Browsed by
Schlagwort: Furcht

Miriam Stein: Das Fürchten verlernen

Miriam Stein: Das Fürchten verlernen

Dieses Buch direkt bei Amazon bestellen!
Miriam Stein hat mit dem vorliegenden Buch ihre Biographie geschrieben.

Sie wuchs als adoptiertes Kind in einer deutschen Familie auf. Als Säugling war sie in Korea an einer Straßenkreuzung aufgefunden worden.

Die Familie besteht aus Vater, Mutter und vier Kindern: zwei eigenen und zwei angenommenen. Die Kinder sind 14, 13, 9 und sechs Jahre alt. Als die Jüngste, Jessica, adoptiert wurde, ist die Familie komplett.  Letztere ist ein schwieriges und kaum zu bändigendes Kind. Seit ihrem Erscheinen wurde die Mutter von unerklärlichen Angstattacken geplagt. Diese führten zu einem vollständigen Stillstand ihres Lebens und betrafen die Familie mit.

Miriam Stein scheint ein sensibles und empfindsames Kind gewesen zu sein. Sie beobachtet dezidiert, was in der Familie passiert. Zuerst gehört dazu ihr andersartiges Aussehen. Die anderen sind blond und hellhäutig, sie ist eher dunkel mit schwarzem Haar und mandelförmigen Augen. Auf dem Titelbild ist sie eine hübsche junge Frau.

Wie lebt es sich in einer Familie, die langsam durch die Angsterkrankung der Mutter aus der Fugen gerät?

Man kann es sich durch die Schilderungen von Miriam Stein lebhaft vorstellen.

Kinderbesuch wird selten, und auch das übrige gesellige Leben der Familie erstirbt langsam. Der Vater bleibt immer länger auch über Nacht in Hamburg, wo er arbeitet. Miriam beginnt, sich zu einem renitenten Teenager zu entwickeln mit Hang zum Punk. Mit Anorexie und Bulimie zeigen sich bei ihr die Folgen der Angstkrankheit ihrer Mutter, die sie jahrelang miterlebt hat.

Bei aller Abnormität ihrer Krankheitssymptome werden die Konturen eines starken Charakters deutlich. Eine erstaunliche junge Frau beschreibt das Milieu der achtziger Jahre, den Mief und die Spießigkeit in ihrer Familie mit Haus, Auto und Karriere und einer von ihr erwarteten Konformität darüber, wie man zu leben oder zu arbeiten hat. Das alles wirft sie über Bord und startet ein eigenes Leben, das anderen Bahnen folgt.

Miriam Stein beginnt ihren außergewöhnlichen Lebensweg. Sie verlässt das Elternhaus und begibt sich über London und andere Großstädte nach Berlin. Dort kellnert sie und betreibt Fotografie und Film und versucht sich gar als Regisseurin.

Nach zahlreichen Umwegen und einem Leben der Boheme in Berlin Mitte begibt sie sich auf die Suche nach den Ursprüngen ihrer Herkunft und den  Behandlungsmöglichkeiten von Angststörungen.

Sie beschreitet einen abenteuerlichen Weg, kommt weit herum, befragt Therapeuten und Experten, um für sich selber einen Ausweg aus der auch für sie bemerkbaren Angst zu finden. Nach diversen Forschungserkundungen und eigenen Therapien beginnt sie, das Fürchten zu verlernen.

Der Reiz ihres Berichtes liegt in der Überschneidung von eigenem Erleben mit der Erforschung dessen, was Angst für Menschen ausmacht; welche Formen und Auswirkungen sie annehmen kann, und worin sich Angst und Furcht unterscheiden.

Miriam Stein zeigt mit ihrer Erzählweise eine Vielzahl von Forschungsergebnissen und Behandlungsmöglichkeiten auf. Ihre Schilderungen sind von reflektierter Genauigkeit. Im Kontext steht alles immer im Zusammenhang mit ihrer eigenen Biographie.

Die Autorin ist voller Lebensvitalität und Neugier. Auf diesem Wege ist ein spannender Lebensbericht entstanden. Das Leben der Autorin ist wie ein Roman. Sie fügt wissenschaftliche Erkenntnisse und eigene Erfahrungen in einen nachvollziehbaren Zusammenhang. Für interessierte Leser ist das Buch absolut lesenswert.

Miriam Stein wuchs in Osnabrück auf und lebt heute in Berlin.

Miriam Stein
Das Fürchten verlernen
270 Seiten, broschiert
Suhrkamp Verlag, Oktober 2016
ISBN-10: 3518467255
ISBN-13: 978-3518467251
-> Dieses Buch jetzt bei Amazon bestellen

Lisa O’Donnell: Die Geheimnisse der Welt

Lisa O’Donnell: Die Geheimnisse der Welt

Dieses Buch direkt bei Amazon bestellen!
Wie erlebt ein kleiner Junger in diesem Roman die Welt der Erwachsenen?

Michael Murray ist 12 Jahre alt. Mit kurzen und einfachen Sätzen werden die Erlebnisse der Menschen in der kleinen Stadt Rothesay in Schottland aus der Sicht des Jungen erzählt.

