Ian Rankin: Mädchengrab

Ian Rankin: Mädchengrab

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In diesem achtzehnten John-Rebus-Roman wird der Detective Inspector A.D. aus dem Ruhestand zurückgeholt. Nun sitzt er in der Abteilung mit den „Cold Cases“, den nicht aufgehklärten Fällen der Kripo, und hadert mit seinem aroganten Chef. Nebenbei bekommt er mit, dass es aktuell ein vermisstes Mädchen gibt, an deren Suche die Kollegen in den anderen Abteilungen des Präsidiums von Edinburgh arbeiten. Dann wird Rebus von der Mutter eines ebenfalls vermissten Mädchens angesprochen. Doch deren Tochter ist vor vielen Jahren verschwunden. Das Mädchen wurde nie gefunden. Die Mutter hatte sich bei jedem vermissten Mädchen immer wieder an die Polizei gewandt in der Hoffnung, dass diese den Fall ihrer Tochter wieder aufgreifen. Das ist aber all die Jahre nicht geschehen. Sie hatte nie Gehör gefunden. Nun setzt sie alle Hoffnung auf John Rebus, von dem sie weiß, dass er sich in einen Fall verbeißen kann. Rebus schreit zwar nicht „Hurra“ über diese Aufgabe, aber das Leid der Mutter geht ihm schon nah. Außerdem wird ihm ein Hintertürchen zu dem aktuellen Fall des vermissten Mädchens geöffnet und er kann wieder mit seiner ehemaligen Kollegin Siobhan Clarke zusammenarbeiten. Er bekommt wieder das Gefühl, noch gebraucht zu werden und nicht zu den „Cold Cases“ auf dem Abstellgleis zu ruhen.

Dieser Roman ist ein fesselnder Regiokrimi aus Schottland. Rankin bezieht die schottische Landschaft mit vielen Details ein. Straßen, Plätze und Kreuzungen werden von ihm mit Akribie beschrieben und nach der Lektüre dieses Romans könnte man schnell das Gefühl bekommen, selbst die eine oder andere Straße mit verbundenen Augen befahren zu können. Dieser Lokalkolorit gefällt mir. Was mir aber besonders gefällt, sind die Figuren. Der greinelnde Rebus und seine Kollegin üben einen starken Sog aus. Es ist wie eine Hassliebe zwischen den beiden. Rebus wird wegen seiner querulanten Extratouren im Präsidium nicht gern gesehen und könnte ein Hemmklotz für die Karriere von Clarke darstellen. Das weiß sie, auch sie ist nicht mit allem einverstanden, was er macht. Aber schließlich kennt sie ihn zu gut, um nicht seine Ermittlerqualitäten und auch seine versteckten menschlichen Eigenschaften richtig einzuschätzen.

Es macht einfach Spaß, diesen Ermittlungen zu folgen, sich gemeinsam mit den Ermittlern in die Irre führen zu lassen, sich die eine oder andere schottische Gepflogenheit zeigen zu lassen. Nur selten hält mich ein Buch so davon ab, im Anschluss sofort nach einern neuen Roman zu greifen, wie es dieses getan hatte. Ich trauerte dem Ende hinterher und hatte zwei ganze Tage Lesepause.

Rankin, Ian
Mädchengrab
Goldmann, München
ISBN 9783442480913

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015

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Jonathan Stroud: Lockwood & Co. Band 3 – Die raunende Maske

Jonathan Stroud: Lockwood & Co. Band 3 – Die raunende Maske

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Die Geisterplage hat ein nie gekanntes Ausmaß angenommen. Ein Stadtteil Londons wird besonders schlimm heimgesucht. Es ist der größte Fall, seit das Problem begonnen hat. Lockwood & Co. werden allerdings nicht hinzugezogen. Die Agentur ist einfach zu klein und unbeachtet. Das ärgert Anthony Lockwood, Lucy Carlisle und George Cubbins natürlich sehr. Doch gerade George ist es, der das Zentrum der Geistererscheinung durch akribische Recherchearbeit ergründet. Zwar nimmt das keiner ernst. Doch Lockwood findet Helfer und so wird ein Kaufhaus, das auf einem alten Gefängnis erbaut wurde, näher unter die Lupe genommen. Über Nacht will das Team herausfinden, was hier vorgeht.

