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Schlagwort: Liebe

Tomas Gonzalez: Das spröde Licht

Tomas Gonzalez: Das spröde Licht

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Eine Geschichte von Liebe, Schmerz und Verlust…

Die Familie von David aus Kolumbien ist glücklich und zufrieden, bis sie ein unvorhergesehenes tragisches Unglück trifft: Jacobo, der älteste Sohn, wird bei einem Autounfall schwer verletzt, und es gibt keine Hoffnung auf Besserung. Er ist vom Hals ab gelähmt und kämpft einen verzweifelten Kampf um die Rückkehr ins Leben.

Früher hat die Familie in Miami gelebt und zuletzt in New York, wo David als Maler Erfolg hat. Die drei Söhne gehen ihren Studien– und Schulbesuchen nach. Wir schreiben das Jahr 1999.

Die Familiengeschichte mit den charaktervollen Söhnen und der hübschen und tatkräftigen Mutter Sara ist eingebettet in ein lebhaftes Familienleben, in dem es bis dahin keine Betrübnis gab. David hat einen grünen Daumen, so dass er hübsche Gewächse in den Räumen und auf den Balkonen gepflanzt hat. Ein Papagei und der Kater Cristóbal ergänzen das Leben in dieser Oase des Friedens.

Nach Jacobos Unfall ändert sich das Leben der Familie komplett.

Über längere Zeit muss der Sohn mit den heftigsten Schmerzen leben, bis er und seine Familie zu einer schweren Entscheidung finden.

Jacobo beschließt, seinem Leben ein Ende zu setzen, weil er die Schmerzen nicht mehr ertragen kann. In Gedanken und Taten begleiten ihn Familienmitglieder und Freunde, und diese Zeit des Abschieds ist dramatisch und packend in ihrer Dynamik.

David ist zuletzt alt und bereits Witwer als ihn die Erinnerung an Sara und die Söhne noch einmal tief in die Vergangenheit blicken lässt.

Tomas Gonzalez schreibt emphatisch, tief verbunden mit seinen Figuren und mit Leidenschaft und Verve. Vor uns entfaltet er in einer blumigen  Sprache das Familienleben einer Latinofamilie von gehobenem Stand in Amerika. Seine Protagonisten mit ihrem Leid der Unheilbarkeit und der Verzweiflung bieten die eine Seite der Geschichte. Die andere zeigt das Leben in Miami und New York und später das in Kolumbien. Die Geräusche der Straße, der Duft der Blumen und die Pracht der Bäume im Central Park sind äußerst gegenwärtig.

In einer so innigen und zugleich sachlichen Weise hat man selten über Freundschaft, Liebe, Altern, Tod und Vergänglichkeit gelesen. Hier liegen Glück und Schmerz, Freude und Verlust nahe beieinander. Im Ton überzeugend und echt erlebt man jeden einzelnen mit den Gefühlen von Abschied und Erinnerung. Doch bleibt der Rahmen immer einer der verstehenden Zuwendung mit zärtlichen Familienbindungen.

Die Übersetzer haben sich in das fremde Leben eingefühlt und sind bemüht, auch in der Übersetzung die gleichen Effekte zu erzielen, wie im Original. Mir scheint das sehr gelungen.

Es ist ein kurzer aber inhaltsvoller kleiner Roman, in dem man sich den Menschen und den Hauptdarstellern eng verbunden fühlt.

Tomas Gonzalez ist ein bemerkenswerter latein-amerikanischer Dichter, dessen Entdeckung sich lohnt.

Tomas Gonzalez
Das spröde Licht
176 Seiten, gebunden
S. FISCHER, 2.Auflage, September 2012
ISBN-10: 3100266056
ISBN-13: 978-3100266057
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Mathias Nolte: Miss Bohemia

Mathias Nolte: Miss Bohemia

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Lukas Moskowicz liest es, in einer Bar sitzend, in der „New York Times“. Sein Schriftstellerkollege Philipp Bach ist tot. Vielleicht war es Selbstmord oder auch der Alkohol. Man weiß es nicht. Der Autor war kein Freund von Lukas, auch wenn beide sich oft begegnet sind. Auf dem Foto in der Zeitung entdeckt er Tara. Dass sie zur Trauergesellschaft gehörte, überrascht ihn. Und es weckt Erinnerungen. Bach brachte sie damals mit, als er Lukas mit einem Besuch auf Big Pine Key überfiel. Lukas war sofort fasziniert von der jungen, lebenslustigen und vor allem unkonventionellen und schamlosen Frau. Sie wurde auch seine Geliebte, weil sie es wollte. Eine Wahl hat sie ihm nicht gelassen.

