Juli Zeh: Unterleuten

Juli Zeh: Unterleuten

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Unterleuten ist der beziehungsreiche Titel eines neuen Romans von Juli Zeh. Unterleuten ist ein kleines Dorf im Brandenburgischen ungefähr 100 km von Berlin entfernt.

Worum geht es?

In Unterleuten hat sich nach der Wiedervereinigung der zwei Deutschen Staaten ein buntes Völkchen zusammengefunden: ehemalige Dorfbewohner, Arme, Reiche aus dem Westen und aus Berlin Zugezogene, die es in die Idylle der vermeintlich noch unberührten Natur zog.

Hier herrschen enge und überschaubare Verhältnisse. In ihnen aber spiegeln sich gesellschaftliche Gegebenheiten, die sich auf die ganze deutsche Wirklichkeit übertragen lassen. Es gibt mehr Feind als Freund und jeder/jede versucht, den eigenen Wertvorstellungen oder Ideologien nachzustreben. Dabei stößt man sich an allen Ecken und Enden.

Der (fast) Professor für Soziologie Gerhard Fließ wandelt sich zum Vogelkundler und Umweltschützer, seine Frau Jule will Gartenbau und Gartenpflege zu ihrem Hobby machen. Die Häuser, anfangs noch verfallen, sind preiswert zu erstehen und werden im gemeinsamen Eifer den eigenen Bedürfnissen angepasst. Da stößt so mancher Gartenzaun an den anderen und die innere Stimmung samt passender Ideologie gleich mit dazu.

Von der ersten Zeile an ist man gebannt von der Dynamik, mit der Juli Zeh ihre Geschichte aufbaut. Man spürt die Wut, wenn die Enttäuschung nach dem zuvor angepeilten glücklichen Leben Risse bekommt. Und man erlebt den ehemaligen Gutsbesitzer Gombrowski, der die Kleinbürger von einst mit Verachtung straft. Alle bisherigen Wertvorstellungen geraten nach der Wende ins Wanken. Kommunisten versuchen zu retten, was zu retten ist. Der ehemalige Gutsbesitzer versucht aus der neuen Lage seine alte Herrschaft unter anderen Bedingungen wieder zu erlangen.

Es herrscht ein diffiziles Netz von Verschwörungstheorien und persönlichen Kränkbarkeiten, in dem sich nach und nach zahlreiche Dorfbewohner verfangen.

Als eines Tages ein Gewinnler aus dem Westen mit Unterstützung einiger Dorfbewohner einen Windpark in der Gegend errichten will, beginnt eine Unruhe, die die ganze Gemeinschaft erfasst. Unterleuten ist nachweisbar Naturschutzgebiet, das mit diesem Vorhaben in seiner ganzen Fauna und besonders dem Vogelreichtum vernichtet würde.

Das Dorf Unterleuten ist gewissermaßen mit seinen Einwohnern ein Schmelztiegel, in dem Frust, Lust, Schikane und heile Weltvorstellungen eine ungute Symbiose eingehen. Sie zeigt uns eine Öffentlichkeit, in der Gier, Selbstsucht und Gewinnstreben, auch Eifersucht, Neid und die kleinen Streitereien des Alltags das Leben bestimmen. Hier spiegelt sich am Beispiel der Welt im Kleinen unsere momentane gesellschaftliche Wirklichkeit.

Juli Zeh ist nach den Aussagen in einem Epilog einer Zeitungsnotiz nachgegangen, in der es in eben jenem Ort Unterleuten zu einem Verbrechen gekommen sein soll. Anhand von eigenen Recherchen kommt sie als Ergebnis zu dieser umfassenden Sozialstudie.

Zuweilen sind die Einzelheiten ihres Berichts ein wenig ermüdend in ihrer ausufernden Detailfreude.

Mit diesem Roman gesellt sie sich aber zu den ganz Großen in der Weltliteratur. Sie kann sich messen lassen mit den anerkannten amerikanischen Autoren, die ebenfalls aus einer Kleinstadt (Elizabeth Strout) oder aus der Lage des Landes (Richard Ford)ihre Schlüsse mit Blick auf gesellschaftlichen Befindlichkeiten zu ziehen vermögen.

