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Schlagwort: Intrige

Philippa Gregory: An dunklen Wassern

Philippa Gregory: An dunklen Wassern

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„An dunklen Wassern“ ist der zweite Teil einer historischen Familiensaga und folgt auf „Gezeitenland“. Viele Jahre sind vergangen, seit die die Familie Reekie Foulmire verlassen musste. Sie lebt jetzt in London in etwas besseren Verhältnissen, hat ein kleines Lagerhaus an der Themse und betreibt in bescheidenem Ausmaß Handel. Wobei Alinors Tochter Alys die Geschäfte führt. Alinor selbst hat sich nie vollständig erholt, widmet sich aber weiter der Kräuterkunde.

James Avery ist es endlich gelungen, Alinor ausfindig zu machen. Er hat sein Vermögen und seine Besitztümer zurück und möchte seinen Sohn sehen. In der Familie leben tatsächlich zwei erwachsene Kinder. Doch gibt Alys vor, die Mutter der Zwillinge Johnnie und Sarah zu sein.

Überraschend reist Nobildonna Livia an. Sie ist Robs Witwe. Alinors Sohn soll in einer Lagune Venedigs ertrunken sein und die junge Frau möchte seine Familie kennenlernen und bei ihr leben. Sie hat den kleinen Matteo bei sich, Robs Sohn. Rob hat ihr verschwiegen, dass er aus einer armen Familie stammt. Doch Livia ist schnell dabei, ihre Pläne zu ändern. Sie möchte ihr Witwengut, das aus Antiquitäten besteht, zu Geld machen und dafür das Lagerhaus nutzen. Wobei sich bald bessere Möglichkeiten auftun, mit James Avery, den sie um den kleinen Finger wickelt.

Das Buch geht vollkommen anders weiter als erwartet. Das liegt nicht an den über 20 Jahren, die vergangen sind, oder an den geänderten Schauplätzen, sondern eher daran, dass Alinor nicht mehr im Mittelpunkt der Handlung steht und die Stimmung eine völlig andere ist.

Livia ist nun die Hauptfigur und sie weckt von Anfang an Misstrauen. Man muss mit ansehen, wie James Avery ihr Spiel nicht durchschaut oder hinterfragt. Obwohl er ein intelligenter Mann ist, hat er sich charakterlich offenbar nicht weiterentwickelt. Immerhin denkt Alinor anders, aber offen kann sie nicht sein. Denn auch ihre Tochter Alys lässt sich vom falschen Charme Livias gefangen nehmen.

Es entwickelt sich eine lebhafte und spannende Handlung vor historischem Hintergrund, die von Lügen, Manipulation und Intrigen lebt. Erwähnenswert ist außerdem der Schreibstil der Autorin, mit dem sie eine besondere Atmosphäre schafft.

Rezension von Heike Rau

Philippa Gregory
An dunklen Wassern
Aus dem britischen Englisch von Ute Brammertz
496 Seiten, broschiert
Knaur, Mai 2022
ISBN-10: 3426227258
ISBN-13: 978-3426227251
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Iny Lorentz: Das Mädchen aus Apulien

Iny Lorentz: Das Mädchen aus Apulien

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Pandolfina hat nun auch ihren Vater, den Grafen Guthier de Montcœur, verloren. Voller Trauer sitzt die vierzehnjährige am Sterbebett ihres Vaters und hält die Totenwache. Ihre Mutter, eine christliche Sarazenin, war bereits vor Jahren verstorben. Es braucht keine vierundzwanzig Stunden, da steht der Nachbar, Baron Silvio di Cudi, mit einem großen Trupp Söldnern vor dem Tor. Er behauptet, im Namen des Papstes, die Tochter des Grafen ehelichen und deren Erbe verwalten zu wollen. Doch seine Berufung auf den Papst ist nur vordergründig. Tatsächlich geht es ihm und um die Ländereien und somit um die Steuereinnahmen aus ihnen. Denn zur Grafschaft gehören gut zwanzig Dörfer. Außerdem ist die Burg des Grafen viel ansehnlicher als seine eigene, die an einen Wachturm erinnert.

Mit dieser Roman hat sich das erfolgreiche Schriftstellerduo einen weiteren Landstrich Europas und die damit verknüpfte Historie erschlossen. »Auf die Idee hat uns unsere Agenturlektorin und Mentorin mit ihrem starken Interesse an Friedrich II. von Staufen gebracht. Als wir dann mit ihr als Dolmetscherin Apulien und Campanien zur Recherche bereisten, ergab sich der Rest«, teilten mir Iny und Elmar Lorentz mit.

