Peter Stamm: Weit über das Land

Peter Stamm: Weit über das Land

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Auf der Suche nach dem wahren Leben…

Was mag in einem Menschen vorgehen, der ohne jeden Anlass, ohne sichtbare Zeichen von seelischer oder körperlicher Krankheit, ohne vorhergehenden Streit oder Unzufriedenheit stillschweigend sein Zuhause verlässt und verschwindet?

So etwas passiert in dem neuen Roman von Peter Stamm.

Ein Familienvater verlässt eines Abends seine Familie. Er saß doch gerade noch im Garten nach der Heimkehr vom Familienurlaub mit Frau und zwei Kindern. Seine Frau ging schon mal ins Haus und räumt ein wenig auf. Dann legt sie sich schlafen. Am Morgen ist ihr Mann nicht da. Zuerst denkt sie sich nichts dabei, doch nach zwei Tagen wird sie unruhig und meldet ihren Mann bei der Polizei als vermisst.

Inzwischen befindet sich Thomas, ihr Mann, auf einem Weg weit weg von seinen Lieben.

Man erfährt keine Motive sondern erlebt nur, wie er die Landschaft und Dörfer ins Nirgendwo durchwandert.

Mit seinen poetischen Landschaftsbeschreibungen und stiller Einkehr lässt uns Peter Stamm an einem Geschehen teilnehmen, das ganz und gar unerklärlich bleibt. Allerdings gesellen sich zu den äußeren Naturbetrachtungen gelegentlich Gedanken unseres Protagonisten, die darauf schließen lassen, dass ihn das tägliche Einerlei des Lebens, die immer gleichen Verrichtungen und das unsinnige unseres Tuns im Allgemeinen nachdenklich gemacht haben.

Er geht seiner Wege und schert sich um nichts.

Peter Stamm umgibt seine Gestalten gerne mit unerklärlichen Geheimnissen. Das tiefste Innere eines Menschen bleibt bei ihm unerkannt. Der Gedanke ist naheliegend, dass es ihm um den Sinn des Lebens geht. Das Nachdenken darüber macht unsicher und ratlos. Da mag der eine oder andere beschließen, sich ein anderes und neues Leben zu suchen. Wie aber ergeht es unserem Helden? Und was bedeutet es für die Familie und die Umwelt, wenn einer auf Nimmerwiedersehen verschwindet?

Peter Stamm geht diesen Fragen in seinem neuen Roman nach. Er tut das wie immer akribisch und mit Details, die man sich normalerweise nicht auszudenken wagt.

Das Fazit: Die Figuren bleiben in ihrer Haltung stoisch und unnahbar. Das Leben geht weiter und ein Ende der Ungewissheit ist nicht in Sicht.

Veränderungen machen Angst und sind häufig nicht zu verstehen.

Das Leben ist rätselhaft und bleibt in den letzten Abgründen unerklärlich. Mit diesem Fazit bleibt der Leser zurück, den Fragen nach dem Sinn und Unsinn des Lebens gelegentlich ebenfalls umtreiben mögen.

Peter Stamm ist ein anerkannter Dichter, der in der Schweiz lebt.

Peter Stamm
Weit über das Land
224 Seiten, gebunden
S. Fischer
ISBN-10: 3100022270
ISBN-13: 978-3100022271
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Nina Blazon: Feuerrot

Nina Blazon: Feuerrot

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Magdalenas Familie lebt in Armut. So ist die junge Frau froh, nun beim Ravensburger Kaufmann Humpis eine Anstellung als Kammermagd zu haben. Bis Lucio, ein italienischer Kaufmannssohn, in die Familie kommt. Selbst verständlich weist sie ihn zurück, auch wenn es ihr schmeichelt, dass sie ihm gefällt. Er hat etwas Gefährliches im Blick, das ihr Angst macht.

