Thomas Klugkist: Hanna und Sebastian

Thomas Klugkist: Hanna und Sebastian

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Eine Liebesgeschichte, differenziert, knallbunt, ausschweifend und sehr intelligent!

Thomas Klugkist hat in der Form eines Briefromans einen  Liebesroman geschrieben, in dem er Gedanken zu Nähe und Distanz in Paarbeziehungen und zu innerer und äußerer Freiheit zwischen Liebenden abhandelt. Nichts Denkbares bleibt ausgespart in der Offenheit, mit der sich die Liebenden, und als solche zeigen sie sich in ihren Briefen, einander mitteilen.

Hanna und Sebastian, die sich noch aus der Schule kennen, haben 2000 ein wunderschönes Wochenende zu zweit in Rom verbracht. Sie sind Ende zwanzig und mögen sich sehr! Er ist Rundfunkredakteur in Berlin und sie Ärztin in der pathologischen Abteilung einer Klinik in München.

Basierend auf dem Treffen in Rom beginnen sie einen lebhaften Briefwechsel. Auf hohem Niveau tauschen sie tiefsinnig, hoch reflektiert und im Wechsel zwischen ernsten und leichten Themen ihre Gedanken aus. Da geht es um die Arbeit, ihre Familien, ihre jeweiligen inneren Befindlichkeiten, ihre Liebhaber und Liebhaberinnen und die richtige Lebensform. Doch ein Wiedersehen ist erst in zehn Jahren geplant!

Der Briefwechsel umfasst folglich mit Unterbrechungen 10 Jahre.

In diesen Jahren passiert viel!

Das Paar nähert sich mit ihren freimütigen Bekenntnissen über ein erträgliches Maß hinaus und überschreitet damit Grenzen. Die Akzeptanz dieser Offenheit scheint nur in der räumlichen Distanz möglich. Hanna erzählt über ihre Affären, die nach einigen Jahren und heftigen Turbulenzen sehr ausschweifend werden. Sebastian berichtet im Gegenzug von seinen erotischen Erlebnissen.

Die subtile Erzählform, in der sich beide immer näher kennen lernen, zeugt von hoher Bildung, tiefer Empfindungsfähigkeit und eloquenter Sprachgewandtheit. In ihren Briefen, Mails und SMS’ spürt man eine dauerhaft unterschwellige erotische Anziehung. Ihre Freiheit, die ihnen die Entfernung bietet, ist einerseits prickelnd und andererseits störend. Sie wollen mehr und bleiben doch in ihrem Schwebezustand zwischen Nähe und räumlicher Distanz. Dass es sich um eine symbiotische Beziehung handelt, wird schon bald überaus deutlich.

Doch gibt es eine stärkere Nähe, als die aus der selbst gewählten Distanz?

Mit atemloser Spannung folgt man den Geschehnissen im Leben der beiden. Sie leben jeder auf eigene Weise ihre Wünsche und Möglichkeiten aus.

Thomas Klugkist nimmt seine Leser mit in den Umkreis der Generation der achtziger und neunziger Jahre und bis in das Jahr 2010 hinein. Wie das alles enden wird?

Klugkists Protagonisten sind empfindsam, nachdenklich und selbstkritisch. Es gibt Tragödien, wie in vielen Familien, und es gibt die bodenständigen und klaren Charaktere, denen das Leben nichts anzuhaben scheint. Die Dialogform macht den Roman zu einem fast realistischen Zeitdokument. Klugkist ist ein scharfer Denker, der in seiner Geschichte literarisches und philosophisches Gedankengut verpackt und psychologische Folgerungen anklingen lässt.

Das Lesevergnügen mit Anstößen zum Nachdenken ist unvergleichlich und lässt den Leser bis zuletzt nicht los.

Thomas Klugkist
Hanna und Sebastian
432 Seiten, gebunden
C.H.Beck, Januar 2014
ISBN-10: 3406659608
ISBN-13: 978-3406659607
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Joël Dicker: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Joël Dicker: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

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Wenn man dieses Buch liest, dann liest man, wie es entsteht. Das ist eine äußerst interessante Konstellation. Dies aber reichte dem Autor nicht. Er machte die Entstehung eines Buches auch noch extrem spannend. Kein Wunder, wenn es in unzähligen Rezensionen heißt: Es liest sich wie ein Krimi, aber es ist weitaus mehr.

