört davon, dass sein Vater Ire und die Mutter Deutsche waren. Zu Hause wurde Deutsch oder Englisch gesprochen. Der Vater mochte Englisch nicht. Er zog die gälische Sprache vor.
Erklären sich daraus die zahlreichen schwierigen Gefühle, die diesen Mann in seinem Leben umtreiben?

Nun, man muss sich auf Gedankenfetzen, wechselnde Orte und Begebenheiten einstellen, wenn man sich diesem sehr anerkannten Autor in seinem Roman nähern will.

Der Held der Geschichte bleibt den ganzen Roman hindurch auf der Suche nach einem Zuhause. Krampfhaft sucht er in Dublin Fuß zu fassen. Er ist arm und hat Schulden. Mühsam quälen seine Frau Helene und er sich durchs Leben. Ihre Existenz steht auf tönernen Füssen. Zahlreiche Verwandte tauchen auf und verschwinden wieder. Es gibt Bindungen von Helene zu ihrer Mutter und zu ihren Geschwistern. Dann taucht die Mutter auf. Sie lebt in Kanada; doch viel mehr wissen wir nicht von ihr. Der Icherzähler verliert in einer anrührenden Szene seine Mutter.

Kleine Reisen mit den Kindern, Abende mit Freunden, eigene Erlebnisreisen und gesellschaftliche Alltagsgeschichten öffnen uns den Blick in eine Welt, in der es so recht keine Gewissheiten gibt.

Wo ist Heimat, wo komme ich her, und wo gehe ich hin sind die altbekannten Fragen, mit denen sich Menschen auf der Suche nach Klarheiten befinden. Unser Held bleibt ein Suchender, fast überall eher fremd als sich zugehörig fühlend.

Es ist eine Geschichte vom Abschiednehmen, vom Ankommen und wieder sich trennen, von der Schönheit der Natur und von der Fremdheit in großen Städten; nicht zuletzt handelt sie vom Aufbruch zu neuen Ufern, und dieser bietet Anlass zu Hoffnung.

Es ist eine nachdenkliche und besinnliche Geschichte.

Hugo Hamilton entstammt selber eine Mischehe: die Mutter war Deutsche, der Vater stammte aus Irland. Aufgewachsen ist Hamilton in Dublin, der Heimat seines Vaters, wo er heute lebt.

Hugo Hamilton
Palmen in Dublin
288 Seiten, gebunden
Luchterhand Literaturverlag, Juli 2020
ISBN-10: 3630873014
ISBN-13: 978-3630873015
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Lisa Butterworth: Mein natürliches & nachhaltiges Zuhause – Frei von Gift- und Schadstoffen Raum für Raum

Lisa Butterworth: Mein natürliches & nachhaltiges Zuhause – Frei von Gift- und Schadstoffen Raum für Raum

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Die Dinge, die wir um uns haben, sollten möglichst umweltfreundlich und nachhaltig sein. Der Trend geht hin zu einem gesunden Wohnumfeld, doch besteht in der ganzen Wohnung Nachholbedarf. Wer Ideen zur Verwirklichung seiner Pläne sucht oder nicht weiß, wo zu beginnen ist, sollte sich mit dem Buch befassen. Es ist ein Ratgeber mit Tipps, die sich nicht selten überraschend einfach umsetzen lassen.

Nun ist es nicht besonders nachhaltig, die Wohnung einmal komplett auszumisten und neu zu beginnen. Das möchte die Autorin auch nicht erreichen. Vielmehr geht es darum, einmal näher hinzuschauen und sich die Probleme, die durch das eigene Konsumverhalten entstehen, bewusst zu machen.
Nach und nach kann man sich dann Raum für Raum vornehmen und austauschen oder nicht mehr nachkaufen, was mit Schadstoffen belastet ist.

Zunächst erfährt der Leser, was Schadstoffe sind, wie man sie erkennt und welche Gefahren für die Gesundheit und die Umwelt davon ausgehen. Ungiftige Alternativen werden aufgezeigt.

Den Anfang macht das Badezimmer. Es wird einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen. Hier stehen Schimmelentferner und WC-Reiniger auf der Abschussliste. Ab sofort wird mit Essig und Natron geputzt. Für guten Duft sorgen ätherische Öle. Wenn möglich, werden Utensilien aus Plastik gegen solche ausgetauscht, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden können. Auch Körperpflegeprodukte sind entsprechend zu ersetzen. Denn Zahncreme, Deodorant und das Massageöl fürs Baby lassen sich aus schadstofffreien Zutaten selbst zusammenrühren.

