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Schlagwort: Liebe

Nicol Ljubic: Meeresstille

Nicol Ljubic: Meeresstille

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Liebe zwischen Krieg und Frieden!

Der Titel des Romans „Meeresstille“ verheißt Wind, Sand, Sterne und Ruhe bei leisem Meeresrauschen.

Im Zentrum einer Betrachtung zwischen Krieg und Frieden stehen Ana und Robert. Etwa im Jahre 2006 studiert Ana in Berlin, als sie Robert kennen lernt, der an der Universität an seiner Dissertation schreibt. Er wurde in Berlin als Deutscher geboren und kennt nicht einmal die Heimat seiner Vorfahren, die in Kroatien lag. Ana hingegen stammt aus Visegrad, einem Örtchen im Osten von Bosnien-Herzegowina. Dort hat der Krieg nach dem Zerfall des Bundesstaates Jugoslawien mit verheerenden Auswirkungen auf die Bevölkerung der Muslime getobt. Ehemalige Nachbarn wurden zu Feinden, und zu Tausenden wurden Muslime von serbischen Milizen verfolgt und auf grausame Weise umgebracht.

Im extremen Kontrast zu liebevollen Szenen am Meer zwischen den zwei Liebenden findet ein Kriegsverbrecherprozess in Den Haag statt. Simic steht vor Gericht: ein hoch gebildeter und angesehener Professor für Anglistik muss sich vor Gericht verantworten. Er ist Serbe und ihm wird die Beteiligung an einem Massaker gegen Muslime vorgeworfen.

Als Prozessbeobachter ist Robert in Den Haag und seine Gedanken wandern immer wieder zu Ana.

Was hat sie im jenem barbarischen Krieg erlebt, von dem sie nichts erzählen will?

Nachdenklich und stimmig sind die Reflexionen von Robert, der die Zusammenhänge zwischen Ana, dem Angeklagten Simic und dem Bosnienkrieg nicht recht erkennen kann. Er ist auf Vermutungen angewiesen, die der Leser mit ihm teilt.

In dem Roman arbeitet Nicol Ljubic die Verknüpfungen zwischen Krieg, Schuld und Sühne heraus und beleuchtet die Verletzungen der Seele, die den Opfern und den Angehörigen auf der einen wie auf der anderen Seite  zugefügt wurden. Hervorragend lässt der Autor die Seiten verschwimmen, so dass zunächst unklar bleibt, bei wem Schuld zu suchen ist, wer sühnen muss, und wer auf welche Weise und wie betroffen ist. In seinem Roman wird die Thematik „Krieg“ auf eine Weise dargelegt, dass sich jeder fragt: gibt es überhaupt einen gerechten Krieg? Jede Seite sieht nur die eigenen Rechte, und verblendet schaut ein jeder nur aus der  eigenen Richtung auf das Kriegsgeschehen. Ganz unbestimmt wird über eine Moral verhandelt, die den Spannungsbogen der Erzählung bestimmt. Der Leser muss selber Stellung beziehen, wie der Krieg und die Schuld eines einzelnen zu beurteilen ist.

Nicol Ljubic ist ein großartiger Erzähler, der diffizile moralische Fragen stellt und zu Antworten herausfordert. Robert, aus dessen Sicht die meiste Zeit berichtet wird, ist feinfühlig und bemüht, Klarheit zu finden in einem diffusen Rollenspiel, mit der die Seiten – und  Sichtwechsel angezeigt werden. Ljubics Stil wechselt von der subjektiven und leidenschaftlichen zur distanzierten Darstellung einzelner Protagonisten. Der Perspektivwechsel ist gewollt und künstlerisch gelungen. Poetische und friedliche Beschreibungen einer schönen und heilen Landschaft und grausame menschliche Kriegshandlungen könnten schärfer nicht herausgekehrt werden.

Ein hoch zu lobender subtiler Roman ist hier entstanden, der zudem noch mit seiner fein gesponnenen, poetischen Sprache bestrickt.

Nicol Ljubic lebt in Berlin und hat mehrfache Auszeichnungen für seine Reportagen erhalten.

