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Schlagwort: Familie

Jonathan Frantzen: Die Korrekturen

Jonathan Frantzen: Die Korrekturen

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Der amerikanische Gegenwartsautor erzählt in diesem umfangreichen Roman die Geschichte einer in der Mittelschicht angesiedelten Familie.

Enid und Alfred sind beide im Ruhestand, leben in ihrem mittlerweile sehr großen Haus und Mutter Enid wünscht sich nichts sehnlicher als noch ein einziges Mal die gesamte Familie, eine Tochter und zwei Söhne, zu Weihnachten bei sich zu Hause bewirten zu können. Ihre Geschichte wird in abwechslungsreichen Episoden erzählt, die jede für sich genommen eine eigenständige Novelle sein könnte. Mit den Episoden wechselt der Fokus der Erzählung auf die Person, die in dieser Episode die Hauptrolle spielt. So wird der Leser im ersten Abschnitt mit dem Sohn Chip und seinen Versuchen, erfolgreicher Autor zu werden und sein Leben in den Griff zu bekommen, bekannt gemacht. Der Sohn Gary wird mit seiner Familie in der zweiten Episode vorgestellt. Er ist ein erfolgreicher Investmentbanker und bemüht sich redlich um seine Familie, was ihm schwerlich zu gelingen scheint. Besonders seine Frau hält gar nichts davon, das nächste Weihnachten bei den Schwiegereltern zu verbringen. In einem weiteren Abschnitt werden schließlich Enid und der an Demenz erkrankte Alfred vorgestellt. Frantzen bedient sich dabei diverser Rückblenden, in denen er die Lebenswege der beiden aufzeigt und eine Zeit beschreibt, in der ihre Kinder noch Kinder waren. Eine Urlaubsbekanntschaft auf einem Kreuzfahrtschiff wird als Mittel benutzt, um das kleinbürgerliche Denken von Enid, die intellektuell nicht an die Bekannte heranreicht, mit all seinen Facetten zum Vorschein zu bringen. Eine vierte Episode gibt den Blick frei auf das Leben der Tochter Denise, die sich als Starköchin einen Namen gemacht hat und ebenso Mühe hat, ihr privates Leben in den Griff zu bekommen. In der fünften und letzten Episode steht Weihnachten schließlich unmittelbar bevor, alle Stränge werden zusammengeführt und zum Höhepunkt gebracht.

Bei der unter der Lupe betrachteten Familie handelt es sich keineswegs um eine typisch amerikanische Familie. Viele ihrer Züge, Befindlichkeiten und Eigenheiten sind schlichtweg menschlich und können ebenso in einer deutschen oder anderen, zumindest westeuropäischen, Familie wiedererkannt werden. Die prägnante Erzählweise von Frantzen, der dem Leser jedes Detail durch Handlung – lange bevor das Wort Demenz oder Altzheimer fällt, ist dem Leser klar, woran Alfred leidet – und nicht nur durch bloße Beschreibung miterleben lässt, erzeugt einen Klangteppich von Atmosphäre, die es unmöglich macht, dieses Buch aus der Hand zu legen. Die Charaktere sind mit solch einer Fülle an Eigenschaften, Emotionen, Gedanken und Handlungen ausgestattet, dass es nicht schwer fällt, sie als eigenes Familienmitglied zu akzeptieren. Ein Grund dafür, dass die einzelnen Episoden zwar so lang sind, sie aber nie zu lang wirken und der Wechsel zum nächsten Abschnitt durchaus von Wehmut begleitet wird, weil dieser dann den Fokus auf ein anderes Familienmitglied legt. Einen Wehrmutstropfen hatte für mich allerdings eine Geschichte, die von Chip und dessen leicht unmoralischer Arbeit in Litauen erzählt. Dient sie doch lediglich dazu, aufzuzeigen, dass Gary seinen Bruder verabscheut, weil er in seinen Augen reiche Amerikaner ausnimmt. Sie ist meines Erachtens zu lang gestreckt und jede andere Handlung außerhalb von Litauen hätte denselben Zweck erfüllt.