Die Autorin hat viele Tipps für ein natürliches Zuhause. Es gelingt ihr sehr gut, zu motivieren. Zudem ist es schön, dass es Projekte gibt, die sich praktisch sofort und mit einfachsten Mitteln, die in jedem Haushalt vorhanden sind, umsetzen lassen. Meist sind die Zutaten preiswert. Gerade bei Kosmetik werden aber auch höherpreisige Inhaltsstoffe verwendet, dafür hat man dann ein Produkt von ausgezeichneter Qualität.

Das Buch reicht inhaltlich weit. So geht es auch um die Reduzierung von Verpackungsmüll oder um Elektrogeräte, die zu viel Strom verbrauchen. Kräuter werden von nun an auf dem Fensterbrett selbst angebaut und jedes Zimmer bekommt Pflanzen, die helfen sollen, die Luftqualität zu verbessern. Der Ratgeber wird also einige Zeit ein ständiger Begleiter sein.

Die Gestaltung des Buches gefällt gut. Die Fotos sind sehr übersichtlich gestaltet. Hier ist Minimalismus erkennbar. Denn im Buch spiegelt sich doch auch ein minimalistischer Lebensstil wider. Das ist sehr inspirierend!

Rezension von Heike Rau

Lisa Butterworth
Mein natürliches & nachhaltiges Zuhause – Frei von Gift- und Schadstoffen Raum für Raum
Mit Fotos von Julia Stotz
224 Seiten, broschiert
Dorling Kindersley Verlag, Juli 2020
ISBN-10: 3831040052
ISBN-13: 978-3831040056
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Alex Bell: Dark Charm

Alex Bell: Dark Charm

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Jude lebt mit ihrem pflegebedürftigen Vater in ärmlichen Verhältnissen in einer engen Wohnung in einem Haus in New Orleans. Sie spielt Trompete in einer Jazz-Band, die selten Aufträge bekommt, und versucht dennoch, den Lebensunterhalt damit zu sichern. Die einfachen Bewohner werden von den Adligen und wohl auch von den Vampiren und Hexen als Lumpenpack bezeichnet.

Wieder steht ein Auftritt an; die Jazz-Band soll auf einer Beerdigung spielen. Da es die Trauerfeier der Cajou-Queen ist, mag kaum einer der Musiker kommen. Aber Jude kann die Miete nicht zahlen und muss auftreten. Die Folgen sind gravierend. Ivory Monette nimmt ihren Tod nicht hin. Sie will ihren Mörder finden. So belegt sie Jude mit einem Voodoo-Zauber und legt noch nach mit einer Erpressung. Vor Jude liegt eine Aufgabe, deren Erfüllung unvorstellbar ist.

Alex Bell begeistert von Anfang an mit einem sehr gut lesbaren Schreibstil. Sie entführt in eine Welt dunkler Magie. Ebenso unheimlich wirkt die Kulisse der Stadt mit ihren alten Häusern und dunklen Gassen. Hier zu überleben, muss für die arme Bevölkerung unendlich schwierig sein. Doch nun schickt die Autorin Jude noch in Orte der Stadt, zu denen sie bisher keinen Zutritt hatte. Nichts ist hier so, wie es scheint. Jude bekommt es mit Personen zu tun, die ihre Magie ausleben und mit Opfergaben und abstoßenden Ritualen beflügeln. Doch sie wird als mutige Person dargestellt, die bereit ist, etwas zu riskieren, um den Mord an Ivory Monette aufzuklären. Ein Spinnennetz aus Details gilt es zu entwirren. Unsterbliche und Geister mit nicht eben ehrenhaften Absichten haben ihre Finger im Spiel. Das garantiert ein Gänsehautgefühl!

Es entsteht eine außergewöhnlich spannende Atmosphäre, die nur in der Mitte des Buches etwas abflaut. Es mag an Einzelheiten liegen und an zu ausführlichen Beschreibungen eher nebensächlicher Handlungen, die zu diesem Eindruck geführt haben. Im letzten Drittel nimmt das Buch wieder an Fahrt auf bis hin zu einem überraschenden Ende.

