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Schlagwort: Liebe

Uwe Timm: Vogelweide

Uwe Timm: Vogelweide

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Von Liebe, Begehren und ihrem Vergehen.

Auf einer einsamen Insel in der Elbmündung lebt für einige Monate der Vogelkundler Eschenbach. Was hat ihn hier her getrieben? Nur seltene Besucher kreuzen zuweilen auf, darunter Freunde und Freundinnen aus seinem vergangenen Berufs- und Gesellschaftsleben in Berlin. In assoziativen Motiven hält der Erzähler Rückschau auf sein Leben, das von zahlreichen Höhen und Tiefen gekennzeichnet war. Da findet man sich bei Galeristen, auf Partys und in Restaurants wieder, wo man zu seinen „besseren“ Zeit ein- und ausging. Er hatte zusammen mit seinem Freund Fred ein gut gehendes Unternehmen, das den Zeitläufen am Ende nicht standhalten konnte und Pleite ging. Es blieb auch nicht aus, dass sich in ihren Kreisen Amouren entwickelten, Ehen zerbrachen und zusammen mit diesen Hoffnungs- und Zukunftsträume zerfielen. Der ehemalige IT Fachmann Eschenbach, das schöne Ehepaar Ewald und Anna und Eschenbachs ehemalige Freundin Selma sind die Protagonisten, deren Geschicke hier abgehandelt werden. In langen und teilweise schwerblütigen Betrachtungen ergeht sich Eschenbach in seinen Erinnerungen. Er ist nun alt, und Leidenschaften und die Liebe sind Geschichte. Doch die Geister der Vergangenheit holen ihn ab und zu mit allen damit verbundenen Gefühlen ein, um dann langsam zu verlöschen.

Melancholisch und versonnen ist auch der Abschiedsbesuch von Anna auf der einsamen Insel bei Eschenbach. Jugendliches Begehren brachte früher ihre Lebensläufe durcheinander. Heute ist das vorbei, und die beiden können gelöst über ihr vergangenes Leben sinnieren. Man geht den Stimmungen der Natur nach, spürt den Wind und hört das Vogelgezwitscher. Uwe Timm gibt den sich wandelnden Gefühlen mit seiner Stimme einen eigenen Klang zwischen Trauer, Resignation und Versöhnung.

Uwe Timm ist der Meister der leisen Töne, die er auch in seinem neuen Roman anklingen lässt. Mit Reflexionen ganz eigener Art geht er den Lebensspuren seiner Hauptfiguren nach. Zuweilen wirken die Geschichten verträumt, abgeklärt und schon fast verarbeitet in ihrer jeweiligen Problematik.

Unnachahmlich fein und sensibel ist die Sprache, mit der Uwe Timm uns am Wandel der Zeiten teilnehmen lässt. Er ist einer der großen deutschen Erzähler, auf dessen neue Romane man neugierig wartet.

Uwe Timm
Vogelweide
336 Seiten, gebunden
Kiepenheuer & Witsch, August 2013
ISBN-10: 3462045717
ISBN-13: 978-3462045710
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Christa S. Lotz: Die Köchin und der Kardinal

Christa S. Lotz: Die Köchin und der Kardinal

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Die 18-jährige Elisabeth und ihre zwei Jahre jüngere Schwester Agnes müssen mit ansehen, wie ihr Elternhaus verwüstet wird, als die Kaiserlichen Truppen die Stadt Calw im Schwarzwald überfallen. Die Eltern und der Bruder werden verschleppt, während die Schwestern von Jakob Gruber, einem Soldaten, beschützt werden. Für Elisabeth und Jakob ist es Liebe auf den ersten Blick, auch wenn ungewiss ist, ob sich die beiden jemals wiedersehen werden.
Auf ihrer weitern Flucht verschlägt es Elisabeth und Agnes nach Baden-Baden. Im „Roten Ochsen“ finden die beiden eine Anstellung in der Küche. Und weil Kardinal Thomas Weltlin Elisabeths Forellen in Kräuterrahm ausgezeichnet schmecken, stellt er sie als seine persönliche Köchin ein und nimmt auch Agnes mit in seine Obhut. Bald verzichtet er gegenüber Elisabeth auf Förmlichkeiten. Auch wenn es nicht sein darf, verliebt er sich in die junge Frau. Aber mehr als Sympathie bringt Elisabeth dem Kardinal nicht entgegen.
Doch auch bis nach Baden-Baden dringen die Soldaten Jan von Werths vor. Es gibt viele Tote. Unter den Verletzten ist auch Jakob. Diesmal ist es an Elisabeth, ihn zu retten.