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Jonathan Frantzen
Die Korrekturen
Softcover, Taschenbuch
Rowohlt Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3499235234
ISBN-13: 978-3499235238
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2010

Mikael Engström: Ihr kriegt mich nicht!

Mikael Engström: Ihr kriegt mich nicht!

Was in Miks Familie vorgeht, soll geheim bleiben. Niemand soll wissen, dass der Vater trinkt. Mik sucht Ausreden für ihn, wenn er nicht zu Elternabenden oder Elterngesprächen kommt. Auch die Schulpsychologin lügt er an. Doch die Leute vom Sozialamt sind der Familie auf der Spur. Mik macht die Tür nicht auf. Sein Bruder Tony hat es ihm verboten. Und doch passiert es. Als Mik Tony erwartet, macht er die Tür auf. Die Frau und der Mann versprechen Hilfe. Miks Vater hat diese gerade sehr nötig, er muss ins Krankenhaus.
Mik wird bei seiner Tante Lena untergebracht. Sie wohnt in einer einsamen Gegend, in einem kleinen Dorf im Norden von Schweden. Es gefällt ihm hier auf Anhieb. Er wird von Lena herzlich aufgenommen und unter den zwölf Schülern findet er Freunde, obwohl diese von seinen schwierigen Familienverhältnissen wissen.
Die Kinder haben eine Möglichkeit gefunden, sich ein Taschengeld dazuzuverdienen. Sie verstecken Katzen und verdienen sich dann, wenn sie die Katzen zu ihren Besitzern zurückbringen, Finderlohn. Doch als er Lena die Sache mit den Katzen verrät, kehrt die Einsamkeit zu ihm zurück. Er wird ausgegrenzt, weil Lena die Sache nicht auf sich beruhen lässt.
Trotzdem will Mik nicht wieder nach Hause. Doch nach Neujahr kommen die Leute vom Sozialamt wieder. Mik soll zu seinem Vater zurück.

Die Geschichte erzählt von einem Jungen, der unter sehr schwierigen Familienverhältnissen aufwächst. Der Vater trinkt und Bruder Tony gerät immer mehr auf die schiefe Bahn. Mik sehnt sich nach Ruhe und Geborgenheit und findet dies bei seiner Tante Lena. Die würde den Jungen bei sich behalten, doch sie darf nicht. So wird Mik herumgeschoben bis er schließlich bei einer Pflegefamilie landet, die ihm das Leben zur Hölle macht. Man liest mit wachsendem Entsetzten, wie die Lage für Mik immer unerträglicher wird. Der Junge sieht die angebotene Hilfe vom Sozialamt als Bedrohung an und hat in seinen Fall recht damit.

Erzählt wird hier eine sehr traurige Geschichte, die zu Herzen geht. Man erträgt sie im Grunde nur, weil der Autor trotz aller Ernsthaftigkeit, humorvolle Szenen eingebracht hat. Man liest also nicht selten mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Die Geschichte ist sehr sensibel geschrieben. Miks Gefühle werden mit Achtung behandelt. Er wird ernstgenommen. Und das macht das Buch sehr realistisch. Schließlich ist es Miks Durchsetzungsvermögen, das ihm letztendlich ein besseres Leben ermöglicht. Es ist ein langer Weg dahin, den man als Leser mit Spannung verfolgt.

Rezension von Heike Rau

Mikael Engström
Ihr kriegt mich nicht!
Aus dem Schwedischen von Brigitta Kicherer
267 Seiten, Klappenbroschur
ab 12 Jahren
Carl Hanser Verlag
ISBN-10: 3446233792
ISBN-13: 978-3446233799

James Agee: Ein Todesfall in der Familie

James Agee: Ein Todesfall in der Familie

Familienfrieden, Glück und Zweifel; eine Geschichte von Glaubensfragen und unvorhersehbaren Schicksalsschlägen.