Sie schreibt klug, einfallsreich, empathisch und mit Sinn für die kleinen Alltäglichkeiten. Man sollte sich ihren Roman nicht entgehen lassen!

Juli Zeh
Unterleuten
640 Seiten, gebundn
Luchterhand Literaturverlag, März 2016
ISBN-10: 3630874878
ISBN-13: 978-3630874876
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Karr & Wehner: Rattensommer

Karr & Wehner: Rattensommer

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„Rattensommer“ ist der zweite Krimi aus der Gonzo-Reihe des Autorenduos Karr & Wehner. Wie schon zuvor beim „Geierfrühling“ geht es auch bei diesem Roman in die abgrundtiefsten und schmutzigsten Ecken der Ruhrmetropole Essen.

Es ist Sommer. Der Videoreporter Gonschorek, genannt Gonzo, ist wegen der Sommerflaute wieder knapp bei Kasse. Aber eigentlich ist er das ja immer. Zufällig läuft er dem Filmproduzenten Matzke über den Weg, der für einen Pornodreh einen Kameramann benötigt. Gonzo sieht keinen anderen Ausweg. Lernt er doch auf diesem Wege gleich mal eine andere Filmbranche kennen. Doch beim Dreh fällt ihm in einer Ecke ein junges Mädchen auf, der es offensichtlich gar nicht gut geht.

Kurze Zeit später erfährt er, dass dieses Mädchen tot ist. Sie ist eine von mehreren Mädchenleichen, die in letzter Zeit in Essen gefunden wurden und dem „Ruhrkiller“ zugeschrieben werden. Die Polizei ermittelt bereits unter Hochdruck. Mit seinen Spuren am Filmset gerät auch Gonzo ins Visier der Fahnder. Weniger als tatverdächtiger denn als Zeuge, noch besser als Spitzel. Für seine Videoreportagen muss er immer nah am Geschehen sein, deshalb kennt er viele Polizisten, die ihn diese Tat und eine Verstrickung darin zwar nicht zutrauen, aber die der Meinung sind, er könnte sich bei den Pornofilmern in der Szene mal umhören und berichten.

Das Autorenduo hat für diesen Krimi 1996 den Friedrich-Glauser-Krimipreis erhalten. Ihr Geschick ist die realitätsnahe Schilderung eines Milieus, welches immer wieder als Klischee in den Medien auftaucht, mit dem in der Realität kaum ein Mensch zu tun haben möchte. Dabei bedienen sie sich vielfältiger Methoden der Actiondarstellung und Spannungserzeugung. Es wird das typische Bild eines Verlierers gezeichnet, der alle Abgründe des menschlichen Lebens auch sich zu vereinen scheint, und dennoch am Ende als (nicht ganz so strahlender) Sieger dasteht. Ganz im Stil eines Dashiell Hammett lassen die Autoren ihren journalistischen Ermittler durch das „verkommene“ Essen schreiten. An der Seite immer seine Sekretärin („Ich bin nicht Ihre Sekretärin.“), Assistentin, Chefin („Du bist nicht meine Chefin.“) Betty.

Ein Lesevergnügen voller Korruption und Schmutz.

Karr & Wehner
Rattensommer
GONZO-Krimireihe
Klartext Verlag, Essen
ISBN 9783837514087
© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Vanessa F. Fogel: Hertzmann’s Coffee

Vanessa F. Fogel: Hertzmann’s Coffee

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Jüdisches Familienleben über mehrere Genrationen beobachtet.

Yankele und Dora sind ein altes Ehepaar. Sie leben in New York, wohin es sie durch die Kriegs- und Nachkriegszeit verschlagen hat.

Yankele Hertzmann hat sich ein großes Kaffeeimperium erarbeitet.

Ihre vier Kinder sind aus dem Haus. Sehr zum Kummer ihres Vaters und ihrer Mutter herrscht Zwietracht und Unfrieden zwischen den erwachsenen Kindern.