Als der gefürchtete Inquisitor Heinrich Kramer in die Stadt kommt und bald einen Prozess gegen zwei Frauen anstrengt, die sich nichts zu Schulden kommen lassen haben, entbrennen bald weitere Verdächtigungen. Keine Frau ist mehr sicher. Dabei spielt Heinrich Kramer ein falsches Spiel. Wie er von Hexen spricht, macht Angst und es weckt Misstrauen unter den Menschen. Kein Wunder also, dass mancher bald nicht mehr weiß, was er glauben soll. Alles, was nicht geheuer ist, wird den Hexen zugeschrieben. Unter Folter und mit falschen Versprechen erpresst der Inquisitor von den Frauen ein Geständnis, dass sie dennoch auf den Scheiterhaufen führen wird. Und lässt sie Namen nennen. Was Zeugen zu sagen haben, nimmt er auf und verfolgt jede Spur. Und so führt jemand den Inquisitor auch zu Magdalena. Es soll nur der Anfang sein.

Es könnte einfach nur um Liebe gehen, wäre nicht Heinrich Kramer nach Ravensburg gekommen. Er facht den Aberglauben an und macht den Menschen Angst. Nina Blazon hat das in ihrer Geschichte auf beeindruckende Weise verarbeitet. Man kann diesen historischen Hintergrund sehr gut nachvollziehen. Diese Unruhe und die aufflammende Angst kommen dem Kaufmannssohn Lucio gerade recht. Die Autorin beschreibt ihn wie eine Spinne, die Runde um Runde webt und ihr Netz immer dichter macht, während der Inquisitor weiter Angst schürt.
Ich war mit jeder neuen Seite gespannt, wie es weiter geht. Und wie lange die Intrigen unentdeckt bleiben. Man wird wirklich gut unterhalten mit diesem Buch, das wunderbar auf die Zielgruppe der Jugendlichen zugeschnitten ist. So gibt es auch ein Nachwort, das sich mit den geschichtlichen Hintergründen beschäftigt.

Rezension von Heike Rau

Nina Blazon
Feuerrot
512 Seiten, gebunden
Ravensburger Buchverlag
ISBN-10: 3473401331
ISBN-13: 978-3473401338
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Sandra Hughes: Fallen

Sandra Hughes: Fallen

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Familientragödie…

Der fünfzehnjährige Luca will nur noch rasch zum Bankomaten, um sich Geld für eine Reise zu ziehen. Doch seine Rückkehr dauert sehr lange. Seine Mutter wird unruhig und zeigt sich besorgt.

In der Folge wird klar, dass dem Jungen etwas zugestoßen sein muß. In langen Sentenzen ergeht sich die Autorin Sandra Hughes im Schmerz einer Mutter. In ihren Fantasien befürchtet sie das Schlimmste.

Intensive Assoziationen und frei flottierende Gedanken um die Abwesenheit des Sohnes lassen den Leser unmittelbar teilnehmen am Innenleben einer schon immer ängstlichen Mutter. Wie oft hat sie in Gedanken Unheil befürchtet! Nun ist es also so weit!

Sandra Hughes ist empathisch berührt in ihren Gefühlen für eine Mutter, die zwischen Zweifel und Hoffen, nach und nach auch Verzweiflung und Wut, hin und her gerissen wird. Sie erfuhr schließlich, dass Luca lange ohne Hilfe auf dem Pflaster vor dem Bankomaten gelegen hat, bevor ihn ein Rettungswagen ins Krankenhaus brachte. Passanten haben ihn nicht wahrgenommen oder eigenen Ängsten Rechnung getragen. Er ist nach einem Hirnschlag schwerstbehindert. Hätte man ihm besser helfen können, wenn er früher in ärztliche Obhut gelangt wäre?

Mit diesen Fragen und gramvollen Gedanken schlägt sich eine Mutter herum, die schon in der langsamen Lösung des Sohnes hin zu mehr Selbständigkeit Schmerz und Ängste empfunden hat.

Nicht der Plot um den Unfall bildet den Kern der Erzählung, sondern die Trennung von Mutter und Sohn. Diese in allen Facetten zu beleuchten und zu reflektieren gelingt der Autorin ausgezeichnet.

„Fallen“ kann man als Metapher dafür verstehen, wie einem das Leben in Sekunden entgleiten kann. Unwiederbringliche Ereignisse, die außerhalb unseres Einflussbereichs passieren, legen das ganze bisherige Leben lahm. Neuorientierung und Umgestaltung aller bisherigen Normen und Formen sind die Folge! Die Summierung von Krankheit und schon zuvor begonnener Trennung wird in allen Schichten erforscht. Herausgekommen ist das Psychogramm einer Frau, die an ihrem Schicksal beinahe zugrunde geht. Leere, Angst und Verzweiflung sind darüber hinaus das Ergebnis einer schon längst angelegten Fehlentwicklung in Ehe und Familie. Sandra Hughes geht der Geschichte mit Akribie und tiefenpsychologischer Kenntnis auf den Grund.

