Eastend

Eastend

Eigentlich hat Almund Grau keine große Lust, in eine Therapie zu gehen. Doch seine Frau Kerrie überredet ihn. 20 Sitzungen in einer kleinen Gruppe sind geplant, geleitet von Diplompsychologe Friedjelm Bähr. Zunächst schweigen sich alle an. Doch bald bekommt jeder die Gelegenheit, sich darzustellen oder es zumindest zu versuchen. Almund nimmt die Sache nicht ernst. Bei den anderen stößt er bald auf Ablehnung, auch bei seiner Frau. Immer spielt er sich in den Vordergrund, gibt sich unangepasst. Er amüsiert sich gar, über die Spielchen, die der Therapeut vorgibt.

Auch Partnerschaftsprobleme, die bisher gut unter der Oberfläche versteckt lagen, kommen ans Tageslicht und werden unter die Lupe genommen. Das schafft keine Klarheit, sondern Missmut, der sich immer weiter hoch schaukelt. Es kommt zur Katastrophe, zum Bruch seiner Ehe. Kerrie kommt nicht mehr nach Hause. So reist auch Almund ab, wankt hin und her, versucht einen Selbstmord und lässt sich schließlich mehr recht als schlecht in London nieder. Er muss sich klar darüber werden, wie es weitergehen soll, seinen verlorenen Platz im Leben wiederfinden und ganz von vorn beginnen.

Das Buch fasziniert nicht nur inhaltlich, sondern auch vom Stil her. Dabei ist es die Mischung aus analysierenden, lebhaften Gedankengängen Almunds, seinen amüsierenden Beschreibungen der Gruppentherapie und seinem interessanten Blickwinkel auf das fassettenreiche Eastend Londons der 70er Jahre. Selbst die sonst so gefürchteten langen Schachtelsätze, sind wunderbar zu lesen, verleihen der Geschichte Dramatik. Der Autor versteht es, sich gekonnt auszudrücken. Die Verbitterung Almunds wird deutlich und dennoch fehlt es nicht an Ironie. Diese geht sogar sehr tief, trägt die Geschichte und fängt Almund in seiner Verzweiflung auf. Almund wandelt sich, dabei kommt ihm der Zufall zu Hilfe und plötzlich treibt die Geschichte ins Märchenhafte ab. Für den Leser ist das Buch damit unterhaltsam und wundersam zugleich.

Über den Autor:
Ernst Augustin wurde 1927 geboren. Der Arzt, Neurologe und Psychiater, der jahrelang in Entwicklungsländern arbeitete und später als psychiatrischer Gutachter in München, ist Autor einer Reihe von Romanen. Er erhielt für seine Werke beispielsweise den Kleist-Preis und den Literaturpreis der Stadt München. Ernst Augustin ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung an der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Rezension von Heike Rau

Ernst Augustin
Eastend
328 Seiten, gebunden
C.H.Beck, München
ISBN: 3-406-53548-8
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