Zwar beginnt dieser Roman wieder mit einer weibliche Figur im Mittelpunkt, aber dies ändert sich im Laufe der Geschichte genauso wie sich Iny Lorentz auch den für dieses Genre gern gesehenen Mitteln der Kämpfe und Schlachten bedienen. Fesselnd sind die Kämpfe einzelner Ritter und Waffenknechte geschildert. Die Eroberung von Bogen mit großen und kleinen Tross liest sich spannend. Zwischen allen Kämpfen und Intrigen machen die Protagonisten eine angenehme Entwicklung durch. Sowohl Pandolfina als auch Leonhard sind am Ende des Romans andere Menschen als bei ihrer Einführung. Mit dem Wissen des Lesers mag man sich zwischenzeitlich über Leonhard ärgern, ahnt aber, dass er den Konflikten durchaus gewachsen sein wird.

Ein abenteuerlicher Schmöker, der bestens dazu geeignet ist, an langen Winterabenden in die vergangenen Zeiten abzutauchen und sich von hinreißenden Figuren in den Bann ziehen zu lassen. Mir gefällt diese Roman ausgesprochen gut und ich empfehle ihn sehr gerne.

Lorentz, Iny
Das Mädchen aus Apulien
Dromer Knaur Verlag, München
ISBN 9783426663820

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Anna Funder: Alles was ich bin

Anna Funder: Alles was ich bin

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Politik, Spionage und Heimtücke im Spiel um die Macht im Deutschland des Dritten Reichs.

Der Schriftsteller, Revolutionär und Politiker jüdischer Herkunft, Ernst Toller, 1893 -1939, spielte zum Ende des Ersten Weltkriegs eine tragende Rolle bei der Gründung der pazifistischen und radikal-sozialistischen USPD.

In ihrem Roman „Alles was ich bin“ setzt sich die australische Schriftstellerin Anna Funder mit dem Leben der beeindruckenden Persönlichkeit dieses charismatischen Mannes auseinander.

A. Funder hatte einst in Melbourne Ruth Blatt kennen gelernt, die eng mit Dora Fabian befreundet und verwandt war, der Sekretärin von Ernst Toller. Aus seinen Aufzeichnungen schöpft die Autorin ihr Wissen, mit dem sie über die politischen Verhältnisse von der Weimarer Republik bis ins dritte Reich berichtet.

Waren die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts noch geprägt von Aufbruchstimmung und umwälzenden künstlerischen und gesellschaftlichen Neuerungen, so ändert sich das alles mit der Machtübernahme Adolf Hitlers. Aus der Räterepublik über die Weimarer Verfassung ging der Weg unverdrossen in Richtung Faschismus und Naziherrschaft.

Man hört noch heute von den zwanziger Jahren in Berlin, in denen Lebenslust und kreativer Neubeginn die Stimmungen beflügelten.

Eine kulturelle und politische Elite fand sich hier ein, die anhaltend kreativ arbeitete und Feste zu feiern verstand.

Bildenden Künste, Theatervorstellungen und Lesungen bekannter Schriftsteller gehörten zur Zeit des Aufbruchs und der hoffnungsvollen Zuversicht auf eine bessere Zeit. Anna Funder fängt diese Stimmung effektvoll und realistisch ein.

Das Jahr 1933 markierte den Höhepunkt, denn nach Hitlers Machtergreifung änderte sich alles und Scharen von Politikern und Schriftstellern flohen ins benachbarte Ausland. Hier begann die Arbeit im Untergrund.

Anna Funder beschwört in ihren Schilderungen die agitatorische Zeit mit ihren Auswüchsen, ihren Opfern und der Furcht vor dem langen Arm der Gestapo. Verrat, Spionage, Treue und Untreue wurden allgegenwärtige und veränderten die Gesellschaft und das politische Leben unabänderlich.

In den Perspektivwechseln, deren sich Anna Funder bei ihrer Erzählung bedient, muss man sich von Person zu Person und von Zeit zu Zeit aus New York über London bis Berlin in der Rückerinnerung an die Plätze dieses aufwühlenden Jahrhunderts zurück versetzen. Unterschiedliche Personen kommen zu Wort, und man muss dabei bleiben, um die Geschichte als Ganzes zu verstehen. Doch eindrucksvoll und realitätsnah werden die Ereignisse um die früh Verfolgten und früh zu Tode Gekommenen hier beschrieben. Das Buch lässt wenige Fragen offen und ist absolut empfehlenswert.

Anna Funder
Alles was ich bin
432 Seiten, gebunden
S. FISCHER, Februar 2014
ISBN-10: 3100215117
ISBN-13: 978-3100215116
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Taiye Selasi: Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Taiye Selasi: Diese Dinge geschehen nicht einfach so

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Familie in Not!