Die Geschichte beginnt in Süddeutschland im Jahre 1634. Es ist ein fiktiver historischer Roman, dessen Rahmenhandlung aber geschichtlich verbürgt ist.
Die Autorin verliert sich gerne in Details. Das lässt die Geschichte sehr authentisch wirken.
Auch der Schreibstil gefällt sehr gut. Das Buch lässt sich wunderbar lesen. Es ist spannend und überrascht durch die immer wieder stattfindenden Begegnungen zwischen Elisabeth und Jakob.
Viel Leben bringt Elisabeths Schwester Agnes in die Geschichte. Das Mädchen entzieht sich der Kontrolle ihre Schwester, sie intrigiert und verhält sich unangemessen.
Diese vier Punkte zusammengenommen sorgen für eine sehr unterhaltsame Lektüre.

Rezension von Heike Rau

Christa S. Lotz
Die Köchin und der Kardinal
446 Seiten, gebunden
Aufbau Taschenbuch
ISBN-10: 374662942X
ISBN-13: 978-3746629421
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Emma Forrest: Deine Stimme in meinem Kopf

Emma Forrest: Deine Stimme in meinem Kopf

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Leben auf einem Grad zwischen Leben und Tod.

Emma Forrest ist eine junge, hübsche und begabte junge Frau, die jedoch mit den Anfechtungen ihres Lebens nur schwer zurecht kommt.

Früher Liebeskummer und schwere Depressionen führen sie in die Hände eines einfühlsamen und optimistischen Psychiaters, dem sie laut ihren Aussagen ihr Leben verdankt.

Sie fügte sich in einer Form der Selbstzerstörung Wunden zu, litt an Bulimie und hat bereits in jungen Jahren einen ersten Selbstmordversuch hinter sich. Dr. R., ihr Retter, strahlt eine solche Zuversicht aus, dass sie immer wieder Mut zum Weiterleben schöpft. Doch eines Tages ist ihr Retter tot! Völlig unerwartet überlebt er eine schwere Krebserkrankung nicht.

Emma ist nun wieder auf sich selbst gestellt bei der Suche nach dem richtigen Weg und der ersehnten Liebe. Dabei hilft ihr die imaginierte Stimme von Dr. R., dem sie tief vertraute und mit dem sie lange befreundet war.

In einem zarten und vorsichtigen Ton nähert sich Emma ihren eigenen Schwierigkeiten, der Lebensangst und den Fragen um die Liebe, die sie bewegen. Zahlreiche intensive Liebesbeziehungen scheitern für sie selber aus unerklärlichen Gründen. Als auch ihr „Gypsy Husband“, ein berühmter Schauspieler, sie nach euphorischen Monaten der Liebe und der Zukunftsplanung verlässt, ist ihre Not und Verzweiflung groß. Ein schwerer seelischer Absturz ist die Folge. Doch liebevolle Eltern und der vertraute Dr. R. als Stimme in ihren Kopf retten sie und weisen ihr neue Perspektiven.

Mit eindringlichen und tragenden Worten beschreibt Emma ihren Weg immer hart am Abgrund vorbei. Zwei Katzen und gute Freunde, von ihr liebevoll gezeichnet, tragen ihren Teil zu ihrer Rettung bei. Sie löst mit ihren Worten emphatische Gefühle aus.Es ist eine anrührend geschriebene Geschichte, voller Ironie, komischer Einsprengsel und dem alles übertünchenden Lebenswillen der Autorin. Ist es die Biographie von Emma Forrest? Jedenfalls könnte sich alles so zugetragen haben! Die Geschichte ist nicht bedrückend, weil die Leichtigkeit und die Komik, mit der sie erzählt wird, das nicht zu lassen.

