Val McDermid: Echo einer Winternacht

Val McDermid: Echo einer Winternacht

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Der 550 Seiten dicke Roman ist eigentlich in zwei Teile untergliedert. Es beginnt in einer eisigen Winternacht im Jahre 1978. In dem schottischen Universitätsstädtchen St. Andrews machen Alex und seine Freunde auf einem alten keltischen Friedhof eine grausige Entdeckung. Sie finden den blutüberströmten Körper der jungen Rosie. Zwar lebt sie noch, aber die Hilfe kommt dennoch zu spät. Aber diejenigen, die das Mädchen zu dieser ungewöhnlichen Zeit an diesem ungewöhnlichen Ort gefunden haben, werden von der Polizei auch als Täter verdächtigt. Nicht unbedingt alle gemeinsam, aber möglicherweise ein einzelner von ihnen, der später dann durch das Auffinden von sich ablenken wollte. Die Polizei kann ihnen aber nichts nachweisen. So bleibt es nur bei diesem Verdacht. Das allerdings über viele Jahre hinweg und außerdem scheint dieser Verdacht die Freunde voneinander entfernen.

25 Jahre später, als wegen technischer Entwicklungen die Polizeiarbeit noch weiter vorankommt, werden von der Polizei ungelöste Mordfälle wieder aufgerollt. So auch wird der Mord an dem Mädchen Rosie wieder auf den Schreibtisch gelegt. Außerdem scheint es jemandem zu geben, der seine eigene Vorstellung von Gerechtigkeit hat. Einer der vier Freunde kommt auf mysteriöse Weise ums Leben, obwohl diese Freunde von damals mittlerweile an unterschiedlichen Plätzen der Welt wohnen und leben. Wird bei dem ersten toten Freund zunächst noch ein Unfall vermutet, so ändert sich dies schnell, als kurz darauf ein zweiter durch einen mysteriösen Unfall ums Leben kommt. Alex will und muss herausfinden, wer es auf die vier Freunde abgesehen hat, denn schließlich möchte er selbst nicht das nächste Opfer sein.

Die schottische Autorin Val McDermid, selbst in dem Städtchen St. Andrews geboren wurde, hat sich spannenden Plot ausgedacht, der jenseits ihrer Helden angenehm unterhaltsam ist. Ganz ungewöhnlich ist das Ende der Romanhandlung im Jahre 1978. Der Leser wird sich zurecht die Frage stellen, wie es denn nun ab hier weitergehen soll. Schnell wird er dann aber merken, dass es im Jahre 2003 fast nahtlos weitergeht mit dem, was 1978 geschehen war. Noch mehr als in der ersten Hälfte des Romans rücken die vier Freunde in den Fokus der Geschichte. Dabei sind sie Opfer und Ermittler zugleich, oder auch Täter? Lange Zeit darf man den Ermittlungen beiwohnen und sie von allen Seiten betrachten. Belohnt wird der Leser schließlich am Ende mit einem fulminanten Show-down. Ein Überraschungsmoment jagt das nächste.
Obwohl sich für den Leser alles befriedigend auflöst, bleibt doch ein etwas fader Beigeschmack, denn am liebsten möchte man weiterlesen. Es ist einfach zu schade, den Roman aus der Hand zu legen.

McDermid, Val
Echo einer Winternacht
Aus dem Englischen von Doris Styron
Knaur Verlag
ISBN 9783426631584

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015
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Paul Grote: Die Spur des Barolo

Paul Grote: Die Spur des Barolo

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Die Weinreise ins Piemont endet für einen der Beteiligten mysteriös. Arnold Sturm löst sich auf der Heimreise in Luft auf. Seine Frau Francesca wartet auf dem Flughafen vergeblich auf ihren Mann. Arnolds Begleiter wissen von nichts. Keiner vermag zu sagen, ob er überhaupt im Flugzeug war. Und einige denken nicht daran, die Sache aufzuklären und machen sich gleich aus dem Staub. Die Polizei interessiert sich auch nicht für die Sache. Ein erwachsener Mann kann schließlich verschwinden, wohin er will.
Doch die Ehe war bisher in Ordnung. Francesca hat keinen Grund anzunehmen, dass ihr Mann der Familie den Rücken kehren wollte. Da die Polizei nicht helfen will, muss die Familie selbst nach Arnold suchen. Francesca greift den Vorschlag ihres Vaters auf. Sie nimmt die Rolle einer Wein-Einkäuferin an und versucht die Reiseroute ihres Mannes exakt nachzuvollziehen. Sie reist von einem Weingut zum nächsten, übernachtet, wo Arnold übernachtet hat und hält Augen und Ohren offen.

