Browsed by
Schlagwort: Wolfgang Sofsky

Verteidigung des Privaten

Verteidigung des Privaten

Wolfgang Sofsky Verteidigung des Privaten

C.H.Beck ISBN 3406562981

Privatheit ist der Kern persönlicher Freiheit!

Dieses Motto könnte dem Buch von Wolfgang Sofsky vorangestellt werden.
Mit einem fulminanten Eingangskapitel eröffnet er seinen als Streitschrift bezeichneten Essay über die Verteidigung des Privaten.

Man stelle sich vor, ein Vater fährt seinen Sohn in den Kindergarten. Anschließend fährt er ins Büro, erledigt seine Arbeit am Computer, holt die Ehefrau am Abend vom Bahnhof ab und kehrt nach dem Einkauf nach Hause zurück.
Alle diese ganzen Vorgänge sind durch Kameras, Funküberwachung, Internetbenutzung und Chipkarten dokumentiert.

In öffentlichen Bussen und Einrichtungen ist man beständig Zeuge privater Kommunikation. Sofsky moniert mit seinen Beispielen den Verlust des Privaten: < Die vulgäre Sucht nach kurzfristiger Prominenz beschleunigt die Zerstörung des Privaten>, und die meisten Menschen merken es nicht einmal………

In den folgenden Kapiteln gibt Sofsky einen umfassenden und klaren Überblick über das, was man unter Privatheit zu verstehen hat.

Privatheit wurde in der Geschichte der Menschheit schon zu Urzeiten praktiziert. Es gab Grenzen der Scham, die nicht zu überschreiten waren. Mit dem Wandel der Gesellschaft änderten sich auch die Regeln des Privaten.

Über Rückblicke in die Gesellschaft der Renaissance bis zur französischen Revolution reichen die Betrachtungen, in denen Sofsky die jeweilig geltenden Regeln der Privatheit abhandelt.

Der Pervertierung der Macht in Diktaturen und Polizeistaaten in jüngster Zeit, die zu extremem Verfall der Privatheit geführt hat, gelten seine weiteren Ausführungen. Der innere Widerstand der Menschen wurde gebrochen; der allgegenwärtigen Überwachung, Verfolgung und Denunziation konnte kaum einer entgehen.
Heute werden in Demokratien mit den Schrecken des Terrors Normen und Gebote ständig verschärft, so dass durch Reglementierungen das Private mit Beschränkungen belegt wird. Mit einleuchtenden Beispielen kann Sofsky seine Thesen untermauern.

Sofsky zeigt auf, er diskutiert nicht. Das Dilemma von Terror und Einschränkungen des Privaten ist nicht Thema seiner Streitsschrift.

Ein ganzes Kapitel ist Freiheit und Privatheit gewidmet.
Fürsorgliche Eltern, misstrauische Verwandte, neugierige Nachbarn und selbsternannte Moralprediger gelten neben vielen anderen als Heer der Eindringlinge in die Privatsphäre.
Anonymität ist nur gewährleistet, wo das soziale Netz nicht zu engmaschig ist.

Über private Freiheiten, wo sie beginnen und wo sie enden, ist in diesem Büchlein vieles zu erfahren.
Im zweiten Teil werden ausführlich allgemeine kulturanthroposophischen Themen abgehandelt.

Sofsky ist Soziologe. Er deckt gesellschaftliche Zusammenhänge auf und analysiert sie. Schlüsse muß der Leser selber ziehen.

Das Buch ist in seiner Substanz so gewichtet, dass es unmöglich ist, alle Aspekte hier zu bedenken.

Neben dem Buch von Richard Sennet: Verfall und Ende des öffentlichen und privaten Lebens scheint mir dieses kleine Buch in der Komprimierung alle wesentlichen Themenkreise des Privaten zu berühren.
Es liest sich leicht und flüssig und ist für den aufgeschlossenen Leser von hohem Interesse.
Bestellen