Die Verfilmung der Lebensgeschichte von Emma Forrest ist für 2014 vorgesehen!

Emma Forrest
Deine Stimme in meinem Kopf
224 Seiten, gebunden
Deuticke Verlag, Juli 2013
ISBN-10: 3552062246
ISBN-13: 978-3552062245
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Patti Callahan Henry: Die schwere des Lichts

Patti Callahan Henry: Die schwere des Lichts

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Ellie Calvin ist 47 als sie ihn zur Beerdigung ihrer Mutter wiedersieht. Hutch O’Brien ist ihre Jugendliebe. Über die Trennung ist sie nie hinweggekommen. Sie hat einen anderen geheiratet, Rusty, und mit ihm eine Tochter bekommen. Doch die Gefühle für Hutch sind nicht erloschen. Aber auch er ist an eine andere vergeben.

Ellie kümmert sich um den Nachlass ihrer Mutter. Auch die verschlossenen Schublade sieht sie sich an, weil ihr Vater sie darum gebeten. Sie findet hier das Tagebuch ihrer Mutter. Es gibt nur einen Eintrag pro Lebensjahr, der aber sehr ausführlich gehalten ist.

Ausgerechnet Hutch O’Brien hat im Rahmen einer Ausstellung mit Ellies Mutter zusammengearbeitet und möchte diese Arbeit nach ihrem Tod zu Ende führen. Er bittet Ellie um ihre Hilfe, denn es gibt Lücken in ihrem Lebenslauf, die er füllen möchte.

Durch das Tagebuch erfährt Ellie von einem Mann, denn ihre Mutter vor ihrer Geburt über alles geliebt haben muss. Nie wird sein Name genannt. Und auch andere Dinge, von denen sie nichts geahnt hatte, werden nun offenbar. Ihre Mutter hatte viele Geheimnisse.

Es geht um die Liebe im Buch. Vor allem um die unerfüllte. Es geht um Entscheidungen, die einst getroffen wurden und die im Rückblick bereut werden. Ellie fühlt sich in der unglücklichen Liebe mit Rusty gefangen, ohne das direkt an etwas festmachen zu können. Er ist kein schlechter Kerl, aber eben sehr berechnend. Ihre wahre Liebe ist Hutch. Nun versucht sie die Jahre aufzuarbeiten und herauszufinden, was sie wirklich will. Dieser Prozess wird im Buch dargestellt.

Allerdings fällt es recht schwer, Ellie hier zu folgen, die sich doch sehr in ihr Gefühlschaos zu verstricken scheint. Sie scheint zu egoistisch, zu sehr auf sich selbst bedacht und auch zu naiv für ihr Alter. Diese Oberflächlichkeit wird verstärkt durch weitere Charaktere ohne wirkliche Tiefe und Dialoge, die nicht wirklich aussagekräftig sind. Dazu kommt, dass die Geschichte vorhersehbar ist und das nimmt leider viel Spannung weg.

Rezension von Heike Rau

Patti Callahan Henry
Die schwere des Lichts
Aus dem Amerikanischen von Karen Sanden
313 Seiten, broschiert
Aufbau Taschenbuch
ISBN-10: 3746629551
ISBN-13: 978-3746629551
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David Foenkinos: Zum Glück Pauline

David Foenkinos: Zum Glück Pauline

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Leben ist Glückssache!

Der Icherzähler dieses hinreißenden Romans befindet sich in keiner guten Lage. Er lebt mit seiner Frau in Paris zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Unerträgliche Rückenschmerzen plagen ihn und führen zu den wildesten Fantasien über die möglichen Ursachen. Seine Frau Élise und er sind zwanzig Jahre verheiratet und um die vierzig Jahre alt. Die Tochter ist kürzlich mit einem Freund zusammengezogen, und der Sohn, noch nicht einmal 18 Jahre alt, zieht ein Studium in den USA dem weiteren Verbleib im Elternhaus vor. Die Eltern sind geschockt über den Zustand des unwiederbringlichen Alleinseins. Darüber helfen die Freunde Édouard und Sylvie auch nicht hinweg.