Der Schriftsteller Marcus Goldman hatte durchschlagenden Erfolg mit seinem ersten Roman. Er war mit diesem Erfolg ein Jahr lang Stammgast auf allen roten Teppichen. Doch sein Verlag drängt, die Leser erwarten den Folgeroman von Goldman. Doch der kommt nur schwer in Schwung und hat keine Idee für den nächsten Roman. Er hat eine totale Blockade. Um diese zu lösen, begibt er sich in den kleinen Ort Aurora, wo er seinen großen Lehrmeister Harry Quebert weiß. Quebert ist selbst ein hochangesehener Schriftsteller, der vor 33 Jahren einen Riesenerfolg hatte und seitdem als Dozent für kreatives Schreiben an einer Uni tätig ist. An dieser Uni haben sich Goldman und Quebert kennengelernt und angefreundet. Der ältere Quebert wird väterlicher Freund und Coach für Goldman. Mit Goldmans Erfolg war die Verbindung zwischen beiden gerissen. Goldman war zu sehr mit seinem Erfolg beschäftig. Doch nun erinnert er sich an seinen Freund und Mentor, geht zu ihm, um sich Ratschläge gegen seine Blockade zu holen. Da wird eine Leiche im Garten von Quebert gefunden. Es ist die Leiche von Nola, die als fünfzehnjähriges Mädchen spurlos verschwunden war. Bei der Toten wurde das Manuskript von Harry Queberts Erfolgsroman von 1975 gefunden. Es stellt sich heraus, dass der damals bereits erwachsene Quebert ein Verhältnis mit der Minderjährigen hatte. Für die Leute ist klar: Quebert ist der Mörder von Nola. Seine Aussichten auf den Literaturnobelpreis lösen sich im Nirwana auf. Nur sein Schüler Marcus Goldman hält zu ihm und ist nicht davon überzeugt, dass Quebert der Mörder ist. Er nimmt zusammen mit einem Polizisten die Ermittlungen auf, um die Unschuld Queberts zu beweisen. Gleichzeitig damit entwickelt sich der Fall Harry Quebert zu einer Idee und einem Stoff für seinen zweiten Roman. Dieser Roman schließlich ist der vorliegende Roman, den man gerade liest.

Dieser Roman erzeugte ein großes „Wow“ bei mir bereits auf den ersten Seiten. Dabei war ich mir gerade am Beginn nicht sicher, warum. Es war ein ganz unbestimmtes Gefühl, dass dies ein ganz besonderer Roman ist. Da die Protagonisten Schriftsteller sind und die Handlung auch das Milieu der Verlagsbranche tangiert, weckte auch dies mein Interesse und ich war erfreut über die zahlreichen „Lebensweisheiten“ für Autorinnen und Autoren. Jedem Kapitel ist ein Gespräch zwischen Schüler und Mentor vorangestellt, in welchem der Mentor den Schüler helfen möchte, die „Schriftstellerkrankheit“ zu bekämpfen. Das Besondere an den Kapiteln: Sie sind rückwärts nummeriert. Da die Protagonisten gelegentlich mit den Ratschlägen durcheinander kommen, klären sie manches Mal im Gespräch, mit welchem Kapitel es gerade weitergeht. Eine nette, humorige Note. Da sich die Ermittlungen auf Vorgänge vor über dreißig Jahren beziehen, wird in dem Roman mit sehr vielen Rückblenden gearbeitet. Es gibt Rückblenden in die Zeit des Heranwachsens von Marcus Goldman, in die Zeit des Verhältnisses Queberts mit Nola, die Zeit ihres Verschwindens, aber auch Rückblenden in die Zeit davor, das Verhältnis von Nolas Eltern untereinander. Trotz dieser zahlreichen Zeitsprünge verliert man aber nie den Überblick und weiß immer, wo man sich in der Handlung befindet und welche Neuigkeiten diese oder jene Rückblende für die aktuelle Handlung bereithält. Das ist eine ganz besondere Note dieses Romans. Schließlich nicht zu vergessen die ungeheure Spannung. Mit jedem Satz, den man liest, wird einem das bisher Geschehene immer klarer und plausibler. Man kann alles sehr gut nachvollziehen. Doch dann passiert etwas derart Unerwartetes, so dass alles bisherige wie ein Kartenhaus zusammenbricht. Als Leser muss man erst Mal Luft holen, bevor man weiterliest. Doch Joël Dicker wäre kein guter Schriftsteller, wenn er den Leser jetzt alleine lassen würde. Es werden Begründungen und Argumente geliefert, so dass man alles wieder auf die Reihe bekommt. Bis zur nächsten Wendung …

Gelesen zum Jahreswechsel legt dieser Roman die Latte sehr, sehr hoch für das Rezensionsjahr 2014. Den Roman kann man ohne Bedenken mehrmals lesen.

