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Schlagwort: Literatur

Jane Gardam: Weit weg von Verona

Jane Gardam: Weit weg von Verona

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Jessica ist eine aufsässige kleine Person, die immer und fast überall aneckt. Wir erleben sie als Schülerin mit 9 Jahren. Der Zweite Weltkrieg überschattet ihr Leben und das ihrer Mitmenschen an der Nordostküste von England.

Als sie in der Schule einen Schriftsteller kennenlernt, der ihre Art zu schreiben als begabt einordnet, bleibt sie besessen vom Schreiben, das sie schon lange praktiziert. Die Liebe zur Literatur und ihr Bekenntnis, dass sie nicht beliebt ist, sind die ehrlichen Selbsteinsichten dieses eigenwilligen jungen Mädchens.

Ihre Familie ist beschäftigt mit Kriegsbedrohung und Not. Der Vater, einst ein Lehrer, lässt sich an die Nordostküste Englands versetzen, wo er sich als Hilfsprediger betätigt. Jessica muss sich neu in eine fremde Schule eingewöhnen. Die Mädchen und Lehrerinnen sind ihr nicht immer wohl gesonnen!

Von Beginn an bleibt man fasziniert vom Eigensinn und von der Burschikosität, mit der sich Jessica überall ihren Weg bahnt. Sie sagt immer genau das, was ihr in den Sinn kommt und stößt damit so manchen Mitmenschen vor den Kopf.

Voller Witz und Sprachreichtum sind die Lebenserfahrungen der Schülerin, die immer wieder in denkwürdige Abenteuer – und Kriegserlebnisse verstrickt wird. Sie legt sich mit Lehrern und Eltern an und geht zielstrebig ihren eigenen Interessen nach.

Die Unmittelbarkeit und Frische, mit der Jane Gardam ihre Figur agieren lässt, zieht den Leser sogleich in Bann. Mit wehenden Kleidern läuft Jessica z. B. dem Schriftsteller nach der Schulstunde hinterher, um ihm ihre Konvolute in die Hand zu drücken, nicht ahnend, dass dieser sie nach der Lektüre in Anerkennung ihrer Begabung wirklich zu einer Schriftstellerin erklärt.

Leider kann Jane Gardam den Spannungsbogen in diesem Roman nicht durchhalten. Zu abgesetzt und willkürlich erlebt man die Abenteuer der Protagonistin, und zu viele Personen spielen in die Geschichte hinein. Es gehört Geduld dazu, um allen ihren Eskapaden zu folgen. Alleine ihre Liebe und fast Leidenschaft zur Literatur bleibt durchweg erhalten und krönt das Ende der Geschichte.

Die Autorin ist einem breiten Leserpublikum bekannt durch die Trilogie ihrer Romane um den „old Filth“ genannten Anwalt in der Kronkolonie Hongkong. Diese Romane haben die Literaturszene eines breiten Lesepublikums und auch mich zu Begeisterungsstürmen hingerissen.

Jane Gardam ist spät entdeckt worden und feierte ebenso einen späten Ruhm mit ihrem Werk. Der vorliegende Roman ist schon 1971 erschienen und gilt als ihr erster. Er kann m.E. mit den drei berühmten späteren Werken über die Anwälte in der Kronkolonie Hongkong nicht mithalten.

Jane Gardam
Weit weg von Verona
240 Seiten, gebunden
Hanser Berlin, Juli 2018
ISBN-13: 978-3446260405
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Voker Weidermann: Ostende

Voker Weidermann: Ostende

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Ende einer Schriftstellerära.

Die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts brachte eine Reihe sehr begabter und erfolgreicher Schriftsteller hervor. Zu ihnen gehörten u.a. Stefan Zweig, Joseph Roth und Irmgard Keun, von denen hier die Rede sein soll. Es war die Elite der deutsch-österreichisch-jüdischen Schriftstellergeneration, die sich Anfang  des vergangenen Jahrhunderts zuerst in Belgien und zuletzt in Südfrankreich treffen sollte.

Im Fokus dieser Erzählung stehen Stefan Zweig, Joseph Roth und Irmgard Keun. Sie trafen sich 1936 zur Sommerfrische und zu gemeinsamer Arbeit in Ostende in Belgien.

Die düsteren Folgen eines Schriftsteller- und Bücherverbots in Nazideutschland hatten ihre Existenzen in Deutschland bereits beschädigt.