Das von Geistern heimgesuchte London nimmt mich auch diesmal gefangen. Die Geschichte beginnt mit einem unheimlichen Fall, der beinahe aus dem Ruder läuft, weil Lucy ihre Fähigkeiten austestet. Fortan geht Lockwood ihr aus dem Weg und widmet seine Aufmerksamkeit der neuen Mitarbeiterin Holly Munroe, die eigentlich den Bürokram erledigen und für Ordnung sorgen soll. Sie wird jedoch bald zu den Aufträgen hinzugezogen. Auch der wispernde Schädel ist mit dabei und verkündet wie immer Unheil. Genau wie Lucy kann er die Neue nicht ausstehen und gießt kräftig Öl ins Feuer.

Der neue Fall hat eine nie gekannte Größenordnung. Lockwood und sein Team gehen heran wie immer, aber so ist dem Ganzen nicht beizukommen. Die Gefahr für alle Beteiligte wird unüberschaubar. Insbesondere Lucy schlägt einen eigenen Weg ein, und lässt Vorsichtsmaßnahmen außer Acht, ohne die Folgen auch nur zu erahnen. Da muss man als Leser schon einige Male die Luft anhalten.

Auch das Drumherum stimmt. Lucys Gefühle für Lockwood, ihre Eifersucht Holly gegenüber, die schlechte Zusammenarbeit mit der Polizei und Inspector Barnes, die Stress für das gesamte Team … All das führt zu brenzligen Situationen, die kaum beherrschbar scheinen.

Und das Ende? Wird gut aufgelöst und dann gibt es noch eine böse Überraschung, sodass ich sehr gespannt bin, wie es in einem nächsten Band weitergehen wird.

Rezension von Heike Rau

Jonathan Stroud
Lockwood & Co. Band 3 – Die raunende Maske
Aus dem Englischen von Katharina Orgaß und Gerald Jung
464 Seiten, gebunden
cbj, München
ISBN-10: 3570159639
ISBN-13: 978-3570159637
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Tamara Dietl: Die Kraft liegt in mir

Tamara Dietl: Die Kraft liegt in mir

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Bewältigungsstrategien in Lebenskrisen.

Tamara Dietl hat ein durchreflektiertes Buch über ihre Jahre mit dem kürzlich verstorbenen Regisseur Helmut Dietl geschrieben.

Als sie ihn kennenlernt, ist sie bereits eine erwachsene und sehr reife Persönlichkeit. Sie war Journalistin, Dokumentarfilmerin und inzwischen Coach für diverse Unternehmen. Angezogen von den Thesen des Psychiaters Viktor Frankl hat sie sich dessen Lehren vom Sinn des Lebens zu Eigen gemacht. VF war Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse. Von diesen Thesen ist sie tief durchdrungen. Sie basieren auf einer positivistischen Sichtweise des Lebens, in dem wir Herr unseres Schicksals und unserer Handlungen sind.

Krisen bieten demnach die Möglichkeit, sich auf sich selber zu besinnen und sich durch Eigenerkenntnis zu stärken. Wir sind nicht Herr über das Leben oder Sterben, wohl aber darüber, wie wir leben oder sterben.

Darüber hinaus ist die Autorin durch Großmutter und Mutter schon früh auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft aufmerksam geworden. Sie nimmt Emanzipation als Funktion war. Wir können gleich berechtig handeln, ohne gleich zu sein.

Todesfälle im Freundes- und Familienkreis sind jeweils tief emotional anrührende Momente, die Tamara Dietl trauernd durchlebt, ohne sich zu verlieren.