Es dauert ein wenig, ehe man im Krimi drin ist. Der Anfang ist wenig spannend. Aber Francesca ist eine interessante Persönlichkeit und es scheint, dass es lohnt, ihr weiter zu folgen. Und so ist es dann auch. Als Leser weiß man beizeiten, was Arnold geschehen ist, auch wenn man die Hintergründe nicht kennt, nicht weiß, wo er ist, und hier nur Vermutungen anstellen kann. Langsam kommt Spannung auf, die sich immer mehr verdichtet. Francesca scheint auf der richtigen Spur zu sein. Aber was sie dann tatsächlich aufdeckt, ist wirklich unglaublich.
Der Autor schmückt die Handlung mit reichlich Weinkunde aus. Manchmal ist es ein bisschen viel und lenkt vom eigentlichen Krimi ab. Wer sich für Wein interessiert, mag das allerdings anders sehen.
Insgesamt hat mir das Buch gefallen. Besonders das letzte Drittel fand ich sehr gut.

Rezension von Heike Rau

Paul Grote
Die Spur des Barolo
416 Seiten, gebunden
Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423216034
ISBN-13: 978-3423216036
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Chelsea Caine: K – kidnapped

Chelsea Caine: K – kidnapped

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Chelsea Caine hat eine extrem widersprüchluiche Protagonistin für ihren Thriller geschaffen. Kick Lannigan ist mit sechs Jahren entführt worden. Bevor sie fünf Jahre später wieder befreit wurde, hatte sie ihr Entführer im Umgang mit Waffen ausgebildet. Mit elf Jahren verfügte sie also bei ihrer Befreiung über ein hochintensives Killerpotential. Zurück im Schoße ihrer Familie ist sie alles andere als ein angepasstes, braves Mädchen. Ihr auf die Entfühhrung zurückgehendes Trauma setzt in ihr den bedingungslosen Wunsch frei, sich niemals von irgend jemandem zu irgend etwas zwingen zu lassen. Deshalb bildet sie sich in allen Verteidigungskünsten aus und perfektioniert den Umgang mit Waffen. Als sie 21 Jahre ist, taucht John Bishop in ihrem Leben auf. Er bringt sie dazu, ihren natürlichen Instinkt, vermissten Kindern zu helfen, in effektive Kanäle zu lenken.

In diesem ersten Roman einer neuen Reihe der Autorin geht es zu einem Großteil um die Figuren. Sie werden sehr ausführlich vorgestellt und trotz aller Kratzbürstigkeit kann dem Leser Kick, die in ihrem jungen Leben schon extrem viel mitgemacht und erlitten hat, ans Herz wachsen. Während sie sich damit beschäftigt, wer John Bishop ist, wird er auf unkonventionelle Weise dem Leser vorgestellt. Der erfährt, dass es noch einen „Mann im Hintergrund“ gibt, einen Geldgeber.

Obwohl auch Action-Szenen eingesetzt werden und dem Leser das Blut in den Adern zu stocken scheint, zieht dieser Roman seine Spannung aus den Geheimnissen. Man erfährt nur bruchstückhaft, was mit Kick nach ihrere Entführung passiert war, was mit vielen anderen vermissten Kindern passiert ist. Die Geduld wird beim Lesen sehr auf die Probe gestellt. Ein Thriller, der nicht aus der Hand gelegt wird, denn er punktet mit einer wohltemporierten Mischung aus Humor, Aktion und Spannung. Rasanter Thrill mit sympathischen Protagonisten.

Caine, Chelsea
K – kidnapped
Aus dem Amerikanischen von Lilith Winter
Blanvalet, München
ISBN 9783734100413

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015

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Tanja Heitmann: Nebelsilber

Tanja Heitmann: Nebelsilber

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Die siebzehnjährige Edie und ihr Vater brauchen eine Auszeit. Ein einsames Haus im Spreewald, im kleinen Dörfchen Wasserruh, das sich im Familienbesitz befindet, ist der geeignete Ort dafür. Edie muss von ihren Liebeskummer loskommen und ihr Vater braucht etwas Abstand zu seiner Frau, der Mutter von Edie.