Nicol Ljubic
Meeresstille
Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
Hoffmann und Campe
ISBN-10: 3455401163
ISBN-13: 978-3455401165

Corina Bomann: Sturmsegel

Corina Bomann: Sturmsegel

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Ihrer Mutter geht es so schlecht, dass Anneke schließlich den Medikus holen muss. Helfen kann er nicht mehr. Als Annekes Mutter stirbt, wird das Mädchen von ihrer Trauer überwältigt. Ohne Familie steht Anneke nun da. Ihre Freundin Marte lädt sie zu sich ein, doch Anneke will es allein versuchen. Dann taucht zu ihrer Überraschung ein Fremder auf, der behauptet, ihr Vater zu sein. Der Kaufmann Roland Martens erzählt ihr seine Lebensgeschichte. Es gibt keinen Grund, ihm nicht zu glauben. So geht Anneke mit ihm. Sie findet herzliche Aufnahme im Haus. Nur ihr Bruder Hinrich akzeptiert Anneke nicht und macht ihr das Leben schwer. Die Kaiserlichen rücken immer näher und so kann Anneke sich zu ihrem Leidwesen kaum noch mit Marte treffen. Immer gefährlicher wird die Lage, die Anspannung unter der Bevölkerung Strahlsunds wächst. Roland Martens sieht sich gezwungen, Anneke und Hinrich aus der Stadt bringen zu lassen. Hinrich macht sich lieber auf die Suche nach seinem verschollenen Bruder und so kommt Anneke allein zur Schwester ihres Vaters nach Stockholm. Doch hier bekommt Anneke deutlich zu spüren, dass sie nicht willkommen ist. Sie flieht schließlich. Erst als Ingmar in ihr Leben tritt, wird das Leben für sie Schritt für Schritt wieder etwas leichter.

Das Buch begeistert von Anfang an. Anneke wird durchs Leben geschubst und erlebt das Leid, den der Krieg und der Tod ihrer Mutter mit sich bringen hautnah. Aber sie ist kein Mädchen, das aufgibt. Man kann sie für ihren Mut nur bewundern. Man verfolgt also mit Spannung ihre Geschichte, die sehr abenteuerlich wird. Das Buch ist als rundherum gelungen zu bezeichnen. Auch wenn Anneke natürlich im Vordergrund steht, so sind doch auch alle anderen Figuren perfekt ausgearbeitet. Das macht die Handlung sehr lebendig und gut nachvollziehbar. Liebevoll eingewobene Details sorgen für eine besondere Stimmung. Das Buch ist zwar in weiten Teilen traurig, aber dennoch Hoffnung machend.
Das Geschehen findet vor einer sehr gut beschriebenen historischer Kulisse, dem Dreißigjährigen Krieg, statt.
Wer hier noch mehr erfahren möchte, findet Hinweise im Nachwort.
Das Buch überzeugt nicht nur inhaltlich, es liest auch sehr gut. Es fügt sich so schön Satz an Satz. Da ist das Lesen wirklich ein Vergnügen!

Rezension von Heike Rau

Corina Bomann
Sturmsegel
344 Seiten, gebunden
ab 14 Jahren
Ueberreuter Verlag
ISBN-10: 3800055325
ISBN-13: 978-3800055326

Albert Camus: Hochzeit des Lichts

Albert Camus: Hochzeit des Lichts

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Poetische Einsichten.

Albert Camus, 1913 in Algerien geboren und 1960 in Frankreich tödlich verunglückt, wurde bekannt als einer der Vordenker des Existenzialismus in Frankreich, der ihn für kurze Zeit mit J. P. Sartre zusammengeführt hat. Seine bekanntesten Werke „Die Pest“ und „Der Fremde“ zeigen ihn in seinem Denken von einer deutlich düsteren und nihilistischen Seite.

Der vorliegende Band mit essayistischen Studien bietet hingegen das Bild eines Mannes von Mitte zwanzig, der in Gefühl und Ausdruck tief durchdrungen ist vom Glück des Seins. Sprache und Empfinden bilden eine Einheit, die von reicher und überschäumender poetischer Kraft ist. Sinnlich tief durchdrungen von der Wärme, dem Licht, den Farben und den Düften seiner Heimat Algerien meint man, die Lebenskraft des jungen Mannes und sein Glück in der innigen Verbundenheit mit der Natur zu spüren. Aus dem Hymnus an Demeter zitiert er: „Glücklich der Sterbliche auf Erden, der diese Dinge sah“. Und weiter „es ist keine Schande, glücklich zu sein“.

In seiner philosophischen Gedankenwelt befasst sich der Autor mit der Eigenwahrnehmung, die ihm umgeben von Naturschönheiten am besten gelingt. Der erste Teil  des Buches „Hochzeit des Lichts “ ist von einzigartiger Schönheit in der Wiedergabe der ihn umspielenden Empfindungen und Glücksmomente.

