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Schlagwort: Sonne

Rax Rinnekangas: Der Mond flieht

Rax Rinnekangas: Der Mond flieht

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Sommer, Sonne und das Grauen.

Wenn man liest, dass die vorliegende Geschichte auch als „Sommergeschichte“ bezeichnet wird, könnte man zu falschen Schlüssen kommen. Es ist eine Sommergeschichte: allerdings eine der besonderen Art.

Hoch oben im Norden Finnlands lebt eine kleine Gemeinde bigotter und spartanisch orientierter Menschen. Lauri verbringt dort seine Sommerferien bei seinem Onkel und der Tante auf dem Hof Latvala. Dort fühlt er sich im Wald und Feld und am Fluss wie zu Hause.

Sein Cousin Leo und die Cousine Sonja sind eine eingeschworene Zweiergemeinschaft, in die sie Lauri bald mit einbeziehen.

Nach einer langen Einleitung, in der man viel von der herben und trüb-frommen Lebensweise der Bewohner dieser nördlichen Gefilde erfährt, nähert man sich dem eigentlichen Gegenstand der Erzählung: drei pubertierenden Jugendliche im Alter von 13 – 14 Jahren. Sie öden sich in der langweiligen Gegenwart und bauen sich eine eigene fantastische Welt. In ihr spukt es von verschwundenen Seelen und der Freiheit des Fliegens und des Geistes. Sie erklimmen eine sehr hohe Fichte und simulieren sich eine himmlische Welt, in der sie frei und ungebunden ihr eigenes Leben gestalten können. Eingebunden sind die Ereignisse in das Flimmern sommerlicher Hitze, Erntewagen, Regen und Sonnenschein.

In einer Mischung aus Fantasie und realen Vorstellungen versteigen sich die drei Jugendlichen Sonja, Leo und Lauri zu sexuellen Handlungen, die sie, angeführt von Sonja, verwirrt und erschreckt. Heimlichkeiten erhöhen noch den Genuss des Verbotenen.

Onkel und Tante sind des Sonntags im Gottesdienst und ahnen nichts von der geheimen Welt der Kinder.

Man wird nach und nach in den Sog einer unheimlichen Geschichte hineingezogen, in der sich die Grenzen zwischen Gut und Böse verwischen. Archaische Denkweisen sind Teil der bäuerlichen Einwohner in der Region, in deren Tagesablauf strenge Lebensregeln gelten.

Die Dramaturgie der Geschichte ist perfekt in der Steigerung einer Handlung, die immer dramatischer und düsterer anmutet.

Die einzelnen Charaktere der Erwachsenen sind einzigartig in ihrer Verbohrtheit und Unzugänglichkeit. Die Atmosphäre von Schuld und Sühne gekoppelt an die Unbeschwertheit einer nach Identität suchenden Jugend ist gekonnt eingefangen.

Rax Rinnekangas ist ein begnadeter Erzähler, Filmemacher und Künstler, dem man die Geschichte als wahre Begebenheit abnehmen könnte.

Dramatisch, düster und faszinierend sind seine Figuren gezeichnet.

Dass sich die Geschichte zu einem Horror ausweitet, tut der literarischen Qualität keinen Abbruch. Ein spannendes und abstruses Szenario tut sich am Ende auf!

Rax Rinnekangas
Der Mond flieht
160 Seiten
Graf Verlag, Juni 2014
ISBN-10: 3862200345
ISBN-13: 978-3862200344
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Silvia Avalone: Ein Sommer aus Stahl

Silvia Avalone: Ein Sommer aus Stahl

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Die 13jährigen Mädchen Anna und Francesca leben in der italienischen Hafenstadt Piombino. Das Leben der heranwachsenden Mädchen spielt sich zwischen dem Strand und der Via Stalingrado ab, hier sind sie umgeben von Stahlarbeitern, Staub und der Sommerhitze. Gerne kokettieren sie mit den älteren Jungs. Und obwohl sich die nur wenige Jahre älteren Mädchen abfällig über die provozierenden Freundinnen unterhalten, müssen Sie sich doch eingestehen, dass sie selbst wenige Jahre zuvor nicht anders waren. Die Väter der beiden Freundinnen sind bzw. waren in dem nahe gelegenen Stahlwerk beschäftigt. Sie sind alles andere als treuliebende Familienväter. Im Gegenteil, Alkohol und Prügel für die Ehefrau als auch für die Kinder stehen auf dem Fahrplan. Da wundert es nicht, dass sich der ältere Bruder von Anna um sie kümmert und auf sie aufpasst. Er hält ein waches Auge auf seine kleine Schwester, damit sie nicht von den Jungs angemacht oder gar geschmälert wird. Anna lässt sich davon trotzdem nicht abhalten, den Jungs schöne Augen zu machen.

