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Schlagwort: Bernlef

Bis es wieder hell ist

Bis es wieder hell ist

Maarten wirkt ein klein wenig zerstreut. Das ist normal im Alter. Sein Gedächtnis war eigentlich schon immer schlecht. Dafür sind die Erinnerungen an die Vergangenheit klar wie nie. Manchmal vermischt sie sich mit der Gegenwart.

Immer wieder wird Maarten von seiner Frau Vera ermahnt. Aber den Alltag zu bewältigen, ist nun mal keine leichte Sache, wenn man so viele Lebensjahre auf dem Buckel hat. Der Tag gerät immer mal wieder ein wenig durcheinander. Alltägliche Verrichtungen werden fremd. Das Übliche im Alter.

Die Vergangenheit wird zur Gegenwart. In Gedanken sind längst Verstorbene wieder am Leben. Maarten weiß nicht mehr, ob es Tag oder Nacht ist. Er geht spazieren und vergisst die Zeit. Vera geht zu Dr. Eardly.

Maarten kann nicht mehr allein zu Hause bleiben. Vera kann nicht abschätzen, was ihm in den Sinn kommt. Dabei sieht sie ihm gar nichts an. Und doch wird er ihr immer fremder.

Der Autor hat den Versuch gewagt, sich in einen Alzheimer-Kranken hineinzuversetzen. Er schildert wie Maarten von der Krankheit vereinnahmt wird, wie sein Leben rückwärst läuft, bis er praktisch wieder zum Kind, das rundherum versorgt werden muss, wird.
Das Besondere des Buches ist die Perspektive. Der Ich-Erzähler ist der Kranke selbst, dem nach anfänglicher Verwunderung bald nicht mehr klar ist, dass er überhaupt erkrankt ist.
Kein Mensch weiß, was bei Alzheimer in einem Menschen vorgeht. Aber man kann der Vorstellung des Autors gut folgen.
Das Buch macht betroffen. Es hat Tiefgang und berührt stark. Es weckt Verständnis für diese Krankheit, die auch Angehörige in tiefe Verzweiflung stürzt.
So zu schreiben, wie Bernlef es tut, ist eine Meisterleistung. Es erfordert Einfühlungsvermögen ungeahnten Ausmaßes. Dem Autor gelingt zu beschreiben, was eigentlich unbeschreiblich ist.

Rezension von Heike Rau

Bernlef
Bis es wieder hell ist
Aus dem Niederländischen von Maria Csollány
164 Seiten, gebunden
Nagel & Kimche
ISBN: 978-3312003952
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