Ein mit „Die Wüste“ überschriebenes weiteres Kapitel befasst sich mit den Künstlern und der Landschaft in Italien. Sätze wie diese: “Lebenslust, Hass und Liebe kommen aus der Tiefe des Menschen und formen das Antlitz seines Schicksals“ werden in Beziehung gesetzt zu einem Bild der Grablegung des Renaissancemalers Giottino und rühren in seiner Erkenntnis der urmenschlichen Bedürfnisse an unser Innerstes. Wer die Toskana kennt und ihre Künstler liebt, dem wird das Herz aufgehen bei der Beschreibung, mit der Camus Land und Leute in ihren Gleichnissen einfängt. Das Glück zu erkennen und sich dessen bewusst zu werden ist eine der Botschaften, die einen mit diesen Essays erreichen. Tief, scharf und empfindsam schreibt hier einer über Gott und die Welt, und er bietet Einblicke in sein philosophisches Denken.

Man möchte dieses kleine Werk jedem empfehlen, der Sinn und Verstand für den Klang von echter Poesie hat! Er wird ein Kleinod finden! 1936 und 1938 erstmals veröffentlich  ist die Niederschrift nun in der ausgezeichneten Übersetzung von  Peter Gran und Monique Lang im Arche Verlag wieder aufgelegt worden.

1957 erhielt Albert Camus für sein Gesamtwerk den Nobelpreis für Literatur.

Albert Camus
Hochzeit des Lichts
Gebundene Ausgabe: 169 Seiten
Arche Verlag, Neuausgabe Dezember 2009
ISBN-10: 3716026344
ISBN-13: 978-3716026342

Martina André: Die Teufelshure

Martina André: Die Teufelshure

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John Cameron hasst den Tod. An der Hinrichtung Henry Strattons hat er kein Interesse. Die Umstände sind allerdings schon spannend. Offiziell soll er an einem Komplott gegen das Parlament beteiligt gewesen sein. Inoffiziell heißt es, dass er die Finger nicht von Lord Chester Cuninghames Mistress lassen konnte. Während die Hinrichtung in vollem Gange ist, wartet John zurückgezogen in einem Pub ab. Ausgerechnet hier lernt er eine junge, bezaubernde Frau kennen, der die Hinrichtung scheinbar sehr zu Herzen geht. John und Madlen MacDonald haben viel gemeinsam, stammen sie doch beide aus den Highlands. Es trifft John hart, als er erkennt, dass Madlen zum schwarzen Lord gehört. Sie ist also die Teufelshure!
Dennoch begegnet John Madlen wieder. Er nimmt eine Einladung von ihr an. Es kommt wie, es kommen muss. Es gibt kein Halten mehr. Als Madlen ihn in ihre Geheimnisse einweiht, entdeckt John, dass er für sie töten würde. Aber fürs Erste beschließen die beiden, zu fliehen. Doch Cuninghame hat längst Pläne mit John und Madlen gemacht. Er steht einer geheimen Bruderschaft vor und ist bereit alles zu tun, um seine Ziele zu erreichen. Beide werden gefasst und John bekommt die Macht des Lords zu spüren, der mit dem Teufel im Bunde ist. Wegen fadenscheiniger Gründe wird John zum Tode verurteilt.

Die Geschichte beginnt in Schottland im Jahre 1647 und ist von der Romantik zwischen den beiden Liebenden geprägt. Die Zeiten sind hart, herrscht doch Krieg. Der schwarze Lord verfolgt John und Madlen ohne Gnade. Immer wieder werden die beiden getrennt. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod. Das allein wäre schon spannend genug. Lord Chester Cuninghame hat jedoch ein Geheimnis. Ein mysteriöser Stoff hat ihm zur Unsterblichkeit verholfen. Sein Ziel ist es, die Weltherrschaft zu erlangen. Auch John wird Opfer seiner widerlichen Experimente, die schon so viele Menschenleben gekostet haben.
Man verfolgt den Verlauf der Geschichte mit Spannung, muss mit ansehen, wie John alles verliert.

Genau an der richtigen Stelle, lässt die Autorin neue Aspekt in die Geschichte einfließen. Ein Zeitsprung in die Gegenwart, in das Jahr 2009, sorgt für frischen Wind. Lord Chester Cuninghame hat mittlerweile ein riesiges Imperium aufgebaut. Immer noch experimentiert er im Verborgenen. Es ist erschreckend, zu sehen, wie weit er gekommen ist. Aber auch John hat sich weiterentwickelt und setzt dem schwarzen Lord einiges entgegen. Ins Spiel kommt auch eine junge Wissenschaftlerin, die mit einer neuen Droge experimentiert. Sie beeinflusst das Geschehen auf ihre Weise. John erkennt in ihr Madlen wieder. Vergangenheit und Gegenwart werden auf interessante Weise verbunden. Der Tod ist allgegenwärtig, dabei ist er es, der besiegt werden soll.
Wie man schnell bemerkt, kommen in diesem Buch unterschiedliche Genre zum Tragen. Diese Mischung sorgt für ein perfektes Leseerlebnis.
Die Charaktere, bis hin zur kleinsten Nebenrolle, sind sehr gut beschrieben.
Man hat Spaß am Lesen, wird gut unterhalten und was zum Nachdenken gibt’s auch.

