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Schlagwort: Ian McEwan

Am Strand

Am Strand

Ian McEwan Am Strand Diogenes
ISBN 3257066074

Ein Szenario, wie man es sich romantischer nicht vorstellen kann: Edward und Florence auf der Hochzeitsreise in einem erstklassigen Hotel in Dorset an der Küste von Chesil Beach.
Scheinbar unbeschwert und überglücklich essen sie zu Abend auf ihrem Zimmer mit Blick auf die an den Garten angrenzende Küste.
Aber der Schein trügt!
In ihnen brodelt es vor unausgesprochenen Gefühlen: Ängste vor der Hochzeitsnacht bestürmen Florence und Vorfreude auf die lange ersehnte Vereinigung erfüllt ihn.
Stilsicher und genau protokolliert McEwan die erste geschlechtliche Begegnung des jung vermählten Paares. Jedes Detail ihrer Gedanken und Äußerungen, ihrer Zweifel und der Unsicherheiten findet den richtigen Ausdruck.
Diese Nacht wird ihr gemeinsames Leben verändern!

Was aber ist geschehen?

Bei einer Aktion der Studentenbewegung gegen Atomkraft hatten sie sich 1961 kennen gelernt.
Er kam aus einem kleinen Dorf, sie aus einer besseren Gegend Oxfords. Beide studierten in London und warteten nach dem Examen auf die Abschlussnote. Er hatte Geschichte studiert und sie Musik. Sie schwelgt in der Kammermusik aller bekannten Künstler der Vergangenheit bis zu Benjamin Britten und spielt selber Geige in einem Quartett, er liebt Rock ‘n’ Roll und Blues.
Die Emanzipationsbewegung der Jungen von den Eltern und die sexuelle Revolution befanden sich 1962 in ihren Anfängen. Kein Wunder, dass sich Florence und Edward in den Fallstricken vergangener Lebensgewohnheiten und in deren Ritualen verfangen. Sie können ihre eigenen Gefühle nicht einordnen und die des anderen ebenso wenig. Sexualität vor der Hochzeit fand so gut wie nicht statt.
In ihrer Hochzeitsnacht, die so glücklich begann, passiert Unerwartetes.
Florence ist geschockt und Edward ist ratlos und wütend.
Die ersehnte Freiheit, die sie sich nach der Hochzeit und befreit von der elterlichen Bevormundung erhofften, zerrinnt ihnen unter den Händen.

McEwan beobachtet genau und registriert auch die kleinste Regung, so dass man alle Szenen fast wie in einem Film miterlebt.
Die tastende Unsicherheit der Annäherung, die vertrackten Täuschungen, denen sie aufsitzen; ihre ersten Begegnungen in den Elternhäusern, die unterschiedlicher nicht sein können: McEwan hat alles im Blick!

Er zeichnet das Porträt einer Zweierbeziehung atmosphärisch eindringlich. Ihm steht ein unermüdlich vielseitiger und poetischer Sprachschatz zur Verfügung, mit dem er mitreißend Stimmungen des Augenblicks einfängt.
Man sieht die Landschaft, hört die Geräusche des Wassers und der Nacht und kann sich dem tragischen Missverstehen eines jungen, verliebten und zugleich enttäuschten Paares nicht entziehen. Das Gespräch in der Hochzeitsnacht am Strand ist von ungewöhnlich tiefenpsychologischer Klarheit.

Wie er die Geschichte einbettet in die Zeit politischen Wandels, die eine veränderte Sexualmoral und den kalten Krieg mit sich bringt, das zeigt ihn als Meister der unterhaltsamen und fesselnden Poesie.

Auch in diesem Roman stehen menschlichen Beziehungen wie in seinen vorherigen Büchern im Focus seines Berichts. Er weiß, dass sie glücken oder misslingen können, denn vieles hängt vom richtigen Handeln zum rechten Augenblick ab.

Zuletzt gewährt die Weisheit des Alters einen genaueren Blickwinkel!

McEwan wird wie bei seinen vorherigen Büchern “ Abbitte“ und “ Saturday“ ein begeistertes Publikum finden!

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Saturday

Saturday

Ian McEan Saturday Diogenes ISBN 3 257064942

Nachdem ich mich zunächst ein wenig an die etwas hochgeschraubten Satzkonstruktionen, die einem artistischen Sprachspiel gleichen, gewöhnen musste, hat mir der Roman
„ Saturday“ ausnehmend gut gefallen.
Natürlich denkt man an Joyce, wenn es sich um einen Tag im Leben des Henry Perowne handelt. Dennoch ist es ein ganz anderer Tag als der, den Joyce beschreibt.
H.P. steht in der Mitte des Lebens, ist erfolgreicher Neurochirurg und schaut auf ein zufriedenes und beruflich erfülltes Leben mit seiner Frau, seinen Kindern, seinen Kollegen und Freunden.

Der Tag aber , ein Samstag, an dem er früh schon aus seinem Schlafzimmerfenster beobachtet, wie eine Maschine im Anflug auf den Flughafen Heathrow ganz in der Nähe seines Hauses in Flammen steht, macht ihm bewusst, wie zerbrechlich ihrer aller Leben ist.
In der Reflexion und Beobachtung dessen, was um ihn herum geschieht, kann der LeserIn nachfühlen, wie es einem Mann mit annähernd fünfzig ergeht, der seine Kinder erwachsen werden sieht, seiner Frau sehr zugetan ist und in seinen Gedanken aller Geschehnisse gedenkt, die seinen Lebensweg begleitet haben.
So schildert er anschaulich und berührend den Zustand seiner inzwischen alten und dementen Mutter, die Originalität seines skurrilen Schwiegervaters, eine politische Auseinandersetzung mit seiner schriftstellernden Tochter Daisy, und den Tag , an dem in London von hundert Tausenden für Frieden und gegen einen Krieg im Irak demonstriert wird.

Im weiteren Verlauf des Tagesgeschehens ereignet sich
sehr gegenwärtig noch eine spannende Kriminalgeschichte. Sie spannt den Bogen zu unserer Zeit, in der nichts mehr sicher ist, in der auch das kleinste Glück von den Unbilden einer unsicher gewordenen Welt bedroht zu sein scheint.

Bemerkenswert für mich war die liebevolle Beziehung von Henry P. zu allen seinen Familienangehörigen, besonders zu seinen beiden Kindern und ganz innig auch zu seiner Frau. Die für ihn unersetzbare Geborgenheit und Zugehörigkeit zu ihr nimmt einen gewichtigen Platz ein in dieser Geschichte. Das ist einmal ganz neu in einem Familienroman, dass eine Familie intakt ist, ohne dass man denkt, das wäre vielleicht kitschig oder unecht.

Im Kontrast zu diesem privaten Glück eröffnet McEwans Roman mit seinen fragilen Infragestellungen die apokalytische Vorahnung dessen, was im 21. Jahrhundert für die Bewohner unserer Erde zur Bedrohung geworden ist: eine unheimliche , nicht fassbare Gefährdung der bestehenden Verhältnisse dargestellt an dieser einen Familie.

Ich denke, dass dieses Buch für viele LeserInnen eine höchst eindrucksvolle Lektüre werden wird.

Cl.B.
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