Inspiriert von Toni Morrison hat Taiye Selasi sich an ihren ersten Roman gewagt. Er beinhaltet eine Familiengeschichte und ist ein seltenes Gemisch aus Trauer, Wirklichkeit und Erinnerung.

Kweku Sai, ein aus Ghana stammende Arzt und Familienvater, stirbt eines Tages einfach so. Man findet ihn eines Morgens im feuchten Gras. Er ist erst 57 Jahre alt und niemand begreift, wie er so unauffällig sterben konnte. War er doch ein hervorragender Arzt, der die Vorzeichen eines Infarkts hätte bemerken können. Er lebte zuletzt in Ghana mit seiner zweiten Frau Ama.

Warum ist er vor 16 Jahren zurückgekehrt in das Land seiner Väter?
Das ist die Ausgangslage für einen Familienroman der seinesgleichen sucht.
In langen assoziativen Passagen erlebt man Kweku als jungen Arzt in Amerika mit seiner Frau Fola und den vier gemeinsamen Kindern.

Die Erinnerungen an sein Herkunftsland Ghana sind stets gegenwärtig. Seine letzte heiße, urwüchsige und einfache Behausung in Ghana steht gegen ein schönes, großes und praktisches Haus in Boston/Amerika. Kweku arbeitete leidenschaftlich gerne. Er rettete Menschen- und Säuglingsleben, so auch das seiner jüngsten Tochter Sadie.

Als schweren Schicksalsschlag erreicht den berühmten und hervorragenden Arzt Kweku aufgrund einer Intrige eines Tages die Kündigung aus seinem erfolgreichen Job. Nachdem die Prozesse, die er gegen die Kündigung angestrengt hat, verloren sind, kehrt er beschämt und verarmt seiner Frau und den vier Kindern den Rücken und verschwindet unauffindbar. Er lebt bis zu seinem frühen Tod in Ghana.

Die Kinder machen auf verschiedene Weise ihren eigenen Weg. Die je eigenwilligen Berufswege zeigen sie als außergewöhnliche und individuelle Charaktere. Fola bleibt allein.

Der Tod Kwekus führt die Familienmitglieder nach vielen Jahren alle noch einmal in Ghana zusammen.

Insgesamt ist die Geschichte traurig. Die bürgerliche Ordnung, die Kweku und seine Frau anstrebten, geht unter der Infamie einer Intrige und bodenloser Beschuldigungen gegen den erfolgreichen Chirurgen zugrunde. Auch rassistische Elemente spielen hier keine geringe Rolle.

Freie Assoziationen bilden den Humus, auf dem die Geschichte entwickelt wird. Es gibt keinen durchgehenden Erzählstrang. Wie im Traum folgt man Erinnertem mit Gegenwärtigem. Über Kontinente und Großstädte hinweg bleibt die Familie zwar verbunden. Innerlich jedoch geht ein Riss durch ihr Leben.

Als folgte man einer sporadisch ablaufenden Gedankenkette, findet man sich in einer Erzählform wieder, in der es Wärme, Liebe und Geborgenheit neben Ehrgeiz und Erfolg und Verlorenheit gibt. Hat man sich einmal in die poetischen Feinheiten, die zwischen den Ereignissen zu finden sind, eingelesen, kann man sich der Faszination der Erzählung nicht mehr entziehen. Hingerissen lauscht man den atmosphärischen Klängen, mit denen man in die wechselnden Stimmungen und das Ambiente hineingezogen wird.

Ein außergewöhnlicher Roman ist Tayie Selasi gelungen. Nicht umsonst wird sie als „neue internationale Stimme jenseits von Afrika“ gepriesen.

Ihre Vorfahren stammen selber aus Ghana. Sie wuchs in London und Massachusetts auf. Ihre Eltern waren Bürgerrechtler und Ärzte.

Taiye Selasi
Diese Dinge geschehen nicht einfach so
400 Seiten, gebunden
S. FISCHER, 7. März 2013
ISBN-10: 3100725255
ISBN-13: 978-3100725257
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A. D. Milier: Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

A. D. Milier: Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

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Mütterchen Russland ist gar nicht so lieb, wie es sich anhört!

Rasant, flott und äußerst spannend kommt ein Roman daher, dessen Handlung in Moskau im nachkommunistischen Russland angesiedelt ist.

