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Schlagwort: Selbstüberschätzung

Daniel Höra: Was wir nicht wollten

Daniel Höra: Was wir nicht wollten

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Die fünf Freunde halten es für eine gute Idee, in ihrer etwas heruntergekommenen Wohnsiedlung, erbaut in den 1960er Jahren, einen kleinen Garten anzulegen. Es gibt da ein kleines Fleckchen Erde, dass perfekt dafür geeignet ist. Die 13- bis 14-jährigen legen sich ins Zeug. Man hat ein Ziel und das macht Spaß. Der Umgangston ist wie immer rau, wird aber nicht beleidigend empfunden. Ab und an wird gerappt. Sie graben um und säen. Auch Bobbo macht mit. Nach einem Unfall ist er geistig behindert. Aber er hat Spaß daran mit der Kinderschaufel in der Erde zu graben. Seine Mutter sieht das nicht gerne. Sie glaubt, Bobbo wird ausgenutzt. Den Garten bezeichnet sie als Sachbeschädigung. Die jungen Leute werden schließlich gezwungen, ihren Garten aufzugeben.

So einfach will man das nicht hinnehmen. Ärger macht sich breit und staut sich auf. Wie wäre es, Bobbos Mutter eins auszuwischen? Und so entsteht die Idee, den behinderten Jungen für ein eine Weile zu verstecken. Die Mutter soll ordentlich Panik bekommen. Der Plan geht auf. Doch gerade als Bobbo zu seiner Mutter zurückgebracht werden soll, erscheint Heiner. Er hat nicht vor, jemanden zu verraten. Vielmehr will er die Entführung für eine Erpressung nutzen.

Es geht um Gerechtigkeit! Man kann gut verstehen, dass die Jugendlichen frustriert sind, was ihren Garten betrifft, der auch ein Sinnbild dafür ist, dass die Kindheit zu Ende geht. Etwas mit eigenen Händen zu schaffen, hat Bedeutung. Sie sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Aber sie handeln auch noch impulsiv und unüberlegt, sehen die Entführung als einen Spaß an, der nicht mehr ist, als ein dummer Streich. Die Tragweite ihres Handelns erkennen sie zunächst nicht, denn sie glauben, die Entführung ohne Konsequenzen beenden zu können. Ihre Selbstüberschätzung ist dahin, als sich Heiner auf eine angsteinflößende Art einmischt und den fünf Freunden eine Erpressung aufzwingt. Denn jetzt scheint es nicht mehr möglich, das Ganze einfach zu beenden.

Daniel Höra hat ein unauffällig lehrreiches Buch geschrieben, das zum Nachdenken anregt. Die Jugendlichen stecken in der Zwickmühle und der Leser wird unmerklich aufgefordert, sich zu fragen, wie er handeln würde. Es gibt viele Stellen im Buch, die für einen Moment in viele Richtung weisen. Ein Wort oder ein Satz entscheidet, wie es weiter geht. Der Autor zeigt, was in der Gruppe passiert, wie der Mut dahin schmilzt, Freundschaften auseinandergehen und Verzweiflung sich breitmacht. Die Jugendlichen werden sich ihrer eigenen Verantwortung für das Geschehen immer bewusster. Es ist ein Prozess. Aber es ist keine Zeit für eine langsame Entwicklung, denn die Lage wird immer brenzliger.

Ein bemerkenswertes Buch, das sehr authentisch wirkt, weil es aus Sicht einer der Jungen geschrieben ist!

Rezension von Heike Rau

Daniel Höra
Was wir nicht wollten
Eine (fast) wahre Geschichte
256 Seiten, gebunden
Ueberreuter Verlag
ISBN-10: 3764170867
ISBN-13: 978-3764170868
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Castle Freeman: Der Klügere lädt nach

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Sheriff Lucian Wings hat wenig zu tun. Er lässt den Dingen lieber seinen Lauf und mischt sich nicht groß ein. Auch seine Frau, lässt er tun, was sie will, auch wenn das bedeutet, dass er nun im Büro schlafen muss. Man sieht es und nimmt es hin in dieser ländlich gelegenen amerikanischen Kleinstadt, wo die Zeit stehen geblieben ist.

Doch gewissen Situationen können nicht hingenommen werden. Wer sich etwas zuschulden kommen lässt, muss dafür zahlen. Wenn das geschehen ist, bekommt Wings die Fälle auf den Tisch, weil dann die Täter die Opfer sind. Ein Fall fällt nicht groß auf, doch wenn es mehr werden, muss Wings seine Arbeit tun, weil er dazu genötigt wird. Er muss endlich durchgreifen und mehr Engagement zeigen. Schon klar!

Aber er findet er es gut, wie sich die Dinge ohne sein Eingreifen entwickeln. Wenn andere seine Arbeit machen, weil sie es besser können. Am Gesetz vorbei zu handeln, ist unschlagbar wirkungsvoll und schafft gewisse Situationen schneller aus dem Weg. Man hat da seine Erfahrungen. Es gibt praktisch keine Rückfallquote. Natürlich darf es keine Zeugen dafür geben und natürlich darf niemand die selbst ernannten Richter zur Verantwortung ziehen, denn sonst entsteht schnell eine neue von diesen gewissen Situationen und muss gelöst werden.

Es geht im Buch um eine krasse Form von Selbstjustiz. Diese wird allerdings auf eine rabenschwarz humorvolle Art geschildert. Zum Lachen ist das nicht, aber schon derb komisch! Dazu kommt das der Autor den Roman in einem völlig unaufgeregten und kaltschnäuzigen Ton erzählt. Er braucht nicht viele Worte. Das Drumherum entsteht auch so im Kopf des Lesers. Die Dialoge haben mir besonders gut gefallen! Kein Schlagabtausch. Der Denkprozess kann sich auch in einem einzigen sarkastischen Wort niederschlagen und jeder kann sich die Folgen ausmalen.

Das Buch lebt von Charakteren, die einfach unschlagbar sind und anfangs auch undurchschaubar. Aber der Autor führt immer tiefer hinein in die Handlung, haarscharf an einem Abgrund vorbei. Das Buch hat es wirklich in sich! Es ist überraschend, unterhaltsam und sehr spannend!

Rezension von Heike Rau

Castle Freeman
Der Klügere lädt nach
Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren
208 Seiten, gebunden
Verlag Nagel & Kimche
ISBN-10: 3312010586
ISBN-13: 978-3312010585
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