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Schlagwort: Schweigen

Hans-Ulrich Treichel: Tagesanbruch

Hans-Ulrich Treichel: Tagesanbruch

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In der neuesten Erzählung von Hans-Ulrich Treichel erfahren wir ein Stück Nachkriegsgeschichte. Ihn treiben die Ereignisse der Jahre nach 1945 in seinen Werken immer wieder um. Hier wurde über so Vieles geschwiegen! Nach dem Zweiten Weltkrieg warf man sich auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten, um wieder zu einem würdigen Leben zurückzufinden und ging über die Vergangenheit hinweg.

Hans-Ulrich Treichel beschreibt in einer Momentaufnahme das Leben einer Mutter, die in einer einsamen Nacht gegen Morgen mit ihrem erwachsenen toten Sohn auf dem Schoss dasitzt und sich ihres vergangenen Lebens erinnert. Sie will erst gegen Morgen den Arzt und das Beerdigungsinstitut anrufen, denn jetzt soll sie niemand in ihren Abschiedsgedanken stören.

Der Autor beschreibt feinfühlig beobachtend die zwitschernden Vögel im Morgengrauen, die das Heraufdämmern des Morgens ankündigen. Anhand der Schritte der tunesischen Nachbarin, die über ihr wohnt, bemerkt die Mutter, wie sich da oben das Familienleben abspielt.

In einem langen Monolog nimmt sie nun Abschied von ihrem Kind und von ihrem bisherigen Leben.

Sie ist eine ruhige und einfache Frau aus dem Volk. Irgendwo im Osten ist sie unter zahlreichen Geschwistern aufgewachsen. Ihre Herkunft aus einer einfachen Bauernfamilie hat sie früh die Härte des Lebens mit immerwährender Arbeit gelehrt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lebt sie mit einem kriegsversehrten Mann und Sohn ein ebenfalls von harter Arbeit geprägtes Leben.

Das Ehepaar betreibt ein Textilgeschäft und schlägt sich mühsam durch. Der Sohn sollte es einmal besser haben. Für ihn schaffte man ein Klavier an, das jedoch nie genutzt wurde.

Sie erzählt aus der Fülle ihrer Eindrücke über die Vergangenheit, spricht über ihr karges Leben und die kleinen Veränderungen, die in ihrem Leben eine Rolle gespielt haben. Es gab gravierende Ereignisse, als sie mit ihrem Mann auf der Flucht vor den Russen gen Westen floh. Bedrückend erlebt sie ihr lebenslanges Schweigen, dass zwischen ihrem Mann und ihr daraufhin herrschte. “Man muss es aufschreiben“, beteuert sie ein ums andere Mal, um es endlich aus dem Kopf zu haben.

Die Geschichte beschränkt sich auf die Gedanken der Frau. Vom Sohn ist nur wenig die Rede. Er war akademischer Rat, doch die Mutter weiß nicht recht, wie sie diesen Beruf einzuordnen hat. Eine gewisse Fremdheit schimmert durch ihr Erinnern.

Die Sprache ist dem naiven Lebensbild der Protagonistin angepasst. Knappe, kurze Sätze geben einen Eindruck wieder von dieser einfachen Frau, die durchaus nachdenkliche Fragen an das Schicksal stellt. Sie ist nicht abgestumpft aber doch von melancholischer Wesensart. Sie hat alles immer stillschweigend hingenommen.

Hans-Ulrich Treichel versteht sich darauf, mit wenigen Worten Wesentliches zu vermitteln. Seine Sprache entspricht dem Lebensgefühl einer schlichten, alten Frau, deren eigenes Leben sich dem Ende zuneigt.

Man lässt sich von ihrem Schicksal anrühren, denn das stumme Dasein konnte dieser schlichten Frau nicht die Freude an der Natur mit ihrem Jahreslauf nehmen. Und Hans-Ulrich Treichel beweist einmal wieder sein schriftstellerisches Talent!

