Die schwangere Madonna

Die schwangere Madonna

Peter Henisch Die schwangere Madonna Residenz Verlag
ISBN3701714231

Peter Henisch, ein österreichischer Autor, der bisher wenig spektakulär in der öffentlichen Literaturkritik von sich reden machte, hat ein äußerst witziges, geistreiches und dabei sehr unterhaltsames Buch geschrieben.

Worum geht es?

Ein aus seinem Leben gefallener Rundfunkredakteur mit Namen Josef, geschieden und Vater eines sechsjährigen Sohnes, gerät in einem mentalen Ausnahmezustand in eine fatale Lage: er klaut einen VW, in dessen Tür der Schlüssel steckt, fährt los und merkt alsbald, dass auf dem Rücksitz ein junges Mädchen liegt.
Sie fahren aus einer Laune heraus einfach weiter. Die Richtung ist Italien.
Das Mädchen ist Schülerin eines katholischen Religionslehrers, mit dem sie ein Verhältnis hat (hatte?), und von dem sie auch noch schwanger ist. Im Austausch gegen eine Nachricht an ihn hat sie aus seiner Jackentasche seinen Autoschlüssel an sich genommen.
In Gesprächen und Aktionen entwickeln die beiden Reisenden ein Verhältnis zueinander, das an Komik, Ernst und überraschenden Einblicken und Einsichten seines gleichen sucht.
Über Musik, Religion, Kunst und das Leben an sich wird philosophiert , –und natürlich wird spürbar, wie dieses gerade erst 18 Jährige Mädchen auch diesen etwas älteren Fahrgenossen in ihre Fänge bekommt, ganz unschuldig-naiv und leicht frivol. Sie gleicht einer Lolita in ihrer Unschuld, ihrer verführerischen Annäherung und gelegentlichen Flucht vor zu viel Nähe.
Unschuldig- verführerisch bleibt Maria, welch sinniger Name in Anlehnung an die göttliche Maria(!), die ganze Zeit über, in der die beiden zusammen reisen, denn es geht weit in den Süden zu einer großen Rundreise durch Italien , in denen die Städte und natürlich die Madonna del Parto, die “ Schwangere Madonna“, von Piero della Francesca in der Kirche Santa Maria a Nomentana in Monterchi , eine gewichtige Rolle spielt.
Dann verliebt sich Maria in einen italienischen Feuerschlucker und Straßengaukler. Josef bemerkt zunehmende Heimlichkeiten: er spürt Telefonaten von ihrem Handy aus nach, und ab und zu ist sie verschwunden und taucht unvermittelt wieder auf, als sei es so ganz natürlich. Spürbar bleibt die erotische Verführung, der Josef aber nicht nachgibt, wenngleich die Versuchung groß ist.
Zu guter letzt taucht der Religionslehrer Wolfgang auf, der unruhig seinem gestohlenen VW und Maria auf der Spur ist.
Daß er von der Schwangerschaft, seinen Gewissenskonflikten und dem Gedanken an einen Schwangerschaftsabbruch bedrängt wird, zeigt sich in einer Verbrüderungsszene der beiden erwachsenen Männer um Maria in einer langen Nacht, in der sie reichlich dem Alkohol zusprechen.

Maria ist schließlich ganz verschwunden. Josef sucht sie und findet Ruhe nur im Angesicht der Madonna del Parto, die in einer ehemaligen Volksschule in Monterchi ausgestellt ist. Hier bleibt er und fühlt sich an seine zarte Gefühlsbeziehung zu Maria,
seiner Reisebegleiterin, erinnert. Hier findet ihn am Morgen ein Commissario, der ihn eines Attentats auf die Madonna verdächtigt, und dem er nun diese ganze Geschichte erzählt.

Das Buch ist ungewöhnlich in seinem Sujet, es ist geistreich, hat eine Sprache, die immer wieder mit unerwarteten Redwendungen überrascht. Unsere Zeit mit allen ihren Bindungsproblemen findet hier einen wunderbaren Widerklang.
Ich möchte das Buch jedem empfehlen, der an kultivierter Sprache, nicht abgehobener Gegenwart und der Verlorenheit einer neuen Generation, die ihren eigenen originellen Weg sucht, interessiert ist.
Cl.B.
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