Rezension von Heike Rau

Alex Bell
Dark Charm
Aus dem Englischen von Sabine Rainhardus
320 Seiten, gebunden
cbt, Juli 2020
ISBN-10: 3570313344
ISBN-13: 978-3570313343
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Robert Seethaler: Der letzte Satz

Robert Seethaler: Der letzte Satz

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Robert Seethaler zeichnet in diesem schmalen Band das erschütternde Porträt eines Mannes, der als Komponist, Musiker und Dirigent ein erfolgreiches Leben hinter sich hat.

Er ist noch nicht so alt, aber als müder und kranker Mann befindet er sich auf der letzten Reise von New York nach Europa. Er sitzt an Deck und denkt über sein Leben nach. Fürsorglich wird er von einem Schiffsjungen umsorgt. Mahler leidet unter Schmerzen und Migräne und fühlt sich krank.
Unter Deck sitzen seine Tochter Anna und deren Mutter Alma Mahler beim Frühstück.

Es handelt sich um einen hoch erfolgreichen und berühmten Mann, der als Dirigent, Musiker und Komponist viel umschwärmt war und hohe Anerkennung genoss. Neben seiner Arbeitswut, die ihn Kräfte und Gesundheit kostete, ist er besessen von der Liebe zu der berühmten und von Männern umschwärmten Frau Alma. Sie ist die Femme fatal, die zahlreiche ebenso berühmte Männer aus Kunst und Kultur um den Verstand brachte. Noch aber leben sie zusammen, wenn er auch weiß, dass er sie verloren hat an den Architekten Walter Gropius, der nach seinem Tod ihr zweiter Mann werden soll.

Die Wende zum 20. Jahrhundert mit ihren großartigen Künstlern ersteht vor unseren Augen, wie Seethaler sie in seiner sensiblen und bilderreichen Sprache erkundet hat. Freud wird von Mahler in seiner Not um seine Ehe zu Rate gezogen. In einem einmaligen langen Gespräch werden seine psychischen Nöte erörtert und analysiert.

Seethaler beschreibt den Musiker mit anteilnehmenden und einfühlsamen Worten. Er wird dem Genie gerecht mit seiner Schilderung des Charakters. Es entsteht eine leicht melancholische Stimmung, wenn der Autor über das Meer, die Luft und den Wind schreibt und sich in Mahlers Erinnerungen vertieft. Sie sind erfüllt von Sehnsucht mach den Bergen, nach Sommer und Sonne und nach seiner verlorenen Tochter Maria, die als kleines Mädchen an Diphterie starb.

Das Büchlein liest sich schnell und unkompliziert. Es eröffnet uns aber noch einmal die Szenen jener fernen Zeitenwende, als Musik und Kunst die Welt mit der Ahnung von ganz neuen Aufbrüchen beseelte, die dann allerdings in den dreißiger Jahren schreckliche Formen annahm .

Ich habe das Büchlein gerne gelesen und kann es dem Musik- und Kunstliebhaber gerne empfehlen!

Robert Seethaler
Der letzte Satz
128 Seiten, gebunden
Hanser Berlin, 3. August 2020
ISBN-10: 3446267883
ISBN-13: 978-3446267886
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Anja Goerz: Jakobs Schweigen

Anja Goerz: Jakobs Schweigen

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Dora kann es nicht glauben. Ihr Sohn soll in seiner Rechtsanwaltskanzlei erschossen worden sein. Und ausgerechnet sein Sohn, ihr 17-jähriger Enkel Jakob, soll der Täter sein. Doch sie muss die Realität begreifen, Michael ist tot. Jakob schließt sich in seinem Zimmer ein und mag weder mit ihr, noch mit David, seinem anderen Vater, sprechen.

Dora hat sich immer zurückgehalten, vielleicht auch, weil ihr verstorbener Mann Hanjo die Beziehung zwischen Michael und David nicht akzeptiert hat. In letzter Zeit hat sich das Familienleben jedoch wieder etwas harmonischer gestaltet. Sie hatte häufiger Kontakt zu Michael und Jakob. Tochter Kirsten wohnt wieder mit im Haus und versucht, nach Alkoholproblem, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Sollte Jakob wirklich der Täter sein? Alle Spuren deuten darauf hin. Doch welches Motiv soll ihn zu dieser Tat veranlasst haben? Dora will Jakob helfen, seine Unschuld zu beweisen. Sie holt sich Hilfe von ihrem alten Freund Wolfgang, einem pensionierten Rechtsanwalt. Gemeinsam mit ihm und Kirsten deckt sie Unglaubliches auf. Doch es ist ein weiterer Schock, der den Fall schließlich abschließt.