Joël Dicker
Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
736 Seiten, gebunden
Übersetzt von: Carina von Enzenberg
Piper, München
ISBN-10: 3492056008
ISBN-13: 978-3492056007

© Detlef Knut, Düsseldorf 2014
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Rolf Esser: Anselm und Neslin in Raum und Zeit (Buchvorstellung)

Rolf Esser: Anselm und Neslin in Raum und Zeit (Buchvorstellung)

Im Rahmen der Edition Leselupe bieten wir Autoren die Möglichkeit, ihre Bücher als Taschenbuch und Hardcover zu veröffentlichen. Die aktuellen Veröffentlichungen stellen wir Ihnen natürlich auch auf dem Blog der Leselupe vor.

„Anselm und Neslin in Raum und Zeit“ ist der Nachfolgeband des Romans „Anselm und Neslin“, in dem zwei Kinder aufgrund widriger Umstände eine Reise durch die mittelalterliche Welt bis hin nach Ägypten überstehen müssen. In Oberägypten hat Anselm in einem traumatischen Zustand die Vision befremdlicher Erlebnisse auf einem anderen Planeten in einem anderen Universum. Zurück im mittelalterlichen Bremen überkommt Anselm in „Anselm und Neslin in Raum und Zeit“ die Erkenntnis, dass seine Vision real war. Er war auf einem fremden Planeten, da ist er sicher, weil ihm so viele Einzelheiten einfallen, die ein Mensch des Mittelalters gar nicht kennen kann. Zusammen mit ihrem Freund Adam reisen Anselm und Neslin wieder nach Ägypten an den Ort des damaligen Geschehens und werden von dort tatsächlich auf den fernen Planeten Golgon gebeamt. Dieser Planet befindet sich in einem Abbild der Milchstraße unseres Universums. Auch unser Sonnensystem und die Erde gibt es dort. Und es gibt in Gestalt von Jack und Nelly Ebenbilder von Anselm und Neslin. Auf Golgon leben die Menschen im Jahre 2290 in einer weit fortgeschrittenen Zivilisation. Sie haben die Möglichkeit, sich von einem Ort zu einem anderen zu beamen und können so in die Vergangenheit reisen. Diesen Umstand machen sich Anselm und Neslin zunutze und unternehmen Zeitreisen in die Vergangenheit ihrer Erde. Dabei lernen sie viel und machen überraschende Entdeckungen. Zuweilen wird es auch richtig gefährlich. Mitunter greifen sie auch ein wenig in die Vergangenheit ein und verändern so den Lauf der Dinge. Am Ende aber zieht es sie doch zurück ins Mittelalter, nach Bremen, wo sie Teilhaber einer Goldschmiede sind.

Rolf Esser
Anselm und Neslin in Raum und Zeit
Taschenbuch: 488 Seiten
Verlag: Edition Leselupe (28. Juni 2013)
ISBN-10: 3849550184
ISBN-13: 978-3849550189
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Annette Sabersky und Jörg Zittlau: Echte Wurst hat kein Gesicht

Annette Sabersky und Jörg Zittlau: Echte Wurst hat kein Gesicht

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Kinder scheinen sich, was die Ernährung betrifft, von ihren Eltern sehr zu unterscheiden. Schließlich gibt es extra für die Kleinen eine riesige Auswahl an gesunden Kinderlebensmitteln. Jedenfalls verspricht die Werbung einen gesundheitlichen Vorteil und Zeitersparnis. Viele Kinder sind trotzdem zu dick. Und wenn man einmal genau die Zutatenlisten studiert, stellt man fest, dass erstaunlich viel in den kleinen Joghurtbechern, Mittagsmenüs oder der Kindermilch steckt. Künstliche Aromen, Geschmacksverstärker und Vitaminzusätze sind nur Beispiele. Zucker und Fett im Übermaß sorgen für eine erhöhte Kalorienzufuhr. Darauf machen die Autoren mit ihrem Buch aufmerksam.

