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Schlagwort: Nazizeit

Maarten Asscher: Das Haus meiner Kindheit

Maarten Asscher: Das Haus meiner Kindheit

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Das Haus der Kindheit: das ist das Haus der Großeltern von Maarten Asscher.

Dieses Haus stand in England, in Kew, nicht weit von London.
Detailliert berichtet der Autor über die Räumlichkeiten und über die Lebensgewohnheiten der Großeltern.
Man spürt, wie heimelig er sich fühlte und wie froh ihn das Zusammensein mit dem Oa, wie er genannte wurde, und Oma Roosje stimmte.

Fast Proust gleich geht es um die Gerüche und Geräusche im Hause. An Oma Roosje wurde mit den liebevollsten Gedanken erinnert. Sie war klug, lebendig und voller Tatendrang.

Die Erzählung ist ganz auf die Großeltern fokussiert. Wenig nur hört man von seinem Elternhaus in Holland. Es gab aber etwas, was den Jungen in späteren Jahren neugierig machte. Die Großeltern sind jüdisch, und im Krieg gab es Verfolgungen. Von Tanten und Onkeln ist die Rede, die in die KZs in Deutschland deportiert wurden und nie zurückkehrten. Wo waren die Großeltern, wie verlief ihr Schicksal?

In langen Passagen und Monologen kommt Maarten Asscher der Geschichte der Familie auf die Spur.
Oa, der Großvater, besaß neben der holländischen auch die englische Staatsbürgerschaft.
Es hat ihm bei seinen Bemühungen,1940 mit der Familie nach England zu fliehen, nicht geholfen.
Er war bei einem internationalen Shell Konzern angestellt. Da glaubte er sich als Halbjude sicher.
Doch beide Großeltern wurden 1942 nach den Haag und noch später ins Lager in Westerborg verschick. Die Repressionen wurden immer schärfer. Die Flucht gelang ihnen nicht.

Durch seine Nachforschungen gelingt dem Autor, zu rekapitulieren, wie seine Großeltern später nach England kamen.
Ein abenteuerlich fingierter „Arisierungsprozess“ brachte den Großvater mit seiner Familie aus der Zwangsevakuierung wieder in sein Haus zurück. Gleich nach dem Krieg zog es ihn in seine Heimat nach England.

Einmal mehr erfährt die Nachwelt, wie schrecklich die Nazizeit auch für Juden in dem besetzten Holland war. Der Großvater strich die Erinnerungen an 1940 – 1945 aus seinem Gedächtnis, so dass seine Enkel nur die schönsten Seiten der Kindheit mit den Großeltern erinnerten.

Wie so viele Geschichte aus der Nazizeit reiht sich auch diese Erzählung dazu!

Maarten Asscher
Das Haus meiner Kindheit
Luchterhand Literaturverlag, Oktober 2023
256 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3630876536
ISBN-13: 978-3630876535
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David Foenkinos: Charlotte

David Foenkinos: Charlotte

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Biographie

Der wunderbare Erzähler David Foenkinos hat sich der Biographie einer ungewöhnlichen Frau genähert. Er ist fasziniert von einer Künstlerin, die durch die Nazis umgebracht wurde und in wunderbaren expressionistischen Bildern die Geschichte ihres Lebens hinterlassen hat. Auf dem Umschlagsbild sieht man das Selbstporträt der Künstlerin: skeptisch, trotzig und abwartend!

Charlotte Salomon, geb. 1917, war Zeichnerin und Malerin und hat ihr besonderes Talent für die Malerei nur kurz feiern können. Sie war Jüdin und musste eine lange Flucht mit Verlusten überstehen, als die Judenverfolgung in Deutschland mit ihren Auswüchsen ihren Anfang nahm.

Doch wie begann das alles?

David Foenkinos berichtet über seine Entdeckung der Malerin und der Suche nach ihren Wurzeln. Er ist begeistert von ihr und verwendet in seinem vorliegenden Roman die Form der klaren Erzählung im Wechsel mit seinen eigenen Forschungen nach ihrem Werdegang. Ohne hier alles vorwegzunehmen, kann man sagen, dass auf ihrer Familie ein schweres Schicksal lastete. Zahlreiche Suizide haben in ungewöhnlicher Weise einzelne Familienmitglieder aus dem Leben gerissen.

Charlotte erfährt erst spät, wie ihre Mutter gestorben ist und besuchte in frühester Kindheit schon das Grab der Schwester ihrer Mutter, die ihren Namen trug. Die Mutter starb 1926 ebenfalls durch Suizid.

Die Künstlerin wirkte wie ein erschrockener Mensch, der sich schon in frühester Kindheit tragischen Familienereignissen ausgesetzt sah, ohne diese zu verstehen. Sie machten sie einsam und ließen sie früh schon zum Zeichenstift greifen.

Der Vater hatte 1930 in zweiter Ehe eine bekannte Konzertsängerin geehelicht, die von Charlotte sehr akzeptiert wurde. Man führte in Berlin Charlottenburg ein großbürgerliches Leben. Bekannte jüdische Künstler, Wissenschaftler und Größen aus Forschung und Lehre verkehrten in dem geselligen Haus.

Nach Hitlers Machtergreifung 1933 wurde das Leben für Juden jedoch ungeheuer schwer. Jeder kennt die Folgen.

Charlotte gelingt dank ihrer außergewöhnlichen Begabung und Befürwortung durch einen Kunstlehrer zunächst noch die Aufnahme in die Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst. Doch auch das Glück dieser Tage endete durch die politischen Ereignisse.

Foenkinos hat eine Gabe, klar und nüchtern und doch ansprechend zu erzählen. Er beschreibt detailgenau, wie er für dieses Sujet zu eben dieser Erzählweise fand. Die knappen und kurzen Sätze ergeben ein ungeschöntes aber wahrheitsgetreues Bild der Künstlerin. Jeder Satz beginnt auf einer neuen Zeile, als solle ihm damit Nachdruck verliehen werden.

Durch die Erzählweise in dieser besonderen Form, in der das Leben von Charlotte Salomon noch einmal heraufbeschworen wird, erfährt man von einer Ausnahmekünstlerin mit ihrer besonderen Ausstrahlung.

Obwohl sie innerlich einsam war, besaß sie doch enorme seelische Kräfte. Eine kurze Liebesaffäre mit dem Gesangslehrer ihrer Stiefmutter ließ sie nie mehr los. Die Geschicke der Zeit im dritten Reich führten sie auf einem langen Weg über Frankreich und das Lager Gurs nach Südfrankreich, wo sie für einige Zeit sicher war.

Ihre Lebensgeschichte hat sie in einer Zeichenmappe mit dem Titel „Leben? Oder Theater?“ mit Bildern und Texten als Vermächtnis hinterlassen. In zahlreiche Ausstellungen waren ihre Bilder seither immer wieder zu betrachten. David Foenkinos ließen sie nie mehr los!

Man bleibt fasziniert und vertieft sich mit anhaltendem Interesse in die Geschichte dieser feinen, sensiblen und tief fühlenden Künstlerin, die wie so viele andere am Ende den Tod im KZ fand.

Foenkinos hat ihr mit seiner fabelhaften Erzählweise in der Übersetzung von Christian Kolb Ausdruck und Leben verliehen.

David Foenkinos
Charlotte
240 Seiten, gebunden
Deutsche Verlags-Anstalt, August 2015
ISBN-10: 3421047081
ISBN-13: 978-3421047083
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