Rezension von Heike Rau

Martina André
Die Teufelshure
662 Seiten, broschiert
Rütten & Loening Verlag
ISBN-10: 335200773X
ISBN-13: 978-3352007736

Assaf Gavron: Ein schönes Attentat

Assaf Gavron: Ein schönes Attentat

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An einem schönen Morgen fliegt in Tel Aviv ein Bus in die Luft, und Eitan Einoch preist sich glücklich, dass er den Bus zuvor verlassen hat. Er ist ein erfolgreicher IT Fachmann, der noch einen verdächtigen Mann mit Kleidersack und Wollmütze in den Bus einsteigen sah. Giora Gueta, ein anderer junger Mann, hat in böser Vorahnung Einoch eine Botschaft an seine Freundin mit gegeben, als dieser den Bus verlassen hat.

Später fragt sich Einoch, ob er die anderen nicht hätte warnen sollen. Wie er es auch dreht und wendet: jede Warnung hätte zum spontanen Auslösen des Zünders geführt, denn dem Attentäter war Zeit und Stunde für sein Vorhaben egal. Weitere Attentate folgen und Einoch entgeht wie durch ein Wunder wiederholt dem Tod. Er wird zur Berühmtheit in Funk und Fernsehen, weil man vermutet, er könne das Schicksal vorhersehen.

Was ihn aber besonders interessiert: Was wollte der junge Giora Gueta in Jerusalem? Eitan lernt dessen hübsche Freundin kennen und findet heraus, dass niemand etwas von Gioras Reise nach Jerusalem wusste.

Eingepackt in eine Überraschungs-Story aus Liebe, Berufserfolg, Auftragsmord und Eifersucht verfolgt der Autor Assaf Gavron die Problematik der zwischen Israel und Palästina schwelenden Konflikte.

Mit Zeitlupenblick beginnt er seine Geschichte.

Täglich passieren Explosionen, sterben Menschen, junge, alte und Kinder. Keiner weiß, wenn er am Morgen zur Arbeit fährt, ob er am Abend gesund nach Hause kommen wird. Die Atmosphäre der täglichen Angst ist unüberhörbar.

Nebenan in den Gebieten um Israel leben Palästinenser in ihren Notunterkünften, vertrieben aus ihren Städten und Dörfern und sinnen auf  Gegenwehr. Einer von ihnen ist Fahmi Sabih, der auf einer Krankenstation im Koma liegt und als Drahtzieher zahlreicher Attentate gilt.

Eine unhaltbare Lage auf beiden Seiten der Kriegszonen führen zu Hass und Rache.

Das Verdienst liberaler und aufgeklärter israelischer Schriftsteller liegt in der Fähigkeit, sich in die eine und die andere Seite hineinzuversetzen. Auf diese Weise wird der Nahostkonflikt in seiner ganzen ausweglosen Grausamkeit nachvollziehbar. Barbarisch kämpfen hier zwei Lager darum, zu überleben. Mit biblischen Ausmaßen wird die tägliche und fast apokalyptische Tragödie aufgezeigt. Die Erzählung ist nicht witzig, wie auf dem Klappentexte vermerkt ist, sondern höchst dramatisch und gelegentlich sehr traurig. Die Figuren haben alle ihre Eigenheiten und sind aus der Nähe betrachtet Menschen wie du und ich. Sie verfangen sich im Netz der aufgerichteten Schranken und sehen sich als Gegner, ohne wirklich zu wissen, was der andere empfindet und denkt.

In einem Experiment hat der bekannte Dirigent und Pianist Daniel Barenboim das West- Eastern Divan Orchestra gegründet. Hier spielten junge Israelis, Palästinenser aus den besetzten Gebieten und eine Reihe von Musikern anderer arabischer Staaten in dem berühmten Ramallah Konzert zusammen. Nach dem Konzert und zurück in ihren Heimatländern zerfiel der freundliche Zusammenhalt. Es zeigte sich erneut, wie unüberbückbar sich die verfeindeten Seiten gegenüber stehen.

Über den Zustand von räumlicher Nähe und innerer Trennung berichtet Assaf Gavron in seinem Roman mit Empathie und Verständnis. Er gilt in Israel als Bestsellerautor.