Von Beginn an merkt man in ihren Aufzeichnungen, wie stark sie ist, und wie selbst bestimmt sie auch die Ehe mit Helmut Dietl eingeht. Natürlich hat sie mit 36 Jahren, als sie ihn kennenlernt, bereits eine beachtliche Karriere in wechselnden Berufen hinter sich. Sie weiß, dass sie alleine leben kann, und sie weiß, wie man Partnerschaft durch sinnvolle Absprachen gestalten kann, so dass das Scheitern der Beziehung möglichst nicht einkalkuliert werden muss.

Helmut Dietl war fast zwanzig Jahre älter als sie. Durch seinen Tod wurde eine offensichtlich harmonische, liebevolle und von zwei gleichberechtigten Partnern bestimmte Beziehung vorzeitig beendet.

Tamara Dietl beschreibt ihren inneren Werdegang sehr einleuchtend. Sie reflektiert alle Begebenheiten in ihrem Leben mit Neugierde und anhaltendem Interesse für die inneren Zustände, in denen sie sich befindet. „Einhalten und Durchatmen“ sind ihre Devisen; damit ist sie weit gekommen. Nicht jedem sind die intellektuellen Möglichkeiten und Feinheiten gegeben, so diszipliniert zu denken, das eigene Verhalten zu Durchforschen und Ergebnisse zu akzeptieren.

Den folgenden Spruch hat sie sich als Tröstung zu Eigen gemacht:

Gott gebe mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen,
die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern,
die ich ändern kann
und die Weisheit,
das eine vom andern zu unterscheiden.

Friedrich Christoph Oetinger (1702 -1782)

Man profitiert von ihren Aufzeichnungen auf je eigene Weise und kann sie sehr empfehlen.

Tamara Dietl
Die Kraft liegt in mir
296 Seiten, gebunden
btb Verlag, November 2015
ISBN-10: 3442754941
ISBN-13: 978-3442754946
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Der Himmel über München (Buchvorstellung)

Der Himmel über München (Buchvorstellung)

Im Rahmen des FeuerWerke Verlags erscheinen ausgewählte Romane aus Leselupe-Kreisen als Taschenbuch und eBook. Den sechsten Roman möchten wir Ihnen hier vorstellen:

Ein himmlischer Liebesroman mit einem herrlichen Mix aus Romantik, Humor und Philosophie.

Als sich der 22-jährige Simon und die 18-jährige Theresa kennen lernen, ahnen sie nicht, dass diese Begegnung von ihren persönlichen Schutzengeln Xerxes und Spekulatius eingefädelt wurde. Diese beiden sind nämlich der Meinung, dass Simon und Theresa ein wunderbares Paar abgeben würden, und verfolgen gespannt, wie sich eine zarte Liebe zwischen ihnen entwickelt. Dabei sorgen die Engel immer wieder dafür, dass nicht alles zu glatt läuft. Schließlich haben sie ja alle Zeit der Welt und es macht ihnen Spaß, ein bisschen Spannung in die Angelegenheit zu bringen.
Doch gerade als sich abzuzeichnen beginnt, dass die Bemühungen der Schutzengel Früchte tragen könnten, wird der himmlische Chef hellhörig und erinnert Xerxes und Spekulatius daran, dass im „Großen Plan“ etwas ganz anderes steht: Simon und Theresa sind nach diesem keinesfalls füreinander bestimmt, und die Engel kriegen gewaltig eins auf den Deckel für ihr eigenmächtiges Handeln.
Kleinlaut haben sie nun dafür zu sorgen, dass das Liebesleben der Erdenkinder wieder in die planmäßigen Bahnen gelenkt wird – gar nicht so einfach, denn die Eingriffsmöglichkeiten sind begrenzt und Simon und Theresa haben Feuer füreinander gefangen. Während im Himmel heiß diskutiert wird, werden auch die Menschenkinder hin und her gebeutelt zwischen Nähe und Abstand und wissen manchmal selbst nicht, wie ihnen geschieht. Schaffen die beiden Schutzengel am Ende doch noch, ihr Traumpaar zusammen zu führen?