Knoxville in Texas, weit im Süden der USA gelegen, ist der Ort einer Handlung, die von der ersten Zeile an mit dramatischem Sog in ein schicksalhaftes Geschehen führt.
Atmosphärisch dicht und von tief innerlichen Gefühlen geprägt lenkt der Roman des bereits 1955 verstorbenen Autor James Agee die Aufmerksamkeit auf das Geschick einer jungen Familie, das fast in einer Art Kammerspiel dargeboten wird.
Umhüllt von heimeliger Dunkelheit und dem Sternenglanz kommen ein Vater und sein kleiner Sohn von einem Kinobesuch nach Hause. Das Leben zeigt sich friedlich, geborgen und trostreich. Die liebevollen Familienbande sind intakt und versprechen harmonische Idylle.
Catherine und Rufus, die beiden Kinder, gehen zu Bett.

Szenenwechsel: mitten in der Nacht schrillt das Telefon. Unruhig geht Jay, der junge Familienvater, ans Telefon. Jeder Ton und jeder Schritt wird verzeichnet, so dass eine untergründige Spannung entsteht.
In einem stockenden Telefonat berichtet der Bruder von Jay, dass der Vater erkrankt sei, wie schwer, ist kaum auszumachen. Zögerlich, zuletzt aber doch überzeugt, dass er besser gleich aufbricht, bereitet sich Jay auf die Nachtfahrt zu seinen Eltern vor. Liebevoll bereitet ihm Mary noch ein Frühstück und liebevoll ist der Abschied, fast, als wäre es für immer. Er denkt an die Kinder und versichert mehrfach, dass er schon morgen zurück sein werde.

Mary findet kaum Ruhe nach seiner Abfahrt. Sie hält Zwiesprache mit Gott, und aufmerksam hört man von einem Familienkonflikt, der das Glück überschattet: Mary ist fromm katholisch, Jay aber teilt ihren Glauben nicht. Sie fürchtet, dass die von ihr und ihrem Glauben geforderte katholische Erziehung der Kinder den Familienfrieden und den Zusammenhalt der Familie gefährden könnte.
Diese Szene ist grandios in ihrer dichterischen Aufbereitung.

In der Folge steigert James Agee noch die Spannung, denn
erst spät am nächsten Vormittag kommt ein Anruf, in dem von einem Unfall die Rede ist, vom dem Jay betroffen sei.
Das Protokoll einer Todesnachricht wird zu einem minutiösen Bericht des Unfallhergangs.

Wie die Verwandten sich um Mary scharen, was gesprochen, vermutet und befürchtet wird, das schwankt zwischen Hoffnung, ahnungsvollen Untergangsängsten, Glauben und Verzweiflung. Stimmungen und Gefühle, jeder Gang und jede Gebärde oder Verrichtung im Haushalt werden registriert. So entsteht ein genaues Abbild der Vorgänge, und man gelangt zu tiefen Einblicken in die Seelenzustände und Handlungen der Protagonisten. Fast fühlt man sich an Musil erinnert, dessen Gefühlswahrnehmungen ähnlich dauerhaft und präzise in seinem „ Mann ohne Eigenschaften“ abgehandelt werden. Der Zustand zwischen Realität und seelischer Befindlichkeit rührt an die Schmerzgrenze.
Die eingeschobenen Reflexionen einzelner bieten den eigenartigen und faszinierenden Eindruck von lyrisch vorgetragenen Gedanken, die fast Gebeten gleichen.
Der vom Vater an die Tochter gerichtete Satz: „Du musst immer daran denken, dass kein Mensch auf dieser Welt ein Vorrecht genießt. Jeden Augenblick kann die Axt auf den Nacken jedes Menschen niedersausen, ohne vorherige Warnung und ohne Rücksicht auf Gerechtigkeit “ hinterlässt Schauer der Erschütterung mit seiner fast biblischen Weissagung.

Hinreißend ist die Beobachtung, wie ein Schmetterling aus dem versinkenden Sarg in den Himmel steigt. Symbolträchtiger geht es nicht, und symbolhaft beleuchtet er einen Religionskonflikt, der die Familiengeschichte unterschwellig durchzieht.