Der Icherzähler reflektiert unermüdlich seine Lage, die darauf schließen lässt, dass er hochgradig hypochondrisch und depressiv ist. Zu allem Übel hat er seinen Job als Architekt gerade verloren. Die Einsicht, wie es mit der Liebe zwischen ihm und Élise steht, macht ihn auch nicht gerade froh. “Manchmal, wenn ich mit ihr zwischen den Blumen umherspazierte, überkam uns die Vergangenheit. Dann gingen wir hinauf ins Schlafzimmer und waren für zwanzig Minuten noch mal zwanzig. Diese Momente waren unendlich kostbar.“ Wie sie ihm aus dem Fenster nachwinkt, oder wie sie beide, ihrer Jugend gedenkend, noch einmal kurz die Liebe erleben, das ist meisterhaft in der Beobachtung und Darstellung.
Hier kehrt einer sein Inneres nach außen, und dem Leser werden Zustände vor Augen geführt, die man gut nachempfinden kann. Verlustängste, Zukunftssorgen, Einsamkeit und Verlorenheit kennzeichnen einen Mann, der mit einem sensiblen Gespür für das, was kommen mag, ausgestattet ist. Es kommt schließlich so viel zusammen, dass er wirklich am Leben verzweifeln könnte! Doch dann begegnet ihm Pauline…

Mit ausnehmender Feinsinnigkeit erweckt David Foenkinos seine Helden zum Leben. Man denkt unwillkürlich an Italo Svevo oder Marcel Proust, die zu dem vorliegenden Werk Pate gestanden haben könnten. Sie beschreiben ebenfalls neurotische Menschen mit ihren Selbstzweifeln, Grübeleien, nostalgischen Erinnerungen an die Kindheit und mit der immer gleichen Unsicherheit beim Leiden am Leben. David Foenkinos, Jahrgang 1974, ist jedoch ein Autor ganz eigener Prägung. Er findet genau die passenden Worte für die wechselnden Gefühle und Stimmungslagen, denen sich der Icherzähler ausgeliefert sieht. Die beschriebenen Rückenschmerzen ziehen sich in ihrer Befindlichkeit durch den ganzen Roman und sind Synonym für das allgemeine Elend, in dem der Held steckt. Die Ängste vor den zahlreichen Untersuchungen und der anstehenden Diagnose für seine Beschwerden wachsen sich zur allgemeinen Panik über seinen Gesundheitszustand aus. Bald erweist es sich, dass die Rückenschmerzen psychosomatischen Ursprungs sind.
Wir erleben nun mit, wie gleichsam in einer Art Metamorphose aus dem ängstlichen, zaghaften und zwanghaften Mann ein befreiter Mensch wird, der seine neuen Freiheiten zu nutzen weiß.

Foenkinos Erzählung pendelt zwischen Ernst, Nostalgie, Melancholie und Ironie. Er übertreibt gelegentlich, so dass die Traurigkeit, mit der unser Held seinen von Angst besetzten Netzen der Einbildung und Vergangenheit zu entkommen trachtet, herabgemildert wird. Damit bietet er die nötige Distanz, um die ganze Geschichte mit einem Hauch menschlich absurden Verhaltens zu würzen. Man trifft dieses ja in der Realität tatsächlich häufig an!

Wieder einmal ein gelungener Roman von dem hoch geehrten Autor David Foenkinos!

David Foenkinos
Zum Glück Pauline
411 Seiten, broschiert
Beck, Juli 2013
ISBN-10: 3406654207
ISBN-13: 978-3406654206
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Klaus Kordon: Das Karussell