Yankele beschließt, die Familiengeschichte öffentlich und auf Umwegen den Kindern zugänglich zu machen. Er benutzt dazu die modernen Medien des Videos und des Internets.

Durch seine Erinnerungsform werden im Wechsel alte und neue Passagen der Familiengeschichte in den Fokus genommen.

Herausgekommen ist eine lange Familiengeschichte voller Höhen und Tiefen.

Sie führt von Polen über Deutschland nach Venezuela und New York. Einmal geht es um den Zweig von Doras Familie. Dann wieder ist Yankeles Familie im Mittelpunkt des Geschehens. Durch alle Beziehungen zieht sich die Liebe, der Streit, die Versöhnung, Schicksalsschläge und die Unauflöslichkeit von Familienbanden. Man bekommt einen unmittelbaren Eindruck vom Lieben und Streiten auch aber von Yankeles Sehnsucht nach Versöhnung.

Yankele wurde während des Krieges von seiner Familie aus Deutschland beizeiten ins Ausland geschickt. Die ganze übrige Familie ist während Shoah umgekommen.

Er sucht und findet seine jüngste Schwester Leah, die durch die Vermittlung eines guten Familienfreundes in einem Nonnenkloster in Deutschland der Judenverfolgung während der Nazizeit entkommen konnte. Sie lebt in Venezuela. Doch Leah will oder kann sich nicht erinnern, und Yankeles Bemühungen führen nur mühsam zum Ziel.

Und Dora? Sie sagt ihren Kindern die Meinung in einer drastischen Weise, die mit dem Vergleich beginnt: “Leben ist genau das: Leben! Es ist vieles, aber keiner hat es bisher verstanden“ und „das Leben ist nicht wie ein Puzzle. Man kann Teile nicht einfach wieder zusammensetzen, wenn man sie auseinandergerissen hat.“

Das Buch ist mit viel Wärme und Empathie geschrieben, so dass man sich vor allem den beiden Hauptprotagonisten nahe fühlt. Die Geschichte geht zu Herzen und zeigt einmal mehr, wie Familien in Streit und Versöhnung verbunden sein können, und wie viel Weisheit, Klugheit, Gelassenheit und Geduld dazu gehören, Verbindungen gelingen zu lassen.

Vanessa F. Fogel ist den Spuren ihres Großvaters beim Abfassen zu diesem Roman gefolgt.

Analogien und Vergleiche, poetische Abhandlungen und Empfindungen wechseln ab mit Erzählungen aus dem wahren Leben. Der Extrakt von Weisheit und Erkenntnis zweier alter Menschen, die sich in Kraft, Freundschaft und Liebe verbunden sind, werden hier aufgezeigt. Hertzmann’s Coffee ist ein wunderbarer Roman über die Kraft der Liebe und Versöhnung. Jüdische Familiengeschichten enthalten immer den besonderen Ton von Zusammengehörigkeit. Dieser Zusammenhalt und ihre Lebensformen sind überlebenswichtig in einer ihnen häufig nicht wohlgesonnenen Umwelt. In diesem Roman kann man diese Lebensformen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und sich ein Bild von jüdischen Leben machen.

Vanessa F. Fogel
Hertzmann’s Coffee
320 Seiten, gebunden
Weissbooks, Juli 2014
ISBN-13: 978-3863370435
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Castle Freeman: Männer mit Erfahrung

Castle Freeman: Männer mit Erfahrung

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Lillian lebt in einem kleines Dorf in Vermont. Blackway, der einst als Hilfssheriff gearbeitet hat, hat es geschafft, ihren Freund zu vertreiben. Er schafft es mühelos den Leuten Angst zu machen. Niemand setzt sich gegen ihn zu Wehr. Nun belästigt er Lillian. Doch sie mag sich nicht geschlagen geben. Der Sheriff lehnt es ab, ihr zu helfen, solange keine beweisbare Straftat vorliegt. Aber er gibt ihr einen Tipp und so geht sie zu den alten Männern, deren Treffpunkt eine heruntergekommene Fabrik ist. Der alte und dennoch kräftig wirkende Lester und der junge, im Denken etwas langsame Nate bieten ihre Hilfe an. Lillian traut ihnen nicht zu, sich gegen Blackway durchsetzten zu können. Aber die beiden lassen nicht locker und so schreiten die drei zur Tat. Lillian hat keine Vorstellung davon, was geschehen wird. Die zwei Männer scheinen alles dem Zufall überlassen zu wollen. Ihr Handeln ist nicht geplant und damit unberechenbar und dadurch durchaus auch gefährlich.