Nicht jeder weiß, dass Joseph Roth und Stefan Zweig in einer ungewöhnlichen Freundschaft verbunden waren. Die Zugehörigkeit zu jüdischen Familien konnte nicht als alleinige Ursache für diese brüderliche Verbindung ausgemacht werden.

Voker Weidermann lässt die z.T rauschhaften Begegnungen, Liebesaffären und Freundschaften noch einmal vor unserem geistigen Auge vorbeiziehen. Joseph Roth ist arm und alkoholsüchtig. Sein Freund Stefan Zweig jedoch gehörte damals bereits zu den begüterten und gut versorgten Dichtern und Denkern.

Dass alles bald vorbei sein würde, ahnte zu der Zeit noch niemand.

In Briefwechseln und Begegnungen sehen wir die berühmte Welt der Schriftsteller und ihres Anhangs und die kreativen Anregungen, die sie sich wechselseitig gaben. Ehen und Partnerschaften gingen wie immer für wenigstens einen der Beteiligten traurig zu Ende, und neue Liebesaffären nahmen ihren Anfang. Es ist eine vermeintlich noch freie Welt, deren Ende sich mit der Machtergreifung Hitlers bereits ankündigt.

Stefan Zweig hat seine Erinnerungen „Die Welt von Gestern“ genannt und damit ein unvergessliches Zeugnis eben jener Welt von gestern abgelegt. Volker Weidermann fügt diesen Erinnerungen gleichsam wie aus dem Blickwinkel eines Brennglases weitere Begebenheiten und Details aus jenen fernen Jahren hinzu. Es ist die Zeit vor der endgültigen Flucht vor den Nazis, die Schriftsteller wie Brecht, die Mann Kinder und Thomas Mann selber, E. Erwin Kisch, H. Kesten und viele andere mehr zusammenführte. Wie ein Tanz auf dem Vulkan fühlt man die Euphorie und die Angst aus dem Verhalten der Beteiligten. Volker Weidermann gibt ihnen beredt Stimme und Glanz und lässt uns den Übergang von der Freiheit in die Apokalypse deutlich erahnen.

Voker Weidermann
Ostende
160 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, März 2014
ISBN-10: 3462046004
ISBN-13: 978-3462046007
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John Williams: Stoner

John Williams: Stoner

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Die Geschichte von einem einsamen Mann.

Stoner ist der eigenwillige Sohn eines armen Farmerehepaars aus Missouri.
Arm geboren und aufgewachsen und gewöhnt an harte Arbeit verschlägt es den aufgeweckten Jungen an die Columbia Universität Missouri.
Er kam mit dem Anliegen, Agrarwissenschaften zu studieren, doch erlebt er in der Literatur seine eigentliche Offenbarung. Geschätzt und gefördert von einem seiner Professoren bringt er es nach vier Jahren zum Literaturdozenten und folgt seiner eigentlichen Berufung. Im Klappentext heißt es: der Roman handelt „von der Liebe und von der Liebe zur Poesie und zur Literatur“.

In der Tat ist Stoner ein begeisterter Literaturprofessor, dessen ganze Leidenschaft seiner Wissenschaft gehört. Doch sein Leben wird auch von zahlreichen Missgeschicken mit bestimmt.
Da ist zum einen seine Ehe mit Edith, die sich als kalt, oberflächlich und lieblos entpuppt. Später sind es die Missgunst und Intrigen an der Universität, die ihm das Leben versauern. Gute Freunde aber hat er auch.

Die Handlung schreitet flott voran. Zielstrebig und knapp erzählt John Williams die Geschichte vom Leben seines Helden, das sich über fast fünfzig Jahre erstreckt.

1914 melden sich Freunde von ihm zum Militär und zur Teilnahme am ersten Weltkrieg, wo er einen seiner guten Freunde verliert.

Die Erzählung wirkt in ihrer Diktion klar und entschlossen, so wie der Held der Geschichte entschlossen ist, sein Glück zu machen  Er fällt gar nicht besonders auf oder besitzt etwa ein besonderes Charisma. Allzu schnell hält er um die Hand der hübschen Edith an.
Dass sie nicht die Richtige für ihn ist, wird mit kurzen und unumstößlichen Sätzen deutlich. Edith wünscht sich ein Kind, für das sie sich dann aber wenig zu interessieren scheint. Der Tochter Grace gilt die ganze Liebe ihres Vaters, bis Edith neben zahlreichen anderen Gemeinheiten auch diese Beziehung zu unterlaufen versteht.