Titel: “Der Himmel über München”
Autor: Katharina Lankers
Genre: Liebesroman
Verlag: FeuerWerke Verlag
Jahr: 2015
ISBN eBook: 978-3-945362-14-3
ISBN Taschenbuch: 978-3-945362-15-0
Leseprobe: PDF
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Margarita Kinstner: Die Schmetterlingsfängerin

Margarita Kinstner: Die Schmetterlingsfängerin

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Katja ist schwanger. Ausgerechnet jetzt, wo sie ihrem Freund Danijel nach Sarajevo folgen will. Ihre Entscheidung ändern, will sie deswegen nicht. Aber nachdenklich wird sie. Ihr Urgroßvater war einst von Bosnien nach Österreich ausgewandert. Katja nimmt sich also Zeit zurückzublicken und die Familiengeschichte zu ergründen. Ihre Kindheit hat Katja zum Teil bei ihrer Großmutter verbracht. Was sieht man, wenn mal als Erwachsene zurückkehrt an diesen Ort? Ist es tatsächlich das, was man Heimat nennt?

Mit viel Gefühl wird die Geschichte erzählt, sodass man nachempfinden kann, wie es Katja geht, die frei sein will in ihrer Entscheidung die Zukunft betreffend. Die sich nicht von anderen beeinflussen will, die ihr abraten.
Katja genießt die Zeit im Lusniztal, dem Ort ihrer Kindheit, den es so, wie er damals war, natürlich nicht mehr gibt. Die Bodenhaftung verliert Katja deswegen nicht. Ihre Freundin kommt sie besuchen und auch Danijel begleitet seine Katja ein paar Tage. Das Zusammensein und die Gespräche helfen. Während anfangs noch Unklarheit herrscht, alles durcheinander geht und die Gedanken Purzelbäume schlagen, sortiert Katja sich immer mehr, bis sie weiß, was sie selbst wirklich will. Dazu gehört, Einflüsse von außen abzuschirmen. Ein Neuanfang bedeutet schließlich, die Vergangenheit hinter sich lassen zu können. Nur trägt diese Vergangenheit noch ein Geheimnis in sich, das es zu verarbeiten gilt.

Die Autorin schreibt auf eine sehr ruhige Art und Weise und vor allem ohne Wertung. Als Leser folgt man Katja mit Interesse und Wohlwollen in die Vergangenheit. Das Abschied nehmen ist von einer Sehnsucht geprägt und doch auch voller Hoffnung in die die Zukunft und das Leben als kleine Familie, wo immer das auch sein wird. Man hört zu wie eine Freundin und wartet ab. Selten hat ein Buch diese Wirkung.

Rezension von Heike Rau

Margarita Kinstner
Die Schmetterlingsfängerin
288 Seiten, gebunden
Deuticke Verlag
ISBN-10: 3552062947
ISBN-13: 978-3552062948
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Navid Kermani : Wer ist wir? – Deutschland und seine Muslime

Navid Kermani : Wer ist wir? – Deutschland und seine Muslime

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Navid Kermani versucht in seiner Studie über das „Wir- Gefühl“ und die Identitätssuche bei interkulturell aufwachsenden Bürgern zu recherchieren, wie weit doktrinäre Religionsauffassungen und Vorschriften von Religionsführern als Grund für kulturelle Missklänge und Gegensätze interpretiert werden.

In seiner makellosen, gepflegten Sprache erzählt Kermani aus seiner eigenen Kindheit, die er im Raum Siegen in Westfalen wohl behütet im Kreise seiner iranischen Familie verbracht hat. Überzeugend und glaubwürdig hat er gespürt, dass soziale und ökonomische Einflüsse für die Zugehörigkeit zu einer Kultur viel bedeutsamer sind, als die Religionszugehörigkeit und die fremdartigen Lebensgewohnheiten unterschiedlicher Völkergemeinschaften. Er, dessen islamische Familie zur oberen Mittelschicht gehört, fühlte sich keineswegs als Außenseiter. Eher waren die Unordnung und eine sorglose Freiheit im Elternhaus bestimmend für seine Kindheit, so dass seine Freunde liebend gerne zu ihm zum Spielen kamen. Erst als er, der begeisterte Fußballspieler, in einem Verein spielte, zu dem vorwiegend Kinder aus minderbemittelten Familien gehörten, wurde ihm bewusst, dass er aus einer anderen Schicht stammte und eigentlich nicht dazu gehörte. An vielen kleinen Beispielen wie z.B. dem Umgang mit den Eltern, dem gegenüber den deutschen Mitschülern nachlässig verpackten Schulbrot und sprachlichen Differenzierungen macht Navid Kermani sein Aufwachsen in zwei verschiedenen Kulturen fest. Seine persönliche Entwicklung entschied er als eine zwischen dem Innen und dem Außen. Der Wechsel war verinnerlicht und gelang ihm mühelos.