Assaf Gavron
Ein schönes Attentat
Taschenbuch: 352 Seiten
btb Verlag, Januar 2010)
ISBN-10: 3442740088
ISBN-13: 978-3442740086

Bettina Belitz: Splitterherz

Bettina Belitz: Splitterherz

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Kaulenfeld ist ein kleines Dorf im Westerwald. Hierher ist die Familie aus Köln gezogen. Elisabeth gefällt es in der Einöde nicht, auch wenn ihre Eltern da ganz anderer Meinung sind. Elisabeth wird von unerklärbaren Träumen und Angstgefühlen geplagt. Selbst tagsüber hat sie keine Ruhe. Den seltsamen geisterhaften Reiter, dem sie im Wald begegnet, hält sie für eine Erscheinung, bis sie ihn kennen lernt. Elisabeth beobachtet ihn heimlich in der Turnhalle beim Training und erkennt ihn an seinen Bewegungen wieder. Von Colin Blackburn geht eine seltsame Faszination aus, die ihr unerklärlich ist. Der junge Mann zeigt sich unnahbar. Eigentlich müsste Elisabeth auf Abstand gehen, doch sie lässt nicht locker, ihm näher zu kommen. Bald muss sie erkennen, dass zwischen ihm und ihrem Vater eine unheilvolle Verbindung besteht. Ihre Liebe zu Colin stürzt ihre Familie in Verzweiflung, denn bisher Verschwiegenes, wird offenbar. Trotzdem gibt sich Elisabeths Vater weiter rätselhaft. Er verbietet seiner Tochter den Umgang mit Colin. Weil Elisabeth nicht auf ihn hören will und kann, entwickelt sich eine schicksalhafte Beziehung zwischen ihr und dem jungen Mann, deren Fortbestehen in einer Katastrophe zu enden droht.

Die Geschichte ist sehr romantisch. Gefühle spielen also eine Hauptrolle im Buch. Elisabeth verliebt sich Hals über Kopf in einen jungen Mann, zu dem sie besser Abstand halten sollte. Aber jegliche Vernunft kommt ihr abhanden, weil sie ihre Gefühle nicht mehr im Zaum halten kann. Von Anfang an ist es eine unheilvolle Verbindung. Gruselige und unwirkliche Szenen verursachen beim Leser Gänsehaut. Nur nach und nach offenbart die Autorin Geheimnisse.
Colin ist eine sehr mysteriöse Person. Man kann ihn schlecht einschätzen. So muss man auch annehmen, dass Elisabeth seine Gefährlichkeit unterschätzt. Sie schlägt alle Warnungen in den Wind. Colin als Vampir zu bezeichnen, wäre falsch. Er hat es nicht auf das Blut seiner Opfer abgesehen. Und trotzdem raubt er etwas, das auch lebenswichtig ist.

Dass die Eltern ihrer Tochter vieles verschwiegen haben, macht das Buch noch einmal spannender. Man weiß nie so recht, woran man ist und kann so gut nachvollziehen, wie Elisabeths handelt. Die Faszination, die Elisabeth für Colin empfindet, auf den Leser zu übertragen, gelingt der Autorin ganz gut. Es kommt eben darauf an, inwieweit man bereit ist zu glauben und sich auf die Geschichte einzulassen.
Das Buch ist in sich abgeschlossen. Es ist aber der Auftakt zu einer Trilogie. Man darf also darauf hoffen, dass sich Elisabeth und Colin wieder begegnen.

Rezension von Heike Rau

Bettina Belitz
Splitterherz
632 Seiten, gebunden
ab 13 Jahren
script 5 im Loewe Verlag
ISBN-10: 3839001056
ISBN-13: 978-3839001059

Jorge Bucay: Zähl auf mich

Jorge Bucay: Zähl auf mich

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Die Frage nach dem Glück stellt sich in einem bestimmten Alter erst. Zuvor lebt man fraglos glücklich und unbeschwert in den Tag hinein.

Auf der Suche nach dem Glück erlebt man Demian aus Argentinien, der im Rückblick noch einmal die eine oder andere Begebenheit aus seinem Leben vorbeiziehen sieht. Bis vor kurzem war er noch verheiratet; einerseits erfreut, dem Joch der Ehe und seiner bestimmenden Ehefrau entkommen zu sein, will sich so recht doch keine Zufriedenheit bei ihm einstellen.

Er ist vierzig  Jahre alt, und da stellen sich schon einmal die existenziellen Fragen nach dem richtigen Leben. Nach einem verstauchten Knöchel muss er nun auch noch drei Wochen seiner Arbeit und Lehrtätigkeit als Nephrologe fernbleiben. Das bringt ihn vollends ins Grübeln!

Wo ist eigentlich sein alter Therapeut, den er den „ Dicken“ nennt, geblieben?