Im Nachsatz erfahren wir, dass die Erzählung einer wahren Begebenheit nachempfunden ist.

Die Schweizer Autorin Sandra Hughes lebt und arbeitet in der Schweiz.

Sandra Hughes
Fallen
160 Seiten, gebunden
Dörlemann, Februar 2016
ISBN-10: 3038200298
ISBN-13: 978-3038200291
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Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit

Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit

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Um es gleich vorweg zu sagen: ich hatte von diesem Autor noch nichts gehört und gelesen. Umso freudiger war meine Überraschung, ihn mit diesem Roman kennenzulernen.

Es handelt sich um die Geschichte dreier Geschwister, die ihre Eltern bei einem Autounfall verloren haben und nun elternlos aufwachsen.

Die Erzählung beginnt schnell, schnörkellos und temporeich und ohne jegliche Sentimentalität. Der Kummer des jüngsten Sohnes Jules über den plötzlichen Verlust der Eltern ist dennoch hautnah nachzuempfinden. Die drei Geschwister wachsen in einem staatlichen Internat nach Jahrgängen getrennt auf. In der Vorgeschichte ist die Familie harmonisch und nett miteinander. Über allem steht eine Mutter, die ein gutes und freundliches Klima geschaffen hat. Die kurzen Urlaube in Frankreich bei der Mutter des Vaters, der Franzose ist, sind malerisch und naturverbunden, die Großmutter aber unbeliebt bei allen Familienmitgliedern. Zurück in München sind sie eine glückliche Familie.

Jules, der Jüngste der drei, ist der Icherzähler, der in langen Passagen das Geschehen bestimmt. Aus seinen Augen betrachtet passieren allerdings ab und zu seltsame Dinge, die er wahrnimmt, ohne sie zu verstehen.

In der Folge des Autounfalls nehmen die Geschwister sehr unterschiedliche Entwicklungen, verlieren sich über lange Zeit ganz aus den Augen, um im fortgeschrittenen Alter nach zahlreichen gelungenen und misslungenen Lebenserfahrungen wieder zusammenzufinden.

Zahlreiche Fragen nach dem Glück werden aufgeworfen. Die Antwort kann nicht anders sein, als sie hier gefunden wird: der Bruder Marty ist erfolgreich, zuverlässig und in seinem Glücksanspruch bescheiden. Zufriedenheit wiegt mehr als das überschäumende Glück. Die Schwester ist exzentrisch und findet nur langsam auf eine ruhige Spur. Jules aber ist der Melancholische, Zögerliche und Ängstliche, der erst nach vielen Umwegen zu sich und seiner großen Liebe findet.

Voller Poesie und malerischen Beschreibungen gerät man ganz in den Sog einer Familiengeschichte, die vielleicht exemplarisch für ähnliche Familienschicksale herhalten könnte.

Benedict Wells weiß seine Geschichte mit unerhörter Spannung zu steigern, so dass keine Minute Leerlauf oder Langeweile aufkommen kann. Reflektiert wird Gegenwart und Vergangenheit herangezogen, um von den Lebenswegen der Geschwister zu berichten. Diese sind voller Liebe, Schmerz und Abschiedskummer, nachdenklich, häufig tragisch und dann wieder von Glücksmomenten durchzogen. Die Phasen von Jugend, Pubertät und Erwachsenwerden unterliegen eigenen Gesetzen, die fürsorglicher Begleitung bedürfen. Hier ist sie nicht gegeben.

Poetisch, weise und klug vermittelt uns der Autor einen Eindruck davon, was Einsamkeit, Trauer und Glück für uns Menschen bedeuten. Die Palette der Erfahrungen ist breit gefächert. Sie bietet eine Ahnung davon, wie das Leben so spielt, welche Anteile wir oder unsere Ahnen an der Entwicklung haben, was vom Schicksal oder dem Zufall mit bestimmt sein könnte, und was unser Werden und Gedeihen prägt.

Alles in Allem ist das ein mitreißender Roman, den man sich nicht entgehen lassen sollte!