Die Gegend ist voller Mythen und Legenden, die wirklich unheimlich sind. Der Erlenkönig scheint hier das Zepter in der Hand zu halten. Über die Jahrzehnte hat er sich so manches Kind geholt. So auch Silas Sterner, der nun nach zehn Jahren plötzlich wieder auftaucht. Die Dorfgemeinschaft weiß nicht, was sie davon halten soll, die Eltern des mittlerweile fast erwachsenen Jungen schon gar nicht. Zumal Silas vorgibt, die Erinnerung verloren zu haben. Edie ist überzeugt, dass ihr Herzschlag den Jungen zurückgebracht hat. Sie hat eine Gabe, mehr zu fühlen und zu sehen als andere.

Edie mag Silas. Sie ist gern mit ihm zusammen, nur scheint es, dass der Erlenkönig alles daran setzt, ihn zurückzuholen in die Nachtschatten tief unter der Erde.

Ein einsames Dorf, alte windschiefe Häuser, auf unsicherem Boden erbaut, die tückischen Fließe und der verwunschene Erlenwald, der unheimliche Nebel und die Kälte. Ich kann mir diese Kulisse sehr gut vorstellen. Es verstärkt die Wirkung, die die Geschichte hat. Alles ist geheimnisvoll und man mag sich eigentlich gar nicht ausmalen, was wirklich vorgeht. Es kann nichts Gutes sein.
Tatsächlich hat die Autorin die Hintergründe zur Geschichte sehr glaubwürdig entwickelt. Mich hat fasziniert, welche Abgründe sich auftun. Aber nur so kann diese Geschichte realistisch wirken. Natürlich muss man dafür der Fantasie der Autorin folgen und sich darauf einlassen. Das ist mir aber mühelos gelungen. Es gibt viele interessante Wendungen im Buch. So hat die Autorin auch das Ende unerwartet gestaltet.

Rezension von Heike Rau

Tanja Heitmann
Nebelsilber
400 Seiten, gebunden
cbt, München
ISBN-10: 3570161218
ISBN-13: 978-3570161210
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Franziska Franke: Sherlock Holmes und das Geheimnis der Pyramide

Franziska Franke: Sherlock Holmes und das Geheimnis der Pyramide

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Jetzt muss es endlich mal gesagt werden: Arthur Conan Doyle ist ein Pseudonym von Franziska Franke. Sie schreibt ihre Romane um Sherlock Holmes und seinem Partner David Tristram so stilecht, wie es das Original kaum besser machte.

Nach ihrem Abenteuer auf Malta (Sherlock Holmes und der Ritter von Malta) reisen Sherlock Holmes und David Tristram nach Ägypten. Ihr persönliches Interesse ist angestachelt worden. In Alexandria wollen sie sich Kunstwerke anschauen und erfahren bei den Kunstexperten, dass eine Landkarte, die sehr gut für Ausgrabungen benutzt werden kann, abhanden gekommen ist. Welch ein Zufall. Da beide Detektive sind, bieten sie sich für das Auffinden der Karte an. Kaum sind sie wegen ersten Ermittlungen unterwegs, da erfahren sie aus der Presse, dass einer ihrer diesbezüglichen Gesprächspartner ermordet worden ist. An der Leiche fand man einen Hinweis, dass es allen Dieben so ergehen werde. Nun ist aus dem kleinen Suchauftrag doch noch ein „richtiger“ Fall geworden, folgert Tristram.

Zwar spielen die Romane von Franziska Franke immer etwa zur selben Zeit zum Ende des 19. Jh., aber die Orte der Handlungen sind jeweils ganz andere. Da erfreut es, mit welcher Leichtigkeit die Autorin die örtlichen Gegebenheiten, das Flair, die Athmosphäre widergibt. Im vorliegenden Roman geht es in den Orient und ein Hauch von 1001er Nacht kommt beim lesen auf. Man wird erinnert an die im Orient spielden Karl-May-Romane, an Indiana Jones etc. Man scheint selbst durch die engen Gassen oder über einen Basar zu gehen und meint, von den Gerüchen und Geräuschen umgeben zu sein.

Für Leser, die sich im wahrsten Sinne de Wortes auf eine Reise in den alten Orient begeben wollen. Rätselspaß aufgrund des spannenden Kriminalfalls inklusive.