Auf den Spuren seines Lebens folgt man Demian, dem unruhigen, spontanen, dem freundlichen und liebenswerten Helden aus Buenos Aires, um zu sehen, wie er sein Glück herbeiführen will!

Es geht in dem Roman um die Grübeleien und Unsicherheiten eines Mannes, der sich verloren zu haben glaubt und alles tut, um seine Linie wieder zu finden. Der Dicke, sein Therapeut mit dem beziehungsreichen und vom Autoren ausgeliehenen Vornamen Jorge, sorgt in langen Gesprächen und an Parabeln und Märchenfiguren reichen Beispielen dafür, dass Demian wieder in die richtige Spur zurück findet. Sehr gut kann man sich in Demian hineinfühlen, der alles hinterfragt und voller Misstrauen ist und im Wechsel damit von strahlender Euphorie getragen auf ein neues Glück in der Person von Paula setzt. Diese scheint ihn trickreich um den Finger zu wickeln und lässt ihn ganz und gar im Ungewissen über ihre wahren Ziele.

Von zärtlichen Neigungen, warmherzigen Beziehungen, von Müttern, Vätern, Brüdern und Geliebten handelt die Geschichte. Sie bietet ein Abbild unserer Welt, in der wirklich nichts von Dauer und alles fragil und brüchig zu sein scheint. Therapeuten sind am Ende die wirklichen Lebensretter. Sie geben den Strauchelnden mit ihren tröstenden und sinnigen Geschichten Halt, und man darf auf sie zählen!

Jorge Bucay ist Psycho-und Gestalttherapeut, und man darf sicher sein, dass seine Geschichten der Wirklichkeit  abgeschaut sind. Von großer Weisheit und der Liebe zum Menschen getragen sind seine Figuren lebensnah und tröstlich in ihrer ganzen Unzulänglichkeit. Bucay gibt den Verlassenen, den Trauernden und den Liebespaaren Hoffnung, in dem er sie auf die Ambivalenz von Treue und auf das Recht auf Unvollkommenheit hinweist.

Ein liebevoll entwickelter und gütiger Romanheld erwartet den Leser in Gestalt des „ Dicken“, der unvergessen bleibt.

Jorge Bucay
Zähl auf mich
Gebundene Ausgabe: 300 Seiten
Verlag: Ammann, August 2009
ISBN-10: 3250601349
ISBN-13: 978-3250601340

Jean-Jacques Sempé: Das Geheimnis des Fahrradhändlers

Jean-Jacques Sempé: Das Geheimnis des Fahrradhändlers

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Ein Autor und seine menschenfreundlichen Betrachtungen.

Sempé, der unvergleichliche französische Zeichner und Menschenkenner, hat sich mit seiner kleinen Geschichte von dem Fahrradhändler Paul Tamburin erneut in die Herzen der Menschen geschrieben.

Versteht er doch etwas von den Nöten und Freuden des Lebens!

Paul Tamburin lebt in der französischen Provinz im Städtchen Saint-Céron. Dort gibt es einige Bürger, deren Handelsgüter sich mit ihrem Sein eng verbinden. Herr Zwiesel, der Optiker, und Aloisius Pfaundler, der Fleischer, werden mit den Brillen und dem Landschinken in einem Namen genannt. Auch Paul Tamburins Fahrräder heißen schließlich nur noch„ Tamburin“,–man weiß, was damit gemeint ist! Leider hat Paul Tamburin eine bedauerliche Schwäche: er kann gar nicht Fahrrad fahren. Die Unfähigkeit, das Gleichgewicht halten zu können, lässt Sempé  in dem ernst- grüblerischen Satz symbolisieren, mit der Paul sich eine Liebste herbeisehnt, „ Und manchmal überkam ihn die Versuchung, die jeden Komiker von Zeit zu Zeit überkommt: zu zeigen, dass er eine Seele hat und ein Herz, und dass dies Herz Geheimnisse umschließt, die es mit einem anderen Herzen teilen möchte.“

Aus seiner Geschichte über das Leben im Kleinen und Großen entwickelt Sempé die leicht melancholische bis heitere Lebensgeschichte einer ganzen Stadt und besonders die des Paul Tamburin. Freundschaft und Liebe, Heirat und gemächlicher Alltag: sie untermauern ein friedliches Leben, das doch im Kleinen seine besonderen Freuden und Misslichkeiten aufweist. Voller Herz und Wärme gibt Sempé seinen Protagonisten Stimme und Stift, zeichnet und spricht in ihrem Geiste und Gemüt und zeigt uns liebevoll den Menschen mit seinen Wünschen, seinem Versagen und seinen Schwächen und Stärken. Er ist ein Menschenfreund, der mit seinem Werk die Herzen seiner Leser erwärmt! Patrick Süskind ist sein Freund und hervorragender Übersetzer, der schon wie in der Geschichte von „ Herrn Sommer“ mit ihm zusammen erneut brilliert.