Benedict Wells

Vom Ende der Einsamkeit
368 Seiten, gebunden
Diogenes, Februar 2016
ISBN-10: 3257069588
ISBN-13: 978-3257069587
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Rita Falk: Leberkäsjunkie

Rita Falk: Leberkäsjunkie

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Ein Mord in Niederkaltenkirchen! Klar, dass der Eberhofer sich der Sache annimmt und wieder zum Dorfsheriff wird. Die Tote ist eine Brandleiche und die Pension der Mooshammer Liesl nun nicht mehr bewohnbar. Also zieht die Liesl erst mal bei den Eberhofers ein. Der Franz verhaftet, weil er dazu von oberster Stelle verdonnert wird, den Buengo, der eigentlich Fußball spielen soll, weil ohne ihn beim FC Rot-Weiß Niederkaltenkirchen nämlich nichts läuft. Aber was soll’s, er war nun mal zur falschen Zeit am falschen Ort.
Eberhofer hat also alle Hände voll zu tun, den wahren Mörder zu überführen. Aber eine Magen-Darm-Geschichte macht ihm das Leben schwer. Was die Oma veranlasst solche ungenießbaren Sachen wie Brokkoli-Tofu-Eintopf zu kochen.
Dann ist da noch die Susi mit dem gemeinsamen Sprössling, die ebenfalls Zeit beansprucht, die der Eberhofer einfach nicht hat. Wenigstens hilft der Rudi und spielt sich als Polizist auf, obwohl er nur Privatermittler ist.

Es ist eindeutig ein Krimi. Es gibt einen Fall. Allerdings rückt dieser sehr in den Hintergrund. Was nichts macht. Der Franz führ ein interessantes Leben. Da ist ordentlich was los. Sich plötzlich gesund ernähren zu müssen, ist für ein gestandenes Mannsbild echt schwer. Und die Oma wird diesmal richtig gemein. Sie lässt dem Franz absolut nichts durchgehen und hackt auch sonst mit viel Schwung auf ihm rum. Der Ton hat sich sehr verändert. Die liebenswerte Oma ist diesmal echt krass drauf.
Der Eberhofer hat sich also durchzuboxen diesmal. Aber es gelingt ihm dann doch ganz gut. Notfalls setzt er sich mit blöden Sprüchen oder Waffengewalt durch.
Das Buch gefällt. Man wird gut unterhalten. Und der Vollständigkeit halber wird auch der Fall sehr gut aufgelöst.
Es gibt auch diesmal wieder Rezepte von der Oma am Ende des Buches. Aber irgendwie fehlt der Brokkoli-Tofu-Eintopf …

Rezension von Heike Rau

Rita Falk
Leberkäsjunkie
Ein Provinzkrimi
320 Seiten, Klappenbroschur
Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423260858
ISBN-13: 978-3423260855
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Irmgard Keun: Kind aller Länder

Irmgard Keun: Kind aller Länder

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Eine abenteuerliche Reise…

Dieser wieder aufgelegte Roman von Irmgard Keun aus dem Jahr 1938 ist eine Neuentdeckung für alle jene, die das Nazireich nicht miterlebt haben.

Spontan beginnt die Geschichte der kleinen zehnjährigen Kully, als sie sich zu ihrem Leben in Hotels äußert. Dorthin nämlich verschlägt es sie in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts immer wieder: nach Brüssel, dann nach Ostende, Nizza, bis Amerika, nach Holland und wo nicht noch überall hin.

Sie lebt mit ihrer Mutter ständig in Geldnot, während ihr Vater, ein Schriftsteller, von Land zu Land reist, um bei diversen Verlegern Geld aufzutreiben. Er trinkt, er prasst und er vertröstet alle: seine Frau, seine Tochter und die zahlreichen Schuldner, die ihm immer auf den Fersen bleiben. Geflohen ist die Familie aus Deutschland, als Hitler sein Zerstörungswerk an den Juden und progressiven Denkern begann und zu immer neuen Auswüchsen trieb. Das Leben auf der Flucht von Ort zu Ort, heimatlos und verloren, fasst Irmgard Keun in die naiven Sätze und Worte der kleinen Kully. Diese spricht kindlich, denkt nach und lässt uns an ihren unvergorenen Vorstellungen über die Welt und die Welt der Erwachsenen in einfachen Worten teilhaben.