Der Fall könnte genauso geschehen sein. Anja Görz widmet sich einem realistischen Kriminalfall, der ohne wilde Verfolgungsjagden auskommt. Die Polizei hat große Schwierigkeiten, Jakob zum Sprechen zu bringen. Auch andere Personen sind nicht eben redselig. Dora erkennt, dass sie ihre engsten Familienangehörigen nicht richtig kannte. Man hat sich auseinandergelebt. Jeder hat seine Geheimnisse.

Die Geschichte entwickelt sich praktisch rückwärts, denn es ist der Mord, der zuerst passiert. Der Leser erfährt also nachträglich, wie befremdlich das Familienleben mit der Zeit geworden ist, weil die Ansprüche unterschiedlich waren und noch sind und es deshalb irgendwann genug war mit der Anpassung. Die Fassade begann zu bröckeln, wenig offensichtlich, und niemand wollte wahrhaben, dass sie einstürzen könnte.

Der Krimi ist sehr spannend. Es sind die Beziehungen zwischen den Menschen, die faszinieren. Mit viel psychologischem Feingefühl wird das menschliche Miteinander erkundet und die mühevoll verheimlichten Probleme, die schließlich zum Mord führten, offengelegt.

Rezension von Heike Rau

Anja Goerz
Jakobs Schweigen
Kriminalroman
304 Seiten, gebunden
dtv Verlagsgesellschaft, Juli 2020
ISBN-10: 3423262583
ISBN-13: 978-3423262583
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Klaus Scheidtmann: Seitenwechsel

Klaus Scheidtmann: Seitenwechsel

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Klaus Scheidtmann ist Arzt und Neurologe und hat in diesem Krankheitsbericht seine schwere Erkrankung an einem Hirntumor beschrieben.
Die Erfahrungen sind deshalb so bemerkenswert, weil sich hier ein Arzt plötzlich in der Rolle als Patient wiederfindet.

Die lange Vorgeschichte bis zur Diagnose zeigt, wie auch der Fachmann langsam in einen Zustand gerät, vor dem seine Familie zunächst irritiert und ratlos vor krankheitsbedingten Veränderungen seiner Persönlichkeit steht. Niemand, am allerwenigsten er selbst, ahnt, dass sich hinter seinem veränderten Verhalten, seines Wesens und im Umgang mit seiner Frau eine schwere Hirnerkrankung entwickelt. Psyche, Geist und Körper bilden eine Einheit. Ereignet sich beim einen oder anderen eine Störung, wirkt das auf die anderen ein.

Scheidtmann lässt nicht unerwähnt, wie großartig die Geduld und Ausdauer seiner Frau ihn am Ende auf den Weg zur Diagnose führt.

Die Erkenntnis, dass auch die so genannten Götter in weiß nur Menschen mit einem ganz normalen Lebenshintergrund sind, ist sicher nicht ganz unbekannt. Dennoch bietet der Bericht aus Sicht eines selber Betroffenen nochmal eine ganz neue Perspektive zum Arzt-Patientenverhältnis.

Mutig und aufrichtig kann K. Scheidtmann seine Schwierigkeiten beschreiben, über seine Ängste und seine Ohnmacht berichten und öffnet uns damit Einblick in sein Inneres. Der Verlust der Autonomie, wenn man sich Ärzten anvertrauen muss, wiegt schwer.

Dass K. Scheidtmann nach mehrjährigen Behandlungen und immer neuen Rückfällen den Mut nicht verlor, verdankt er seiner Familie, seinen Freunden, Kollegen und nicht zuletzt wohl seinem Glauben und seinem Wunsch, die Krankheit zu besiegen.

Eine Lehre gibt es wohl besonders in diesem Fall: dem Arzt Dr. Klaus Scheidtmann wurde sehr klar, wie wichtig die menschliche Zuwendung, das Verständnis und die Offenheit des Arztes für den Patienten sind. Die meisten Patienten suchen besonders in schwerer Krankheit nicht nur den renommiertesten Arzt sondern auch gerade von diesem menschliche Zuwendung.