Nach Kermani ist eine allgemeine Identitätssuche in allen Religionen zu beobachten, ob im Hinduismus, im Islam oder bei den Evangelikalen in Amerika und bei christlich fundmentalistischen Gruppierungen überall in der Welt. Die Ausgrenzung Andersgläubiger und der Zusammenschluss innerhalb einzelner Religionsgruppen mit festen Ritualen sind Merkmale einer Suche nach Halt und Zugehörigkeit. Die Angst vor dem Identitätsverlust ist in ungebildeten und einfachen strukturierten Bevölkerungsschichten ungleich tiefer verankert als in denen, die in besser gesicherten ökonomischen und bildungsorientierten Sphären leben. Dennoch kommen Fundamentalisten und Terroristen mehrheitlich aus besser situierten Familien. Hier kommen Ideologien und Fanatismus mit ins Spiel, die als Grundlagen für die Übernahme von Macht und Herrschaft dienen.

Nach und nach entfaltet Kermani eine breite Palette sozialer Verhaltensweisen und ideologischer Aussagen bei Vertretern der verschiedenen Religionen. Indem das eigene Verhalten und die eigenen Glaubensgrundsätze für allein gültig erklärt werden, grenzt man Minderheiten als Gefährdung für die eigene Identität aus. Das klingt so simpel und wird doch erst durch Beispiele aus Indien, Indonesien und Iran fassbar veranschaulicht.

Kermani befasst sich in weiteren Kapiteln mit Einzelaspekten kultureller Konflikte und nicht zu übersehenden Gemeinsamkeiten. Insofern bieten seine Ausführungen im Wechsel zwischen Theorie und Praxis differenzierte Einblicke in den multikulturellen Alltag unseres Lebens. Er analysiert aber wertet nicht, wenn ihm auch gelegentlich polemische Bemerkungen unterlaufen. Mit klarem Verstand zeigt er die Ambivalenzen und Konflikte, die aus unterschiedlichen Anschauungen und Lebensgewohnheiten entstehen. Diese werden zwar über Religion und Volkszugehörigkeit erklärt, sind aber nicht zuletzt ein allgemein zwischenmenschliches Phänomen. Der Autor weitet den Blick vom kleinen in eine unfassende Ansicht auf kulturelle Gegensätze und die dadurch bedingten internationalen Streitigkeiten und beschränkt sich nicht nur auf den deutschen Alltag.

Man kann den Autor nach seinen Ausführungen fast als überkonfessionell bezeichnen, so klar und durchsichtig geht er die Probleme an. Dass der Orientalist und Schriftsteller Mitglied der deutschen Islamkonferenz ist, kann der Arbeit im Hinblick auf Verständigung, Toleranz und Offenheit für alle Themen von interkultureller Relevanz nur dienlich sein. Sein verständlich geschriebenes Buch ist ein beachtenswerter Beitrag zur gegenseitigen Völkerverständigung.