Jean-Jacques Sempe
Das Geheimnis des Fahrradhändlers
Gebundene Ausgabe: 112 Seiten
Verlag: Diogenes
ISBN-10: 325706473X
ISBN-13: 978-3257064735

Wallace Stegner: Die Nacht des Kiebitz

Wallace Stegner: Die Nacht des Kiebitz

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Subtile Ehegeschichte und Rückschau auf ein langes Leben.

Das Alter bedeutet nicht für jeden nur Spaß und Freude!

Da gibt es die kleinen Wehwehchen überall, und der Körper will nicht mehr so wie einst. Wallace Stegner weiß lebendig davon zu berichten. Sein alter ego ist Joe Allston, ein pensionierter 69 jähriger Literaturagent, der mit seiner Frau Ruth den Lebensabend im geruhsamen Kalifornien verbringt. Er führte alle die Jahre eine gute Ehe mit ihr und ist seiner Frau stets treu gewesen. Ein kleines Geheimnis blieb lange unentdeckt, bis Joe seine Tagebuchaufzeichnungen aus dem Jahr 1954 wiederfindet. Auf der Reise in die Vergangenheit entdeckt man eine fast kriminelle Familiengeschichte, die es in sich hat.

Sein Berufsleben hat Joe in der anregenden und kulturell lebendigen Stadt New York verbracht. Jetzt bestimmen die Gartenarbeit und gelegentliche Geselligkeiten sein Leben.    Aber ist Joe wirklich zufrieden?

Sein italienischer Freund Césare ist entsetzt über die Abgeschiedenheit seines jetzigen Lebens und den Mangel an abwechslungsreicher Unterhaltung hier im friedlichen Umfeld seiner neuen kalifornischen Heimat.

Mit Witz, Ironie und einer guten Portion Sarkasmus bei gleichzeitiger Empfindsamkeit erzählt Joe Allston über seine kleinen Maläsen, über seine lange Ehe mit Ruth und über ihre eingeübten Gewohnheiten, die sehr originell beschrieben sind. Sie witzeln und kennen die Eigenarten des anderen. Gemütlich ist es allemal, wenn sie zusammen sitzen und Musik hören oder fernsehen. Seine Freunde sind ebenfalls alt, und er sieht, wie der eine oder andere schon scheiden muss. Die alltägliche Gegenwart ist absolut witzig und treffend gezeichnet. Gespräche über den Gartenzaun erzeugen eine sehr persönliche Atmosphäre. „ Der Wind rüttelt sanft, doch energisch am Haus. Man hörte den Regen gegen die Scheiben prasseln. Nichts konnte mehr Geborgenheit bieten als das. Und nichts ist so vergänglich.“

Depressionen überfallen ihn heute zuweilen, wenn er die Kürze der Zeit bedenkt, die seine Altersperspektive ihm gewährt.

Die Tagebücher, aus denen er Ruth eines Abends vorliest, führen die beiden zurück nach Dänemark, wo sich Joe im Jahr 1954 auf Spurensuche nach seinen Vorfahren begeben hatte. Hier beschreibt er ein mit reisendes Paar  als  “ fromm, kleinkariert, strikt gegen Rauchen, Trinken, Kartenspiel, Kino, Bücher, Sprachen, Denken.“ Spießbürger par excellence!

Die Abenteuer in Dänemark wirken fast wie eine eigene eingeschobene Geschichte, die nur mittelbar mit seinem Lebensbericht in Verbindung steht. Das Bild rundet sich und man beobachtet Joe Allston beim Nachdenken und Sinnieren. Geheimnisse werden aufgedeckt, die seiner Geschichte eine spannende Wende geben.

Wallace Stegners Werke handeln vom einfachen Leben, von Freude, Leid und der Vergänglichkeit. Sehr nahe kommt man seinen Empfindungen, denn er schreibt seine Romane wie Berichte an einen guten Freund. So fühlt man sich heimisch bei der Lektüre und meint, man könnte auch zu seinen Gästen zählen. Dieser Autor bietet Geschichten an, in denen es wie im wirklichen Leben zugeht: fröhlich, traurig, ehrlich, aufrichtig und nicht zuletzt oft versöhnlich.

Der Autor Wallace Stegner, 1909 -1993, gehört zu den wichtigsten amerikanischen Schriftsteller des vergangenen Jahrhunderts. Er wurde mit dem National Book Award 1977 ausgezeichnet.