Das Leben von Stoner, der so zuversichtlich Karriere als Literaturprofessor macht, bleibt auf lange Strecken ein Fiasko. Er ist ein Mensch, mit dem man intensiv mit fühlt. Es sind die Konkurrenten an der Universität, denen er ebenso hilflos ausgesetzt ist wie den Widrigkeiten mit seiner eigenen Frau. Dass man so intensiv an seinem Geschick und seinen Niederlagen teilnimmt, lässt darauf schließen, dass in jedem Leben zuweilen Mißerfolge und Kränkungen zu verkraften sind. Hierzu nochmals ein Zitat aus dem Klappentext: “Es ist ein Roman darüber, was es heißt, ein Mensch zu sein“.

Man kann sich dem Sog dieser Geschichte kaum entziehen und folgt atemlos ihrem Fortgang.

John Williams ist erst heute wieder entdeckt worden, nachdem sein 1967 erstmals veröffentlichter Roman lange Jahre in Vergessenheit geraten war. Ein wahres Glück für den Leser!

John Williams
Stoner
352 Seiten, gebunden
Deutscher Taschenbuch Verlag, September 2013
ISBN-10: 3423280158
ISBN-13: 978-3423280150
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Zülfü Livaneli: Roman meines Lebens

Zülfü Livaneli: Roman meines Lebens

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Leben und arbeiten unter den Bedingungen politischer Repression.

Schon in seinem Roman „Glückseligkeit“ konnte man von Zülfü Livaneli einiges erfahren zur Befindlichkeit und zu den Lebensumständen in der Türkei während der letzten vierzig Jahre.

In dieser Romanbiographie steht er selbst im Mittelpunkt seiner Erzählung.

Livaneli ist als bekannter Liedermacher, Komponist, Sänger, Filmemacher und Schriftsteller zu Berühmtheit gelangt. Er berichtet, wie problematisch das Leben in der von verschiedenen zivilisatorischen Einflüssen geprägten Türkei auch heute noch ist.

Livaneli ist ein aufgeklärter Europäer, der sich mit den politisch prekären Verhältnissen in seinem Land nicht anfreunden konnte. Zu viele Freunde und Kollegen sind ihm im Laufe der Jahre durch sich wiederholende politische Umbrüche verloren gegangen. Er selber saß mehrfach im Gefängnis und verbrachte 11 Jahre im Exil in Schweden, später in Frankreich und zuletzt in Griechenland. Die Liebe zu seinem Land und ihren Menschen aber ist ihm immer geblieben. Er sieht die Licht- und die Schattenseiten, die durch unterschiedliche Mentalitäten und krasse Strukturen verdeutlicht werden. Wie immer sind es gerade die in der Öffentlichkeit stehenden Künstler und Intellektuellen, die unter autoritären Regierungen um ihr Leben fürchten müssen. Gehört doch zu ihrer Profession die kritische Reflexion, die gerade von Autokraten gefürchtet wird.

Zülfü Livaneli berichtet von Freunden, Politikern und Kollegen, die sich den Vorschriften ihrer Regierungen nicht beugen mochten und so in ihrer Lebensform beeinträchtigt wurden. Seine Erzählweise ist intensiv und leidenschaftlich und zeigt ihn als engagierten Künstler, der neben der eigenen Kunst immer auch das Leben in der Türkei im Blick behält. Warmherzig und liebevolle zeichnet er die Bilder derer, die ihm am Herzen liegen.

Im Laufe seines Lebens schloss er zahlreiche Freundschaften mit bekannten Komponisten, Schriftstellern und Künstlern im In-und Ausland. Eine beeindruckende Zuneigung und Arbeitsgemeinschaft verband ihn mit Mikis Theodorakis, mit dem er die Feindschaft zwischen der Türkei und Griechenland zu überwinden trachtete. Illustre Namen tauchen in seinen Erinnerungen auf und man gewinnt den Eindruck, dass er wirklich eine Art Kosmopolit wurde.

Das Leben schreibt die interessantesten Romane. Das von Zülfü Livaneli gelebte Leben gehört zu den wirklich lesenswerten dieses Genres.

Er zeigt uns ein Stück türkischer Gegenwartsgeschichte.

Die Abneigung in der EU, die Türkei in ihre Gemeinschaft aufzunehmen, wird verständlich, wenn man von den Repressionen gegen anders Denkende und von der strengen islamischen Ausrichtung des Staates liest.

