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Schlagwort: Fremdes Land

Fatma Aydemir: Dschinns

Fatma Aydemir: Dschinns

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In diesem Familienroman wird eine Gastarbeiterfamilie aus der Türkei zum Thema der Auseinandersetzung genommen, die zwischen eigener Identität und aufgezwungener Fremdheit besteht.

Die Familie von Hüseyin versammelt sich in einer Wohnung in Istanbul nach dem Tod von Hüseyin, der voller Glück seine mühsam ersparte neue Wohnung für den Ruhestand beziehen wollte. Infolge eines Herzinfarktes ist er gestorben.

Nach der Hochzeit ist Hüseyin nach Deutschland gegangen, um gutes Geld zu verdienen. Sie hatten damals schon drei Kinder: Sevda, Hakan und Perihan.
Nach acht langen Jahren holt Hüseyin seine Frau und zwei seiner Kinder nach Deutschland. Sevda muss noch einige Zeit bei der Großmutter bleiben. Erst als sie 15 ist, wird sie vom Vater nachgeholt.

Die Erzählung befasst sich mit den Auswirkungen der Umsiedlung nach Deutschland, die für Familienkonstellationen eigene Probleme mit sich bringt: fremd in einem fernen Land halten sich die Eltern an die Sitten und Gebräuche ihrer Herkunft, während die Kinder sich an die Normen des Gastarbeiterlandes anzupassen versuchen.

In einzelnen Kapiteln widmet sich die Autorin intensiv jedem Familienmitglied.
Sevda muss jung heiraten und darf ihrem Wunsch, eine Schule zu besuchen, nicht nachkommen.
Sie zeigt früh Freiheitbestrebungen. Mit Groll erinnert sie sich ihres erzwungenen Ehelebens.
Hakan ist ein Verlierer, der abseits von Erfolg und Ehrgeiz dubiosen Geschäfte nachgeht.
Peri darf nach erfolgreichem Schulabschluss studieren. Der Nachzügler ist schwul, was er nur der Schwester anvertraut.

Die Zerrissenheit der Familie liegt auf der Hand. Hüseyin plagt sich redlich in der Fabrik. Sein Leben pendelt zwischen Arbeit und Schlafen. Emine geht nie aus und bleibt für Haus und Küche da. Die Kinder dieser Gastarbeiterfamilie sind sich selber überlassen. Sie wandeln auf unterschiedlichen Pfaden. Und wie unterschiedlich fallen diese aus!

In einem gut konstruierten Rahmen zeigt uns die Autorin, wohin die Wege des Menschen führen, wenn keine geschlossene Gemeinschaft mehr besteht. Eine Orientierung ist unter diesen Bedingungen nur schwer zu finden.

Die Eltern tragen ein ganz besonders bedrückendes Geheimnis mit sich. Es zeigt einmal mehr die Abhängigkeiten der Frauen vom Familienverband. Frauen gelten nicht als Individuen.

Sevda wird sich dem Zwang irgendwann entziehen und zusammen mit ihren Kindern ihre eigenen Wünsche realisieren. Sevda ist auch diejenige, die die klarsten und schmerzlichsten Worte findet, um ihrer Mutter Fehlentscheidungen und die mangelnde Selbstständigkeit vorzuhalten.
Missverständnisse und Schweigen zeichnen die Beziehungen zwischen Hüseyin und Emine aus.
Vieles bleibt tabuisiert! Da kann nur eine desillusionierte Sevda dazwischen gehen.
Das Treffen in Istanbul anlässlich des Todes von Hüseyin endet dramatisch.

Fatma Aydemir hat einen großartigen Familienroman verfasst. Hier prallen Orient und Oxident aufeinander. Die Fliehkräfte unterschiedlicher Lebensformen bringen den Zusammenhalt der Familie auseinander. Keiner wird mit seiner Lebensgestaltung wirklich glücklich. Nicht viele Menschen des Gastlandes können sich in die Lage ihrer Gastarbeiter hineinversetzen. Auch diese bleiben unter sich und leben schlecht und recht mit ihrer Isolation und Einsamkeit in einem fremden Land.

Die Autorin Fatma Aydemir schreibt voller Empathie, feiner Beobachtung und sensibler Wahrnehmung, was in dieser Familie mit den einzelnen Mitgliedern passiert.

Der Leser*in bleibt nicht unberührt vom Geschehen und schaut mit anderen Augen auf Menschen, die als Arbeiter unser Land unterstützen und sich selber fast verlieren in der Hilflosigkeit.
Es ist ein wirklicher Verdienst der Autorin, einmal den Fokus auf diese Problematik zu lenken.

Fatma Aydemir
Dschinns
Carl Hanser Verlag, 6. Auflage, Februar 2022
368 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3446269142
ISBN-13: 978-3446269149
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Maria Duenas: Eine eigene Zukunft

Maria Duenas: Eine eigene Zukunft

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Drei heranwachsende junge Mädchen folgen Mitte der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts mit ihrer schüchternen Mutter aus Spanien/Andalusien dem herumvagabundierenden Vater nach Manhatten/ New York in
Amerika. Es war die Zeit, in der zahlreiche Einwanderer aus Europa ihr Glück in dem freien Land erhofften. Besonders New York war ein Tiegel der Vielvölkerei. Die Entwicklung in dem fremden Land, mittellos und
einsam, ist der alles beherrschende Tenor des ersten Teils dieses lebendigen Romans von Maria Duenas.