Navid Kermani
Wer ist wir? – Deutschland und seine Muslime
189 Seiten, broschiert
C.H.Beck, 4. Auflage, November 2015
ISBN-10: 3406685862
ISBN-13: 978-3406685866
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Nina Blazon: Der Winter der schwarzen Rosen

Nina Blazon: Der Winter der schwarzen Rosen

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Tajann und Liljann sind Schwestern. Liljann ist die Erstgeborene und wartet darauf, dass ihr Vater sie freigibt. Das heißt, dass sie von zu Hause fortgehen muss, ins gefahrvolle Grauland. Tajann dagegen kann es kaum abwarten, in die Dienste von Lady Jamala von Caila zu treten. Der Junglord Janeik, der allerdings eine andere heiraten soll, hat es ihr angetan. Umso eher Liljann geht, umso besser für Tajann. Kein Wunder also, dass Intrigen gesponnen werden und Tajann alles versucht, um ihre Ziele zu erreichen. Und dann kommt der Tag und Liljann zieht mit einem Gestaltwandler, der sein wahres Wesen geschickt verbirgt und der verspricht sie zu beschützen, ins Grauland.

Mit zwei Liebesgeschichten haben wir es zu tun. Und mit zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein können. Die Geschichte ist gut gemacht und hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Was aber vor allem begeistert, ist der Schreibstil der Autorin, der so viel in sich trägt. Die Geschichte klingt. Und klingt nach. Als Leser kommt man ins Träumen. Dabei sollte man besser aufpassen. Denn die Geschichten der Schwestern werden parallel erzählt und sollten natürlich nicht verwechselt werden. Ein bisschen mehr Abgrenzung wäre wünschenswert gewesen, denn die Schriftart ist nur leicht unterschiedlich.

Es begegnen sich Gut und Böse und alles, was dazwischen liegt. Verbündete und Gegner zu unterscheiden ist nicht einfach. Tajann ist berechnend und handelt überlegter als ihre Schwester, die eher sanft und intuitiv ist. Leicht haben es beide nicht, schließlich müssen sie in einer magischen Welt bestehen und um ihre Liebe und ihr eigenes Leben kämpfen. Es ist ein steiniger Weg voller Gefahren, Rückschläge und Überraschungen. Wie der Titel klingt, so ist das Buch. Romantisch, bezaubernd, magisch, aber auch abgründig und düster.

Rezension von Heike Rau

Nina Blazon
Der Winter der schwarzen Rosen
544 Seiten, gebunden
cbt, München
ISBN-10: 3570163644
ISBN-13: 978-3570163641
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Fred Vargas: Das barmherzige Fallbeil

Fred Vargas: Das barmherzige Fallbeil

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Es ist einige Zeit her, dass ein neuer Kriminalroman um den Pariser Kommissar Adamsberg in Deutschland erschienen ist. Nun ist es soweit. Fred Vargas’ „Das barmherzige Fallbeil“ erschien in Frankreich in einem neuen Verlag und hat gleichermaßen in Deutschland ein neues Heim gefunden. Für die Freunde von Adamsberg und seinem dienstlichen Partner Danglard hatte das Warten nun ein Ende.

Darum geht es bei diesem neuen Fall: Kommissar Bourlin vom 15. Arrondissement in Paris wird zu einer Leiche gerufen. Doch offensichtlich handelt es sich bei der Toten in der Badewanne um ein Selbsttötungsdelikt. Der zuständige Untersuchungsrichter drängt auf einen schnellen Abschluss der Ermittlungen und das Schließen der Akte. Bourlins Bauchgefühl sagt ihm aber, dass es sich nicht um Selbstmord handelt. Besonders wegen eines ungewöhnlichen Symbols auf dem Waschtisch, ähnlich einem großen „H“, jedoch mit zwei Querstrichen, einem geraden und einem gekrümmten. Bourlin möchte seinen Kollegen Danglard und über diesen Adamsberg von der Kriminalabteilung im 13. Arrondissement, dem Studentenstadtteil Quartier Latin, hinzuziehen. Immer an der Aufklärumng eines Rätsels interessiert sind diese beiden schnell bereit dazu. Mehr durch Zufall gelangen sie auf eine Spur, der sie unbedingt nachgehen wollen. Doch dabei treffen sie auf einen weiteren „Selbstmord“.
Nahezu liebevoll kümmert sich Vargas um die vor Jahren geschaffenen Protagonisten. Auf interessante Weise und in vielen Bildern bringt sie den Lesern die Figuren nahe, sodass es nicht notwendig ist, alle vorhergehenden Vargas-Krimis gelesen haben zu müssen. In knappen Worten beschreibt sie Adamsberg und Danglard in einem Dialog von Bourlin mit einem jungen Kollegen folgendermaßen, was sich in der deutschen Übersetzung dann so liest:
„Wenn wir schon im Dunkeln tappen“, meinte Adamsberg im Fortgehen mit einer laxen Handbewegung, „kann man ja auch mal sagen, was einem so einfällt. Mich erinnert das Ding an eine Guillotine.“
Bourlin sah seinen Kollegen eine Weile an.
„Wundere dich nicht“, sagte er zu seinem Brigadier. „Das ist Adamsberg.“
Als wäre damit alles erklärt.
„Aber dieser Commandant Danglard“, meinte der junge Mann, „was hat der in seinem Schädel, dass er das alles weiß?“
„Weißwein.“

