Das Kindermädchen

Das Kindermädchen

Die Frau hatte Joachim Vernau schon auf einer Beerdigung gesehen, aber nicht weiter beachtet. Nun steht sie vor der Zernikowschen Villa. Sie hat einen Brief für Utz von Zernikow, will eine Unterschrift unter eine Bescheinigung. Joachim übergibt seinem zukünftigen Schwiegervater das Schriftstück, doch der verbrennt den vermeintlichen Bettelbrief. Wenig später erfährt Joachim mehr über die Frau. Ausgerechnet aus der Zeitung. Die Ukrainerin Olga W., die eine ehemalige Zwangsarbeiterin war, ist angeblich im Landwehrkanal ertrunken. Dann muss er feststellen, dass die Kopie, die er von dem Brief gemacht hat, aus seinem Büro verschwunden ist. Joachim trifft sich mit einer ehemaligen Kollegin zum Essen. Sie hat das Originalfax, das er ihr geschickt hat, um den Brief zu übersetzen, will es aber so schnell nicht wieder rausrücken. Nun ist Joachim auch noch erpressbar, ausgerechnet jetzt, wo die beiden sich wegen eines Falles uneinig sind. Dann wird Joachim zuhause von einer Frau überfallen und übel zugerichtet. Dabei hat sie es gar nicht auf ihn, sondern auf Utz von Zernikow abgesehen. Sie macht ernst und bedroht ihn mit einer Waffe. Joachim erfährt, dass ihre Mutter im Zweiten Weltkrieg als Zwangsarbeiterin nach Deutschland verschleppt wurde und als Kindermädchen im Haushalt der Familie von Zernikow arbeiten musste. Doch Utz von Zernikow ist sich in einer Sache vollkommen sicher: Sein Kindermädchen Natalja Tscherednitschenkowa ist im November 1944 in Berlin gestorben. Und jetzt versucht jemand, an ihre Entschädigung zu kommen.

Wie man in der Danksagung der Autorin entnehmen kann, war es ein Zeitungsausschnitt, der die Idee zu diesem Buch lieferte. Sie hat aufwändig recherchiert und in Kiew Frauen ausfindig gemacht, die damals nach Nazi-Deutschland verschleppt wurden sind und als Kindermädchen arbeiten mussten. Den brisanten Stoff hat die Autorin zu einem spannenden Krimi verarbeitet.
Das Auftauchen der Ukrainerin wirft den Berliner Anwalt Joachim Vernau aus der Bahn. Seine zukünftige Frau Sigrun ist eine aufstrebende Politikerin und kann keinen Skandal gebrauchen. Und dennoch bahnt sich ein Drama an, das nicht aufzuhalten ist. Die Sache zu vertuschen, ist nicht Joachims Sache. Andere sind dagegen offensichtlich bereit, über Leichen zu gehen. Der Spannungsbogen in diesem Buch ist perfekt ausgearbeitet. Der Leser wird sozusagen gefesselt und am Buch festgezurrt. Man kann sich dieser unglaublichen Geschichte, die so explosiv ist, nicht entziehen. Die verschiedenen Erzählstränge, die immer wieder perfekt verbunden werden, sorgen dabei für ein gutes Maß an Abwechslung. Aber gerade dadurch entfalten die historischen Hintergründe ihre Wirkung so eindrucksvoll. Das ist anspruchsvolle Unterhaltung und ein Stück weit Aufklärung über geschichtliche Details in einem.

Über die Autorin:
Elisabeth Herrmann wurde 1959 in Marburg/Lahn geboren. Nach einer abgebrochenen Bauzeichnerlehre hat sie als Betonbauerin und Maurerin gearbeitet. Sie holte ihr Abitur nach und studierte in Frankfurt und Berlin, arbeitet nun als Fernsehjournalistin der Abendschau des RBB. Für ihren ersten Roman „Mondspaziergänge“ wurde sie mit dem „Frauengeschichtenpreis“ ausgezeichnet.

Rezension von Heike Rau

Elisabeth Herrmann
Das Kindermädchen
433 Seiten, gebunden
Rotbuch Verlag / EVA Europäische Verlagsanstalt, Hamburg
ISBN: 3-434-53138-6
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