Klaus Kordon: Das Karussell

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Der 450 Seiten starke Roman erzählt eine Familiengeschichte über zwei Weltkriege hinweg. Zunächst wird in parallelen Handlungssträngen von den beiden Kindern Herbert Josef Lenz und Elisabeth Gerber erzählt. Herbert, genannt Berti, ist das Kind einer Vergewaltigung. Seine Mutter war als Dienstmagd von ihrem Dienstherrn vergewaltigt worden. Kein Wunder, dass er von ihr nur halbherzig geliebt wird und sie ihn in ein Waisenheim abschiebt. Als die Mutter später wieder einen Mann findet, hat Berti erst recht keinen Platz mehr in ihrem Leben. Das Waisenhaus wird von einem strengen Pater und einem strengen Lehrer geleitet. Gutes hat Berti von diesen Leuten nicht zu erwarten. Schon als kleines Kind von sechs Jahren, als der Erste Weltkrieg 1914 ausbricht, fragt er sich unentwegt, warum seine Mutter ihn nicht zuhause aufwachsen lässt. Sie kommt ihn zwar oft besuchen, aber das ist nicht das, was er sich wünscht. Die Frage, ob er ein ungeliebtes Kind ist, nagt sehr stark an ihm. Aber er lernt, sich im Heim durchzusetzen und wird zu einem so genannten Rüpel, letztendlich zu einem wahren Prügelknaben. Immer wieder kommt er bei Wasser und Brot in den Karzer oder muss sich über den Prügelbock legen und wird windelweich geprügelt.

Parallel dazu wird die Geschichte von Elisabeth Gerber, genannt Lisa, erzählt. Lisa wächst im Harz, in Thale, als Tochter des Sohns eines Fleischermeisters auf. Die Mutter hatte sich die Hochzeit mit einem Kleinbürger erkämpft, was deren Vater, Hüttenwerker und überzeugter Sozialdemokrat, gar nicht gerne sah. Jedoch spätestens nach der Geburt von Lisa ergab er sich in sein Opadasein mit einem bürgerlichen Schwiegersohn. Ihre Mutter betreibt eine Wirtschaft, doch mit dem Ersten Weltkrieg bricht das Unheil für die kleine Familie ein und der Vater wird in den Krieg berufen. Von nun an musste sich die Mutter mit Lisa und ihren drei Geschwistern alleine durchschlagen, denn der Vater kehrte aus diesem Krieg nicht zurück.

Der Autor hat einen besonders schönen Stil gefunden, diese in Geschichte, die wie eine Familienbiografie anmutet, niederzuschreiben und zu erzählen. Eigentlich wird die Geschichte aus der Perspektive von Bertis Sohn erzählt. Doch dem stehen nur zwei Kapitel zur Verfügung: der Anfang und am Ende der Epilog. Erst im Epilog erfährt der Leser, wie der Erzähler, der ja gar nicht alles miterlebt haben kann, an die Informationen über seine Familie gelangte. Dazwischen wird das gesamte Buch von einem auktorialen Erzähler vermittelt. Über Jugendzeit und Kindheit der beiden Protagonisten Lisa und Berti bis weit in die erste Ehe hinein verläuft die Handlung beider bis zur Hälfte des Buches separat und parallel voneinander. Man erfährt vom Aufwachsen beider über die grausamen Umstände mit denen sie fertigwerden mussten, auch die schönen Momente, die sie im Leben hatten. Man erfährt, wie Lisa einen Menschen heiratet, obwohl sie ihn vielleicht nicht liebte, aber der ihr ein Zuhause bot, und den sie bis über seinen Tod hinaus respektierte. Man erfährt auch von Berti, dass er eigentlich kein Schläger werden wollte. Aber dass er doch ein großes Stück seines Lebens in diesem Waisenhaus verbrachte und sich dort durchsetzen musste, was wiederum dazu führte, dass er sehr wohl austragen konnte, um sich zu verteidigen.

In teils humorvollen Episoden werden viele Lebensabschnitte dieser beiden Personen geschildert. Der aufmerksame Leser wird erwarten, dass sich die Wege von Lisa und Berti irgendwann einmal treffen müssen. Sie werden auch einen gemeinsamen Weg beschreiten. Nahezu anrührend wird das Bemühen der beiden umeinander aufgezeigt.