Das Kinderlebensmittel nicht gesund sind, wissen viele Eltern bereits. Das Buch ist eher für Eltern gedacht, die gerade beginnen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzten. Es geht hier nicht nur um die Lebensmittel selbst, sondern auch darum, wie man ein gesundes Essverhalten beim Kind von klein auf aufbaut, wie man Interesse und Appetit weckt für natürlich Lebensmittel. Und weil zeitaufwändiges Kochen für berufstätige Mütter und Väter nicht drin ist, gibt es auch einige einfache Rezepte, die hinführen sollen zu einer Ernährung mit viel frischem Gemüse und Obst, Vollkornprodukten und weniger Zucker und Fett. Und das beginnt schon beim Einkauf. Saisonale und regionale Bio-Lebensmittel werden hier favorisiert.

Es geht nicht darum, allzu streng zu sein. Als Eltern muss man ja eine gesunde Ernährung vorleben. Aber es geht um ein kritisches Hinterfragen der Ernährung, denn das Allergien, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Gewichtsprobleme auf dem Vormarsch sind, scheint Tatsache zu sein. Es gilt also, den Lebensstil auf den Prüfstand zu stellen, auch hinsichtlich der Bewegung. Die Autoren informieren gut, machen aufmerksam auf Probleme und zeigen Lösungswege auf, die sich gut umsetzen lassen.

Rezension von Heike Rau

Annette Sabersky und Jörg Zittlau
Echte Wurst hat kein Gesicht
Wie Kinder wieder Spaß an gutem Essen finden
208 Seiten, broschiert
Heyne Verlag
ISBN-10: 3453602684
ISBN-13: 978-3453602687
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Ian McEwan: Honig

Ian McEwan: Honig

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Ian McEwan hat einen Agententhriller der feinsten Art vorgelegt.

Serena Frome ist eine Mathematikabsolventin der Universität Cambridge mit nicht besonders aussichtsreichen Prognosen für eine verdienstvolle Anstellung in der Zukunft. Ihre Leidenschaft gilt der Literatur, in der sie sich bestens auskennt. Literatur und Schriftsteller werden auch einen Teil der Handlung dominieren. Wir schreiben das Jahr 1972 in England.

Durch einen ihrer ersten Liebhaber wird sie mit einem Professor bekannt gemacht, der ihr zu einer Anstellung im Geheimdienst, dem MI5, verhilft. Sie liebt den Professor, aber sie hat zunächst nur untergeordnete Tätigkeiten zu verrichten, die nicht ihrem Ausbildungsniveau entsprechen.

Ian McEwan baut seine Geschichte langsam auf. Sie wird bestimmt von den Liebeserlebnissen seiner Protagonistin, die jedoch bei ihren geheimdienstlichen Tätigkeiten schon bald an ihre Grenzen stößt. Serena ist hübsch, klug und sehr anziehend, so dass es ihr auch nach ersten Enttäuschungen nicht schwer fällt, sich immer wieder neu zu verlieben. Sie bleibt bei den sie umspielenden Intrigen naiv, reizend, sehr liebenswert und gelegentlich fast arglos, wenn sie auch den Ernst einer Lage zuweilen messerscharf erkennt.

McEwan besticht mit seiner Erzählung, die auf verschlungenen Wegen von dem politischen Klima der siebziger Jahre bestimmt wird und in einem verdeckten Spiel die englischen Geheimdienste aufs Korn nimmt.

Die psychologischen Seiten zeigen sinnfällig, dass man es mit Menschen zu tun hat, die nicht so abgebrüht sind, wie es für die Arbeit beim Geheimdienst vielleicht erforderlich wäre. Serena gerät in Turbulenzen, die sie an den Rand des für sie Erträglichen führen.

Die Mischung aus verdeckter und kontrollierter Arbeit, Liebe, Kränkung, Hass, Täuschung und geheimnisvoller Ranküne machte die Lektüre zu einem für mich spannenden Abenteuer. Man sieht sehr wohl den subtilen Beobachter Ian McEwan, wie wir ihn aus seinen früheren Romanen wie „Saturday“ oder „Am Strand“ kennen.