Franka, Franziska
Sherlock Holmes und das Geheimnis der Pyramide
KBV Verlag, Hillesheim
ISBN 9783954412617

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015
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Anne Gesthuysen: Sei mir ein Vater

Anne Gesthuysen: Sei mir ein Vater

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Fantasie und Wirklichkeit…

Die bekannte Fernsehmoderatorin Anne Gesthuysen hat nach dem Roman über drei Tanten „Wir sind doch Schwestern“ einen neuen Roman geschrieben. Die Geschichte ist angelehnt an die authentische Malerin Georgette Agutte und ihres Mannes Marcel Sembat.

Wie hat alles angefangen?

Zwei Austauschschülerinnen aus den achtziger Jahren haben enge Freundschaft geschlossen. Besonders Lilie Agutte aus Frankreich hat in dem Vater von Hanna am Niederrhein einen „Gastvater“ gefunden, dem sie sich eng verbunden fühlt. Ihre eigenen Eltern und besonders der Vater waren nie so richtig für sie da. Sie fährt 2007 nach Veen an den Niederrhein, um den Gastvater zu besuchen, der an Krebs erkrankt ist. Mit im Gepäck hat sie ein Bild, das lange in ihrer Wohnung in Paris herum hing ohne rechte Würdigung zu erfahren. Man hatte es ihr bei einem Einbruchsversuch zu entwenden versucht. Ist es denn etwas wert, und wer ist der/ die MalerIn? Hermann, der Gastvater, wird neugierig und beginnt, sich intensiv mit der Entstehungsgeschichte zu befassen. Dabei erleben er und seine zwei „Töchter“ Neuigkeiten ganz eigener Art. Die Entstehungsgeschichte des Bildes datiert etwa um das Ende des 19. Jahrhunderts.

In wechselnden Szenen sind wir einmal in Deutschland um 2007, um uns dann wieder in die Darstellung des Bildes und seines möglichen Ursprungs zu vertiefen. Lilie, Hanna und ihr Vater machen sich auf eine abenteuerliche Reise, um der Geschichte des Bildes und damit der Ahnen von Lilie auf die Spur zu kommen.

Wir werden zurückversetzt in die Zeit der Belle Epoque mit allen ihren damaligen Kunstrichtungen und den bekannten Malern und Künstlern des Impressionismus. Die drei erfahren bei ihrer Suche, dass Lilies Ururgroßtante Georgette Agutte eine talentierte Malerin war. Zu ihrem Freundeskreis gehörten Maler wie Matisse, Pissarro und viele andere Künstler. Sie war in zweiter Ehe glücklich verheiratet mit dem sozialistischen Politiker Marcel Sembat.

Anne Gesthuysen weiß leicht und unkompliziert zu erzählen, wenn ihr die Anfänge der Geschichte auch ein wenig breit und ausufernd geraten sind. Ihre Familiengeschichten sind warmherzig und liebevoll angelegt. Hier hat sie das Wagnis unternommen, eine wahre Geschichte mit einem fiktiven Roman zu verbinden. Das hat ihrer Fantasie keine Grenzen gesetzt. Man merkt, dass sie Lust am „Schreiben“ hat. In langen Passagen schildert sie Mensch und Natur, lässt ihre Figuren Dialoge führen und befasst sich mit Kunstgeschichte und Geschichte, die bis zum Beginn und Ende des Ersten Weltkriegs reicht. Wie den Faden eines Wollknäuels verwirrt und entwirrt sie ihre Geschichte mit immer neuen möglichen Lösungen. Nicht zuletzt dreht sich die Erzählung um Familienbeziehungen, gute wie weniger gelungene, und um die „Zeit“ als Rahmen für Beginn und Abschied.

Man darf mit Fug und Recht sagen: es ist eine leicht zu lesende Lektüre!

Anne Gesthuysen
Sei mir ein Vater
432 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, November 2015
ISBN-10: 3462048325
ISBN-13: 978-3462048322
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Dorothy Baker: Zwei Schwestern

Dorothy Baker: Zwei Schwestern

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Blick in die Abgründe der menschlichen Seele…

Der wörtlich übersetzte englische Titel „ Cassandra auf der Hochzeit“ wäre wohl der bessere Titel gewesen, denn es geht hier um Zwillinge, von denen der eine sich zur Heirat entschlossen hat, der andere aber in symbiotischer Beziehung zum Gegenüber hängen geblieben ist.

