Alf Stiegler: WetGrave

Alf Stiegler: WetGrave

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WetGrave ist die völlig überarbeitete Neuveröffentlichung eines älteren 80-Seiten-Buches von Alf Stiegler. Ob man die Story wirklich als 224-Seiten-Variante (der Rest im Buch ist Werbung für das weitere Werk des Autors) nochmal rausbringen musste, weiß wohl nur der Autor; immerhin bekam ich sie so in die Hand. Und: Die Idee, der Grundplot gefällt mir.

Aber: Das Buch gefällt mir nicht, nicht richtig jedenfalls. Und das liegt weniger daran, dass ich so gar keinen Nerv für Horror und Grusel habe und das Buch zu zwei Dritteln aus genau sowas besteht – und zwar fast in Reinform. Schon eher daran, dass ich auf einen Lesemodus umstellen musste, bei dem nicht ständig mein Lektoratsradar ansprang. Zum Beispiel ertappte ich mich am Anfang immer öfter bei dem Gedanken, wann es denn nun endlich losgeht; vor allem die Redundanzen machten das erste Viertel recht behäbig. Dazu kamen zwei in Sachen Erzählerstandpunkt unpassende Kapitel, das zweite davon war zudem ausgesprochen überflüssig.

Im ersten Drittel des Buches erfährt man als Leser von den Bases, einem umfangreichen System vom Raumstationen, die um die völlig verschmutzte und ausgelaugte Erde kreisen und die der Oberschicht und dem Mittelstand Heimstatt bieten. Die Menschen, die auf der Erde dahinvegetieren, werden Bürger genannt. Hauptreisemittel ist ein System vom Sprungtoren, die unter Ausnutzung von Dimensionswechseln funktionieren. Das alles – die Bases samt der Tore – wird als Basenet bezeichnet, dieses wiederum wird von einer Mega-Firma namens HypCon kontrolliert. Gegen diese Firma hat der Protagonist namens Pressure offenbar etwas; wie das kam, bleibt weitgehend offen. Wie die Sprungtore funktionieren, erklärt Pressure einem jungen Sicherheitsmann. Die Methode, Infodump in Dialogen zu tarnen, ist weit verbreitet und in dem Fall nur durch einen dabei fallenden Schlüsselsatz zu entschuldigen, der später im Buch noch von Bedeutung sein wird.

Auch eine zweite Information wird über diesen Dialog an den Leser gebracht; weniger glaubwürdig diesmal, was mir die Infodump-Tarnung unangenehmer machte. Der Leser erfährt darin von einer Legende, die – aus nur sehr unzureichend nachvollziehbaren Gründen – als WetGrave in die Folklore der Bases eingegangen ist. Pressures Äußerungen legen nahe, dass er die Legende durchaus nicht als reines Schauermärchen versteht. Mittels eines speziellen Codes der Art, wie sie für die Dimensionsreisen nötig sind, macht er sich daran, das große Geheimnis zu lüften.

Und was dann kommt, ist in allererster Linie ein Schwelgen in Grusel- und Horrormotiven: Stoffgewordene Schwärze, eklige Oberflächen, „ungute Gefühle“, Glibber, im Unsichtbaren bleibende aber spürbar werdende Wesen mit Totenkopf-ähnlichen Schädeln und gespenstigen Körpern, üble Gerüche, gifte Gase, Erbrochenes, Wände rohen Fleisches, Feuchte an allen Ecken und Enden, unsägliche körperliche Verstümmelungen, schreckliche Schreie und qualvolles Quieken … sogar das Motiv des Geisterhauses findet sich und auch der Typ, der einen Blick auf die andere Seite wirft und als seelisches Wrack zurückkommt, fehlt nicht. All das ist recht süffig runtererzählt und dank des oben erwähnten Lesemodus kam ich ohne größere Stolperer gut voran. Nur dass ich, wie ebenfalls schon erwähnt, so gar keinen Nerv für sowas habe und es eher als Ausbremsen des Plottes empfand. Die Frage „Was ist da los?“ wird in dieser gesamten Zeit in der Schwebe gehalten und zwar so sehr, dass sie dabei erstarrt. Es gibt nichts, was man als Annäherung an die Antwort oder als ein Vertiefen der Frage hätte lesen können – alles ist irgendwie nur Kulisse.

Im hinteren Viertel zieht die Handlung dann aber wieder an und zum reinen Ekel- und Horror-Gemenge kommt nun auch echte, plotbedingte Spannung hinzu. Diese steigert sich in dramaturgisch geschickter Weise und mündet in einen gut konstruierten Höhepunkt mit Auflösung und passendem Ausklang. Das versöhnte mich mit dem langen Anlauf.

Fazit: Fans des fantastischen Horrors sind mit dem Buch gut bedient. SF-Fans brauchen die Bereitschaft, sich in die Grusel-Ecke zu begeben, da der SF-Faktor doch über weite Passagen in den Hintergrund rutscht. Für Freunde richtig gut gemachter Erzählungen ist das Buch wohl eher ein Pausenfüller. Trotzdem: Ideen und Plot sind gut und auch lesen lässt sich das Ganze recht süffig – das reicht für dreieinhalb Sterne.

Alf Stiegler
WetGrave
ASIN: B01HOE5XI8
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