Seine Liebeszenen sind anrührend bis dramatisch. Die verwinkelten Stränge bis zum Ende der Erzählung, das mit einer Überraschung aufwartet, sind fein ausgedacht und hintersinnig komponiert. Zahlreiche Nebencharaktere zeigen allemal die Vielfalt menschlicher Verhaltensweisen von der Eifersucht über die Bösartigkeit bis hin zu hinterhältigem Gebaren, so dass der Thrillerliebhaber voll auf seine Kosten kommt.

Ein absoluter Hit unter den Neuerscheinungen des Herbstes 2013!

Ian McEwan
Honig
448 Seiten, gebunden
Diogenes, September 2013
ISBN-10: 3257068743
ISBN-13: 978-3257068740
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Christian Seidel: Die Frau in mir – Ein Mann wagt ein Experiment

Christian Seidel: Die Frau in mir – Ein Mann wagt ein Experiment

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Warum dürfen Männer eigentlich keine Frauenklamotten tragen? Wer hat diese Vorschrift denn erlassen? Wieso dürfen Frauen Hosen tragen, Männer aber keine Röcke? Während Frauen sich immer mehr emanzipieren, bleiben Männer auf der Strecke. Christian Seidel will das Weibliche in sich nicht länger unterdrücken. Deshalb wagt der ausgebildete Schauspieler ein Experiment. Für ein Jahr zieht er sich an wie eine Frau, schminkt sich, trägt hohe Schuhe – und geht damit an die Öffentlichkeit. Er macht kein Geheimnis aus seinem Experiment. Christian, nun Christine, sieht gut aus als Frau und fühlt sich gut, auch wenn er Mann bleiben will. Er wird überrascht von der Wirkung, die er erzielt. Immer tiefer taucht er ein in die Frauenwelt, versucht zu erkunden, was eine Frau ausmacht. Dabei schärft sich auch sein Blick auf die Männerwelt.

Wäre Christian Seidel in die Rolle einer Frau geschlüpft, die vierzig Stunden in der Woche im Schichtbetrieb an der Supermarktkasse ihren Lebensunterhalt verdient und die auch noch Kinder zu versorgen hat, wäre sein Experiment anders verlaufen. Im Buch wird das Frausein aber über sexy Kleidung, Nylonstrümpfe und Tonnen von Schminke definiert. Der Autor beschreibt, wie sich das anfühlt und welche Wirkung er auf andere hat. Hier werden sämtliche Klischees bedient. Wirklich tiefgehende Gefühle werden nicht offenbart. Die Glaubwürdigkeit wackelt hier und da bedenklich. Selbst eine versuchte Vergewaltigung muss die Frau im Mann über sich ergehen lassen.

Wenn das Buch einfach nur unterhalten soll, dann ist es in Ordnung. Es gibt schon interessante Einblicke. Dieses Rollenspiel ist unbestreitbar eine Grenzerfahrung, ein Tabubruch. Es kommt zu komischen Situationen, die zu denken geben und es gibt interessante Einblicke und Erkenntnisse. Und das Buch provoziert natürlich auch ein bisschen.

Rezension von Heike Rau

Christian Seidel
Die Frau in mir – Ein Mann wagt ein Experiment
288 Seiten, Klappenbroschur
Heyne Verlag
ISBN-10: 3453602994
ISBN-13: 978-3453602991
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Jonathan Turner: Schatzsuche wider Willen – Band 1 – Das Küken markiert den Punkt

Jonathan Turner: Schatzsuche wider Willen – Band 1 – Das Küken markiert den Punkt

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Aberwitz im Comic-Stil

„Schatzsuche wider Willen – Das Küken markiert den Punkt“ – wie sowas passieren kann, erfährt man im gleichnamigen Buch von Jonathan Turner. Diese Science-Fiction-Comedy bewegt sich nach Aussage des Autors irgendwo zwischen „Per Anhalter durch die Galaxis“ und „Futurama“, was ich bezüglich des Inhalts des Buches auch unterschreiben kann.