Von Beginn an geht es um diese geplante Hochzeit, von der die Schwester Cassandra einfach nichts wissen will. Sie ist Dozentin in Berkley und macht sich unwillig auf die Reise zu ihrer elterlichen Ranch, wo die Hochzeit ihrer Schwester Judith mit einem jungen Arzt stattfinden soll. Gleich zu Beginn spürt man Cassandras Sarkasmus und ihre Ungläubigkeit, dass ihre Schwester Judith sie verlassen wird. Judith ist gelassen und ruhig. Sie hat ihr Leben selber in die Hand genommen, weil sie ein eigenständiges Leben liebt. Cassandra ist innerlich wütend und hektisch. Die Erzählung ist so gehalten, dass man deutlich spürt, wie sie rebelliert und gegen den Vorsatz der Schwester anzugehen versucht. Die Schwestern waren sich so innig verbunden, dass sie sogar die gleichen Kleider zur Hochzeit unabhängig voneinander ausgesucht haben! Judith wird Zeugin eines Dramas, in dem sie die Hauptrolle als ungetreue Schwester spielt. Schaut Cassandra in den Spiegel, sieht sie zugleich mit dem eigenen Spiegelbild das Gesicht der Schwester. Ohne es zu bemerken, hat sich Judith von Cassandra entfernt. Diese ist darüber zutiefst schockiert und aufgebracht.

Der Kampf zweier äußerlich gleicher aber charakterlich und mental ungleicher Schwestern bestimmt das gesamte Geschehen in dem Roman. Die Begegnungen finden auf der elterlichen Ranch statt. Dort lebt neben dem Vater, einem pensionierten Philosophen, nur noch die etwas exzentrische Großmutter.

Die Autorin spielt auf der Klaviatur der Gefühle, in der sich die vier Menschen verhakt haben. Die Zwillingsschwestern erzählen abwechselnd in der Ichform, so dass man meint, es habe sich alles genauso zugetragen.

Mit feinem Gespür für die Seele des Menschen analysiert Dorothy Baker eine Beziehung, die durch Geburt als Zwillinge in einer ausweglosen Symbiose zu ersticken droht. Bei der äußerlichen und durch die Heirat von Judith auch innerlichen Trennung geht Cassandra existenziell fast zugrunde.

Die Geschichte wird packend erzählt und schlägt den Leser durch feine Nuancierungen in der Wahrnehmung der Gefühle Cassandras in Bann. Man kann sich gut in ihr inneres Erleben einfühlen. Dorothy Baker ist eine ausgezeichnete Beobachterin und Erzählerin. Ihr Roman fesselt u.a. durch die Tragik im Erleben ihrer Hauptfigur.

Gelegentliche Längen tun der Lektüre keinen Abbruch.

Dorothy Baker (1907 -1968) ist ähnlich wie John Williams mit seinem Roman „Stoner“ eine Wiederentdeckung aus dem letzten Jahrhundert. 1965 erschien ihr Roman in der Übersetzung von Günther Huster zum ersten Mal auf Deutsch. Jetzt ist er in der guten Übersetzung von Kathrin Razum bei dtv neu aufgelegt worden.

Man kann ihn sehr empfehlen!

Dorothy Baker
Zwei Schwestern
280 Seiten, gebunden
dtv Verlagsgesellschaft, September 2015
ISBN-10: 342328059X
ISBN-13: 978-3423280594
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Ian Rankin: Mädchengrab

Ian Rankin: Mädchengrab

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In diesem achtzehnten John-Rebus-Roman wird der Detective Inspector A.D. aus dem Ruhestand zurückgeholt. Nun sitzt er in der Abteilung mit den „Cold Cases“, den nicht aufgehklärten Fällen der Kripo, und hadert mit seinem aroganten Chef. Nebenbei bekommt er mit, dass es aktuell ein vermisstes Mädchen gibt, an deren Suche die Kollegen in den anderen Abteilungen des Präsidiums von Edinburgh arbeiten. Dann wird Rebus von der Mutter eines ebenfalls vermissten Mädchens angesprochen. Doch deren Tochter ist vor vielen Jahren verschwunden. Das Mädchen wurde nie gefunden. Die Mutter hatte sich bei jedem vermissten Mädchen immer wieder an die Polizei gewandt in der Hoffnung, dass diese den Fall ihrer Tochter wieder aufgreifen. Das ist aber all die Jahre nicht geschehen. Sie hatte nie Gehör gefunden. Nun setzt sie alle Hoffnung auf John Rebus, von dem sie weiß, dass er sich in einen Fall verbeißen kann. Rebus schreit zwar nicht „Hurra“ über diese Aufgabe, aber das Leid der Mutter geht ihm schon nah. Außerdem wird ihm ein Hintertürchen zu dem aktuellen Fall des vermissten Mädchens geöffnet und er kann wieder mit seiner ehemaligen Kollegin Siobhan Clarke zusammenarbeiten. Er bekommt wieder das Gefühl, noch gebraucht zu werden und nicht zu den „Cold Cases“ auf dem Abstellgleis zu ruhen.