Der sehr authentisch wirkende Roman ist ein Musterbeispiel für alle diejenigen, die sich berufen fühlen, aus ihrem eigenen Leben oder aus dem Leben naher Verwandter berichten zu müssen. Es gibt sehr viele Lebensgeschichten, sehr viele Lebensberichte aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges und davor. Aber meistens sind diese Berichte Tatsachenberichte, die einfach und schnörkellos erzählt werden. Als solche lassen sie jedoch oft die Spannung vermissen. Dem ist nicht so bei dem vorliegenden Roman. Dieser Roman ist dramaturgisch inszeniert, auch wenn viele Elemente davon autobiografisch oder biografisch sein sollten, ist zu spüren, dass an der Dramaturgie gefeilt wurde, damit die Leser nicht nur an die Informationen gelangen, sondern auch noch Spaß dabei haben. Ein einfühlsamer, bewegender Roman mit einem Ende, wie es sie auch geben mag. Von mir gibt es dafür fünf Sterne.

Kordon, Klaus
Das Karussell
Hardcover
Beltz & Gelberg, Weinheim
ISBN-10: 3407811144
ISBN-13: 978-3407811141

© Detlef Knut, Düsseldorf 2013

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Elizabeth Strout: Amy & Isabelle

Elizabeth Strout: Amy & Isabelle

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Kleinstadtmilieu und seine Bewohner.

Dieses ist die bewegende Geschichte von Isabelle, die als junges Mädchen vom Freund des Vaters geschwängert wurde, und mit Scham und Lüge ihr eigenes Leben und das ihrer Tochter lebt.

Amy ist eine trotzige und aufmüpfige kleine Person, die schon früh ahnt, dass ihre Mutter nicht so aufrichtig ist, wie sie tut.

In einer Fabrik hat die Mutter Arbeit gefunden, denn ihr Lehrerstudium konnte sie nach dem Tod ihrer Eltern nicht mehr fortsetzen. Sie ist eine beherrschte und etwas hochnäsige Figur, die für ihren Chef schwärmt. Erst allmählich erfährt man die Schicksale einzelner Mitspieler und die Geschichte gewinnt an Fahrt und zeigt damit auch die Veränderungen im Leben einzelner. Amy überragt zuletzt mit ihren Lebenseinsichten alle anderen.

Wie E.Strout ihre Geschichten aufbaut und die handelnden Personen dem Leser näher bringt, das ist gekonnt und sehr einfühlsam. Man lernt mit zu empfinden, was das Schicksal dem einzelnen zufügt. Eingebettet ist die Erzählung in dieses langweilige und genügsame Kleinstadtmilieu, das zu Träumen von einem besseren Leben verführt. Doch alle lernen ihre Grenzen kennen und das Beste aus dem zu machen, was das Leben ihnen zugedacht hat. Freundschaften und Wärme entstehen erst im gemeinsam getragenen Leid.

Elizabeth Strout ist eine Meisterin im Beschreiben des Lebens einfacher Leute. Sie kann in die Herzen ihrer Protagonisten schauen und ihre Gefühle veranschaulichen.

Ein beeindruckender Roman mit langem Nachhall ist der bekannten und gerühmten Autorin E. Strout neben anderen auch mit diesem Roman gelungen.

Elizabeth Strout
Amy & Isabelle
416 Seiten, broschiert
btb Verlag, April 2011
ISBN-10: 3442742498
ISBN-13: 978-3442742493
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Robin LaFevers: Dark Triumph – Die Tochter des Verräters

Robin LaFevers: Dark Triumph – Die Tochter des Verräters

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Auch Sybella ist eine ausgebildete Meuchelmörderin. Als Beauftragte des Todes spioniert sie d’Albret aus, während Ismae an der Seite der Herzogin weilt.
Es ist keine leichte Aufgabe, denn d´Albret, ein skrupelloser Verräter, könnte ihr Vater sein. Zumindest hat er sie aufgezogen. Allerdings würde Sybella ihn lieber tot sehen. Dass er kein Todesmal trägt, hindert sie allerdings daran, ihren Plan umzusetzen. Offenbar hat der heilige Mortain andere Pläne mit ihm.

Und zunächst hat auch Sybella eine andere Aufgabe umzusetzen. Es gilt einen Gefangenen zu befreien, der der jungen Herzogin noch von Nutzen sein kann, kämpf er doch voller Inbrunst für ihre Sache.
De Waroch ist ein unglaublich stattlicher Ritter. Sein Kampfgeist und seine
äußere Erscheinung haben ihm den Namen „Die Bestie“ eingetragen. Aber Sybella entdeckt den weichen Kern unter der harten Schale.