Was mich an diesem Roman besonders fasziniert hat, ist die Atmosphäre, die durch die Schriftstellerin und deren Übersetzer Michael von Killisch-Horn, erzeugt wird. Da ist zunächst einmal die Stimmung von Sommer, Sonne, Strand und Ferien. Infolge des nahe befindlichen Stahlwerks kommt aber auch ein Hauch von Dortmund aus den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zum Vorschein. Die Atmosphäre in dem Mietshaus brachte bei mir ein Gefühl von Duisburg, Essen oder Köln-Kalk hervor. Die Brutalität in der Familie erinnert an das dümmliche Klischee von Hartz-IV-Familien. Diese dort herrschende drückende Enge belastet die heranwachsenden Freundinnen. Sie wollen ausbrechen aus diesem System. In noch während Francesca keine großen Chancen sieht, jemals den Duft der großen weiten Welt einatmen zu können, ist Anna ganz anderer Meinung und möchte ihr Leben richtig anpacken. Während sie mit den Jungs auf dem Motorroller die Via Stalingrado auf- und abfahren, träumen sie von der Insel Elba, die sie in der Ferne am Horizont sehen können und die für sie schon ein Stück der großen weiten Welt bedeutet.

Diese Atmosphäre wird durch unterschiedliche Erzählperspektiven geschaffen, mit denen die Autorin Sylvia Avalone experimentiert. Obwohl es im Wesentlichen um eine Liebesgeschichte geht, ist es weitaus mehr als eine solche. Ein ganz großes Thema sind schließlich die sozialen Spannungen die in dieser Region herrschen, welche von der Stahlindustrie geprägt ist. Dennoch scheint alles mit Leichtigkeit erzählt zu sein. Auch wenn das Leben trotz der blauen Flecke auf den Armen so sorglos scheint und der Leser das Gefühl hat, die Mädel würden einfach nur so in den Tag hinein leben.

Obwohl ich anfangs skeptisch war und das Buch in die Ecke der Jugendliteratur stellen wollte, wurde ich eines Besseren belehrt. Mich hat die Geschichte der Mädchen gepackt. Ich habe sie gerne auf dem Weg ins Erwachsensein begleitet und dabei Spaß gehabt. Ein weiteres Mal habe ich festgestellt, dass mich neben der Spannung der Geschichte auch die Atmosphäre einfangen kann. Wenn dann beides stimmt, um besser. Gerne volle Punktzahl.

Avalone, Silvia
Ein Sommer aus Stahl
Aus dem Italineischen von Michael von Killisch-Horn
414 Seiten, gebunden
Klett-Cotta, Stuttgart
ISBN-10: 3608938982
ISBN-13: 9783608938982

© Detlef Knut, Düsseldorf 2013
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C. E. Morgan: Die Glut der Sonne

C. E. Morgan: Die Glut der Sonne

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Endlose Weite und trockene Hitze markieren den Beginn einer Liebesgeschichte, die im Kentucky des heutigen Amerikas spielt.

Aloma lernt den Tabakfarmer Orren kennen, mit dem sie auf die zerfallene Tabakfarm seiner Vorfahren fährt. Beide sind jung, haben keine Eltern mehr und freuen sich an einander. Aloma ist froh, ihrem Job als Klavierlehrerin auf einer strengen Missionsschule zu entkommen. Bald jedoch merkt sie, dass sie sich ein armseliges und entbehrungsreiches Leben an Orrens Seite ausgesucht hat.

Das Klavier, das in dem zerfallenen Farmhaus steht ist nicht mehr zu gebrauchen, und ein Neues ist nicht bezahlbar. Orren vertröstet sie, aber sie bemerkt, dass sie an seiner Seite auf sehr vieles verzichten muss. Für ihre Musikliebe findet sie vorübergehend ein Ventil als Kirchenmusikerin. Hin und her gerissen zwischen ihrer Musikfreude und der heimlichen Bewunderung und zart angedeuteten Liebe von Bell, dem Pfarrer, und ihrem Leben an der Seite von Orren, warten dann doch einige Überraschungen auf den Leser.

Der Roman lebt von der ländlichen Armseligkeit, von der harten Arbeit, mit der Orren mit seinem wenigen Vieh über die Runden zu kommen trachtet, und er lebt von der Spannung in einer Beziehung, in der nur wenige Wünsche in Erfüllung gehen.

Aloma ist eine sehnsüchtige Frau, die mit dem nüchternen und spracharmen Mann ein Leben führt, von dem sie nicht weiß, wohin es führen wird. Die Arbeit, der Sommer, Hitze und Fleischeslust sind die täglichen Begleiter eines Lebens, in dem es so manch’ ein Geheimnis gibt. Ereignisarm und doch von verhaltener Spannung erfüllt, erlebt man die Entwicklung zwischen Orren und Aloma.