Dieser Roman ist ein fesselnder Regiokrimi aus Schottland. Rankin bezieht die schottische Landschaft mit vielen Details ein. Straßen, Plätze und Kreuzungen werden von ihm mit Akribie beschrieben und nach der Lektüre dieses Romans könnte man schnell das Gefühl bekommen, selbst die eine oder andere Straße mit verbundenen Augen befahren zu können. Dieser Lokalkolorit gefällt mir. Was mir aber besonders gefällt, sind die Figuren. Der greinelnde Rebus und seine Kollegin üben einen starken Sog aus. Es ist wie eine Hassliebe zwischen den beiden. Rebus wird wegen seiner querulanten Extratouren im Präsidium nicht gern gesehen und könnte ein Hemmklotz für die Karriere von Clarke darstellen. Das weiß sie, auch sie ist nicht mit allem einverstanden, was er macht. Aber schließlich kennt sie ihn zu gut, um nicht seine Ermittlerqualitäten und auch seine versteckten menschlichen Eigenschaften richtig einzuschätzen.

Es macht einfach Spaß, diesen Ermittlungen zu folgen, sich gemeinsam mit den Ermittlern in die Irre führen zu lassen, sich die eine oder andere schottische Gepflogenheit zeigen zu lassen. Nur selten hält mich ein Buch so davon ab, im Anschluss sofort nach einern neuen Roman zu greifen, wie es dieses getan hatte. Ich trauerte dem Ende hinterher und hatte zwei ganze Tage Lesepause.

Rankin, Ian
Mädchengrab
Goldmann, München
ISBN 9783442480913

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015

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Jonathan Stroud: Lockwood & Co. Band 3 – Die raunende Maske

Jonathan Stroud: Lockwood & Co. Band 3 – Die raunende Maske

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Die Geisterplage hat ein nie gekanntes Ausmaß angenommen. Ein Stadtteil Londons wird besonders schlimm heimgesucht. Es ist der größte Fall, seit das Problem begonnen hat. Lockwood & Co. werden allerdings nicht hinzugezogen. Die Agentur ist einfach zu klein und unbeachtet. Das ärgert Anthony Lockwood, Lucy Carlisle und George Cubbins natürlich sehr. Doch gerade George ist es, der das Zentrum der Geistererscheinung durch akribische Recherchearbeit ergründet. Zwar nimmt das keiner ernst. Doch Lockwood findet Helfer und so wird ein Kaufhaus, das auf einem alten Gefängnis erbaut wurde, näher unter die Lupe genommen. Über Nacht will das Team herausfinden, was hier vorgeht.

Das von Geistern heimgesuchte London nimmt mich auch diesmal gefangen. Die Geschichte beginnt mit einem unheimlichen Fall, der beinahe aus dem Ruder läuft, weil Lucy ihre Fähigkeiten austestet. Fortan geht Lockwood ihr aus dem Weg und widmet seine Aufmerksamkeit der neuen Mitarbeiterin Holly Munroe, die eigentlich den Bürokram erledigen und für Ordnung sorgen soll. Sie wird jedoch bald zu den Aufträgen hinzugezogen. Auch der wispernde Schädel ist mit dabei und verkündet wie immer Unheil. Genau wie Lucy kann er die Neue nicht ausstehen und gießt kräftig Öl ins Feuer.

Der neue Fall hat eine nie gekannte Größenordnung. Lockwood und sein Team gehen heran wie immer, aber so ist dem Ganzen nicht beizukommen. Die Gefahr für alle Beteiligte wird unüberschaubar. Insbesondere Lucy schlägt einen eigenen Weg ein, und lässt Vorsichtsmaßnahmen außer Acht, ohne die Folgen auch nur zu erahnen. Da muss man als Leser schon einige Male die Luft anhalten.