Hans-Ulrich Treichel
Tagesanbruch
86 Seiten, gebunden
Suhrkamp Verlag, Mai 2016
ISBN-10: 3518425250
ISBN-13: 978-3518425251
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Das Schweigen

Das Schweigen

Jan Costin Wagner Das Schweigen Eichborn Verlag
ISBN 3821807571

Wir befinden uns in einem kleinen Ort in Finnland.
Ein Mord ist geschehen.
Die Tat liegt 33 zurück und nun scheint sie sich identisch wiederholt zu haben. Den Mörder von damals hat man nie gefunden.
Ein Mädchen ist auf dem Weg zum Sportunterricht verschwunden. Man findet ihr Fahrrad, die Sporttasche und Blutspuren.
Wie jeder gute Krimi beginnt auch dieser mit Mord, Ermittlungen und einer Vielzahl betroffener Personen.
Das beeindruckende Geheimnis um den Täter geht in eine spannende Erzählung über.
Indizien weisen auf einen Mordfall hin, die Leiche des Mädchens ist noch nicht gefunden.
Kimmo Joentaa, Kommissar aus dem Vorgängerroman Eismond, rotiert, um zu schnellen Ergebnissen bei den Ermittlungen zu kommen. Ketola, ein gerade pensionierter Kommissar, der vor 33 Jahren bei der Suche nach dem Mörder an der 13 jährigen Pia Lehtinen beteiligt war, wird noch einmal eingeschaltet, um bei der Aufklärung dieser Wiederholungstat mit zu helfen.

Dabei lernen wir die Familien der Opfer beobachten,
ahnen, wer der mögliche Täter sein könnte und dürfen raten, wie dieses Verbrechen zustande gekommen sein mag.

Die einzelnen Szenen in den Familien, auf dem Kommissariat und bei der Suche im Archiv zum weit zurückliegenden Mord bestimmen das Klima, in dem der Roman geschrieben ist.

Dabei gelingt es Costin Wagner, dem gefeierten Star eines neuen Genres von Kriminalromanen, psychologisch ausgefeilte Szenen still und überzeugend zu inszenieren.
Ängste, Hoffnungen, Verzweiflung und das Gefühl des Versagens und der Schuld sind die Stimmungsträger dieses Buches. Dazu die Schicksale der Hauptkommissare, deren persönliche Lebenserfahrungen sie im Ertragen von Schmerz und Kummer für die tragischen Seiten des Lebens sensibilisiert hat.
Jeder trägt schwer am eigenen Versagen, keiner ist frei und unbeschwert im Genießen des Augenblicks. Nur in dem Ferienhaus der Familie des Immobilienmaklers Korvensuo mit seinen fröhlichen Kindern und seiner netten Frau Marjatta scheint es ausgeglichen, freundlich und bürgerlich – friedlich zuzugehen. Er spielt einen besonderen Part in diesem Drama.

Fein modelliert werden die kleinsten Regungen registriert, die sich im Zusammenspiel der Menschen ergeben.
Ob es der psychisch kranke Sohn von Ketola ist, die unbeschwerte Party bei der Familie des Immobilienmaklers, bei dessen Regungen und Empfindungen man erschauern möchte,–ist er womöglich in die Morde verwickelt?—oder die vage Hoffnung von Eltern, die noch nicht wahrhaben wollen, dass der Tod der Tochter wahrscheinlich ist.
Mit feinsten Affekten haben wir es hier zu tun.
Grandios lässt der Autor seine Figuren sich umkreisen je nach Verfassung in Verzweiflung, Wut, Hoffnung, mal ein wenig näher an der Wahrheit, dann wieder tief im Dunkeln tappend.

Die Erzählung steuert dramatisch auf das Ende zu, während der Leser unruhig wartet, dass sich ihm endlich die Wahrheit offenbart!

Das raffinierte Zusammenspiel der Figuren macht den Roman zu einem Ereignis! Menschliche Abgründe tun sich auf und
in der Lösung der Geschichte offenbart sich die Frage nach Schuld und Sühne.
Jan Costin Wagner hat für seine ersten beiden Krimis Preise eingesammelt. Mit diesem Roman wird er seinen Erfolg festigen und weit über Deutschland hinaus zu Ruhm gelangen!