Das Buch lebt vor allem durch die Dialoge. Es ist unglaublich, auf welche Weise die Männer sich unterhalten. Selbst Belangloses wird immer wieder durchgekaut. Überlegungen finden in Zeitlupe statt. Sinnloses Nachfragen verstärkt diesen Eindruck noch. Antworten, mit denen etwas anzufangen ist, gibt es kaum. Als Leser neigt man also sehr schnell dazu, die Männer zu unterschätzen. Aber es geht alles auf ein bestimmtes Ziel hin. Das Buch hat mir gefallen, weil die Handlung nicht vorhersehbar ist. Es scheint alles von Zufällen abzuhängen. Von Dummheit oder unbeabsichtigtem Geschick. In den Wäldern herrschen eben andere Gesetze. Und so wird man immer wieder überrascht.
Die Figuren sind kurz und knapp beschrieben. Man gewinnt einen Eindruck über sie vor allem durch die Dialoge. Die Männer sind, wie sie sind. Es ist die Frage, ob Bösewicht Blackway tatsächlich schlauer ist. Über ihn erfährt man gar nicht viel. Nur das, was man sich erzählt, macht die Runde. Er ist ein Mythos. Als Leser wird man also ordentlich auf die Folter gespannt. Ich konnte das Buch zum Ende hin dann gar nicht mehr aus der Hand legen.

Rezension von Heike Rau

Castle Freeman
Männer mit Erfahrung
Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren
176 Seiten, gebunden
Nagel & Kimche
ISBN-10: 3312006872
ISBN-13: 978-3312006878
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James Lee Burke: Mississippi Jam

James Lee Burke: Mississippi Jam

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Dave Robicheaux ist Cop im Iberia Parish Sheriff’s Department von New Iberia in Louisiana. Neben diesem Job betreibt er einen kleinen Boots- und Angelverleih. Als passionierter Taucher bekommt er den Auftrag, nach einem deutschen U-Boot aus dem Zweiten Weltkrieg zu suchen. Sein Auftraggeber, ein Jude namens Hippo Bimstein, möchte das Boot bergen und daraus ein Casino machen. Dave hat eigentlich keinen Bock auf diesen Auftrag und gibt Hippo einen Korb. Doch da wird plötzlich sein Angestellter Batist festgenommen von einem Polizeikollegen aus dem NOPD, mit dem Dave noch eine Rechnung offen hat. Dave Robicheaux fühlt sich verantwortlich für Batist, will ihn auf Kaution herausholen und einen Anwalt stellen. Dafür braucht er Geld. Also nimmt er doch den Tauchauftrag an. Doch so einfach geht das nicht. Denn ein weiterer Ganove betritt die Bühne und verdoppelt das Angebot betreffend die Suche nach dem U-Boot. Außerdem soll Dave damit den ersten Auftraggeber fallen lassen, weil das ein Jude sei. Drehte sich bislang alles um sein Hobby und Freizeitvergnügen wird es mit dem Auftauchen von Leichen zunehmend dienstlicher für Dave.