Nick, ein englischer Anwalt, arbeitet in einer Dependance seiner Kanzlei in Moskau. Diese beschäftigt sich mit internationalen Geldgeschäften.
Er ist schon etwas älter, und ihn haben die Abenteuerlust und der Heimatfrust in die Fremde verschlagen.
Hier in der aufstrebenden russischen Gesellschaft mit ihren zahlreichen mafiösen Strukturen hat ihn die Liebe erwischt. Doch kann man den beiden Schwestern Mascha, seiner vermeintlich großen Liebe, und Katja trauen?

Unheimlich ist der Kosak, ein verschlagener und windiger Typ, der immer zur rechten Zeit auftaucht, um Nick aus der Patsche zu helfen oder den Eintritt in einen besonderen Nachtclub zu ermöglichen. Er führt nichts Gutes im Schilde!

Nick gerät unschuldig und naiv in ein Verbrechen, das nur in diesem Land und in dieser Stadt so vorstellbar ist. Mascha und Katja mit einer Tante, die keine ist, sind die Drahtzieherinnen in einem dubiosen Korruptionsdrama.

Anhand der Geschichte von Nick wird einmal mehr erfahrbar, wohin Korruption, Machthunger, Armut und materielle Gier ohne staatliche und gesetzliche Kotrollen führen können. Russland mit all’ seinem Charme, seinen anarchistischen Lebenswelten und dem Leben als Glücksspiel mit Wodka, Mord und Totschlag erfährt in dieser Geschichte eine adäquate Darstellung.
Fast könnte man Mitleid bekommen mit Nick, der so naiv wie einfältig ist und nicht ahnt, welchen Intrigen er aufsitzt in dieser undurchsichtigen und rücksichtslosen Gesellschaft.

Mit eindringlichen Bildern beschreibt Milier das Klima, die Wohnungen, die Begegnungen und die äußeren Charaktere seiner Figuren. Man meint den eisigen Winter und das prickelnde Feuer kalter Luft auf der Haut zu spüren. Die Dunkelheit und die verstaubten Reste ärmlicher Wohnunterbringungen tun ein Übriges, um den Leser ganz in die Atmosphäre des russischen Winters eintauchen zu lassen.

Millier schreibt packend, einfühlsam, drastisch und warmherzig, wie es einem Ausländer in Russland ergehen kann, einem Land, in dem so ganz andere Regeln herrschen als in dem vergleichsweise biederen London oder dem verhältnismäßig angepassten Bürgertum der westlichen Welt.

Großartig gelungen ist das Debüt des jungen englischen Schriftstellers A.D. Milier, der für verschiedene angesehene Buchpreise, u.a. Booker-Preis, vorgeschlagen war.

A.D.Milier
Die eiskalte Jahreszeit der Liebe
288 Seiten, gebunden
S. Fischer Verlag, August 2012
ISBN-10: 3100490193
ISBN-13: 978-3100490193
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Rebecca Gablé: Hiobs Brüder

Rebecca Gablé: Hiobs Brüder

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Erneut stellt die Autorin Rebecca Gablé, die sich nach ihren ersten Krimis nun schon viele Jahre als Schriftstellerin von historischen Romanen einen Namen gemacht hat, unter Beweis, wie gekonnt sie die historisch belegten Wahrheiten mit einer fiktiven Handlung verbinden kann. Gleichzeitig mit dem Roman erschien bei Lübbe Audio das inszenierte Hörbuch, welches als Grundlage dieser Rezension zur Verfügung stand.

Die Handlung beginnt im England des Jahres 1147 auf einer kleinen Insel vor der Küste Yorkshires. Hierher werden Menschen verbannt und verbracht, von denen man an anderer Stelle nichts mehr sehen und hören will. Dazu gehören nicht nur Krüppel und Aussätzige, sondern auch Mörder und Menschen, die so manchem Machthaber im Wege stehen. Einer der Protagonisten ist Losian, der auf der Insel so genannt wird, weil er nicht mehr weiß, wer er ist. Er sowie Edmund, der sich für einen Märtyrerkönig hält, Regy, ein hinterhältiger Mörder, Godric und Wulfric , siamesische Zwillinge, und schließlich Oswald, die wohl wegen ihrer geistigen Zurückgebliebenheit liebenswerteste Person dieses Buches, nehmen den jungen Simon de Clare, der wegen seiner Fallsucht (Epilepsie) verstoßen wurde, in die Gemeinschaft der verfallenen Inselfestung auf. Ein mächtiges Unwetter, welches über die Insel hinwegfegt, öffnet der verstoßenen Gemeinschaft unverhofft einen Weg in die Freiheit, den die Männer nicht ungenutzt lassen. So kehren sie in einer waghalsigen Flucht auf das Festland zurück und begeben sich auf die Wanderschaft. Ein nahezu unendliches Abenteuer in einer sehr kriegerischen Zeit Englands beginnt und Losian, der von allen als Anführer akzeptiert wird, beschleicht das Gefühl, Schuld am Krieg um die Königskrone zu sein. Doch auf der Suche nach Losians Herkunft, denn nur seine wahre Identität kann ihm Aufklärung darüber geben, ob er tatsächlich schuldig ist, treffen die Gesellen nicht nur auf feindselige Raufbolde und machthungrige Ritter, sondern sie machen auch die Bekanntschaft eines Henry Plantagenet. Dieser Henry ist kein Geringerer als der Sohn der Kaiserin Maud, die eigentlich anstelle des Königs Stephen de Blois auf dem englischen Thron sitzen sollte.