Wie sollte ein Kind damit fertig werden, das sich ständig von Verfolgern umringt sah, und das in einfachen Worten die Scham beschreibt, die es ergriffen hat, wenn Kellner und Hoteliers sie loswerden wollten? Die Geldnot zwang zu Hunger und ständiger Lügerei mit der stillen Hoffnung auf Versprechungen des Vaters, dass er sie schon bald mit einer großen Summe freikaufen würde.

Gerade die naive Sprechweise und der unschuldige Blick des Kindes öffnen den Blick auf die Grausamkeit von Vertreibung und Not, von Kälte und Armut ohne Perspektive für das Weiterkommen. Da muss die Kleine in einem Kaffee ausharren, weil der Vater sie erst des Abends wieder abholt. Sie weiß nicht, ob er denn wirklich kommen wird. Sein Verhalten ist so unzuverlässig und vage, dass das Kind sich oft verlassen und vergessen vorkommen muss. Die Mutter weint viel und bedarf häufig selber des Trostes. Auch reisen sie sehr plötzlich immer wieder von irgendwo ab, ohne dass das Ziel oder Warum ersichtlich wird. Der Vater organisiert die Reisen, aber man weiß zuweilen nicht, wo er selber denn nun steckt.

Die kurzen Sätze mit dem naiven Unterton kindlichen Denkens und den Folgerungen, die das Kind aus seinen Beobachtungen zieht, sind sehr anrührend.

Nichts klingt larmoyant oder altklug.

Das Sprichwort „Kindermund tut Wahrheit kund“ scheint sich hier zu bestätigen. Wie soll man das Verhalten Erwachsener verstehen, wenn man noch klein ist, und die Welt voller Geheimnisse steckt? Das Leben für Kully war ein Herumzigeunern mit unbekanntem Ziel und Sinn. Die Autorin hat sich die Sichtweise eines herumgestoßenen Kindes zueigen gemacht. Da darf man vieles sagen, was die Erwachsenen nicht äußern, auch weil sie dem ständigen Überleben selber ausgesetzt sind und dem Kind nichts erklären wollen. Das Kind bleibt mit seinen Träumen und Ängsten sich selbst überlassen.

Irmgard Keun gehörte selber zu den Flüchtlingen aus Hitler Deutschland, in dem für Juden und Andersdenkende keines Bleibens mehr war. In Ostende hatte Irmgard Keun eine Affäre mit Joseph Roth. In diesem Buch mag man sich an das Paar erinnern, das, immer auf der Suche nach Unterkunft und Nahrung, heimatlos geworden waren.

Irmgard Keun
Kind aller Länder
224 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, Februar 2016
ISBN-10: 346204897X
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Isabel Bogdan: Der Pfau

Isabel Bogdan: Der Pfau

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Skurrile Abenteuer und Erfahrungsberichte.

In die schottischen Highlands haben sich Lord McIntosch und seine Frau zurückgezogen. Auf einer ehemaligen Farm haben sie alle möglichen Gebäude in kleine Ferienhäuschen umgebaut – zum Entzücken vieler freundlicher Feriengäste. Doch auch einige Federviecher und zwei Hunde gehören zu dem netten Anwesen. Unter anderem gibt es fünf Pfauen, wovon der eine ungute Leidenschaften entwickelt hat: gegen alles, was blau ist und glänzt, geht er mit aggressivem Hacken bösartig vor.

Nun geraten eines Tages einige Manager zwecks Selbsterfahrung in die abgelegene Idylle. Die feinen Stadtmenschen müssen sich erst noch an die zuweilen recht schlicht anmutenden Unterkünfte gewöhnen. Der bösartige Pfau attackiert das schön glänzende und blau lackierte Auto der Topfrau. Später wird der Pfau von einem der vielen Hunde tot im Walde aufgespürt.

Eine skurrile Geschichte entspinnt sich um diese Szenerie. Mit gelegentlichem Witz und einer gewissen Komik kann Isabel Bogdan uns in das Leben auf dem Lande einweihen. Ein wenig langatmig ist die Geschichte allerdings schon. Doch weiß uns Isabel Bogdan gut zu unterhalten, wenn man den entsprechenden Humor für absurde Lebenssituationen aufbringt. Entfalten sich doch unter ungewöhnlichen Lebensbedingungen erst die wahren Charaktere des Menschen, und hier kann man dann viel erfahren über eben diese Mentalitätsunterschiede.