Der mit zahlreichen nationalen und internationalen Auszeichnungen und politischen Aufgaben bedachte Autor Zülfü Livaneli lebt seit 1984 wieder in der Türkei.

Zülfü Livaneli
Roman meines Lebens
Ein Europäer vom Bosporus
364 Seiten, gebunden
Klett-Cotta, Februar 2011
ISBN-10: 3608938958
ISBN-13: 978-3608938951
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Sigrid Damm: Wohin mit mir

Sigrid Damm: Wohin mit mir

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Rom: Ziel eines ungewöhnlichen Studienaufenthalts.

Sigrid Damm bekommt für das letzte Jahr des 20. Jahrhunderts eine Einladung zu einem Stipendium in die Casa di Goethe in Rom. Sie war zuerst nicht besonders erbaut davon. Aber kann man ein solches Angebot überhaupt ausschlagen? Gerade hatte sie die Weite des Nordens für sich entdeckt, wo sie Ruhe und die Unendlichkeit spüren konnte. Nun also Rom!

Wir folgen ihr auf eine Reise, die sie auf einer längeren Autotour in den fernen Süden entführt. Sie durchquert mit ihrem Sohn die Alpen und erlebt die herrliche Landschaft der Toskana. Als die beiden Rom erreichen, wird ihr sehr bald bewusst, dass sie in einer heißen und hektischen Stadt leben wird. Die Abgase und der unerträgliche Lärm stören, so dass sie nahe daran ist, den Aufenthalt abzubrechen. Doch überall trifft sie auf Goethes Spuren, hört seine Texte im Geist und besucht den Friedhof, wo August Goethe begraben liegt, der schon früh, im Alter von vierzig Jahren, dahin gerafft wurde. Dann trifft sie eine deutsche Buchhändlerin und das alte Ehepaar Fulio und Anna. Sie sieht die Bilder von Caravaggio und entdeckt bei ihren Besuchen in den zahlreichen Kirchen den sakralen Bilderreichtum und die antiken Schätze in der ewigen Stadt.

Ihre Eindrücke zeugen von feiner Wahrnehmung und neugieriger Erkundung einer für sie nur aus den Schriften Goethes bisher erfahrenen fremdländischen Welt. Es fällt ihr sichtlich schwer, sich auf die Landschaft und die Menschen mit ihrem lärmenden Leben einzulassen. Doch hat sie eine fast sinnliche Vorgehensweise, sich den Bildern und Menschen zu nähern. Nachdenklich, den Düften und Spuren der Vergangenheit nachsinnend, nähert sie sich allmählich der Schönheit und dem Fluidum dieser lauten und überwältigenden Stadt. Zwischendrin sehnt sie die Weite und Kühle des Nordens herbei, ihrer Wahlheimat in Nordschweden!

Unausbleiblich erfährt sie die Annäherung an Menschen, die sie zu Freunden gewinnt.

Mit diesem Buch bietet sie zum ersten Mal Einblicke in ihr Leben und ihre persönlichsten Erfahrungen. Diskret und scheu auch bei diesen Bekenntnissen offenbart sie den Charakter einer offenen und sensiblen Kennerin von Kunst, Literatur und Menschen.

Wer noch nicht in Rom war, kann dieses Buch durchaus als Reiseführer benutzen. Wer schon dort war, wird vieles wieder erkennen und womöglich mit neuen Blicken anschauen, denn die Intensität, mit der sich Sigrid Damm in die Kunstwerke vertieft, ist enorm.

Sie ist eine in sich eingesponnene Erzählerin. Die Öffentlichkeit meidet sie, und die zahlreichen anstrengenden Lesereisen sieht sie als notwendiges Übel an. Doch wie sie, die ausgewiesene Goethekennerin, sich die Stadt Rom erobert und in die Gegebenheiten der italienischen Lebensart eintaucht, das zeugt von einer bemerkenswerten Einfühlungsgabe und dem Geist einer wachen Beobachterin. Wie mit allen ihren Büchern, vorwiegend über die Frauen und Männer der Weimarer Klassik, wird sie auch mit diesem Buch hohes Interesse bei ihren Leserinnen und Lesern finden.

Sigrid Damm
Wohin mit mir
286 Seiten, gebunden
Insel Verlag, März 2012
ISBN-10: 3458175296
ISBN-13: 978-3458175292
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