Burke schreibt knallharte Krimis mit umfassend gezeichneten Figuren und detailgetreuen Milieustudien. In winzigen Anmerkungen versteht er es, die Gesellschaft im Louisiana der letzten Jahre mit allen ihren Ressentiments und Widersprüchlichkeiten abzubilden. Obwohl schwarze und weiße Amerikaner heute schon nebenher leben, wird der Rassismus immer wieder deutlich. Das bekommt z. B. der Protagonist, ein Weißer, dadurch zu spüren, weil er mit einer Schwarzen verheiratet ist und er Schwarze beschäftigt. Die Frauenfeindlichkeit und das Machogehabe der Männer hat auch etwas mit der Hautfarbe zu tun. Der Protagonist Robicheaux, den Burke für diese Reihe entwickelt hat, ist eine ungewöhnliche Krimifigur, nicht nur wegen des damaligen Alkoholproblems. Robicheaux verwirklicht seine eigenen Ansichten von Recht und Gesetz. Unterstützt wird er dabei von seinem Freund Clete Purcel, der immer gut genug für eine Leiche im eigenen Keller ist, und von seiner Familie. Mit dieser Figur ist James Lee Burke sehr gut beim Pendragon Verlag aufgehoben, denn auch der Ermittler Jessse Stone von dem Schriftsteller Robert B. Parker, dessen Romane dort erscheinen, hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Dave Robicheaux.
Die Feingliedrigkeit von Robicheauxs Ansichten lassen ihn sympathisch werden, auch wenn er als knallharter Typ nicht davor zurückschreckt, einen Verbrecher abzuknallen.

Meine Empfehlung: höchst lesenswert! Nicht zuletzt wegen der sehr gut stimmigen Übersetzung von Jürgen Bürger. Danke an den Pendragon für die Herausgabe dieser deutschen Erstausgabe. Knallhartes Lesefutter für alle, die den Nervenkitzel mögen.

Burke, James Lee
Mississippi Jam
aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger
Pendragon, Bielefeld
ISBN 9783865325273

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Krischan Koch: Dreimal tote Tante

Krischan Koch: Dreimal tote Tante

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Eigentlich hat Dorfpolizist Thies Detlefsen eher wenig zu tun in Fredenbüll. Die meiste Zeit ist es langweilig. Es sind nur Routinearbeiten zu erledigen. Dass es dann auf einmal ganz schlimm kommt, ist natürlich kein Wunder und durchaus nachvollziehbar. Thies Detlefsen steht vor einem Rätsel, als die Leiche aus dem Jauchebecken gezogen wird. Was für eine Sauerei! Schweinezüchter Schlotfeldt hat keine Ahnung, wie die Person da hingekommen ist. Dann verschwindet auch noch Pensionswirtin Renate. Dabei hat sie Gäste, die natürlich jetzt kein Frühstück serviert bekommen und in „De Hidde Kist“ frühstücken müssen. Und Thies‘ Frau Heike muss nun damit leben, dass die hübsche Kriminalhauptkommissarin Nicole Stappenbeck wieder vor Ort ist. Was da genau läuft zwischen ihr und ihrem Mann, weiß Heike nicht. Aber irgendwas ist da, da ist sie sich sicher. Also fährt sie die Krallen aus. Die Zeit vergeht und Renate hockt in Fesseln im dunkeln Keller und hofft, der Gefangenschaft zu entkommen.

Ja, da ist wirklich Unheil über Fredenbüll gekommen. Und die Ermittlungsarbeiten gehen nicht voran, dabei kann man sich ausrechnen, dass es bald ein nächstes Opfer geben wird. Das ist schon mal etwas, das mich gestört hat an dem Krimi. Thies Detlefsen und Nicole Stappenbeck kommen einfach nicht vorwärts und schlafen fast ein beim Ermitteln. Dafür stimmt die nordfriesische Atmosphäre. Und die Dorfbewohner, die man schon aus vorangegangen Krimis kennt, verhalten sich gewohnt witzig und schlagfertig, sind allerdings diesmal keine große Hilfe bei den Ermittlungsarbeiten. Obwohl der eine oder anderes Satz, der im Hintergrund fallen gelassen wird, hilfreich hätte sein können. Unterhaltsam ist der Krimi also. Es ist schon spannend, herauszufinden, wer da was zu verbergen hat und vor allem, welches Motiv den Täter antreibt.