Irgendwann wächst in Sybella der Zweifel an ihren Aufträgen. Wessen Wünschen entspricht sie mir ihren Taten? Erfüllt sie wirklich ihre Bestimmung oder ist sie zum Spielball einer herrschsüchtigen Äbtissin geworden? Ihr Misstrauen lässt sie einen Plan entwerfen, für den sie all ihren Mut brauchen wird und die Hilfe de Warochs.

„Dark Triumph – Die Tochter des Verräters“ folgt auf „Grave Mercy – Die Novizin des Todes“. In diesem ersten Band ging es um die junge Ismae, ebenfalls eine Tochter des Todes und eine im Kloster ausgebildete Meuchelmörderin.
Es ist seltsam zu sehen, dass der Schreibstil der gleiche geblieben ist. Dadurch sind Ismae und Sybella in ihrer Art zu denken und zu handeln verwechselbar.
Dieser 2. Band ist dadurch vielleicht nicht ganz so authentisch wieder erste, aber wie wollte man diesen auch übertreffen?

Wieder geht es um Macht, um Intrigen und Ränkespiele, um Mord und Verrat, aber auch um die Liebe. Man wird ausgesprochen gut unterhalten und auch fasziniert von dieser Geschichte, die in einem ordentlichen Tempo und dennoch sehr gefühlvoll erzählt wird. Die Autorin versteht es, ganz unterschiedlich Stimmungen zu schaffen. Selbst die fantastischen Elemente, sind so glaubwürdig eingewoben, dass man diese niemals in Zweifel ziehen würde. Nicht zuletzt überzeugen auch die gut ausgearbeiteten Charaktere, allen voran Sybella, einer wirklich erstaunlichen jungen Frau.

Beide Bücher sind eng miteinander verbunden. Man sollte den ersten Band also unbedingt gelesen haben, bevor man mit dem 2. beginnt, auch wenn die Geschichten ineinander abgeschlossen wirken.

Rezension von Heike Rau

Robin LaFevers
Dark Triumph – Die Tochter des Verräters
Aus dem Englischen von Michaela Link
544 Seiten, broschiert
cbj, München
ISBN-10: 3570401790
ISBN-13: 978-3570401798
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Maria Klein: Weiblich, 40, plötzlich Single – Meine Suche nach dem neuen Mann fürs Leben

Maria Klein: Weiblich, 40, plötzlich Single – Meine Suche nach dem neuen Mann fürs Leben

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Maria Klein ist von Beruf Partnervermittlerin. Sie selbst lebt in einer Beziehung, bis ihr Mann sie unerwartet verlässt. Eine Welt bricht zusammen. Es ist schwer für sie, das zu akzeptieren. Aber schon nach kurzer Zeit beschließt sie, sich einen neuen Partner zu suchen. Die Kinder sind erwachsen und sie selbst schon knapp 50 Jahre alt. Diese Freiheit will sie ausnutzen. In der Kartei ihre Partnervermittlung möchte sie sich allerdings nicht bedienen.

Bei der Partnersuche geht sie sehr offensiv vor und lässt sozusagen nichts aus. Sie geht in die Disco, zum Speed-Dating, ins Fitnessstudio und sucht sich Bekanntschaften im Internet. Auch wenn sich der Mann fürs Leben nicht so schnell finden lässt, springt doch die eine oder andere Affäre heraus.

Maria Klein hat hier ihre eigene Geschichte und die damit verbundenen Erfahrungen aufgeschrieben. Es ist ein autobiographischer Roman, vielleicht aber auch ein Ratgeber, denn sie hält mit Ratschlägen nicht hinter dem Berg. Manche sind gut, andere doch recht befremdlich. Sicher mag nicht jeder so angriffslustig und unvorsichtig vorgehen wie sie. Aber gut, Menschen sind verschieden, was dem einen recht ist, kommt für den anderen nicht infrage.