Nur drei Tage umfasst der Bericht, mit dem fast im Zeitlupentempo eine Aussage gelingt über das, was in den Empfindungen und Köpfen der einzelnen Familienmitglieder vor sich geht.

Wiewohl der Roman zur modernen amerikanischen Klassik gezählt wird, würde ich ihn aus der Menge der Neuerscheinungen als einen der besten dieses Frühjahrs herausheben.
James Agee wirkte in den vierziger Jahren als einflussreicher Drehbuchautor, Filmkritiker und Journalist in den USA. Sein unvollendet gebliebener Roman wurde in Deutschland 1962 zum ersten Mal auf Deutsch veröffentlicht. Nach seinem Tod wurde der Autor posthum mit dem Pulitzerpreis geehrt.

James Agee
Ein Todesfall in der Familie
C.H.Beck
368 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3406583889

Steinbachs Naturführer für die Familie

Steinbachs Naturführer für die Familie

Wenn man auf einer Wanderung oder einem Spaziergang mal genau hinsieht, gibt es viel zu entdecken. Kinder erleben die Natur mit Neugier. Aber nicht jedes Tier und jede Pflanze ist so bekannt, dass man sie sofort benennen kann. Der Naturführer hilft hier weiter. Er ist so konzipiert, dass alle Kinderfragen beantwortet werden können.

Zunächst werden im Buch aber erst einmal die Grundlagen der Tierbestimmung erklärt. Wie in einem Lexikon findet man Begriffe wie Insekten, Spinnen, Schnecken, Amphibien. Genauso geht es mit Grundsätzlichem zur Pflanzenbestimmung weiter. Erklärt wird, auf welche Merkmale man achten muss.

Im Buch werden interessante Aktionen vorgeschlagen. So findet man beispielsweise die Anleitung für den Bau eines Wildbienen-Nisthäuschens. Bei einem Spaziergang kann man Wildkräuter sammeln und Zuhause weiterverarbeiten. Man kann aber auch Interessantes über den Marienkäfer nachlesen. Expeditionen an einen Teich oder auch den eigenen Gartenteich sind spannend. Wer möchte kann sich nach der Anleitung aber auch ein eigenes Tümpelaquarium einrichten und Tiere, natürlich nur solche, die nicht unter Naturschutz stehen, ganz genau beobachten.
Für Kinder ist es wichtig, die Giftpflanzen ihrer Heimat zu kennen. Deswegen werden im Buch Pfaffenhütchen, Eibe und andere giftige Pflanzen vorgestellt. Eine besondere Anziehungskraft für Kinder hat auch der Herbst mit seinem bunten Blättern. Im Buch wird erklärt, warum die Blätter sich verfärben und dann abfallen. Dazu gibt es tolle Bastelvorschläge mit Herbstlaub.
Wer wissen will, was die Tiere im Winter machen, kann auch das in der entsprechenden Rubrik nachlesen.

Nach diesem Aktionsteil geht es mit dem Tier- und Pflanzenführer weiter. Anhand von kleinen Steckbriefen mit aussagekräftigen Fotos kann man die häufig vorkommenden Tiere und Pflanzen sicher bestimmen und viel Informationen nachlesen.

Das Buch ist äußert handlich und auch sehr praktisch. Man kann es mitnehmen und ist bestens gerüstet. Es werden viele Möglichkeiten für Familien vorgestellt, die Natur aktiv zu erleben. Die Fragen, die Kinder häufig stellen, werden alle beantwortet, egal ob sie wissen wollen, welche Tiere sich unter einem Stein verstecken, ob man das Alter eines Marienkäfers tatsächlich an seinen Punkten abzählen kann, was ein „Froschregen“ ist oder ob man tatsächlich an drei Hornissenstichen sterben kann.

Rezension von Heike Rau

Heiko Bellmann u.a.
Steinbachs Naturführer für die Familie
mit 11 Naturabenteuern
190 Seiten, broschiert, 413 Farbfotos, 102 Zeichnungen
Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart
ISBN: 978-3800153633
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