Das Buch liest sich mit Spannung, weil das Leben nun einmal die spannendsten Romane schreibt.

Krankheit spielt fast in jedem Leben irgendwann einmal eine Rolle. Schwere Krankheiten rühren an die Seele der Mitleidenden. Das Buch bietet Anlass, sich der eigenen Zerbrechlichkeit bewußt zu werden. Möge es viele Leser finden, die je nach eigener Lebenslage Hilfe brauchen und sich vergewissern möchten, wie man den richtigen Arzt zur rechten Zeit findet.

Klaus Scheidtmann
Seitenwechsel
130 Seiten, gebunden
Klöpfer, Narr, April 2020
ISBN-10: 3749610320
ISBN-13: 978-3749610327
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Ross MacKenzie: Immernacht

Ross MacKenzie: Immernacht

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Larabella Fox ist ein Waisenkind. Die 13-Jährige schlägt sich als Tosher durch und sucht in den Kanälen unter dem Silberkönigreich nach angeschwemmten Dingen, die sie verkaufen kann. Sie kennt sich aus in den Tunneln. Doch auch andere sind hier unterwegs. Die Reviere sind hart umkämpft. In letzter Zeit soll sich ein Mann ohne Schatten hier unten herumtreiben. Er sucht etwas. Doch nicht aus eigenem Antrieb. Die mächtige Magierin und Beraterin des Königs, Mrs Hesters, hat ihm befohlen, nach einem Holzkästchen zu suchen. Ein machtvoller Untergangszauber soll darin sein, der ihre Pläne vereiteln könnte. Die böse Magierin will alle Macht an sich reißen und dazu braucht sie die ewige Dunkelheit der Immernacht.

Das Buch ist von Anfang an sehr spannend gehalten. Der Autor entführt in eine geheimnisvolle Welt, hält sich aber nicht lange mit Beschreibungen auf, sondern steigt gleich in die eigentliche Handlung ein. Aber leider reicht mein eigenes Vorstellungsvermögen kaum aus, um mir ein umfassendes Bild zu machen.

Wir lernen Larabella Fox kennen, die nichts von ihrem Schicksal ahnt, bis sie das hölzerne Kästchen findet. Sie fügt sich erstaunlich schnell und ist bestrebt, ihr Bestes zu geben und ihrer Vorsehung gerecht zu werden.

Das Buch hat 360 Seiten und doch ist mir die Geschichte zu kurz. Sie wirkt sehr gestrafft. Dabei hätte ich gerne länger in vielen magischen Szenen verweilt. Andererseits geht der Autor auch über brutale Passagen erstaunlich schnell hinweg, was sehr irritierend für junge Leser sein dürfte.

Keine Frage, das Buch unterhält gut. Es ist eine aufregende Geschichte voller Magie und seltsamer Mächte, die hier erzählt wird. Es sind vor allem die einzigartigen Ideen und die kreativen Wortschöpfungen, die Spaß machen. Interessante Figuren betreten die Bühne. Aber es bleibt auch hier wieder nicht viel Zeit, sie kennenzulernen. Ich hatte gehofft, mehr zu erfahren, wurde aber immer wieder enttäuscht. Und so bleiben am Ende der Geschichte einige lose Fäden.

Rezension von Heike Rau

Ross MacKenzie
Immernacht
Aus dem Englischen von Kanut Kirches
ab 11 Jahre
360 Seiten, gebunden
Gulliver von Beltz & Gelberg, Juli 2020
ISBN-10: 340775485X
ISBN-13: 978-3407754851
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Adeline Dieudonné: Das wirkliche Leben

Adeline Dieudonné: Das wirkliche Leben

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Adeline Dieudonné hat eine düstere Familiengeschichte ersonnen.
Oder ist sie nicht erfunden und enthält gar ein Stückchen Wahrheit?
Auf jeden Fall geht es darum, wie man in der Umgebung äußerst grausamen Umgangsformen ein Eigenleben behält und überlebt.

An einer Stadtrandsiedlung nahe an einem Wald wohnt ein zehnjähriges Mädchen mit Bruder, Mutter und Vater. Es ist das beste Haus einer ansonsten unscheinbaren Reihenhaussiedlung, doch innen wohnt das Grauen.