Lukas setzt sich mit der Verfasserin des Artikels in Verbindung. Gretchen Rappaport kannte Bach gut. Sie war sogar eine Zeit mit ihm zusammen gewesen. Sie weiß alles über ihn. Im Gegensatz zu Lukas, der Bach als Autor für nur mäßig erfolgreich hält, wobei dessen Buch „Miss Bohemia“ ihn sehr beeindruckt hat. Die Heldin des Buches erinnert ihn an Tara.
Lukas möchte das Rätsel lösen, das Bach ihm mit seinem mysteriösen Tod aufgegeben hat. Dass es Geheimnisse gibt, ist offensichtlich. Und Tara weiß darüber Bescheid. Sie arbeitet in Berlin an einem Buch, dessen Ursprünge für Lukas im Dunkeln liegen.

Es ist faszinierend zu lesen, wie es einer jungen Frau gelingt, Macht über gleich zwei Männer auszuüben und sie zu manipulieren. Mit ihren Lügen reißt sie rücksichtslos alles nieder. Mit der Trennung, allerdings von Tara erzwungen, gewinnt Lukas sein Leben zurück. Aber nur, bis er ihr wieder begegnet. Dies alles ist beeindruckend erzählt. Die Geschichte ist ausgefeilt bis ins letzte Detail. Dabei sind die Figuren perfekt ausgearbeitet. Lebendige Schauplätze bieten einen guten Rahmen.

Die Macht der Erinnerungen, um die sich alles dreht, spielt eine große Rolle. Begegnungen sind es, die alles auf den Kopf stellen können. Lukas Moskowicz bekommt das zu spüren. Man könnte sagen, er rennt sehenden Auges ins Messer, weil für ihn kein Weg an Tara vorbeizuführend scheint. Dieser ganze Zwiespalt ist sehr gut nachvollziehbar dargestellt. Dem Autor ist nicht Zwischenmenschliches fremd. Man ist sehr gespannt, wie das am Ende aufgelöst wird. Hier überrascht der Autor noch einmal.

Rezension von Heike Rau

Mathias Nolte
Miss Bohemia
288 Seiten, gebunden
Deuticke Verlag
ISBN-10: 3552062106
ISBN-13: 978-3552062108
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Alix Ohlin: In einer anderen Haut

Alix Ohlin: In einer anderen Haut

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Wohin die Liebe führt…

Menschliche Beziehungen sind fragil, gelegentlich zerstörerisch und häufig abenteuerlich.
Darüber zu lesen kann ebenfalls zu einem Abenteuer werden.
Alix Ohlin entführt uns mit ihrem jetzt auf Deutsch erschienen Roman auf das Spielfeld menschlicher Irrungen und Wirrungen.

Grace, eine kanadische Therapeutin in Montreal, hat sich in einen zurückgenommenen und fast abweisenden Mann verliebt, den sie nach einem untrüglich als Selbstmord zu definierenden Unfall im Schnee gefunden hat. Warum kann sie nicht von ihm lassen?

Als Therapeutin hat sie mit der sechzehnjährigen sich selbst verletzenden Anne ein Desaster erlebt. Diese, Tochter wohl bestallter Akademikereltern, brennt schließlich durch, beendet die Beziehungen zu ihren Eltern ganz und schlägt sich als mittelmäßige Schauspielerin in New York durchs Leben.

Mitch, der Exmann von Grace, ist ebenfalls dabei, sein Leben in eine neue Form zu zwingen. Sehr erfolgreich ist er dabei nicht!

Der Roman von Alix Ohlin erzählt in einer klaren Sprache von den Verirrungen, denen wir Menschen gelegentlich erliegen können.

Da sieht einer sein Gegenüber in einem imaginierten Glanz und Licht und verkennt, wie der andere wirklich ist. Tiefenpsychologisch schlüssig und genau hat Alix Ohlin ihre Figuren angelegt. Es scheint keine einfache Wahrheit zu geben stattdessen aber zahlreiche Fehlinterpretationen über das Verhalten des jeweiligen Partners.

Übersichtlich und klar verläuft die Handlung und löst gerade mit den an sich selbst irre werdenden Protagonisten eine starke Spannung beim Lesen aus. Mosaiksteinchen gleich setzen sich die Lebensstationen der einzelnen Figuren zusammen, und man erlebt, wie nahe Unglück und Glück beieinander liegen.