Als der Vater schon kurz nach der Ankunft seiner Familie am Hafen, wo er Arbeit fand, tödlich verunglückt, steht die Familie vor einem Scherbenhaufen. Nun stellt sich die Frage: zurück ins Heimatland oder hier
ihr Schicksal selber in die Hand nehmen?

Fesselnd und beredt schildert die Autorin den Lebensweg dieser vier Frauen. Sie bleiben in NY und versuchen auf allerlei Wegen, zu Geld zu kommen. Mal ist es ein Restaurant, dann wieder eine Schauspieltruppe, auch Haushaltshilfe und Wäscherei kommen als Verdienstquelle infrage.

Vorsichtig und suchend tasten sich die drei Schwestern vor. Mit ihrer Mutter können sie gar nicht rechnen, den diese ist sehr unselbständig, hilflos und nörgelig.

Die drei Schwestern werden im Laufe der Erzählung in immer neue, schwierige und gefährliche Abenteuer verstrickt. Über allem schwebt der Wiedergutmachungsanspruch gegenüber den Hafenbehörden für den tödlichen verunglückten Vater. Ein ruchloser Anwalt versucht sich als Mittler, und wie nicht anders zu erwarten, geraten die drei Mädchen in schreckliche Verstrickungen, da sich ihnen auch immer wieder Verehrer mit mehr oder weniger unlauteren Absichten nähern.

Insgesamt kann man sagen, dass die Geschichte wild, vielseitig und an Abenteuern reich ist. Zuletzt wähnt man sich in einem Krimi, denn Mord und Totschlag spielen keine unwesentliche Rolle.

Maria Duenas schreibt einen flotten Stil. Sie berichtet zügig und lebensnah vom Milieu in den verschiedenen Vierteln, die sich in NY je nach Sprache und Herkunft gebildet haben. Nicht jeder versteht das Sprachengemisch, so dass man sich schon deshalb zusammenschließt und unter sich zu bleiben versucht. In den untersten Schichten herrscht vielfach Betrug und Kriminalität, oft ungeahndet, weil es keinen funktionierenden Überwachungsapparat gibt.

Man bekommt ein eindrucksvolles Bild vom Leben und Treiben der Bewohner. Zuweilen sind der Personen, die auftauchen und z.T. verwandt oder verschwägert sind, zu viele. Da heißt es immer schön dabeibleiben, damit einem auch nichts entgeht.

Insgesamt ein lesenswerter, turbulenter, spannender und zuletzt auch einem Krimi nachempfundener Roman.

Die Autorin lebt und lehrt in Spanien.

Maria Duenas
Eine eigene Zukunft
587 Seiten, gebunden
Insel Verlag, März 2019
ISBN-10: 3458177833
ISBN-13: 978-3458177838
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Yasmin Tabatabai: Rosenjahre

Yasmin Tabatabai: Rosenjahre

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Leben zwischen Orient und Okzident.
In ihrer leichten, freimütigen und humorvollen Sprache schildert Yasmin Tabatabai das Leben ihrer Familie zwischen Deutschland und Persien.

Ihre Mutter Rose hatte Mitte der fünfziger Jahre ihren zehn Jahre älteren späteren Mann, den Iraner Taba Tabatabai, in München auf dem Oktoberfest kennen gelernt. Sie war damals erst knapp zwanzig Jahre alt. Allen Warnungen ihrer Kollegen und Freundinnen zum Trotz folgte sie 1957 seiner Einladung nach Teheran.
Die Familie Tabatabai zählte zu den begüterten, gebildeten und säkular ausgerichteten Kreisen im Iran.
Doch selbstverständlich herrschen dort orientalische Sitten und Umgangsformen. Erste Eindrücke und die traditionellen Formen höflichen Verhaltens müssen erlernt und verstanden werden. Rose spürt bald, dass sie hier in eine fremdartige Kultur eintaucht. Sie bemüht sich, alles schnell zu lernen, um den Ansprüchen der freundlichen Familie zu genügen.

Neugierig und überwältigt von den Ereignissen erlebt sie fasziniert die herzliche Aufnahme in den großen Kreis der Familie.
Die Heirat wird von den Brüdern und der Familie schon bald gefordert und vollzogen.

Mit offenem Interesse erfreut sich Rose an den Kunstschätzen und der landschaftlichen Schönheit mit allen ihren Reizen, Gerüchen und exotischen Farben.

Über viele Jahre ihres Ehelebens hat Rose noch die Herrschaft des letzten Shahs miterlebt, bis 1979 mit der islamischen Revolution alle Ansätze für eine mögliche demokratische Wende zunichte gemacht wurden.

Bunt und spannend ist der Bericht von Yasmin Tabatabai.
Sie kleidet die Atmosphäre, die Gastfreundschaft und das lebhafte Treiben der Familie mit ihren ausgedehnten Mahlzeiten in passende Worte.
In fantasievoller und leicht naiver Ausrucksweise nimmt sie uns mit auf eine Reise in die Vergangenheit, in der es ungewöhnliche Erfahrungen und ein reiches Leben zu bestaunen gibt. Mit wacher Intensität leitet die Autorin von der Biographie der Mutter zu ihren eigenen Kindheitserlebnissen über. Die islamische Revolution bildet den Schlusspunkt eines eindrucksvollen und der Stimmung angemessenen Erlebnisberichts, der mit Spannung ausgeführt wird.

Herzenswärme und tiefe emotionale Anteile belegen das Engagement dieser mitreißend geschriebenen Biographie.

Yasmin Tabatabai
Rosenjahre
288 Seiten, gebunden
Ullstein, September 2010
ISBN-10: 355008837X
ISBN-13: 978-3550088377
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