Seine Eltern stammen aus schlichtem Milieu. Die Mutter geht putzen, und der Vater ist arbeitslos. Man kennt die Leute in der Strasse und fürchtet das Gerede, das allen ungewöhnlichen Ereignissen folgt. Sie leben in einem engstirnigen und tratschsüchtigen Milieu. Wenn man genug hat, hilft den Erwachsenen der Alkohol.

Michael schaut mit neugierigen und wachen Augen in die Welt. Doch vieles von dem, was gesprochen und nicht gesprochen, d.h. heimlich weitergetragen wird, ist für ihn schwer verständlich.

Er ist ein aufgeweckter kleiner Junge. Nichts entgeht seinen wachen Sinnen. Als seine Mutter eines Tages verletzt von der Arbeit nach Hause kommt, geschehen ungewöhnliche Dinge. So sehr Michael sich auch bemüht, zu begreifen, was mit ihr geschehen ist, so sehr versuchen Mutter, Vater und die Großmutter ihr Geheimnis zu bewahren.

Michaels naive Vorstellungswelt vermittelt uns einen Eindruck davon, was in ihm vor sich geht. Die Schule und seine Freunde spielen die eine Rolle in seinem Leben, das ungewöhnliche Verhalten der Mutter und die Reaktionen der Umwelt die andere.

Die Autorin Lisa O’Donnell hat ein feinfühliges Gespür für die Welt der kleinen Leute. Ihre Sorgen und Nöte sind so beschrieben, dass man sie gut nachempfinden kann. Dieses rudimentäre Leben ist orientiert an einfachsten Vorstellungen über das Wohl und Wehe der Menschen. Da bietet der Klatsch treffliche Möglichkeiten, jemanden zum Außenseiter werden zu lassen. Die Erzählweise aus dem Blickwinkel des Jungen macht den Roman extraordinär in seiner Sprache und Diktion. Man könnte meinen, es sei ein Kinderbuch. Doch das Verhalten der Erwachsenen steht im Fokus der Geschichte. In ihrer versteckten und verheimlichenden Manier bieten sie uns Einblicke in ein Milieu, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint. Man bleibt immer auf der Spur, um zu erfahren, was der Mutter und einer weiteren Frau widerfahren ist. Wird sich am Ende für Michael die Wahrheit finden lassen?

Wir werden es sehen!

Neben der Kleinstadtgeschichte ist dieser Roman auch ein Aufklärungs- und Entwicklungsroman.

Lisa O’Donnell

Die Geheimnisse der Welt
256 Seiten, gebunden
DuMont Buchverlag, Juli 2015
ISBN-10: 3832197796
ISBN-13: 978-3832197797
-> Dieses Buch jetzt bei Amazon bestellen

Neil Gaiman: Der Ozean am Ende der Straße

Neil Gaiman: Der Ozean am Ende der Straße

Dieses Buch direkt bei Amazon bestellen!
In diesem wunderbaren Roman steigt der Hauptprotagonist zurück in seine Kindheit, in der es voller märchenhaften Gestalten, Ungeheuern und Gespenstern nur so gewimmelt hat. Im Alter von sieben Jahren begegnet der Held Lettie Hempstock, die auf einem nahe gelegenen Bauernhof mit Mutter und Großmutter wohnt, und die ihn zu allerhand undurchsichtigen und abenteuerlichen Wundern verführt. Ein Ententeich wird für sie zum Ozean, hinter dem die Welt mit sonderlichen Begebenheiten lockt. Zuerst noch ist es die bäuerliche Küche mit ihren Genüssen, die den Icherzähler ermuntert, sich hier wohl zu fühlen. In ihr spürt man Wärme und Geborgenheit.

Bald schon erlebt man, wie der Junge mit sensibler Wahrnehmung seine Umwelt sieht. Sie ist erfüllt mit Ungeheuern und Gespenstern, Furcht erregenden Tieren und einer bösartigen Haushälterin, die das Regiment über die beiden Kinder seines arbeitenden Elternpaars übernommen hat. Die Erwachsenenwelt ist mächtig, übergroß und beängstigend.
Zwischen Fiktion und Wirklichkeit pendeln die Erfahrungen des kleinen, aufgeweckten und äußerst fantasiebegabten Jungen hin und her.

Figuren von Grausamkeit und Drohung ziehen uns mit hinab in die kindliche Seelenwelt und ermöglichen die Sichtweise früher Kinderjahre, in denen die Welt noch unerklärlich, spannend, magisch und ganz dem unwägbaren Seelenleben ausgeliefert ist. Wie Blitz und Donner, kindliche Flucht, Angst und gruselige Augenblicke hier artikuliert werden, das ist große Dichtkunst. Man fiebert mit dem kleinen Jungen mit und weiß nie genau, wo die Realität aufhört und das reiche Fantasieleben beginnt.

In Neil Gaiman gilt es erneut, einen amerikanischen Erzähler von Format zu entdecken. Dass die Geschichte zwischen Märchen und Realität schwankt und die Grenzen ganz unvermittelt wechseln, tut der großen Erzählkunst keinen Abbruch. Ein erstaunliches Werk, das für große und kleine Erwachsene bestens zur Unterhaltung geeignet ist.

Neil Gaiman
Der Ozean am Ende der Straße
240 Seiten, gebunden
Eichborn Verlag, Oktober
ISBN-10: 3847905791
ISBN-13: 978-3847905790
-> Dieses Buch jetzt bei Amazon bestellen