Rezension von Heike Rau

Krischan Koch
Dreimal tote Tante
Ein Küsten-Krimi
288 Seiten, broschiert
Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423216336
ISBN-13: 978-3423216333
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Ulrike Renk: Die Australierin

Ulrike Renk: Die Australierin

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Der Roman ist der Auftakt einer Reihe von Romanen, die sich um die Auswanderung der Emily Bregartner und ihrer Familie drehen. Es geht ins Hamburg des 19. Jahrhunderts. Hamburg erlebt gerade den größten Brand seines Bestehens. Die Häuser vieler Stadtteile sind bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Die Familie Martin Bregartners, Emilias Vater, wohnt außerhalb in Othmarschen. Das Haus seines Bruders in der Stadt ist vom Feuer getilgt worden, weshalb Hinrich mit seiner Frau bei den Verwandten in Othmarschen aufgenommen wird. Was eigentlich für kurze Zeit gedacht war, entwickelt sich wegen der Schwierigkeiten beim Aufbau der Stadt zu einem Dauerzustand. Hinrichs Frau übernimmt das Haus in Othmarschen in ihrer Selbstgefälligkeit. Darunter leidet nicht nur Emilia, sondern auch alle Bediensteten.

Ulrike Renk hat das Bild einer bürgerlichen Familie in der Mitte des 19. Jahrhunderts gezeichnet. So entgeht ihm nicht eine gewisse Ähnlichkeit mit Thomas Manns „Die Buddenbrooks“, was nicht zuletzt auch an der norddeutschen Regionalität liegen mag. Die Figuren sind umfangreich charakterisiert. Nicht nur Emilia als Protagonistin und tragende Figur, auch alle ihre Verwandten und Freunde werden umfassend dargestellt, so dass sich der Leser eine entsprechende Meinung zu ihnen bilden kann. Schnell ist die Unterscheidung zwischen „gut“ und „böse“ möglich, um letztendlich doch noch überrascht zu werden. Einzelne Figuren werden sehr sympathisch gezeichnet, wozu die Autorin auch die Macht der Dialoge nutzt. Da mit den Bediensteten nicht nur die Oberschicht dargestellt wird, werden auch Dialekte wie das Hamburger Platt eingesetzt.
Fesselnd ist die Schiffsreise um das Kap Horn beschrieben. Mit sehr viel Akribie hat Renk auf den Einsatz der seemännischen Sprache wertgelegt. Diesen Passagen sind weitgehend stimmig und erinnern an dem im Buch oft genannten Roman „Moby Dick“ oder andere Seefahrergeschichten.

Seite für Seite gibt es für den Leser immer wieder Neues zu entdecken. So erschließt sich ihm schließlich ein Gesamtbild der damaligen Zeit, wie sie tatsächlich hätte sein können. Zwar wird heute nicht mehr in einem solchen Umfang von Hamburger „Pfeffersäcken“ gesprochen, aber so, wie im Roman geschildert, kann der Leser sie sich gut vorstellen.

Hass und Freude liegen für den Leser nah beieinander. Rührend so manche Episode. Für Liebhaber einer Familiensaga, die er nicht verpassen sollte. Allein deshalb ist der Roman schon empfehlenswert.

Renk, Ulrike
Die Australierin
Aufbau Verlag, Berlin
ISBN 9783746630021

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Minna Lindgren: Rotwein für drei alte Damen

Minna Lindgren: Rotwein für drei alte Damen

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Wie es Menschen im Alter überall auf der Welt ergehen mag…

Hier können wir einen Eindruck davon bekommen.

Der Einband und der Beginn der Erzählung lässt an eine lustige Geschichte denken.
Doch so lustig ist sie dann leider nicht!

Drei über neunzigjährige alte Damen leben in ihrer Heimat Finnland. Dort spielt sich ihr Leben in dem Altenheim „Abendhain“ ab.
Toll ist es dort nicht gerade. Aber drei Dämchen mit Namen Irma, Siiri und Anna-Liisa sind noch gut drauf, trinken gerne ihren Rotwein und beobachten mit wachen Augen, was um sie her vor sich geht.

Als der junge Koch Tero eines Tages unerklärlicherweise zu Tode kommt, sind sie alarmiert und machen sich allerhand Gedanken über seinen Tod. Sie werden aktiv in einer Weise, die gefährlich für sie werden könnte.

