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Schlagwort: Schriftstellerleben

Benedict Wells: Die Geschichten in uns

Benedict Wells: Die Geschichten in uns

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Benedict Wells ist ein faszinierender Erzähler!

In seinem neu vorliegenden Werk offenbart er seine tiefsten Einsichten und Erfahrungen auf dem Weg zum Erwachsenwerden und zum Schriftsteller.
Mit rückhaltloser Offenheit berichtet er von seiner Kindheit und Jugend, seinen Irrwegen auf der Suche nach sich selbst und nach dem richtigen Ort für sich.

Seine Eltern waren chaotisch, die Mutter psychisch krank, der Vater ein erfolgloser Glückssucher. Benedict wandert von einem Internat zum nächsten, denn ein Heim konnten seine Eltern ihm nicht bieten. War er einmal mit ihnen in einer Wohnung vereint, schliefen sie auf Matratzen am Boden. Man stelle sich die Umgebung als schmuddelig und unwirtlich vor. In diesem Durcheinander konnte man wahrlich schlecht mit einem Kind hausen.
Benedict wurschtelt sich so durch und sucht einen Weg für sich. Er ist empfindsam, sensibel und feinfühlig.

Seine Eltern, besonders der Vater, führten ihn an Literatur heran, da bei ihm viele Bücher herumlagen. So liest man bei Wells “ihre Liebe trotz aller Probleme und der Zugang zu Literatur gehören zu den größten Privilegien meines Lebens…“ (S.29) und weiter „…trotz traumatischer Momente, Brüche und Probleme gab es in meinem Leben immer auch Liebe, Versöhnung und Gespräche…“ (S. 101)

Enge Bindungen gibt es nicht, auch keine großen Vorbilder außer vielleicht Autoren wie John Irving oder Astrid Lindgren, die zu seinen frühen literarischen Eroberungen gehörten.
In wechselnden Gefühlsphasen wünscht Benedict Wells selber, Schriftsteller zu werden.

Als er von der Nazivergangenheit seiner Familie und besonders der des Großvaters Baldur von Schirach hört, ist er zutiefst beschämt und ändert seinen Nachnamen in „Wells“.

Ein Suchender, oft zweifelnder und auch verzweifelter Benedict Wells führt uns durch die langen Jahre seiner Versuche, einen Roman oder auch nur Geschichten zu schreiben.

Die Ehrlichkeit, mit der Wells über sich und seinen Werdegang berichtet, geht ans Herz. Er lässt nichts aus: die Selbstzweifel und die Vergeblichkeit seiner Bemühungen, seine seelischen Abstürze, das Aufstehen und Weitermachen: das alles macht die Lektüre zu einem Erlebnis, das in keinem Moment Aufrichtigkeit vermissen lässt.

Wir Leser dürfen Zeugen werden, als nach Jahren vergeblicher Versuche von seinem bevorzugten Verlag Diogenes der erste Roman angenommen wird! Man muss dieses Buch lesen, um zu verstehen, wie unendlich mühsam es ist, einen Verlag für ein erstes Buch zu gewinnen!
In diesem Teil des Buches kommen wir dem Autor sehr nah.

In einem zweiten Teil spricht Wells davon, wie man als Schriftsteller an seine Figuren und an sein Werk herangeht. Perspektiven, Wortwahl, Gefühlsebenen und Überlegungen, womit der Leser Interesse am Sujet gewinnen könnte, sind Themen, die viel Zeit und Raum einnehmen. Wie überhaupt kommen die Romanfiguren zum Schriftsteller? Erklärungen dazu klingen fast, als hätten sie ein Eigenleben, mit dem sie zur richtigen Zeit wie aus dem Nichts beim Schriftsteller ankommen.

Differenziert und detailreich fallen dem Autor immer neue Aspekte ein, mit denen er über das „Schreiben“ spricht. Man spürt auch hier, wie leidenschaftlich Wells sich zu seinem Schriftstellerdasein vorgearbeitet hat.
Fast möchte man sich vorstellen, dass eine Vorlesung für angehende Schriftsteller in diesen Ausführungen stecken könnte.

Dieses Buch ist lesenswert und teilweise mitreißend.

Im Anhang gibt es eine beeindruckende Zahl von Danksagungen und eine umfassende Leseliste.

Benedict Wells
Die Geschichten in uns
Diogenes, Juli 2024
400 Seiten, gebunden
ISBN-10: 3257073143
ISBN-13: 978-3257073140
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Paul Auster und J. M. Coetzee: Von hier nach da

Paul Auster und J. M. Coetzee: Von hier nach da

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Reflexionen über die eigene Arbeit und die Welt. Ein Gedankenaustausch.

Von hier nach da wandern die Gedanken zweier hoch renommierter Autoren.

Paul Auster und J. M. Coetzee haben von 2008 – 2011 einen intensiven Briefaustausch gepflegt. Beide Autoren sind einer breiten Leserschaft durch ihre Bücher gut bekannt. Sie fühlen sich offensichtlich seit ihrer ersten Begegnung in herzlicher Freundschaft verbunden. Coetzee ist hier der Ältere und Scheuere von beiden. Er hat sich in der Öffentlichkeit bisher immer sehr zurückgehalten. Umso erstaunlicher sind seine Offenbarungen über kleine lässliche Sünden wie stundelange Sportschauen und seine Begeisterung für das Schachspiel.

Es ging den beiden Autoren insgesamt um Reflexionen grundsätzlicher Art wie die über Freundschaft, Mann und Frau, Befinden, Lesungen, Reisen und vieles andere mehr. Sie gestatten hier einen kleinen Blick in ihre Gefühlswelt.

Ihr Gedankenaustausch dreht sich weiter um die Bedeutung von Sport im allgemeinen, um Politik und um die Bedeutung des Sprache für den Schriftsteller. Wie etwa findet man die richtigen Namen für die Romanfiguren?

Auster und Coetzee sprechen die gleiche Sprache, mit der sie sich über diverse Themen unterhalten. In zahlreichen Fragen herrscht Einigkeit, in anderen geht es darum, sich gegenseitig zu ergänzen. Selten schreiben sie von persönlichen Dingen aus dem Alltagsleben. Doch die intensive Freundschaft, die sie verbindet, findet man fast in jedem Wort und Satz. Sie geben sich gegenseitig Trost, wenn z.B. Leser in kritischen Briefen monieren, dass die behandelten Themen nicht den anerkannten ethischen Regeln entsprechen. Ob Antisemitismus oder Mord im Krimi: im Roman versucht der Autor eine fiktive Geschichte zu schreiben, die nicht immer der Auffassung des Dichters entspricht. Oder müsste man etwa den Mord im Krimi als vom Autor gebilligt betrachten, weil er darüber schreibt?

Der Gedankenaustausch erfolgt auf hohem Niveau und bringt einem das Leben als Schriftsteller näher. Da gibt es durchaus Zweifel und immer wieder auch den Arbeitsstress, mit dem man sich über die eigene Arbeit austauscht.

Angeregt legt man das Buch aus der Hand, bereichert durch den Ideenreichtum, mit denen Schriftsteller ihre Welt und Umwelt betrachten. Es ist gut, einmal hinter die Kulissen zu schauen, um zu erfahren, wie Dichter leben, womit sie sich befassen und wie schwer es ist, ein richtig gutes Buch zu schreiben!

Paul Auster und J. M. Coetzee
Von hier nach da
288 Seiten, broschiert
FISCHER Taschenbuch, Mai 2014
ISBN-10: 3596196876
ISBN-13: 978-3596196876
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