Der Erzählstrang bleibt der Pfau. Doch um ihn herum erleben wir die Banker mit allen ihren Eigenarten. Ein Kurzschluss legt das Stromnetz lahm. Die Chefin der Gruppe erkrankt an Grippe, und unermüdlicher Schneefall behindert die glückliche Heimfahrt. Der erschossene Pfau aber bereitet dem einen oder anderen mit seinem Verschwinden ernsthafte Sorgen. Hier fühlt sich mehr als einer schuldig am Tod dieses grässlichen Viechs.

Kurz und bündig bleibt die Geschichte etwas hängen im Alltagsgeschehen auf der abgelegenen Erholungsfarm.

Isabel Bogdan hat sich neben ihrer Schriftstellerei als hervorragende Übersetzerin bewiesen. Sie arbeitet und lebt in Hamburg.

Isabel Bogdan
Der Pfau
256 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, Februar 2016
ISBN-10: 3462048007
ISBN-13: 978-3462048001
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Shida Bazyar: Nachts ist es leise in Teheran

Shida Bazyar: Nachts ist es leise in Teheran

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Verlassene Heimat.

1979 wurde der Schah von Persien aus Teheran vertrieben, und durch eine Revolution, die vom Volke aus ging, gelangten die Mullahs an die Macht. Doch alle Hoffnungen auf Freiheit zerschlugen sich im Terror unter der neuen Herrschaft. Viele Freiheitskämpfer sahen sich zur Flucht aus dem Land gezwungen. Hier setzt der Roman von Shida Bazyar ein: ihr Held Behsad, dem Kommunismus verbunden, flieht und mit ihm seine geliebte Frau Nahid. In Deutschland leben sie und verfolgen von hier aus die Entwicklung in ihrem Orientgeknechteten Land. Behsad ist nach eigenem Bekunden Atheist. Menschen mit dieser Denkungsart können in einem Gottesstaat nicht leben, da sie sich damit der Verfolgung und dem Tod aussetzen.

1989 erleben wir Behsad mit seiner Frau und mehreren Kindern in Deutschland wieder. Hier ist man frei, hier darf man Brecht und andere linke Autoren lesen.

Über die Kinderbücher von Erich Kästner lernt man Deutsch und erfährt etwas über das Land, das ein Nazireich hervorgebracht hat.

Geheimnisvoll und in Andeutungen verläuft die Erzählung, die zu Beginn den Zauber des Orients atmet. In Deutschland erwarten die Flüchtlinge andere Sitten und eine andere Kultur. Sie trennt die Familie von den Gebräuchen ihrer Heimat. Behsad und Nahid gehören zu den ersten Emigranten, die ihr Land, das sie lieben, verlassen und in Deutschland ihr Heil suchen. Zurück ließen sie ihren guten Freund Peyman, von dem sie hinfort nur gelegentlich Nachrichten aus der Heimat erhalten.

Die Erzählung verläuft durch geringe Absätze und wenige direkte Reden in einer fast monotonen Weise. Vielleicht aber löst gerade diese Erzählweise Neugierde aus, denn sie unterstreicht die unterschiedliche Denkweise in Religion und Lebensweise der Völker des Orients von denen des Okzidents.

Behsad schaut genau hin und meint, etwas über den Kapitalismus zu lernen. Doch hier gibt es arm und reich, ohne dass die Rechte des Einzelnen eingeschränkt werden.

In Zehnjahresabschnitte wird aus den Augen der Kinder von Behsad und Nahid ein Bild aus dem Leben der Emigration gezeichnet. Die Kinder sind nach und nach assimilierte Deutsche geworden. Die Bindung an die Heimat ist zuletzt nur noch Erinnerung mit einer stillen Sehnsucht nach dem Land ihrer Väter.

Das Buch liest sich nicht leicht, weil die Zeitebenen zuweilen wechseln. Allerdings bekommt man einen Eindruck vom Leben in der Fremde. Kulturen wachsen in ihren eigenen Lebensräumen, und sie zu wechseln bedeutet Verlust, Sehnsucht und Heimweh. Politische Verhältnisse erfordern Anpassungen, die häufig gegen das eigene Gewissen stehen.