In einer langen Abhandlung erfährt man von den Intrigen und den Tricks, mit denen man alte Menschen in Heimen ausbeutet, für dement erklärt und ihnen das Leben schwermacht.
Man hört von unerklärlichen Todesfällen und von undankbaren Verwandten und gewitzten Ausbeutern. Selbst vor kriminellen Machenschaften ist man in den einschlägigen Heimen nicht geschützt! Da bleibt zuweilen kein Auge trocken. Doch die über 94 Jahre alten Damen sind noch voller Elan und schaffen es, sich aus allerlei Unbilden zu befreien.

Alter und wie man mit alten Menschen umgeht ist überall auf der Welt ein Problem.
Die Schilderung aus dem hohen Norden von Minna Lindgren bietet da keine Ausnahme. Teilweise unterhaltsam, witzig und kurzweilig fahren einem gelegentlich doch auch Schauer über den Rücken! Gott sei Dank schwankt die Erzählung zwischen Humor und Ernsthaftigkeit.

In Finnland gilt der Roman von Minna Lindgren über das „Abendhain“ als Bestseller.

Als einen gelungenen Einstieg in die Welt des hohen Alters kann man den Roman mit Gewinn lesen. Zu hohe literarische Ansprüche darf man nicht erwarten, denn eine gewisse Langatmigkeit haftet dem Roman an.

Übersetzer sind die auch bei uns bekannten Autoren Niina und Costin Wagner, die Finnland als ihre zweite Heimat ansehen.

Minna Lindgren
Rotwein für drei alte Damen
288 Seiten, broschiert
KiWi-Paperback, März 2016
ISBN-10: 3462047248
ISBN-13: 978-3462047240
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Carolina De Robertis: Perla

Carolina De Robertis: Perla

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Argentiniens Militärdiktatur und die Folgen.

Zu Beginn des Jahres 2001 lebt in Buenos Aires in Argentinien ein junges Mädchen namens Perla. Sie ist eine verwöhnte Tochter aus gutem Hause. Eine dunkle Wolke scheint jedoch das friedfertige Leben mit ihren Eltern zu überschatten. Der Vater ist Marineoffizier. Er ist liebevoll aber unnahbar. Die Mutter ist von betörender Schönheit und leicht exzentrisch.

Inzwischen ist Perla Studentin, und ihre Eltern sind vereist. Eines nachts erscheint in ihrem Wohnzimmer eine unheimliche Figur. Nackt, schwach, durchnässt und nach Brackwasser stinkend liegt ein Mann auf dem Wohnzimmerteppich.
Man weiß nicht: ist hier Fantasie oder Wirklichkeit am Werk?

Rückblickend erleben wir Perla noch einmal in der Schule zusammen mit ihrer liebsten Freundin Romina, die sich eines Tages unerklärlicherweise von ihr abgewandt hat.

Viel ist in ihren Gesprächen mit Freunden und Freundinnen von den „Verschwundenen“ die Rede. Die Zeit der Militärdiktatur von 1976 -1983 hat Spätfolgen hinterlassen, die noch nicht vergessen sind. Tausende von Männern, Brüdern, Frauen und Söhnen wurden damals als Regimegegner abgeholt und tauchten nie wieder auf. Man erfuhr auch nie, wohin sie gekommen waren. Die Mehrzahl wurde auf grausame Art und Weise ermordet.

In diesem Buch verschwimmen die Zeiten vom Vorgestern zum Heute. Perla erkennt erst langsam, in welcher Weise die Militärdiktatur Menschen, ob schuldig oder unschuldig, verfolgt, entführt und aus deren Leben gerissen hat. Frauen gehen nach dem Ende der Diktatur jahrelang mit weißen Kopftüchern demonstrieren, um auf die unhaltbare Vergangenheit aufmerksam zu machen und nach ihren verschwundenen Brüdern, Männern, Schwestern, Müttern und Vätern zu suchen.