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Schweigen im Oktober

Schweigen im Oktober

Eines Morgens im Bad sagt Astrid ihrem Mann, dem Erzähler, dass sie verreisen wird. Am nächsten Tag verreist sie auf unbestimmte Zeit und er versäumt es sie zu fragen wohin. Anhand der Kontoauszüge ihrer Kreditkarte erkennt er, dass sie dieselbe Reise macht, die sie sieben Jahre zuvor gemeinsam gemacht hatten. Das Haus ist jetzt leer, die Kinder sind schon ausgezogen und so beginnt der Erzähler diese Leere, die Stille mit seinen Erinnerungen an die 18 gemeinsamen Jahre zu füllen. Er war während des Studiums Taxi gefahren und eines Abends holte er eine Frau mit ihrem kleinen Sohn ab, die ihrem Ehemann verließ. Der durchgedrehte Ehemann wartete allerdings schon bei der Freundin und da sie sonst kein Ziel wußte, bot er ihr an bei ihm zu übernachten. Aus dieser zufälligen, aus der Not geborenen Gemeinschaft entsteht eine leise, scheinbar selbstverständliche Liebe, die ihn aus seiner hitzigen und verblendeten Leidenschaft, seiner unglücklichen Liebe zu Inès befreite. „Es ging alles sehr schnell, aber es war eine gemächlichere, beiläufige, fast aristokratische Liebe, kein Fieber, kein auszehrender Hunger, kein Trommeln mit weißen Knöcheln an eine verschlossene Tür. Anfangs war ich trunken vor Leichtigkeit, mit Astrid war offenbar alles möglich, ich brauchte meine Worte nicht abzuwägen, aber es war auch nicht nötig, jede Liebkosung mit pathetischen Erklärungen oder bangen Rückfragen zu beschwören.“ (S. 104) Aus den sich wiederholenden Trivialitäten des Alltages und des gleichförmigen, einnehmenden Familienlebens holen ihn seine Auslandsaufenthalte als Kunsthistoriker. Während eines längeren Arbeitsaufenthaltes in New York hat er ein Verhältnis mit einer Malerin. Er verschweigt es seiner Frau und lebt diese Liebe, diese ungestillte und zerfressende Sehnsucht in seinen Gedanken weiter. Hatte seine Frau von dieser, sieben Jahre zurückliegenden Affäre, etwas erfahren? War sie glücklich gewesen? War er glücklich? … Diesen Fragen läßt Grondahl seinen Erzähler in seinen Erinnerungen nachgehen und dabei entsteht ein sehr differenziertes Bild über die Lebensgeschichte eines Paares, über die Liebe, das Glücklichsein. Mit teilweise schmerzhafter Genauigkeit offenbart der Erzähler seine Gefühle und seine Gedanken, ohne dabei je kitschig oder abgedroschen zu werden. Dieser sensible und auch sezierende Blick in das Innere des Protagonisten gepaart mit dem ruhigen, schnörkellosen und genauen Erzählstil machen dieses Buch zu einem traurigen und wunderschönen Genuß. Der Autor: Jens Christian Grondahl, geboren 1959, studierte Philosophie in Kopenhagen und absolvierte eine Ausbildung zum Filmregisseur. Er verfasste Hörspiele, Essays und zahlreiche Romane, für die er verschiedene Auszeichnungen erhielt. Auf deutsch erschien 1996 der Roman Indian Summer. Der große Durchbruch gelang ihm, auch international, mit „Schweigen im Oktober“

Jens Christian Grondahl
Schweigen im Oktober
Ein trauriger und wunderschöner Genuß
ISBN:3552049401
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Perlmanns Schweigen

Perlmanns Schweigen

Perlmann ist Linguistikprofessor. Ausgerechnet anläßlich einer Fachtagung, bei der er der Hauptredner ist, gerät er in eine tiefe Krise: ihm fällt nichts mehr ein, ja, sein ganzer Beruf erscheint ihm fragwürdig. Wie soll er der Blamage entgehen? Er verfällt schließlich au f die Idee, das Manuskript eines Kollegen zu stehlen, aber dann müßte dieser beseitigt werden…

Das Buch ist auf hohem sprachlichem Niveau geschrieben und beschreibt Perlmanns Krise so eindringlich und nachvollziehbar, daß es fast schon schmerzt. Die zum Teil aberwitzigen Situationen, in die er sich bringt, wirken konsequent, der Leser kann sich in die Ausweglosigkeit gut hineinversetzen.

Pascal Mercier
Perlmanns Schweigen
Ein linguistischer Fast-Krimi
ISBN:3442721350
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