In der Psychoszene findet man häufig den Begriff des „Helfersyndroms“, der für eine Aufwertung des eigenen Selbst herhalten muss. In der Regel beruht diese Haltung jedoch eher auf dem abgewehrten Gegenteil: einem Mangel an Selbstwertgefühl.Dieses Helfersyndrom wird in zahlreichen Variationen hier durchgespielt.

Mitch, Grace, Anne und Tug, der im Schnee gefundene unbekannte Fremde, suchen offensichtlich nach Liebe, Nähe und Zuwendung, ohne sich wirklich auf diese ersehnte Nähe einlassen zu können. Jeder bemüht sich um eine verlässliche Spur für den eigenen Lebensweg und taumelt von einem Abenteuer oder Beziehungsversuch zum nächsten. Ortswechsel in entlegene Weltgegenden wie die Arktis oder Afrika geben der ganzen Geschichte den notwendigen äußeren Rahmen, in dem sich die allgemeine Rat – und Rastlosigkeit manifestiert.

Alix Ohlin hat einen spannenden Psychoroman geschrieben, in dem sie die Befindlichkeiten ihrer Figuren mit tiefenpsychologischen Blicken auslotet. Die Widersprüche im Handeln, das Unglück der einzelnen und der Kampf um Autonomie und Stärke geben dem Roman einen unverwechselbaren Anstrich. Auch so ist das Leben! Alix Ohlin hat es erfasst!

In der Übersetzung von Sky Nonhoff wird hiermit auch für das deutsche Lesepublikum ein bemerkenswerter Roman der kanadischen Schriftstellerin Alix Ohlin zugänglich gemacht.

Alix Ohlin
In einer anderen Haut
349 Seiten, gebunden
Beck, Januar 2013
ISBN-10: 3406647030
ISBN-13: 978-3406647031
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Jonathan Franzen: Weiter weg

Jonathan Franzen: Weiter weg

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Jonathan Franzen hat die wunderbare Gabe, in seinen Romanen und Schriften Herz und Verstand sprechen zu lassen!

So auch in seinem neuen Buch mit Essays, in denen er über menschliche Beziehungen, Selbsterkenntnis und Weisheit zu uns spricht.

Der erste Essay beginnt mit einer Rede vor Absolventen des Kenyon College im Mai 2011 mit Anregungen, das Leben aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Eine ähnliche Rede vor Absolventen des Colleges hat sein enger verstorbener Freund David Foster Wallace im Jahr 2005 unter dem Titel „Das hier ist Wasser“ gehalten.

Franzens Essays handeln von der Liebe zu Eltern, Geschwistern, Freunden und zwischen Paaren. Er berichtet z.B., wie die neuen Techniken und seine Liebe zur Einsamkeit und Natur bei ihm ein heilloses Durcheinander ausgelöst haben. Geräte zur virtuellen Nutzung machen nach seiner Meinung süchtig und lassen das emotionale Wachstum veröden, ohne dass er sie deshalb ganz verteufeln würde. Selbstliebe und Selbsterkenntnis sind die eine Seite, die auf Technik beruhende Fremdheit und der Verlust des Ichs die andere.

Seine Worte und sein Fazit über Toleranz gegenüber den Mitmenschen zum Ende des ersten Artikels wirken tröstlich, einsichtig und human zugleich.

In einem weiteren Essay weiß er über Einsamkeit und Selbstfindung in der abgelegenen Natur zu berichten. Er nimmt harte äußere Bedingungen in Kauf, um nach Monaten, die er auf Lesereisen verbracht hat, eine Auszeit zu nehmen. Dabei erfreut ihn die Beobachtung der Vögel, die seiner ausgedehnten Liebe zu dem fliegenden Getier geschuldet ist. Das Leben von Robinson Crusoe, das er zur Lektüre dabei hat, veranlasst ihn, sein eigenes Leben im Kontext von Natur und Zivilisation zu überdenken.

In den weiteren Artikeln geht es um Freunde, Bücher, Naturschutz und zahlreiche andere Themen, die ihn immer wieder beschäftigen.

Mit wachem Geist und aufmerksamen Blicken durchleuchtet er sein eigenes Verhalten und das der anderen. Sicher kommt ihm dabei sein Wissen um die Kritische Theorie von Max Horkheimer und T.W. Adorno zugute.

Die Aufzeichnungen Jonathan Franzens erinnern an Selbstgespräche oder Dialoge, und man liest sie mit höchstem Interesse und persönlichem Gewinn. Sie sind witzig, geistreich, selbstkritisch, sarkastisch und auf jeden Fall immer wieder mitreißend. Es geht um die Natur, das Leben als Schriftsteller, die Einschätzung bestimmter Literaturgattungen, Freunde und um Beziehungen zwischen Menschen. Man versteht durch seine Schriften, was „Leben“ heißt.