Shida Bazyar hat sicher persische Wurzeln, lebt aber schon lange in Deutschland, wo sie auch geboren wurde.

Ihr Buch bietet gerade unter den gegenwärtigen politischen Verwerfungen in Nahost und West einen emotional gewichtigen Beitrag zum Verständnis kultureller, politischer und religiöser Völkerdifferenzen.

Es ist ein eindrucksvolles Buch, das doch eine gewisse Fremdheit im Aufbau und Ausdruck vermittelt.

Shida Bazyar
Nachts ist es leise in Teheran
288 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, Februar 2016
ISBN-10: 3462048910
ISBN-13: 978-3462048919
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Keira Brennan: Die Herren der grünen Insel

Keira Brennan: Die Herren der grünen Insel

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Mit sechs Jahren erfährt Ascall, wie grausam die Welt und das Leben sind. Er beschließt, sich von ihnen nicht kleinkriegen zu lassen. Um als junger Herrscher, nachdem er seinen Vater und seine Mutter getötet hat, mehr Ansehen zu erlangen, bittet er um die Hand der Tochter Caitlín von Tadc O’Bjolan. Doch dieser Stammeskönig weist ihn zurück. Ascall schwört Rache. Das gelingt ihm schließlich im Alter von zwanzig Jahren. Er hat unzählige Kämpfe gefochten und Schlachten geführt. Ascall wird inzwischen von vielen Männern gefürchtet. Nach dem Tode Tadc O’Bjolans führt Riacán die O’Bjolan-Sippe an. Nun steht Ascall mit seinen Männern vor der Burg Riacáns, um sich dessen Schwester Caitlín zu holen und zu versklaven. Ascall ist ein brutaler, skrupelloser Herrscher geworden.

Die österreichische Autorin mit dem Pseudonym Keira Brennan hat ein Epos um die Macht auf der grünen Insel Irland geschrieben. Dabei erzählt sie auf nicht ganz tausend Seiten in verschiedenen Handlungsbögen die Machtkämpfe entlang der Schicksale verschiedener Hauptfiguren. Dazu gehören z. B. Riacán O’Bjolan, seine Schwester Caitlín, Ascall von Toora, der Waffenhändler Pól und einige mehr. Letzterer schmiedet so manche Ränke, nur um seine Waffen an den Mann bringen zu können. Außerdem erweist er sich als Lehrmeister in Sachen Intrigen. So wird die Geschichte von vier Familien während sechs langer Jahre voller Schlachten und Kriege erzählt. Der Leser lernt nicht nur die grüne Landschaft der Insel kennen, sondern auch, dass das Grün blutdurchtränkt ist. Brutal und brachial geht es zu im Irland des Mittelalters. Obwohl diese Zeit die Herrschaft der Männer bekräftigt, wird der Leser auch Frauen kennenlernen, die sich nicht unterdrücken lassen wollen.

Der Roman ist langer Lesestoff, in den der Leser sehr tief eintauchen kann, um das ganze Wochenende daraus nicht hervorzuschauen. Sowohl Landschaften, als auch Figuren sind facettenreich beschrieben. Kaum eine Beschreibung, die nicht mit passenden Metaphern oder Vergleichen die richtigen Bilder im Kopf erzeugt. Die Figuren lernen der Leser durch deren Worte und deren Handeln kennen. Er kann mit ihnen fühlen, er kann sie lieben oder hassen. Die Namen der Figuren entstammen dem irisch-gälischen Wortschatz, wie auch viele Bezeichnungen und Ortsangaben davon abstammen. Dadurch wirken sie leicht exotisch und erinnern an ein Fantasy-Epos. Die Autorin hat bei ihren Recherchen viele Mythen und Sagen zutage gefördert und auf interessante Weise in die Handlungen eingebunden. Als besonderes Stilmittel wurden die Gedanken der gerade agierenden Figuren besonders leserfreundlich in separaten Absätzen kursiv dargestellt. Die Gewalt des Mittelalters wird durch grobe und derbe Vergleiche und entsprechender Wortwahl überzeugend herübergebracht. Nahezu auf jeder Seite trieft es vor Dreck und Blut, Schwerter und Dolche kommen kaum zur Ruhe.