Stilistisch bewegt sich der Text deutlich näher an „Futurama“ mit seinem Detailwitz und der eher flächigen Darstellung, die sich auf das Zeichnen der wesentlichen Handlungsmomente beschränkt. Das bedeutet, dass man keine atmosphärischen Gemälde erwarten darf, kein ausgefeiltes Mienen- und Gestenspiel der Darsteller bekommt und der Textrhythmus nicht mit eingängig-eindrucksvollen Meisterwerken der Filmkunst mithalten kann. Aber die Story selbst, die Figuren … das ist schon echt unterhaltsam.

Die Geschichte

Es beginnt alles mit Hank Johnson, einem – vorsichtig ausgedrückt – weltfremden Einsiedler. Dem geht eines Tages seine Digitaluhr kaputt und weil das so ziemlich das Schlimmste ist, was er sich in diesem Moment vorstellen kann, macht er sich auf den Weg in die Stadt, die er wegen des wirren Gewusels aus Menschen und Aliens eigentlich nie wieder hatte aufsuchen wollen. Er stolpert dabei Old Bob vor den Bus, der in seiner Gutmütigkeit keine Chance hat, Hank nicht mitzunehmen. Das Dumme daran: Auch in der Stadt wird er Hank nicht los, denn als Hank erfährt, dass man auf der Erde so altmodische Digitaluhren nicht mehr reparieren kann, geht er ganz selbstverständlich davon aus, dass Old Bob – der einen Shuttle-Pendel-Service Erde-Mond betreibt – ihn zu einem passenden Uhrmacher bringt. Noch dümmer: Als Old Bob und Hank in Bobs Shuttle steigen, ist dieses bereits von Johnny, dem Weltraumpiraten, als Transportmittel für seine Schatzsuche auserkoren – Old Bob wird einfach als Chauffeur „verpflichtet“ und Hank mangels Alternative mitgenommen.

Wer denkt, dass die dummen Zufälle nun enden, der irrt. Und zwar gewaltig. Da ist zum Beispiel der Umstand, dass Johnny sich die Birne mit einem Drink zukippt, der nach dem ersten halluzinogenen Rausch zeitverzögert weitere Halluzinationsepisoden auslöst. Oder dass die Schatzkarte, die Johnny benutzt, ein kleines aufmüpfiges Computer-Kücken ist, das in einem Metallkästchen hockt. Es versorgt den Schatzsucher mit Koordinaten, an denen jener einen weiteren Hinweis bekommt, den das Kücken in Koordinaten umwandelt, die den Schatzsucher an einen Ort führen, an dem er einen Hinweis bekommt, den das Kücken … und so weiter und so weiter. Kurios sind dabei nicht nur die Wesen und Orte, die das Trio auf diese Weise „abarbeitet“, auch dass jeder neue Tippgeber für den Schatz zugleich auch Uhrmacher ist, fällt auf.

Zu den irren Dingen und Leuten, denen Hank, Old Bob und Johnny begegnen, gehören sprechende Papageien, die Menschen als Haustiere haben, durchgeknallte Schiffscomputer, Steuerfahnder im Kampfpanzer, Rieseninsekten und ortsveränderliche Häuser … Und dann ist da auch noch Carl, der Weltraumbandit, der seinerseits das Trio unter seine Fuchtel bringt und dessen Ziele noch düsterer sind als die von Johnny.

Auch wenn das Buch beim Einstieg ein wenig Geduld erfordert, weil Hank doch etwas länger braucht, um sich auf den Weg zu machen, wird spätestens ab der Ankunft in der Stadt Schlag auf Schlag erzählt. Alle die Verwicklungen und kruden Aktionen von Hank lassen nicht nur keine Langeweile aufkommen, sie erzeugen stellenweise richtig Tempo. „Leere“ Überbrückungsszenen, wie sie sich bei einer Odyssee wie dieser zwischen den Stationen schon mal einschleichen können, gibt es hier praktisch gar nicht, und auch das gelegentliche Teilen des Plots – wenn die Figuren getrennte Wege gehen – zeigt durchaus ein sehr gesundes Grundgespür des Autors für Spannungsbögen und Handlungsrhythmik. Dass die Sprache nicht wirklich routiniert wirkt, ist schade, schränkt aber den Leserkreis hoffentlich nicht zu sehr ein. Wer so abgefahren-irre Figuren, Sets und Handlungen mag, dem liegt aber dieser Stil vielleicht sogar.