Was Jonathan Franzen von zahlreichen Schriftstellern zu erzählen weiß, den geschätzten und weniger geschätzten, macht zuweilen Schmunzeln und zeigt eine umfassende Kenntnis seiner literarischen Vorlieben. Franzens Bildung gekoppelt an seine Redegewandtheit machen die Aufsätze zu einer anregenden, nachdenkenswertes und für mich auch vergnüglichen Lektüre mit Wiedererkennungswert.

Jonathan Franzen
Weiter weg
368 Seiten, gebunden
Rowohlt Verlag
ISBN-10: 349802132X
ISBN-13: 978-3498021320
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Ali Shaw: Der Mann, der den Regen träumt

Ali Shaw: Der Mann, der den Regen träumt

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Elsa Beletti ist von New York in das abgeschiedene Städtchen Thunderstown gekommen, um nach dem Tod ihres Vaters und der Trennung von ihrem Freund Abstand zu gewinnen. Sie wohnt in einem kleinen Apartment unter dem Dach von Kenneth Oliviers Haus. Das kleine Städtchen wird immer wieder von Wetterphänomenen heimgesucht. Man schiebt das Old Man Thunder zu. Für manche ist er real. Doch Daniel Foster, der Bergjäger, glaubt eher, dass er Legende ist und nur in der Vorstellung der Einheimischen existiert.

Es zieht Elsa hinauf in die Berge von denen Thunderstown umgeben ist. Oben bei der alten Windmühlenruine, macht sie eine Entdeckung, die sie sich nicht erklären kann. Ein Mann, der sich unbeobachtet glaubt, verwandelt sich in eine Wolke, lässt es regnen und nimmt dann seine ursprüngliche Gestalt wieder an. Sie stellt ihn zur Rede, aber er ist nicht bereit, viel preiszugehen. Heimlich geht sie ihm nach, bis zu einem kleinen Steinhäuschen, aber er ist nicht bereit, noch einmal mit ihr zu reden.

Elsa lässt nicht locker. Schließlich kommt sie doch an den Mann heran, der sie so fasziniert. Finn Munro ist ein Phänomen. Er trägt das Wetter in sich. So wie er seine Stimmungen und Gefühle beschreibt, ist er Elsa gar nicht so unähnlich. Aus Verbundenheit wird Liebe. Doch in Thunderstown schlägt Finn Munro der Hass entgegen, der aus den Ängsten der Leute entstanden ist. Man hält ihn für Old Man Thunder und glaubt, dass nur sein Tod das Wetter wieder beruhigen kann.

Es ist eine Geschichte, die verzaubert. Es entsteht sehr schnell der Eindruck, dass man etwas ganz Besonderes liest. Mit sehr viel Feingefühl und stilistisch ausgefeilt beschreibt der Autor, was geschieht. Auf poetische und melancholisch anmutende Art und Weise wird die Geschichte fortgeschrieben. Die fantastischen Elemente, die der Autor einbringt, begeistern. Es verleiht der Geschichte Intensität. Gefühle werden dem Leser dadurch besonders ausdrucksstark und fast schon bildlich vorstellbar vermittelt. Die eher ruhige Handlung gewinnt durch das Übersinnliche an Spannung. Tief verwurzelter Aberglaube ist es, der hier zum Tragen kommt. So wohnt der Geschichte etwas Rätselhaftes und Geheimnisvolles inne. Damit grenzt sich das Buch ab und ist auf seine Art etwas ganz Außergewöhnliches.

Rezension von Heike Rau

Ali Shaw
Der Mann, der den Regen träumt
Übersetzt von Sandra Knuffinke und Jessika Komina
332 Seiten, gebunden
script5 im Loewe Verlag
ISBN-10: 3839001463
ISBN-13: 978-3839001462
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Robert Seethaler: Der Trafikant

Robert Seethaler: Der Trafikant

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Wien zu Ende des Jahres 1937. Der siebzehnjährige Franz Huchel ist von seiner Mutter nach Wien geschickt worden, wo er sich beim Zeitungshändler Otto Trsnjek vom Gesellen zum Trafikant ausbilden soll. Er ist am Attersee im Salzkammergut in einfachen Verhältnissen groß geworden. Dort war die freie Natur, die Vögel und der See sein Zuhause. Hier in Wien überwältigt ihn die große Stadt mit ihren Menschen und Sehenswürdigkeiten. Im Zeitungsladen macht er die Bekanntschaft von Prof. Dr. Sigmund Freud, der ihn stark beeindruckt. Freud ist der berühmte Seelendoktor, der von zahlreichen Patienten aus aller Welt konsultiert wird. Da unser Franz sich so sehr nach Liebe sehnt, ermutigt ihn der Doktor, erste Versuche in diese Richtung zu wagen. Schon der überraschende Gedankenaustausch mit Sigmund Freud gerät zu Franzls Glück.

