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Schlagwort: Psychogramm

Alex Schulman: Verbrenn all meine Briefe

Alex Schulman: Verbrenn all meine Briefe

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Ehen können die Hölle sein!

Im vorliegenden biographischen Roman bekommt man eine Ahnung davon.
Alex Schulman, der Autor, hat sich auf die Suche nach den Ursachen für seine Eheschwierigkeiten gemacht.
Der Satz seiner Frau:“ Ich weiß nicht, wie oft ich das noch ertragen kann “ gab den Anstoß, eine Therapeutin aufzusuchen. Er bemerkt, dass er eine stille Wut in sich trägt, eine Wut, die alles zu zerschlagen droht, was ihm Glück und Freude bedeutet.

Sein Großvater Sven Stolpe scheint ähnliche Symptome aufzuweisen. Er war zu seiner Zeit ein gefeierter Schriftsteller. Mit einer aufschlussreichen Analyse seiner Familiengeschichte kommt Alex den Schwierigkeiten auf die Spur. Anhand von Daten, Schriften, Artikeln und nicht zuletzt von Briefen eröffnet sich ein Familienporträt von einiger Dramatik.

Als Kind hat Alex die Großeltern 1988 besucht. Er erinnert sich, dass eine latente Wut vom Großvater ausging. Wie ängstlich und unterwürfig wirkte dagegen die Großmutter!
Alex findet heraus, dass Sven Stolpe 1932 kurz nach seiner Hochzeit mit Karin dem Liebesverhältnis seiner Frau mit dem Schriftsteller Olof Lagercrantz auf die Spur gekommen war.
Der Autor weiß diese Liebesgeschichte anrührend und einfühlsam zu beschreiben.

In Olof Lagercrantz hatte Karin einen liebevollen Mann gefunden, mit dem sie innige, heimliche Liebe verband. Längst hatte sie erkannt, dass ihr Mann an einer unstillbaren Wut litt. Sie zeigte sich, wenn er seine Frau bei jeder sich passenden Gelegenheit herabsetzt, diffamiert und kränkt. Auch weiß er die Fluchtversuche seiner Frau mit aller Gewalt zu verhindern. Die Angst vor ihm ist allgegenwärtig.

Im Verlaufe des Romans zeigt sich, wohin Menschen mit abartigen seelischen Störungen abdriften können. Ungelöste Konflikte vermögen in der Folge ganze Familien zu vergiften.
Sven Stolpe wird zum mörderischen Feind seiner eigenen Frau und deren Liebhaber.
Und Olof? Er schreibt seiner Geliebten in vierzig Jahren heimlich 23 Briefe und bleibt ihr in Liebe eng verbunden.

Alex Schulmann hat mit dem Familienporträt schriftstellerisches Können gepaart mit feinem Sinn für die Abgründe des Menschen gezeigt. In ungeahnter Intensität steigert er die Spannung, mit der man zum Zuschauer einer fast kriminellen Erpressung wird.

Tragisch, empathisch und tief berührt muss Alex erkennen, dass sich Zorn in die Seelen auch der Kinder aus dieser Verbindung gefressen hat. Die Zerwürfnisse zwischen den Geschwistern seiner Mutter nehmen folglich nie ein Ende.

Alex Schulman ist eine hervorragende Psychostudie mit dieser als Roman deklarierten Biographie gelungen.
Inzwischen ist er ein in Schweden sehr bekannter und anerkannter Schriftsteller.

Alex Schulman
Verbrenn all meine Briefe
dtv Verlagsgesellschaft, September 2022
304 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3423290374
ISBN-13: 978-3423290371
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Delphine de Vigan: Das Lächeln meiner Mutter

Delphine de Vigan: Das Lächeln meiner Mutter

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Ein Leben voller Emotionen und gravierender Einbrüche.

Die wunderschöne Mutter der Autorin Delphine de Vigan umgibt eine geheimnisvolle Aura aus Schönheit, Sensibilität und Geheimnis.

Delphine möchte Näheres über ihre Mutter in Erfahrung bringen.
Wer und wie war diese Person, die sie einst tot aufgefunden hat?