Die Autorin nimmt Stellung zu ihrem Frausein und ihrem Umgang mit Familie, Freundinnen und Männern. Sie analysiert Zwischenmenschliches und zeigt auf, wie es zu Trennungen kommen kann und was einer Beziehung gut tut. In „Was ich dir sagen möchte“ wird Maria Klein sehr persönlich. Sie gesteht eigene Fehler ein, stellt gängige Klischees dar und rückt diese ins rechte Licht. Sie gibt Tipps für die Zukunft und zeigt, wie man sein Leben nach einer Trennung neu ausrichten kann. Es geht also nicht nur um die Partnersuche, sondern auch um den persönlichen Neuanfang nach einer Trennung.

Es ist ein unterhaltsames Buch. Eines, das zum Nachdenken anregt.

Rezension von Heike Rau

Maria Klein
Weiblich, 40, plötzlich Single – Meine Suche nach dem neuen Mann fürs Leben
320 Seiten, broschiert
Knaur Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3426785854
ISBN-13: 978-3426785850
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Yael Hedaya: Alles bestens

Yael Hedaya: Alles bestens

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Die Liebe kommt, und die Liebe geht.

Maja lernte vor einem Jahr auf einer Purim-Party den Gärtner Nathan kennen. Sie ist Akademikerin, alleine und sehnt sich nach Partnerschaft. Sehr schnell beginnen die beiden eine Affäre.

Unterdessen wollen sich Majas Eltern nach dreißig Jahren Ehe scheiden lassen. Talli, Majas jüngere Schwester, ist glücklich verheiratet und lebt mit Mann und Kindern in Kalifornien.

Wie das Leben so spielt: die Liebe kommt, und die Liebe geht. Doch zuweilen bleibt sie, und gelegentlich bleibt sie unerfüllt. So geht es Maja, die eines Tages entdeckt, dass Nathan schon seit Jahren mit einer anderen Frau liiert ist, die immer nur für zwei Tage in der Woche erscheint.

Maja ist die Beobachterin und die Leidende, die mit Nathan zwar ihr Nächte verbringt, doch am Ende nie weiß, wie es mit ihm weitergehen wird.

Teils aufgebracht und teils melancholisch reflektiert die Autorin die verschiedenen Erscheinungsformen der Liebe. Von Dreiecksgeschichten ist hier die Rede. Sie lassen häufig einen von dreien zurück, der leidet, und gelegentlich leiden sogar alle drei. Majas Mutter neidet dem Vater die erste Frau, die früh verstorben ist. Maja muss erleben, dass Nathan vollkommen unentschlossen mit zwei Frauen seine Zuneigung teilt. Liebt er überhaupt eine von beiden?

Yael Hedaya beherrscht die Zwischentöne, mit denen man von der Liebe spricht, über sie nachdenkt und ihre unterschiedlichen Erscheinungsformen erlebt. Sie lässt uns teilnehmen am Schicksal mehrerer Paare,die ihre Beziehungen mit unterschiedlicher Passion leben und den jeweils anderen unbefangen lieben, missverstehen oder gar an ihm vorbei leben. Maja bleibt die unglücklich Liebende, die mit Neid und Trauer auf die anderen schaut. Die eigenen Eltern sind es am Ende, die Maja zeigen, dass es die vollkommene Liebe nicht gibt.

Sie sind alt und müssen diese Einsicht nach einer realistischen Klärung der gemeinsamen Ausgangslage anerkennen.

Eine psychologische gekonnte Studie über das Leben zu zweit oder zu dritt gibt den nötigen Pepp, um an die Vielzahl in Form und Schattierung menschlicher Liebesbeziehungen zu erinnern. Hedaya geht tief und durchschaut das menschliche Miteinander, das selten einfach und komplikationslos verläuft. Das ist das Fazit guter Literatur: in ihr spiegelt sich die Welt, wie wir sie täglich erleben. Und aus ihr lernen wir, wie man mit Zweifeln umgeht und der Realität ins Auge schaut.

Yael Hedaya lebt in Tel Aviv und schreibt für verschiedene israelische Zeitschriften.

Yael Hedaya
Alles bestens
159 Seiten, broschiert
Diogenes, 26. März 2013
ISBN-10: 325730014X
ISBN-13: 978-3257300147
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