In Wien erlebt Franz dann aber auch sein erstes Liebesglück- und Unglück! Und er lernt im Austausch mit dem Professor, wie das Beisammensein Menschen prägt, fördert oder auch schadet.

Franz ist naiv und unbedarft und hört im Zusammenhang mit Freud zum ersten Mal den Begriff „Jud“, mit dem der grassierende Antisemitismus seine Ausrucksform findet. Die braunen Horden machen sich breit und schüchtern ihre Opfer mit brutalen Methoden ein.

Die ungleiche und ungewöhnliche Freundschaft zwischen Professor Freud und Franz Huchel nimmt zugleich ihren Lauf. Sie könnte gegensätzlicher nicht sein. Zart, klug und weise tauscht der Junge mit dem alternden Professor Gedanken aus über das Glück, die Liebe, die großen und kleinen Katastrophen, und Franz hat Mitleid mit dem alten Mann. „Das Altwerden ist doch eigentlich ein einziges Elend, dachte Franz wehmütig und gleichzeitig ein bisschen wütend. Was nützt die ganze Gescheitheit, wenn einen die Zeit doch irgendwann erwischte?“

Die Freundschaft zwischen den ungleichen Partnern bezaubern mit einfachen Aussagen darüber, was sich in der „Psychoanalyse“ abspielt.

In ihr zeigen sich die Tiefe und Ernsthaftigkeit des Austauschs zwischen Schüler und Gelehrtem.

Mit seinen feinen Schilderungen bringt uns Seethaler die Natur und Menschen näher und zeigt, dass Klugheit nicht ans Studieren geknüpft sein muss. Es geht eher darum, natürliche Lebensweisheiten zu erkennen und in sich aufzunehmen. Diese Erkenntnis mag der Gewinn sein, den der Professor aus dem Umgang mit dem einfachen Jungen zieht.

In seiner seltsam deftigen und altmodischen Sprache erzählt Robert Seethaler seine Geschichte über den Trafikanten. Wir kennen die Sprache aus „Die weiteren Aussichten“, in denen Seethaler ebenfalls das Leben der kleinen Leute zum Thema genommen hat. Hier wird es die braune Flut sein, die in Gestalt der Nazis Menschen und Städte vergiftet.

Die Grundmelodie der Geschichte steigert sich von heiter über gelegentlich belustigend bis zuweilen melancholisch und zuletzt ernst und traurig und behält im Tenor eine gewisse Zärtlichkeit.

Ein wunderbarer, einprägsamer und beeindruckender Roman ist dem Robert Seethaler erneut gelungen.

Robert Seethaler
Der Trafikant
256 Seiten, gebunden
Kein & Aber, 3. Auflage, September 2012
ISBN-10: 303695645X
ISBN-13: 978-3036956459
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Lea Korte: Das Geheimnis der Maurin

Lea Korte: Das Geheimnis der Maurin

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Mit diesem Roman schließt die Autoren unmittelbar an den vorhergehenden Roman „Die Maurin“ an. Erneut entführt Sie uns in die Welt von 1001 Nacht. Es geht nicht weniger abenteuerlich als in den originalen Märchen zu. Im Gegenteil, „Das Geheimnis der Maurin“ ist ein klassischer Abenteuerroman durch und durch. Er enthält romantische Passagen genauso wie Schlachten und Gemetzel, so wie es in diesem Genre üblich ist.

Doch zunächst zum Inhalt: Wir befinden uns in Andalusien auf der iberischen Halbinsel im Jahre 1491. Zahra, die Protagonistin aus dem ersten Band, und ihre Familie müssen vor den christlichen Eroberern nach Portugal fliehen. Wir erinnern uns, dass die Mauren durch die christlichen Könige Isabel und Fernando besiegt worden sind. Die Familie Zahras hat die Seidenfarm verkauft und sucht jetzt nach einem neuen Fleckchen Erde, auf dem sie sich niederlassen kann. Sie wird jedoch auf ihrer Flucht von Soldaten überfallen, Zahras Tochter Chalida wird entführt. Die Familie bricht die Flucht nach Portugal ab und Jaime, der christliche Liebhaber der Muslima Zahra, außerdem ist er der Vater all ihrer Kinder, macht sich auf die Suche nach seiner jüngsten Tochter. Anfangs noch optimistisch, das kleine Mädchen schnell wieder zu seiner Mutter zurückzubringen, kehrt er immer wieder mit leeren Händen von seinen Suche zurück. In letzter Verzweiflung wendet er sich an seinen Bruder Gonzalo. Doch Gonzalo war vor Jaime der Verlobte der wunderschönen Zahra. Die beiden Brüder haben jahrelang nicht miteinander gesprochen, weil Gonzalo es nicht verwunden hat, dass sich Zahra in seinen Bruder verliebte.