Es sind nicht nur die Spannung und die Beliebtheit von Adamsberg, die den Leser an die Geschichte kleben, sondern auch der leise Humor, vom ersten Satz an festklammert. Die Dialoge, die normaler Gespräche genauso wie Frotzeleien unter Kollegen widergeben, sind fortwährend unterhaltsam. Mit zwei Ausnahmen: Die Gespräche mit dem Präsidenten der Robespierre-Gesellschaft weckten kein besonderes Interesse in mir. An diesen Stellen hatte ich eher das Gefühl, als wolle die Schriftstellerin oberlehrerhaft den Lesern ein Stück der Geschichte Frankreichs vermitteln. Ein Straffen dieser Sequenzen hätte dem Roman gutgetan. Das betrifft auch die Passagen über Island und dessen Mythologie, bei denen sich Vargas genauso zu verzetteln scheint, wie es Adamsberg von dessen Kollegen vorgeworfen wird. Diese Passagen führen bei mir als Vargas-Fan leider zu Punktabzug.

Belohnt wird der Leser schließlich mit der Auflösung der einzelnen Konflickte und Irrwege, beispielsweise die Herkunft von Victor und Amédee oder die Geschehnisse auf der isländischen Insel vor mehreren Jahren. Faszinierend schließlich die komplexe Auflösung des Falles, die Adamsberg seinen Kollegen erläutert. Man kommt als Leser nicht umhin, zuzustimmen, wenn er sagt, dass sie, seine Kollegen, auch alles gewusst haben und nur die richtigen Schlüsse hätten ziehen müssen. Als Leser ging es mir genauso. Ich erinnerte mich an die gelesenen Passagen und fragte mich, warum ich nicht auf die Lösung gekommen bin. Wenn das keine Empfehlung wert ist!

Vargas, Fred
Das barmherzige Fallbeil
Aus dem Französischem von Waltraut Schwarze
Limes Verlag, München
ISBN 9783809026594

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015
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Marlies Ferber: Truthahn, Mord und Christmas Pudding

Marlies Ferber: Truthahn, Mord und Christmas Pudding

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Mitten in der Vorweihnachtszeit geschieht das Unglaubliche. Sheila Humphreys liebe Freundin Rosalind, eine pensionierte Richterin, wird bei einem Besuch auf dem Friedhof ermordet. James Gerald, ehemaliger Agent des britischen Geheimdienstes, glaubt, dass der Mordanschlag wohl eher seiner Lebensgefährtin galt. Fortan ist James skeptisch und sehr wachsam. Überall sieht er Gefahren auf Sheila lauern. Als Sheilas Jugendfreund Bruce Rigsby sich bei ihr einnistet, ist das Maß voll. Dass dieser Mann etwas auf dem Kerbholz hat, sieht James sofort. Seine Alarmglocken schlagen nie umsonst an. Und auch dieses Theaterprojekt, für das Sheila sich begeistert, und bei dem es um die Resozialisierung ehemaliger Straftäter geht, ist nicht gerade in seinem Sinn. Schließlich weiß keiner, wer die Guten und wer die Bösen sind. Unter den Schauspielern könnte ein gerissener Verbrecher sein. James kann seine Sheila keine Sekunde mehr aus den Augen lassen, auch wenn er keine Lust auf dieses Theater hat.