Auch das Drumherum stimmt. Lucys Gefühle für Lockwood, ihre Eifersucht Holly gegenüber, die schlechte Zusammenarbeit mit der Polizei und Inspector Barnes, die Stress für das gesamte Team … All das führt zu brenzligen Situationen, die kaum beherrschbar scheinen.

Und das Ende? Wird gut aufgelöst und dann gibt es noch eine böse Überraschung, sodass ich sehr gespannt bin, wie es in einem nächsten Band weitergehen wird.

Rezension von Heike Rau

Jonathan Stroud
Lockwood & Co. Band 3 – Die raunende Maske
Aus dem Englischen von Katharina Orgaß und Gerald Jung
464 Seiten, gebunden
cbj, München
ISBN-10: 3570159639
ISBN-13: 978-3570159637
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Tamara Dietl: Die Kraft liegt in mir

Tamara Dietl: Die Kraft liegt in mir

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Bewältigungsstrategien in Lebenskrisen.

Tamara Dietl hat ein durchreflektiertes Buch über ihre Jahre mit dem kürzlich verstorbenen Regisseur Helmut Dietl geschrieben.

Als sie ihn kennenlernt, ist sie bereits eine erwachsene und sehr reife Persönlichkeit. Sie war Journalistin, Dokumentarfilmerin und inzwischen Coach für diverse Unternehmen. Angezogen von den Thesen des Psychiaters Viktor Frankl hat sie sich dessen Lehren vom Sinn des Lebens zu Eigen gemacht. VF war Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse. Von diesen Thesen ist sie tief durchdrungen. Sie basieren auf einer positivistischen Sichtweise des Lebens, in dem wir Herr unseres Schicksals und unserer Handlungen sind.

Krisen bieten demnach die Möglichkeit, sich auf sich selber zu besinnen und sich durch Eigenerkenntnis zu stärken. Wir sind nicht Herr über das Leben oder Sterben, wohl aber darüber, wie wir leben oder sterben.

Darüber hinaus ist die Autorin durch Großmutter und Mutter schon früh auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft aufmerksam geworden. Sie nimmt Emanzipation als Funktion war. Wir können gleich berechtig handeln, ohne gleich zu sein.

Todesfälle im Freundes- und Familienkreis sind jeweils tief emotional anrührende Momente, die Tamara Dietl trauernd durchlebt, ohne sich zu verlieren.

Von Beginn an merkt man in ihren Aufzeichnungen, wie stark sie ist, und wie selbst bestimmt sie auch die Ehe mit Helmut Dietl eingeht. Natürlich hat sie mit 36 Jahren, als sie ihn kennenlernt, bereits eine beachtliche Karriere in wechselnden Berufen hinter sich. Sie weiß, dass sie alleine leben kann, und sie weiß, wie man Partnerschaft durch sinnvolle Absprachen gestalten kann, so dass das Scheitern der Beziehung möglichst nicht einkalkuliert werden muss.

Helmut Dietl war fast zwanzig Jahre älter als sie. Durch seinen Tod wurde eine offensichtlich harmonische, liebevolle und von zwei gleichberechtigten Partnern bestimmte Beziehung vorzeitig beendet.

Tamara Dietl beschreibt ihren inneren Werdegang sehr einleuchtend. Sie reflektiert alle Begebenheiten in ihrem Leben mit Neugierde und anhaltendem Interesse für die inneren Zustände, in denen sie sich befindet. „Einhalten und Durchatmen“ sind ihre Devisen; damit ist sie weit gekommen. Nicht jedem sind die intellektuellen Möglichkeiten und Feinheiten gegeben, so diszipliniert zu denken, das eigene Verhalten zu Durchforschen und Ergebnisse zu akzeptieren.

Den folgenden Spruch hat sie sich als Tröstung zu Eigen gemacht:

Gott gebe mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen,
die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern,
die ich ändern kann
und die Weisheit,
das eine vom andern zu unterscheiden.

Friedrich Christoph Oetinger (1702 -1782)

Man profitiert von ihren Aufzeichnungen auf je eigene Weise und kann sie sehr empfehlen.

Tamara Dietl
Die Kraft liegt in mir
296 Seiten, gebunden
btb Verlag, November 2015
ISBN-10: 3442754941
ISBN-13: 978-3442754946
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