Mit viel Gespür für Abenteuer und Liebe beschreibt Lea Korte in diesem fiktiven Roman das Aufeinandertreffen dreier Religionen auf der iberischen Halbinsel. Während zu Beginn des 15. Jahrhunderts die Gläubigen der Religionen des Judentums, der Christen und des Islam friedfertig und sich gegenseitig Kraft gebend zusammengelebt hatten, so brach mit der Machtübernahme der katholischen Kirche ein großes Morden auf der iberischen Halbinsel aus. Der Roman erzählt von den Gräueltaten der katholischen Kirche und ihrer Handlanger. Er erzählt von der Verfolgung der Juden, die als erstes nach der Machtübernahme durch die Christen dran glauben mussten. Und das, obwohl den Machthabern bekannt war, dass die Juden das Geld geliefert hatten, mit denen sie die Mauren besiegen konnten. Der Roman erzählt von der Verfolgung der Moslems, nachdem die Juden zwangsgetauft oder aus dem Land getrieben worden waren. Er erzählt davon, dass es den Moslems letztendlich nicht anders ergehen sollte als den Juden. Als allein gültigen Glauben wollten die Herrscher nur das Christentum sehen. Dieser historische Konflikt wurde von der Autorin hervorragend mit der Familie Zahras in ein fiktives Abenteuer umgewandelt. Denn wie kann ein solcher Konflikt besser dargestellt werden als in diesem Roman. Die starke, und aus heutiger Sicht sehr emanzipierte, Protagonistin ist islamischen Glaubens, ihr Mann hingegen, mit dem sie nicht verheiratet sein darf, gehört dem christlichen Glauben an. Er ist christlich getauft und erzogen worden ist. Während der großen Kämpfe gegen das Christentum (im ersten Roman) kämpfte Jaime auf der Seite der Mauren gegen die christlichen Herrscher. Im vorliegenden Roman ist er von Strafen verschont geblieben und dient als Leibwächter eines den Mauren tolerant gegenüberstehenden Erzbischofs. Der Konflikt zwischen Christentum und Islam besteht also unmittelbar innerhalb der Familie der Protagonistin. Dies ist Konfliktstoff pur, der die Höhen und Tiefen, das Auf und Ab der Gefühle des Lesers erzeugt. Es stellt sich immer wieder aufs Neue die Frage, ob die Liebe zwischen Zahra und Jaime daran zerbricht.

Der Roman lässt den Leser eintauchen in eine Welt voller Exotik, in eine Welt voller orientalischer Gerüche und Düfte, voller orientalischer Geräusche, und dennoch bleibt er gefangen in einer Handlung, bei der er ständig wissen möchte, wie es weitergeht. Lea Kortes Schreibstil ist vergleichbar dem orientalischer Märchenerzähler. Alle Sinne werden mit passenden Vergleichen oder Metaphern bedient, so dass die Gefühlswelt des Lesers freien Lauf nehmen kann. Gleichzeitig werden dabei die notwendigen Genreelemente der Romantik und Spannung so perfekt bedient, dass dem Leser kaum etwas anderes bleibt, als das Buch schnell und zügig bis ans Ende zu lesen. Dabei hat sie mit der Familie der as-Sulamis das Thema des Buches, Toleranz für ein friedliches Zusammenleben aller Religionen, hervorragend übertragen.

Für Liebhaber historischer Abenteuerromane, die einmal über das Rittertum des mitteleuropäischen Raums hinausschauen möchten, ist „Das Geheimnis der Mauren“ ein unbedingtes Muss.