Zusatzinfos

Das Buch ist als E-Book für nur 2,99 Euro erhältlich. Da macht es nichts, dass es nur der erste Teil dieser Schatzsuche ist; der zweite hockt schon in den Startlöchern und – so viel kann ich verraten – steht dem ersten in Sachen Wahnsinn in nichts nach und kostet sicher dann auch kein Vermögen.

Fazit

„Schatzsuche wider Willen“ ist sicher nichts für Literaten und Text-Ästheten. Wohl aber was für Fans kunterbunter Ideen, schrägen Humors und rasanter Unterhaltung. In diesem Sinne: Empfehlenswert!

Jonathan Turner
Schatzsuche wider Willen – Band 1: Das Küken markiert den Punkt“
eBook, etwa 221 Seiten
neobooks Self-Publishing, Januar 2014
ISBN-10: 3-8476-6804-8
ISBN-13:9783847668046
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Haruki Murakami: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Haruki Murakami: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

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Poesie und Leben!

Tsukuru Tazaki ist ein nachdenklicher junger Mensch. In einer wohlhabenden Familie in der Stadt Nagoya in Japan aufgewachsen hat er die Schule besucht, Freunde gewonnen und ist danach zum Studium nach Tokio gegangen. Er gehörte zu einer sich nahestehenden Clique von drei Jungen und zwei Mädchen. Doch unerwartet und vollkommen unverständlich für ihn brach der Kontakt zu den vier anderen ab, als er zu den Semesterferien nach Hause fuhr. Die unerklärliche Trennung setzte ihm arg zu. Er magerte ab, veränderte sein Aussehen und wurde regelrecht depressiv. Nach Jahren entwickelt er eine zögerlich beginnende Freundschaft zu Sara, die seine Traurigkeit spürt und ihn auf die Suche nach den Ursachen für die Trennung schickt. Er ist mittlerweile 36 Jahre alt geworden.

Liszts Klavierstück  „Années de pèlerinage“ innitiiert dabei die Stimmung, in der sich unser Held befindet: traurig, melancholisch und von Todessehnsucht erfüllt.

Man fühlt sich unmittelbar angesprochen, wenn Tsukuru eine neue Bekanntschaft macht und sich in Gesprächen über das Sein und das Wesen seiner menschlichen Beziehungen auslässt.

Im Laufe der Zeit tastet er sich zaghaft an neue Beziehungen heran. Die Vergänglichkeit seiner tiefen, treuen und verlorenen Gemeinschaft der Jugendzeit bleibt dabei immer präsent. Der Roman entfaltet eine Dynamik, die an eine japanische Papierblume erinnert: Immer neue Geschichten einzelner Personen fügen sich in die Handlung ein behalten aber ihren Zugang zu dem Hauptprotagonisten Tsukuru Tazaki. Auf der Suche nach seinen vergangenen Freundschaften tritt eine geheimnisvoll merkwürdige Kriminalgeschichte zutage. Sie steigert die Spannung und treibt immer neue  Blüten.

Dass Tsukuru kein starkes Selbstwertgefühl hat, ist die eine Seite seines Charakters. Die andere aber zeigt ihn als der Poesie zugänglich mit feinem Gespür für Musik und die Schönheiten der Natur. Man ist voller Mitgefühl und spürt der Kälte nach, die ein Mensch erlebt, wenn er gute Freunde aus dunklen Gründen verliert.

Sensibilität und feines Gespür für andere zeichnet Haruki Murakamis Figuren aus. Es sind empfindsame Seelen, denen das Leben und Zusammenleben mit anderen nicht immer leicht fällt. Tsukuru Tazaki empfindet sich im Gegensatz zu seinen Freunden als farblos und nicht liebenswert. Doch was erwartet er vom Leben? Unterliegt er nicht Erwartungen und Fantasien, die übertrieben sind?

Murakami besitzt die Gabe, Naturschönheiten so zu beschreiben, dass man den Gesang der Vögel, den Duft der Blumen und die Schönheit der Bäume zu spüren meint.

Wie immer bei Haruki Murakami sind seine Figuren ungewöhnlich in ihrer Lebensart, feinfühlig und tiefsinnig auf der Suche nach dem wahren Selbst und der Vergangenheit. Eine wunderschöne, liebenswerte und inhaltsreiche Erzählung erwartet den Leser bei der Lektüre!