Ein großartiger Roman für alle, die George R. R. Martin, Diana Gabaldon oder Rebecca Gablé mögen. Ein Roman um Ehre, Stolz, Wut, Leidenschaft, Rache und Intrigen, ein Roman um Macht und Herrschaft, ein Spiel um den irischen Thron. Schade nur, dass Romane, die besonders gut gefallen, immer zu kurz sind. Selbst mit tausend Seiten.

Brennan, Keira
Die Herren der grünen Insel
Blanvalet Verlag
ISBN 9783764505592

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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SOS – Liebe kann schwimmen (Buchvorstellung)

SOS – Liebe kann schwimmen (Buchvorstellung)

Im Rahmen des FeuerWerke Verlags erscheinen ausgewählte Romane aus Leselupe-Kreisen als Taschenbuch und eBook. Den sechsten Roman möchten wir Ihnen hier vorstellen:

Den neue Garantiert-Gute-Laune-Liebesroman der Top 10 Bestseller-Autorin Emma Lots
Mia hat von den Kuppelversuchen ihrer Freundinnen die Nase gestrichen voll. In einer Nacht- und Nebelaktion bucht sie eine Single-Kreuzfahrt durchs Mittelmeer, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Ohne sich vorab groß über diese Art von Reisen zu informieren, tritt sie die Kreuzfahrt an und erfährt vor Ort, dass sie sich die Kabine mit einer weiteren Teilnehmerin teilen muss. Nina, Ihre Zimmergenossin, erfüllt komplett das Klischee – Frisöse, blond, einfältig und anstrengend. Zudem macht es den Anschein, als sei das Ganze mehr eine wilde Party-Veranstaltung als ein seriöser Singletreff. Noch bevor die Reise richtig begonnen hat, würde sich Mia am liebsten über die Reling stürzen und zurückschwimmen. Doch die Reise ist bezahlt, Mia auf dem Schiff und so fügt sie sich ihrem Schicksal und versucht das Beste daraus zu machen.
Um die Annäherung zwischen den Singles zu erleichtern, hat sich der Veranstalter etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Jeder Teilnehmer erhält eine Anstecknummer sowie einen Pager, mit dem er Nachrichten an die Nummer des oder der Auserwählten senden kann. Mia ist weder von dieser Durchnummerierung, noch von den sexistischen Spielen des Veranstalters begeistert – auch kann sie das Verhalten von Nina, ihrer Zimmergenossin, nicht nachvollziehen. Die feiert nämlich begeistert mit, knutscht und kann ihrerseits die missmutige Mia nicht verstehen.
Auch ein Kamerateam befindet sich an Board, welches eine Dokumentation über die Single-Kreuzfahrt dreht. Als mehr oder weniger unfreiwillige Darstellerin, bekommt Mia sogar die Möglichkeit, bei dieser Doku mitzuwirken – allerdings entpuppt sich der Regisseur als Vollidiot und Mias Karriere als aufgehender Stern scheint damit auch schon wieder im Meer versunken.
Nina – mit der sich Mia von Tag zu Tag mehr anfreundet – beschließt, Mia endlich den Spaß an der Reise zu vermitteln, und die beiden gehen abends zusammen auf eine Bord-Party. Und endlich beginnt auch Mia etwas aufzutauen…
Am nächsten Tag erhält Mia Nachrichten, von einer ihr unbekannten Nummer. Erst interessieren sie die kleinen Botschaften nicht, da sie diese einem unangenehmen Passagier zuordnet, doch dem gehört die Nummer nicht. Aber wem dann? Der Unbekannte schreibt Mia immer wieder an, ohne jedoch um ein Treffen zu bitten. Mias Neugier wird geweckt, da ihr seine Art und Weise zu schreiben immer besser gefällt. Der Kontakt wird immer intensiver, ohne aber konkreter zu werden. Bis Nina – genervt von dem Getue – sich Mias Pager schnappt und dem Unbekannten eine Ansage schickt. Das Ergebnis ist ein anderes, als erhofft. Wird Mia ihren Traumprinzen finden…?

Titel: “SOS – Liebe kann schwimmen”
Autor: Emma Lots
Genre: Humorvoller Liebesroman
Verlag: FeuerWerke Verlag
Jahr: 2016
ISBN eBook: 978-3-945362-16-7
ISBN Taschenbuch: 978-3-945362-17-4
Leseprobe: PDF
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