Korte, Lea
Das Geheimnis der Maurin
Knaur Taschenbuchverlag
ISBN-10: 3426509385
ISBN-13: 9783426509388

© Detlef Knut, Düsseldorf 2013
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Rachel Hartman: Serafina – Das Königreich der Drachen – Band 1

Rachel Hartman: Serafina – Das Königreich der Drachen – Band 1

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Prinz Rufus wurde auf schrecklich Weise ermordet. Am königlichen Hof wird vermutet, dass ein abtrünniger Drache, der den vereinbarten Frieden gebrochen hat, dafür verantwortlich ist. In die Aufklärung des Falls wird Serafina, die Musikmamsell des Hofkomponisten, direkt mit hineingezogen. Allerdings mag sie sich nicht auf eine Seite schlagen, nicht auf die der Menschen und auch nicht auf die der Drachen. Niemand weiß, dass ihr Vater ein Mensch ist und ihre Mutter ein Drache war. Laut Gesetz hätte Serafine, die damit ein Halbdrache ist, keine Berechtigung zu leben.

Dank ihres Onkels Orma, dem Bruder ihrer Mutter, hat sie eine sehr gute Ausbildung genossen und ist blitzgescheit. Das fällt auch Prinz Julien Kiggs, Hauptmann der Garde, auf, der beeindruckt von der jungen Frau ist, obwohl er mit Prinzessin Glisselda verlobt ist. Serafina gelingt es, ihre wahre Identität zu verbergen. Es gibt noch andere wie sie, das weiß sie aus ihren Visionen. Nach und nach treten diese zu ihrer Überraschung in ihr Leben.

Der Jahrestag des Friedenschlusses naht, Gäste und wichtige Friedensbotschafter werden bei Hofe erwartet. Ein weiterer Mordanschlag wird befürchtet und wäre eine Katastrophe. Es muss also alles getan werden, um den Mord an Prinz Rufus aufzuklären.

Was für eine wunderbare Geschichte! Serafina ist ein liebreizendes Mädchen, die trotz ihrer Ängste Mut beweist. Sie ist bemüht, den Frieden zwischen Menschen und Drachen aufrecht zu erhalten und Vorurteile abzubauen. Doch die Intrige, die hinter dem Mord und anderen Geschehnissen steckt, ist schwer zu durchschauen. So entwickelt die Geschichte immer mehr an Spannung.

Die Autorin zeigt sich einfallsreich. Immer wieder gibt es überraschende Wendungen und Details. Die märchenhafte und poetische Erzählweise gefällt ausgesprochen gut. Nur das Ende zieht sich ein wenig hin. Dieser Eindruck entsteht wahrscheinlich, weil dieses offen bleibt für den zweiten Band. Aber immerhin ist der Mord an Prinz Rufus aufgeklärt und Serafinas Herkunft ist am Ende des ersten Bandes auch kein Geheimnis mehr.

Rezension von Heike Rau

Rachel Hartman
Serafina – Das Königreich der Drachen – Band 1
512 Seiten, gebunden
cbj, München
ISBN-10: 3570152693
ISBN-13: 978-3570152690
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Berit Brockhausen: Hoheitsgebiete – Revierkämpfe in der Liebe

Berit Brockhausen: Hoheitsgebiete – Revierkämpfe in der Liebe

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Als Paar zusammen zu leben, ist nicht immer einfach. Hier sind nun mal zwei völlig unterschiedliche Menschen zusammen und voneinander abhängig. Zusammenzuarbeiten und das Leben gemeinsam zu gestalten, ist eine Aufgabe, die erfüllt werden muss. Dabei kommt man sich schon mal in die Quere oder tritt sich auf die Füße. Immer wieder herrscht Uneinigkeit und aus Diskussionen wird Streit. Jeder verteidigt seine Bedürfnisse und verlangt vom anderen, was dieser möglichweise gar nicht leisten kann oder will. Es ist ein weites Feld. Manchmal wird der Ausweg nur noch in einer Trennung gesehen, auch wenn der Gedanke schmerzt. Doch gerade weil es schmerzt, weil man den anderen eigentlich nicht verlieren möchte, besteht noch Hoffnung.

Die Autorin verwendet in ihrem Buch den Begriff „Hoheitsgebiete“. Jeder Mensch hat sein eigenes unantastbares Territorium. Daneben gibt es die gemeinsamen Gebiete, die unter beider Verantwortung stehen. Grenzverletzungen sind es, die für Irritation sorgen. Diese Territorialkämpfe können aber diplomatisch ausgetragen werden. Dabei muss sich das Paar auf Augenhöhe und mit Respekt begegnen können. Denn nur dann geht es gestärkt daraus hervor.

Die Autorin vermittelt ihr Anliegen nicht nur auf eine theoretische Art und Weise. Vielmehr wird das von ihr Gesagte mit Beispielen untermauert. Dabei wird keiner in einer Paartherapie bevorzugt. Zu einer Beziehung gehören immer zwei und jeder hat das Recht angehört zu werden. Jeder hat ganz eigene Gefühle, Empfindungen und Gründe für sein Handeln, nur kann der Partner keine Gedanken lesen und versteht manches falsch. Die Autorin zeigt, wie sie diese Verstrickungen durch gezielte Einwürfe oder Fragen löst. Die vermeintlichen Gegner werden wieder zusammengebracht.