Wallace Stegner  
Die Nacht des Kiebitz
Taschenbuch: 280 Seiten
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423247460
ISBN-13: 978-3423247467

Hanns-Josef Ortheil: Die Erfindung des Lebens

Hanns-Josef Ortheil: Die Erfindung des Lebens

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Trauer, Krieg und eine außergewöhnliche Lebensgeschichte!

In Rom, der von ihm sehr geliebten Stadt, gelingt es dem Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil, noch einmal die Geschichte seiner Kindheit zu erinnern. Er beschreibt diese von einer ungeheuren Familienkatastrophe überschattete Kindheit beredt, sensibel und von magischen Eindrücken durchzogen.

Es ist die Geschichte eines stummen Jungen, der in enger Symbiose mit Mutter und Vater aufwächst.

Wie war es dazu gekommen?

Der Krieg hatte den Eltern tiefe Narben geschlagen. Vor Kummer um den frühen Verlust ihrer ersten Kinder im zweiten Weltkrieg hatte die Mutter ihre Sprache verloren. Als einige Jahre nach dem Krieg ein letzter Sohn geboren wurde, der nunmehr das einzige Kind seiner Eltern blieb, konnte weder die Mutter noch der Junge sprechen.

H.-J. Ortheil beschreibt das Aufwachsen wie einen stummen Traum: Glück ist es, mit der Mutter zu sein, den Vater nach Hause kommen zu hören, die Natur zu beobachten und sich versonnen am Rande der Gesellschaft zu bewegen. Es scheint, als seien mangels der Sprachfähigkeit seine übrigen Sinne besonders wach. Ortheil erzählt von dem hoch sensiblen und tief mit der Mutter verbundenen Jungen, der sie in unsichtbaren Gefahren wähnt. Er erlebt die Eltern in enger Zugehörigkeit und Liebe, und er erfährt erste unbekannte Schikanen in der Schule, die sein Leben bedrängen.

Als eines Tages ein Klavier ins Haus kommt, empfindet er ungeahntes Glück: Musik zu hören wird zum außergewöhnlichen Ereignis.

Mit einem entschlossenen Kraftakt beschließt der Vater eines Tages, ohne die Mutter mit dem Jungen aufs Land zu fahren. Dort auf dem  heimischen Bauernhof, der zur Familie des Vaters gehört, mit vielen Onkeln und Tanten, mit geregeltem Arbeitsablauf, festen Mahlzeiten und langen Spaziergängen mit dem Vater vollzieht sich die erhoffte und unerwartete Wende: der Junge blüht auf, kräftigt sich an Leib und Seele, lernt schreiben und lesen und zuletzt auch das Sprechen. Wie sich sein weiteres Leben entwickelt, ist von ebenso besonderer Eigenart wie seine frühe Kindheit

In feiner Manier, ganz aus den Augen eines verstörten Kindes, berichtet Ortheil seine Erlebnisse als Kind und die Folgen, die das jahrelange Schweigen für sein Aufwachsen hatte. Man wir zum Zeugen einer „ Sprachwerdung“, die von ungewöhnlichem Ausdruck ist. Kaum vorstellbar sind die Entwicklungen, die im Zeitraffertempo in wenigen Wochen auf dem Land stattfinden.

Der Junge entwickelt allmählich einen zaghaften eigenen Willen, mit dem er seinen weiteren Lebensweg beschreitet. Musik und Literatur bestimmen sein weiteres Leben.

Freude, Glück und Enttäuschung aber liegen immer weiter nahe beieinander.

Der Autor hat seine eigene Kindheitsgeschichte zu einem fiktiven Roman verfremdet. Sein harmonischer Charakter scheint das Ergebnis des besonders einfühlsamen und pädagogisch befähigten Vaters zu sein. Beiden Eltern zollt der Autor in seinem Buch Respekt und Anerkennung, ohne die kritischen Phasen seiner Entwicklung zu verschweigen. Seine Geschichte hat er in einen Strom poetischer Worten gekleidet, mit dem man ganz nah an sein inneres Erwachen herangeführt wird. Der ruhige Erzählstrom entspricht den sich langsam entfaltenden Möglichkeiten des heranwachsenden Jungen. Er ergeht sich nicht in tiefenpsychologischen Deutungen und verrät dennoch Gründe und Ursprünge einer außergewöhnlichen seelischen Entwicklungsgeschichte. Diese seltene Form der Biographie ist höchst beeindruckend!

Hanns-Josef Ortheil
Die Erfindung des Lebens
Gebundene Ausgabe: 592 Seiten
Verlag: Luchterhand Literaturverlag
ISBN-10: 3630872964
ISBN-13: 978-3630872964