Aus den Augen des Mädchens als Icherzählerin schält sich das Bild einer vollkommen desolaten Eltern- und Ehebeziehung heraus. Der Vater, ein passionierter Jäger und Alkoholiker, führt ein eisernes und herrisches Regime über seine Frau und die beiden Kinder.
Das 10 jährige Mädchen tröstet sich mit ihrem vier Jahre jüngeren Bruder über die schlimmsten Stunden hinweg. Noch! Denn die Jahre vergehen und Gilles, der kleine Bruder, eifert nach einem schrecklichen Erlebnis dem Vater nach und wird ein böser Tierquäler. Die Mutter ist ein desolates, gequältes Etwas. Sie wird von der Tochter als „Amöbe“ bezeichnet.

So beginnt eine Geschichte, die in ihren Einzelheiten Grausamkeiten birgt, von denen man sich als normaler Sterblicher keine Vorstellung machen kann. Bei jeder Abweichung von den Vorgaben des Vaters oder einfach aus schlechter Laune heraus wird geprügelt und gebrüllt. Da kann als Grund schon ein nicht genehmes Essen herhalten. Von körperlicher bis zu seelischer Gewalt scheint nichts unmöglich.

Der Vater ist körperlich stark und steckt voller Wut, die regelmäßig ihre Abfuhr sucht. Das Opfer ist zumeist die Mutter. Sie ist klein, unscheinbar und wirkt hilflos den Brutalitäten des Vaters ausgeliefert. Das Abendbrot, zu dem alle am Tisch sitzen, weil es sich so „gehört“, wird schweigend und in Angst eingenommen. Man ahnt den kommenden Wutausbruch des Vaters, vor dem sich die Kinder schnell in ihre Zimmer flüchten.

Man erfährt nichts über die Ursachen dieser unglücklichen Menschen.

Die Icherzählerin schafft es erstaunlicherweise, ein inneres und äußeres Eigenleben tief verborgen hinter einem dichten Schleier versteckt zu führen. Bis auch sie vom Vater zum Freiwild und Opfer gemacht wird.

Diese Geschichte reißt mit und nimmt mit!

Wie man dem Ende aller Ereignisse entgegenfiebert, das wird gekonnt und hoch kompetent von der Autorin angepeilt. Zuvor sieht man sich einer Vielzahl von grausamen Ereignissen konfrontiert.
Das reicht von Verfolgung über Schläge bis zu Psychoterror, und das Blut fließt in Strömen.

Natürlich gibt es auch einige gute Menschen z.B. einen Physikprofessor, der sich des hoch begabten Mädchens annimmt und sie in seine Wissenschaft einführt. Auch er und seine Frau aber haben ein schreckliches Schicksal hinter sich.

Sind es vielleicht zu viele der grausamen Ereignisse?
Ich denke, die Autorin überzieht absichtlich, um auf Misstände in Familie und Gesellschaft aufmerksam zu machen.

Adeline Dieudonné schreibt einen brillianten Stil und zeigt empörende Ereignisse, die an Hitchcock, Astrid Lindgen und Stephen King denken lassen.
Sie steigert mit ihren scharf beschriebenen Beobachtungen die Spannung bis zur Unerträglichkeit. Es stockt einem zuweilen fast der Atem.

Der Debütroman wird schließlich zum Fanal des Aufstands gegen Unterdrückung und Gewalt. Es bleibt kein Auge trocken, während uns die Macht und körperliche Überlegenheit des Mannes der Schwäche der Frauen gegenübergestellt wird. Der Freiheitsgedanke zur Überwindung der Unterdrückung nimmt Gestalt an, als die Tochter sich in adäquater Weise zu wehren beginnt.
Am Ende bleibt: Stille.

Der Roman ist etwas für starke Nerven und überaus spannend.
In Frankreich ist er begeistert aufgenommen worden.

Adeline Dieudonné
Das wirkliche Leben
240 Seiten, gebunden
dtv Verlagsgesellschaft, April 2020
ISBN-10: 3423282134
ISBN-13: 978-3423282130
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Juli Zeh: Corpus Delicti – Ein Prozess

Juli Zeh: Corpus Delicti – Ein Prozess

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Von Juli Zeh ein Buch zu lesen bedeutet stets eine Denkakrobatik, um in unsere gesellschaftsgeschichtliche Gegenwart zu gelangen.