Es sind wirklich Alltäglichkeiten in einer Paarbeziehung, um die es geht. Deshalb ist das Buch auch allen Paaren zu empfehlen. Es führt hinter die Kulissen, hinterfragt Denkweisen und Absichten. Es braucht Übung, das Gelesene anzuwenden. Es ist harte Arbeit und kann nicht von einem auf den anderen Tag gelingen. Territoriale Konflikte lassen sich ja nicht vermeiden. Aber es ist der Umgang damit, der entweder Probleme schafft oder eben, wenn man es richtig angeht, die Konflikte auflöst, so dass beide glücklich damit sein können. Das vermittelt die Autorin auf gekonnte Art und Weise, mit viel Verständnis und auch ein wenig Humor.

Rezension von Heike Rau

Berit Brockhausen
Hoheitsgebiete – Revierkämpfe in der Liebe
224 Seiten, Klappenbroschur
Südwest Verlag
ISBN-10: 3517087947
ISBN-13: 978-3517087948
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Gaito Gasdanow: Das Phantom des Alexander Wolf

Gaito Gasdanow: Das Phantom des Alexander Wolf

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Liebe und Tod als unversöhnliche Gegenpole.

Der Icherzähler und Held der vorliegenden Geschichte lebt als russischer Emigrant Ende der zwanziger Jahre in Paris. Er ist Journalist. Mit unverhohlener Gewalt plagen ihn Erinnerungen an einen Mord, den er als Weißgardist im Russland der Revolutionsjahre begangen hat. In der Gestalt einer Erzählung meint er, den von ihm Ermordeten wieder zu erkennen.

Mit feinem Strich und äußerst delikat beginnt eine Geschichte, in der es um Mord und Totschlag, um Liebe, Schuld, um Tod und Auferstehung geht.
Man wird nicht müde, der Erzählung zu folgen, die sich mit zarten Details über die moralischen Skrupel des Icherzählers auslässt.

Er war jung, vielleicht 14 oder 15, als er dem Gegner in einem Waldstück in Südrussland auf Erkundungstour begegnete. Um selbst dem Tod zu entgehen, hat er aus Notwehr zuerst geschossen. Dass der Getroffene den Angriff überlebt haben könnte, war ihm nie in den Sinn gekommen.
Doch er findet 15 Jahre später im Exil in Paris die Erzählung „I’ll Come Tomorrow“ von Alexander Wolf. In ihr werden die Ereignisse von damals so detailgenau beschrieben, dass unser Held nicht umhin kann, den von ihm vermeintlich Ermordeten in ihnen wieder zu erkennen.
Nun beginnt eine intensive Suche nach Alexander Wolf. Doch ist er ein Phantom oder ein lebender Schriftsteller?
Man wird sehen.

Fein ziseliert und konstruiert erlebt man die Geschichte die ganze Zeit als verwirrend, mysteriös und schemenhaft. Eine unergründliche Düsternis überschattet das Werk. Die dramatische Liebe zu Jelena verwirrt den LeserIn ebenso, wie vielfältige andere Begegnungen mit Exilrussen. Paris war zur damaligen Zeit das Auffangbecken für zahlreiche russische Emigranten, die nach der Revolution in ihrer Heimat nicht mehr bleiben konnten. Doch geht es hier um die innere Erkundung der jeweiligen seelischen Befindlichkeiten und nicht etwa um die politischen Verhältnisse. Erstere sind faszinierend und stimmen zuweilen sprachlos. Eine Erzählstrang greift unerklärlich in den nächsten, so dass man eifrig am Ball bleiben muss, um den Faden nicht zu verlieren.

Gaito Gasdanow ist ein spät wieder entdeckter russischer Schriftsteller, dessen kleine Novelle bereits 1947 zum ersten Mal aufgelegt worden ist. Jetzt ist sie in der Übersetzung von Rosemarie Tietze auf Deutsch erschienen. Die Kritiken zu seinem Werk ergehen sich in höchstem Lob. Zu Recht, wie ich finde!

Gaito Gasdanow
Das Phantom des Alexander Wolf
Kindle Edition
Seitenzahl des Buches: 133 Seiten
Carl Hanser Verlag, August 2012
ISBN-10: 3446238530
ISBN-13: 978-3446238534
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