In ihrem Buch befasst sie sich intensiv mit der Herkunftsfamilie, in der es zahlreiche Kinder und Anverwandte gab. Ihre Mutter Lucile gehörte zu den älteren Schwestern einer großen Geschwisterschar. Man erlebt ein lautes, munteres und selten intensives Familienleben. Jedes Jahr kommt ein neues Kind dazu, und Lucile kann sich nicht vorstellen, dass die Fruchtbarkeit der Mutter womöglich einmal enden könnte. Gesellige Runden und ein lebhaftes Miteinander bestimmen den Familienalltag. Der tragische Tod eines kleinen Bruders, der in einem Brunnenschacht ertrunken ist, wirft einen ersten Schatten von Tod und Verzweiflung auf das Leben Luciles.

Es ist das Geheimnis um ihre Mutter, das die Autorin antreibt, sich intensiver mit dem Leben dieser Frau zu befassen.

Sie wechselt erst im zweiten Teil zur Icherzählung, um ihre eigene Eingebundenheit in den Familienclan zu dokumentieren.

Herausgekommen ist mit ihrer Geschichte das Psychogramm einer Familie, in der es alles gab: Schönheit, Vitalität, Lebendigkeit, inzestuöse Bedrängungen, Zusammenhalt, Unglück und vieles andere mehr, das zum Bild dieser Großfamilie gehörte.

Die Autorin verstand erst nach und nach, dass das runde und gute Bild nicht dem wahren Kern der Familie entsprach. Die freie und offene Erziehung imponiert der Erzählerin. Erst spät merkt die Autorin, welche Tücken in dieser Erziehungsform lauerten.

Delphine de Vigan zeigt sich als einfühlsame Schriftstellerin. Sie bringt mit feinem Gespür für das Hintergründige die Licht- und Schattenseiten ihrer Herkunftsfamilie zur Entfaltung.

Die Erinnerungen an ihre Mutter Lucile, die sehr früh schon Mutter geworden war, sind durchzogen von Angst um deren seelische Gesundheit. Lucile hatte einen fragilen Charakter, zahlreiche Liebhaber und immer wieder Schübe von manisch-depressiven Phasen. Sie musste schließlich in die Psychiatrie eingewiesen werden und war von nervöser Zerrissenheit, die sich ihrer Umwelt massiv mitteilte. Ihre Töchter wuchsen zeitweise beim Vater und immer wieder auch bei der Mutter auf.

Delphine de Vigan kann in ausdrucksstarken Bildern über die Labilität ihrer Mutter reflektieren. In ihnen zeigt sie ihre eigene unruhige und beängstigende Kindheit.

Durch alle Familiengeschichten hindurch zieht sich das Interesse Delphines am Schicksal ihrer Mutter. Sie hat dieser schönen, interessanten und von Emotionen unterschiedlichster Qualität gebeutelten Frau ein humanes und mitreißendes Denkmal gesetzt. Bei allen schrecklichen Erfahrungen, die sie mit ihrer Mutter durchstehen mussten, haben sie und ihre Schwester in unergründlicher Weise einen tiefen Zugang zu ihr gesucht und kaum wirklich gefunden. Geblieben ist eine innere Zuneigung, die sich erst bei ihrem Tod wirklich zeigt.

Die gesamte Familiengeschichte ist in ungewöhnlicherweise lebendig, bunt und erlebnisreich. Zahlreiche psychische Störungen findet man bei einzelnen Familienmitgliedern, so dass sie alle von immer währenden neuen Schrecknissen bedroht zu sein scheinen.

Das Buch der Erinnerung über eine psychisch labile Frau und ihren Lebenskampf ist ergreifend und anrührend. Man legt es nachdenklich und berührt über die wechselnden Gefühlsausbrüche aller Beteiligten aus der Hand.

Delphine de Vigan lebt mit ihren beiden Kindern in Paris.

Delphine de Vigan
Das Lächeln meiner Mutter
384 Seiten, gebunden
Droemer, März 2013
ISBN-10: 3426199467
ISBN-13: 978-3426199466
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