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Schlagwort: Distanz

Hiromo Kawakami: Bis nächstes Jahr im Frühling

Hiromo Kawakami: Bis nächstes Jahr im Frühling

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Langsame Trennung.

Das gleichmütig dahin plätschernde Leben von Noyuri bietet dem Leser den Einstieg in eine Liebesgeschichte, wie sie Hiromi Kawakami in zahlreichen Abwandlungen immer wieder zum Thema ihrer Romane nimmt. Noyuri ist eine etwas langweilige Person. Sie ist seit sieben Jahren mit Takuya verheiratet. Dieser hat seit längerer Zeit eine Geliebte.

Mit ihrem Onkel Makoto verbindet sie eine geschwisterliche Freundschaft. Er vermittelt ihr einen Job in einer Arztpraxis. Sie ist fleißig und genau und wird doch zum Ende des Jahres wieder entlassen.

Nouyri nimmt alle Gegebenheiten gelassen hin. Insgeheim ahnt man, dass sie unter ihren Misserfolgen in der Ehe und im Beruf leidet. Doch irgendwie bleibt sie ein Blatt im Winde, das leicht dahin schwebt, ohne Aufstand und Widerspruch.

Hiromi Kawakami ist eine Autorin, die ihren Figuren diese schwebende Gleichmütigkeit eingibt. Vieles bleibt unausgesprochen. Doch nicht alles ist verborgen. Ihre Figuren, die sich voneinander entfernen, schweben wie zarte Schneeflocken und Kirschblütenblätter durch den Raum. Fragen nach dem wohin werden sehr direkt gestellt. Noyuri wirkt naiv und ist doch voller Sehnsucht nach Hingabe und der großen Liebe. Ihr Mann bleibt ihr fremd, denn sie lässt ihn seinen Wünschen nachgehen, ohne aufzubegehren oder zu rebellieren. Unter der äußeren Schicht ihres Auftretens spürt man eine Melancholie und eine Abschiedsstimmung, die sich durch das ganze Buch zieht. Noyuri wird nach und nach mutiger und blickt lakonisch der sich anbahnenden Trennung von ihrem Mann ins Auge. Die Würde ihrer Einfachheit macht die Lektüre so eindrucksvoll und anziehend. Da gibt es keine großen Gefühlseruptionen oder anstrengende Kämpfe um das eigene Wohl und Wehe. Das Leben gleitet wie ein leise rauschender Fluß vorbei, und man möchte Noyuri ermuntern, auf das eigene Wohlergehen mehr zu achten.

Hiromi Kawakami ist hier zu Lande schon lange bekannt für ihre einfühlsamen und leicht gesponnenen Liebes- und Ehegeschichten.

Hiromo Kawakami
Bis nächstes Jahr im Frühling
224 Seiten, gebunden
Carl Hanser Verlag, Januar 2013
ISBN-10: 3446241280
ISBN-13: 978-3446241282
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Annette Pehnt: Chronik der Nähe

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Nähe und Distanz: Bilanz einer schwierigen Beziehung.

Wohl jeder hat schon gelesen, gehört oder selber erlebt, wie problematisch das Verhältnis zwischen Müttern und Töchtern sein kann.

Annette Pehnt hat diese so schwierige Beziehung in Worte gefasst, die andeutend eine Ambivalenz aufweisen, die ihresgleichen sucht.

Großmutter, Mutter und Tochter: in der Gegenseitigkeit erlebt jede die andere als bedrängend, fordernd, einmischend und beklemmend.

Zwischen den Zeilen erfährt man, zu welcher Zeit die eine oder andere gelebt und mit den Erfahrungen des Lebens die eigene Tochter als Stütze, Hilfe oder störendes Wesen empfunden hat.

Annie ist die im Krieg geborene Tochter. Ihre Mutter musste nach dem Zweiten Weltkrieg ums Überleben und das tägliche Brot kämpfen. Da die Worte und Assoziationen der Autorin ungebunden und frei schwebend in die Texte einfließen, gehen Erinnerungen zurück bis zu der Zeit, als Annie schon als Baby die Mutter mit ihrem Geschrei gequält und geärgert hat. Später dann gibt es die Zweifel, ob sie den richtigen Freund hat. Lebt Annie in den Augen der Mutter auch konform, wo eckt sie an, und wo geraten Mutter und Tochter aneinander?

Diese Kriegsmutter will eine Nähe, die ihre Tochter Annie kaum aushalten kann. Der „Richtige“, das ist später der Mann von Annie, und so bleibt er benannt: Mutter war also einverstanden mit ihm.

Zwischen Liebe, Nähe und Distanz pendeln diese Frauen im Verhältnis zu ihren Müttern bzw. Großmüttern. Mehr als einmal spürt man einen fast tödlichen Hass, mit der die Mutter von Annie ihr mögliches Sterben als Mittel zum Zweck missbraucht. Es gilt, fast erpresserisch die töchterliche Liebe zu ertrotzen. Annie ist als Kind klein und hilflos. Sie gibt alles, was sie kann, und als sie selber Mutter wird, ist sie in ihrer Ambivalenz zu der fordernden Mutter hin und her gerissen. Als sie ihren Töchtern liebevolle Nähe und Daueraufmerksamkeit bietet, löst das ungeahnten Neid und Spannungen bei der „Kriegs“-Mutter aus.

Es bleibt Fremdheit, schwer lastende Suche nach Nähe und eine Trauer über die Vergeblichkeit dieser mütterlichen Liebe. Sie schwankt zwischen Unsicherheit, Geben und Versagen. Bedrückend erlebt man hier Mutterbeziehungen, die ratlos und sprachlos eine Distanz und fast Kälte verbreiten, die sich niemand wünscht. Sie sind eingebettet in eine Weltgeschichte und in Zeitläufe, die jeweils unterschiedliche Verhaltensweisen von Müttern forderten.

Annette Pehnt hat eine authentisch wirkende Geschichte verfasst, die von Ambivalenzen berichtet, die durchaus möglich sind. Für die Betroffenen sind sie fast bedrohlich. Die Ausruckskraft, Sensibilität, Empathie und der analytische Verstand der Autorin sind beachtlich. Sie scheint ihre Geschichte dem realen Alltag abgerungen zu haben.

Annette Pehnt
Chronik der Nähe
224 Seiten, gebunden
Piper, März 2012
ISBN-10: 3492055060
ISBN-13: 978-3492055062
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