In langen Passagen erfährt Perla, welche Bedeutung der nasse Mensch in ihrem Wohnzimmer für ihr Leben bedeutet.

In ihrem Roman verarbeitet Carolina De Robertis die tragischen Umstände, die in Argentinien s. Zt. die ganze Gesellschaft in ein Chaos gestürzt hatte. Waisenkinder aus der Hinterlassenschaft der „Verschwundenen“ wurden häufig von korrupten Militärs und anderen als eigene Kinder angenommen.

Die Geschichte ist dramatisch. In ihr verlieren sich Liebende und andere finden sich wieder.

Die Last und die Bürde ist für manche zu schwer. Auch Perla muss erkennen, dass sie ein falsches Leben geführt hat.

In poetischen und zuweilen visionären und apokalyptischen Bildern beschwört De Robertis die Vergangenheit herauf. Mit ihrem Erzählstil vergegenwärtigt sie das Phänomen einer Grausamkeit, die dramatischer nicht sein könnte.

Perla
Carolina De Robertis
336 Seiten, broschiert
FISCHER Taschenbuch, Juni 2014
ISBN-10: 3596194466
ISBN-13: 978-3596194469
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Oliver Steger und Catherine Ionescu: Die Jazzgeister – Jazz für Kinder: Blues, Swing, Latin & Co.

Oliver Steger und Catherine Ionescu: Die Jazzgeister – Jazz für Kinder: Blues, Swing, Latin & Co.

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Lea und Lotte wollen eine alte Villa erkunden, über die man sich Spukgeschichten erzählt. Doch noch jemand ist hier. Es sind zwei junge Männer, die hier ungestört Musik mit ihrer Gitarre und dem Kontrabass machen möchten. Das alles wirkt sehr realistisch. Geister sind die beiden also nicht. Die Mädchen kommen näher und lauschen. Sie hören „Auf der Mauer, auf der Lauer“. Aber es ist eine ganz andere Version als die bekannte. Es ist Jazz. Mit anderen Harmonien, anderem Rhythmus und Improvisation. Das gefällt Lea und Lotte. Und bei Gelegenheit fragen sie nach den Geistern, die im Haus wohnen sollen. Tim und Tom erzählen von der Geschichte des Hauses, das einst der Baronesse Stimmstück gehörte. Jazzkonzerte hat es hier früher gegeben. Und bei einer Führung durch das Haus lernen Lea und Lotte die Jazzgeister Blues, Bebop, Cooljazz, Freejazz und weitere kennen.

Es ist sicher keine leichte Aufgabe, Kindern den Jazz nahezubringen. Aber mit dem Buch ist das perfekt gelungen. Erzählt wird eine spannende Geschichte. So wird auf eine kindgerechte Art und Weise in das Thema eingeführt. Die verschiedenen Genre sind die Geister, die einzeln, immer auf einer Doppelseite, vorgestellt werden. Diese Seiten wurden von Catherine Ionescu sehr schön illustriert. Das lockert auf und sorgt für Abwechslung.

Vorstellbar wir die Geschichte des Jazz durch die CD, die von Jazzkontrabassist Oliver Steger aufgenommen wurde. Arrangiert wurden bekannte Kinderlieder. So erkennen Kinder trotz Improvisation die Lieder wieder, können sich ganz auf den Musikstil einlassen und natürlich auch mitmachen, wenn sie mögen. Das ist wirklich spannend und sehr inspirierend. Auf der CD zu hören sind die Jakob Pocket Band, Tricycle und S.O.D.A. Durch die CD führt Paul Urban Blaha als Sprecher. Das ist auch für Erwachsene interessant anzuhören. Man kann sehr gut mit seinem Kind oder Enkelkind Kapitel für Kapitel durchgehen und sich diesem unterhaltsamen Musikstil widmen.

Rezension von Heike Rau

Oliver Steger und Catherine Ionescu
Die Jazzgeister – Jazz für Kinder: Blues, Swing, Latin & Co.
32 Seiten, gebunden, mit CD
Annette Betz Verlag
ISBN-10: 3219116752
ISBN-13: 978-3219116755
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