Der Krimi versetzt in Weihnachtsstimmung und ist doch sehr spannend. Gut Unterhaltung wird also geboten. James und Sheila sind ein Paar, das für Überraschungen gut ist. Als ehemalige Kollegin von James, kennt Sheila ihren Lebensgefährten sehr genau. Die beiden liefern sich interessanten Meinungsaustausch und geraten auch mal in Streit. Während Sheila stets locker bleibt, wird Gerald immer bissiger und lässt nicht nach mit seinen Verdächtigungen. Dass er den Mörder nicht dingfest machen kann, macht ihn fertig. Die Autorin spart nicht mit dem typischen Humor, das ist sehr amüsant und hat schon was von einer Krimikomödie. Der Fall gestaltet sich dann auch anders als gedacht. Da scheint die Gefahr dann auf einmal von allen Seiten zu kommen. Doch eine schlüssige, wenn auch etwas konstruiert wirkende, Auflösung des Falls wird geboten.

Rezension von Heike Rau

Marlies Ferber
Truthahn, Mord und Christmas Pudding
Ein neuer Fall für Agent 0070
320 Seiten, broschiert
Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423216077
ISBN-13: 978-3423216074
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Joachim Meyerhoff: Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke

Joachim Meyerhoff: Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke

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Start ins Leben mit Zögerlichkeit und Sinn für das Absurde.

Mit Verve und Unterhaltungsbegabung beginnt Joachim Meyerhoff die Geschichte seiner Studienzeit in München. Er wird in München an der Filmhochschule angenommen und wird zunächst mangels geeigneter Studentenbude bei seinen großbürgerlichen Großeltern in deren Villa in Nymphenburg aufgenommen.

Die Schilderung dieser ungewöhnlichen Großeltern ist schon das ganze Buch wert. Die Großmutter war einst eine hervorragende Schauspielerin; der Großvater ist ein pensionierter Philosophieprofessor. Wie der Enkel Meyerhoff deren Tagesrituale und vor allem deren Alkoholkonsum zu jeder Gelegenheit beschreibt zeugt von einer großartigen, urkomischen und trockenen Erzählweise.

Man muss laut lachen, weil die Szenen voller Ironie und Amüsement stecken. J. Meyerhoff versteht hier sein Dasein als ein von naiver Unbeholfenheit gezeichneter Junge am Rande zur Erwachsenwelt.

Eine gewisse Distanz zu seinen Beobachtungen macht die Geschichte so heiter und zu einem wirklich belustigenden Erlebnis. Da die Großeltern nur noch mühsam laufen konnten, „hatten sie sich einen Treppenlift einbauen lassen“. Auf diesem entschwebten sie zur Nacht hin in ihre oberen Gemächer, und Meyerhoff selbst, von all dem Alkohol benebelt, tat es ihnen gleich.

Durch das gesamte Buch hindurch spielen die Großeltern wiederholt eine zentrale Rolle im Wechsel mit langen Passagen über seine Erfahrungen als Schauspielschüler. Meyerhoff bleibt bei seiner distanzierten Haltung gegenüber den Mitschülern und der eigenen Rolle. Sein trockener Humor schimmert immer wieder durch und macht die Erzählung zu einer skurrilen und launigen Betrachtung über das Leben als Schauspieler, wobei er sich über eigene Niederlagen oder auch Erfolge gleichermaßen lustig macht.

Ein unterhaltsames Stück Münchner Zeitgeschichte wird uns da präsentiert. Die Großeltern mit ihren charaktervollen und dezidierten Lebensweisheiten bieten unablässig Anlass zum Schmunzeln.

Joachim Meyerhoff ist von entwaffnender Ehrlichkeit und Offenheit auch über sich selbst und seine Lebenserfahrungen.

Der talentierte Schauspieler und Erzähler wird uns hoffentlich noch so manche Gelegenheit zu guter Unterhaltung bieten.

Joachim Meyerhoff
Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke
352 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, November 2015
ISBN-10: 3462048287
ISBN-13: 978-3462048285
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