Die fiktive Handlung um Losian und seiner Freunde wurde äußerst geschickt in die Ereignisse um den Machtkampf zwischen dem späteren Heinrich II. und seinem Widersacher Stephen de Blois gesponnen. Die Autorin schafft es auf diese Weise, dem Leser bzw. Hörer die historischen Ereignisse in fast spielerischer Weise nahe zu bringen, ohne dass dieser das Gefühl hat, ein Lehrer mit erhobenen Zeigefinger würde vor ihm stehen. Anhand dieses Buches bzw. Hörbuches macht das Eintauchen in die Geschichte Englands besonders viel Spaß. Die Beschreibung winziger Details ist so vollkommen, dass man glauben könnte, die Autorin hätte mit einer Kamera im mittelalterlichen England gestanden und alles festgehalten. Selbst die Zweikämpfe und Schlachten, die genau wie die Liebe und Zweisamkeit unweigerlich zu einem Abenteuerroman gehören, sind wegen ihrer unnachahmlichen Darstellung fest im Gedächtnis eingebrannt. In Sachen Liebe wird nicht nur die zwischen Mann und Frau zum Thema, sondern einnehmend ist immer wieder die Fürsorge der Schicksalsgesellen untereinander, die wirklich aus tiefem Herzen zu kommen scheint.

Da sich die Handlung über fast zehn Jahre hinzieht, ohne dabei auch nur ein einziges Mal von ihrer Spannung einzubüßen, ist die personelle Ausstattung erwartungsgemäß nicht gerade gering. Die auf dem Hörbuchcover enthaltene Liste der historisch belegten Personen ist dabei sehr hilfreich. Bewusst wurde dieses Mal bei der Gestaltung darauf geachtet, die fiktiven Personen nicht in einer Liste zu benennen, um dem Leser/ Hörer die Unterscheidung zwischen realen und fiktiven Personen zu erleichtern. Von besonderer Stärke aber erweist sich die Darbietung des Hörbuches als inszenierte Lesung. Mit opulenten mittelalterlichen Klängen wird in die einzelnen Kapitel und Abschnitte eingeführt, die den mit sehr subtilen Stimmen agierenden Berliner Schauspieler Detlef Bierstedt, auf besondere Weise unterstützen. Musikalisch werden verschiedene Themen benutzt, so dass der Hörer anhand der Klänge auf die Handlung hingewiesen wird: kraftvolles Orchester für Schlachtszenen oder Szenen am Hofe, sanfte Melodien für Momente der Zweisamkeit. Aber nicht nur Musik, sondern auch Geräusche lassen den Hörer in die Handlung eintauchen: Pferdegewieher, Schlachtgetümmel, das Aufeinanderprallen der Schwerter, die Schreie der Besiegten. Alles das, verbunden mit den höchst unterschiedlichen Stimmen des Vorlesers, macht das fast 15stündige Hörbuch zu einem Hörgenuss.

Die Inszenierung der Lesung bietet weitaus mehr als nur einen vorgelesenen Roman und stellt aus meiner Sicht deshalb einen Vorteil gegenüber der gebundenen Ausgabe dar. Alleine deshalb, aber nicht nur, ist dieses Hörbuch zu empfehlen. Die Verbindung der historischen Ereignisse mit einer abenteuerlichen Handlung stellt mindestens einen ebenso großen Grund dar. Selbst der Geschichtsinteressierte, der sonst kaum etwas anderes als ein Fachbuch vor der Nase hat, wird seinen Gewinn aus den spannenden Geschichten um Losian und seiner Weggefährten ziehen.

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Rebecca Gablé
Hiobs Brüder
Historischer Abenteuerroman, gelesen von: Detlef Bierstedt
Hörbuch, 12 CD,
Lübbe Audio, Bergisch-Gladbach
ISBN: 978-3-7857-4182-5
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2009