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Schlagwort: Kulturkritik

Hans-Joachim Maaz: Die narzisstische Gesellschaft

Hans-Joachim Maaz: Die narzisstische Gesellschaft

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Gesellschafts -und Kulturkritik auf der Grundlage von Wissenschaft und Forschung.

Der aus zahlreichen Veröffentlichungen bekannte Psychoanalytiker Hans- Joachim Maaz führt uns in seinem vorliegenden Buch zu den Ursprüngen des Begriffs „Narzissmus“. Diese liegen in der griechischen Mythologie begründet, in der Narziss sich der Liebe seiner Mutter nicht versichert sehen konnte und „sich selbst fremd“ blieb. Als Folge davon ist er zur Liebe unfähig und sucht sein Selbstbild gleichsam wie in einem Spiegelbild im Wasser, das sich ihm immer wieder entzieht.

Narzissmus beruht nach Heinz Kohut auf einer frühkindlichen Liebesstörung zwischen Mutter und Kind. Ist die innere Zuwendung nicht in Übereinstimmung mit der nach außen gezeigten, kommt es zu den bekannten Störungen beim erwachsenen Menschen, die sich in Selbstüberheblichkeit zeigt und gekoppelt ist an Machtanspruch und unerfüllbare Liebessehnsucht. Narzisstische Menschen glauben sich selber und anderen nicht, dass sie liebenswert sind und kompensieren diesen Zustand mit unentwegten Anstrengungen, sich und andere glauben zu machen, dass sie doch die „Größten“ sind. Gelegentlich gibt es auch das „Größenklein“, in dem pausenlos an die Umwelt appelliert wird, doch die vermeintliche Kleinheit zu negieren und Größe zu bestätigen.

Basierend auf diesem theoretischen Grundwissen entwickelt Hans-Joachim Maaz seine Theorie einer narzisstischen Gesellschaft, auf deren Fehlentwicklung nach seinen Ausführungen fast alle gesellschaftlichen Missstände zurückzuführen sind. Dazu gehören Kriege ebenso wie Massenhysterien; ob Bosbach mit seiner abweichenden Meinung vom Mainstream, Eva Hermann oder Thilo Sarazin, Günter Grass u.a: die Verfolgung anders Denkender irritiert den Autor ebenso wie die Schuldenlast, der Konsumwahn und die Gleichmacherei.

Vor „Selbstentfremdung“ wird gewarnt, denn „es gibt kein richtiges Leben im Falschen“ ( Adorno).

Unter den Charakter des Narzissmus subsumiert Hans-Joachim Maaz eine Vielzahl gesellschaftlicher Phänomene unserer Zeit. Wenngleich zahlreiche seiner Analysen mir einleuchtend und stimmig erscheinen, so erweckten so manche seiner Thesen auch meinen Widerstand. Sind doch die Phänomene der „Gruppendynamik“ ein ganz eigenes Feld in der Psychodynamik zwischenmenschlichen Verhaltens, wie wir das aus der Literatur und aus dem täglichen Leben kennen. Kriege in Afghanistan oder in den arabischen Ländern könnte ich auch nicht alle unter die Ursachen narzisstischer Störungen einordnen. Die friedliche Revolution der Wendezeit in der ehemaligen DDR war m. E. nur möglich, weil das Volk nicht aus narzisstischen sondern aus sehr realen Wünschen nach mehr Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie eine Veränderung herbeiführen wollte. In der Folge waren allerdings tatsächlich wieder die Thesen des „Größenselbst“ und des „Größenklein“ wirksam; hier der Westbürger mit seiner Überheblichkeit, dort der Ostbürger mit seiner „Kleinheitsangst“. Aber waren das nur noch Folgen einer nicht gelungenen Mutter- Kindbeziehung?
Es mag dahingestellt bleiben.

Umfassend und genau sind die Beispiele, anhand derer in einzelnen Kapiteln Ursache und Wirkungsformen des Narzissmus abgehandelt werden.

Das Buch ist alles in Allem eine gut verständlich geschriebene, höchst anregende und nachdenkenswerte Gesellschafts- und Kulturkritik.

Hans-Joachim Maaz
Die narzisstische Gesellschaft
236 Seiten, broschiert
Beck, Juli 2012
ISBN-10: 3406640419
ISBN-13: 978-3406640414
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