Der geheime Reiz besteht in der dürren, kargen Handlung, die von der unterschwelligen Spannung lebt, ob Orren und Aloma sich in ihr Leben zu zweit finden werden.

C.E. Morgan bedient sich sparsamer Bilder, die umso eindringlicher wirken, als sie dem Land, dem Klima und den Menschen in ihrer sparsamen Diktion entsprechen. Aloma stellt fest „Mehr als minutenweise Glück würde ihr die Welt nicht bescheren, eher weniger; dennoch wollte das Leben irgendwie ertragen sein“. Mehr oder weniger geht nicht.

Ein stiller, ruhiger von innerer Spannung getragener Roman bringt den Leser zum Nachdenken und lässt ihn teilnehmen an der Entwicklung eines Glücks, das nicht überragend ist und keine Euphorie kennt. Auch so kann Leben sein: bescheiden, anspruchslos und den Gegebenheiten von Bedürfnislosigkeit und kargen Einkünften Rechnung tragend. Poetisch dicht erzählt C.E. Morgan von den Wechselfällen des Klimas und von einer Landschaft, die heiß, schwül und in seiner geographischen Vielfalt eindrucksvoll ist.

Ein liebevoll skizzierter Blick in das Land der unbegrenzten und begrenzten Möglichkeiten ist der Autorin mit diesem Roman gelungen. Die Übersetzerin Sabine Roth hat den Roman einfühlsam ins Deutsche übertragen.

C.E. Morgan
Die Glut der Sonne
256 Seiten, gebunden
Luchterhand Literaturverlag, August 2010
ISBN-10: 3630872980
ISBN-13: 978-3630872988
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Gefrorene Sonne

Gefrorene Sonne

Jaron Palmer, Pastor der Pfingstgemeinde von Chukchie, will Nathan Aktive, Alaska State Trooper, mit der Suche nach seiner Tochter beauftragen. Als Aktive ein Bild von Grace Palmer sieht, nimmt es ihn regelrecht gefangen. Er sieht eine junge Frau, halb Eskimo, halb Weiße. Ihre strahlende Schönheit brachte ihr den Titel „Miss North World“ ein.
Seit 10 Jahren hat Jaron Palmer seine Tochter nicht gesehen. Doch sein Sohn Roy ist ihr zufällig vor drei Jahren begegnet, in Anchorage im Junction, einer Bar mit äußerst zweifelhaftem Ruf.
Grace taucht auch in den Polizeiakten auf. Doch auf einmal verliert sich ihre Spur. Nathan Active macht sich auf die Suche, froh, endlich mal wieder Großstadtluft schnuppern zu können. Er glaubt bald, einem Verbrechen auf der Spur zu sein, doch das Verbrechen ist ein ganz anderes, als er denkt.

Nathan Aktives Urteil kann man als Leser nicht recht trauen. Er ist vernebelt von der Schönheit und bald von der Unberechenbarkeit Grace Palmers. Sein Urteilsvermögen ist stark eingeschränkt. So kommt es ständig zu überraschenden Wendungen. Bald tun sich wahre Abgründe auf.
Beleuchtet wird auch das Privatleben von Nathan Aktive, die Konflikte, die seine Herkunft mit sich bringen, und die Beziehung zu seiner Freundin, die durch den Fall Grace Palmer kaputt geht.
Auffallend aufwändig gezeichnet ist die Kulisse, in der dieser Krimi spielt. Der Leser bekommt Einblick in die Lebensweise der Kultur der Inupiat, der Eskimovölker in Nordalaska. Das geht bis hin zu den Essgewohnheiten.
„Gefrorene Sonne“ ist ein Krimi, der trotz der eher leisen Töne sehr unterhaltsam ist.

Im Anhang befinden sich ausführliche Informationen über den Autor, Anmerkungen zur Sprache, eine Bibliographie und ein aufschlussreiches Interview, das der Herausgeber der metro-Reihe Thomas Wörtche mit Stan Jones führte.

Über den Autor:
Stan Jones wurde 1947 in Anchorage, Alaska, geboren und lebt dort auch heute noch. Als Journalist, leidenschaftlicher Buschpilot und Spezialist für Umweltfragen hat er die Erfahrungen für seine Bücher gesammelt.

Rezension von Heike Rau

Stan Jones
Gefrorene Sonne
Aus dem Englischen von Peter Friedrich
320 Seiten, Taschenbuch
Unionsverlag, Zürich
Reihe: metro, herausgegeben von Thomas Wörtche
ISBN: 3-293-20269-1
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