Was jedoch an diesem Werk „Fragen zu Corpus Delicti“ besonders nett ist, das ist die Art der Erklärungen, wie sie an ihr Scheiben herangeht. In Form eines fiktiven Interviews schreibt sie so, als sei man ihr Gesprächspartner, dem sie ein wenig vermitteln will, wie sie an ihre Texte kommt, und wie sie einen Roman oder, in diesem Fall ein Theaterstück, entstehen lässt.

Man lernt sie kennen als einen Menschen, der sich permanent mit Gesellschaft, Politik und allgemeinen philosophischen Fragen unseres Daseins auseinandersetzt. Aus diesem Denken heraus entwickelt sie ihre Figuren, die denn auch in unserer Zeit leben. Sie müssen sich den Fragen und Lebensfragen der Gegenwart stellen. Als Beispiel sei ihr Roman „Unterleuten“ genannt, der ein Stück gegenwärtiger Gesellschaftsgeschichte spiegelt.

„Fragen zu Corpus Delicti“ aber ist anders als ihre Romane. Das Buch war ursprünglich als Theaterstück konzipiert. Die Anfrage, diesen Stoff zu bearbeiten, hat sie zunächst irritiert. Das Stichwort dazu war „Mittelalter“. Selbstverständlich muss das Stück in der Gegenwart bleiben; so fällt ihr das Wort „Hexenjagd“ dazu ein, und das ist synonym für „Hexenjagden“ aller Art und zu jeder Zeit.
Auf diese Weise ist das Thema zu dieser Schrift entstanden.

Hauptprotagonistin ist Mia. Sie ist zuerst angepasst an ein System, die so genannte Methode, in dem es nur noch Gesundheit gibt. Mit einem unter die Haut gepflanzten Chip wird der Mensch in seinem Zustand ständig kontrolliert. Wer sich dieser Kontrolle entzieht, wird zum Angeklagten. Mia wandelt sich zum Individuum mit eigenen Ansichten, was in diesem System nicht erlaubt ist.

Sie wird zum Tod (durch Einfrieren) verurteilt. Der Tod aber hätte sie zur Märtyrerin gemacht. Also wird sie begnadigt, was angesichts der Lage in diesem Staat einer wirklichen Qual gleichkommt, denn sie wird in ein Sanatorium verbannt. Dazu lässt sich Juli Zeh vom Text des Zauberbergs von Thomas Mann inspirieren.

Die Autorin zeigt in Teilen ihre eigene Gegenwartsgeschichte (Haus, Mann, Kinder, Arbeit), was zu dem Eindruck führt, dass man sich im Gespräch mit ihr zu befinden glaubt.

Der Text ist zutiefst durchdrungen von den Einsichten der Aufklärung. Er zeigt Denkmuster des dialektischen Denkens. Um das zu verdeutlichen, führt sie die Erfahrung verschiedener Gefühlslagen auf: Trauer gegen Freude, Schmerz gegen Glück, Gesundheit gegen Krankheit und hell gegen dunkel etc. Erst die Polarität des Einen wie des Anderen lässt uns erfahren, dass es diese Empfindungen gibt.

Aus dem Text kann man u.a. herauslesen, was es mit der Freiheit des Geistes auf sich hat. Erst die Möglichkeit, eigene Entscheidungen treffen zu können und eigene Meinungen zu entwickeln, befähigen uns zur Demokratie. Bezugnahmen gibt es neben vielen anderen zu Adornos und Horkheimers philosophischen Thesen zur „Dialektik der Aufklärung“ (S. 175) und zu Kant.

Dieses Buch ist in der Vielfalt der Thesen zu unserem Tun und Sein und den Grundgedanken dazu beeindruckend.

Man liest konzentriert und gebannt, wie sich Juli Zeh ihrem Sujet aus unterschiedlichen Sichtweisen nähert.

Dass sie hier viel über ihr eigenes Denken spricht, macht sie nahbar. Und bei so vielen ihrer Einsichten dachte ich: genau das habe ich auch schon gedacht, ohne es so formulieren zu können.
Beispiel S. 153: wie wir Menschen wirklich sind!

Um ihre Bücher mit den gesellschaftspolitischen Themen zu verstehen, ist dies Buch eine wirkliche Hilfe.

Juli Zeh
Corpus Delicti: Ein Prozess
272 Seiten, broschiert
btb Verlag, Auflage: 01, August 2010
ISBN-10: 3442740665
ISBN-13: 978-3442740666
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