Haruki Murakami
Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
350 Seiten, gebunden
Dumont Buchverlag, Januar 2014
ISBN-10: 3832197486
ISBN-13: 978-3832197483
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Marcus Pfister: 1, 2, 3 – Wo sind die kleinen Küken?

Marcus Pfister: 1, 2, 3 – Wo sind die kleinen Küken?

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Die Henne ruft ihre Küken zu sich. Die Kleinen sollen mit ihr einen Spaziergang über den Bauernhof machen. Zunächst trippeln die niedlichen gelben Küken brav hinter ihrer Mama her, doch bald schon werden sie müde. Das erste legt sich zur schlafenden Katze, um auszuruhen. Das zweite Küken macht im Hundehaus eine Pause. Das nächste ruht sich beim Schweinchen aus und das vierte setzt sich zur Kuh, um ein wenig zu schlafen und das fünfte gesellt sich zum Pferd.
Die Henne bemerkt natürlich bald, dass ihre Küken nicht mehr hinter ihr sind und sucht ganz aufgeregt nach ihnen. Und jetzt läuft die Geschichte rückwärts, während die Mama ihre Küken wieder eins nach dem anderen einsammelt.

Das Buch ist ein Zahlen-Spielebuch für Kinder ab zwei Jahren, die damit die Zahlen von 1 bis 5 kennenlernen können. Das Gedächtnis wird durch die Abfolge der Geschichte gefördert und auch durch das Farbkonzept, das bei der Unterscheidung der Zahlen eine große Hilfe ist. Nach einiger Zeit werden die Kinder sich sicher gemerkt haben, wohin die Küken gegangen sind und können der Henne dann beim Einsammeln der Kinder helfen. Spielerisch werden so die Zahlen trainiert und das Gedächtnis und die Sprachentwicklung gefördert.
Der Bauernhof selbst ist eine spannende Kulisse für Kinder, die auch noch die verschiedenen hier lebenden Tiere kennen lernen können.
Die Zeichnungen sind sehr kindgerecht. Der Blick fällt auf das Wesentliche, sodass kleine Kinder nicht überfordert werden. Präsentiert wird die Geschichte auf interessant gemachten Umklappseiten. „1, 2, 3 – Wo sind die kleinen Küken?“ ist ein stabiles Pappbilderbuch.

Rezension von Heike Rau

Marcus Pfister
1, 2, 3 – Wo sind die kleinen Küken?
24 Seiten, Pappbilderbuch
Ravensburger Buchverlag
ISBN-10: 3473434396
ISBN-13: 978-3473434398
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Annegret Koerdt: BrandHeiß

Annegret Koerdt: BrandHeiß

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Mord, Medien, Merckel – so das Motto der in Düsseldorf spielenden Kriminalromane von Annegret Koerdt. Nach FeuerRot folgte nun BrandHeiß und die reizende Privatdetektivin mit dem unverwechselbaren Namen Angela Merckel – mit „ck“ wohlgemerkt – hat wieder Grund genug, sich in die knallharten Ermittlungen der Polizei einzumischen.
Nach einem Fernsehinterview mit dem bundesweit bekannten Werbemenschen Hartwig von der Agentur P&S wird die TV-Moderatorin Babette Freudentaler in dem sehr renommierten Düsseldorfer Luxushotel Breidenburger Tor tot aufgefunden. Die Kriminalpolizei beginnt zu ermitteln. Etwa zur gleichen Zeit bekommt die Privatdetektei von Angela Merckel und ihrem Lebensgefährten Jan einen Auftrag von dem Geschäftspartner Hartwigs. Es wird in der Agentur spioniert. Wichtige Informationen über laufende Vergabewettbewerbe gelangen an die Konkurrenz. Ela und Jan sollen den Spion in der Agentur aufdecken. Dafür heuert sie undercover als Praktikantin in der Agentur an. Hier läuft sie allerdings einem Freund der Familie über den Weg. Tom ist bei der Kripo und ermittelt in Sachen Freudentaler. Beide kennen sich über Jan, der vor seiner Zeit als Privatermittler auch bei der Kriminalpolizei gearbeitet hat. Für Ela ist ein Mordfall wesentlich interessanter als ein Fall von Firmenspionage. Deshalb muss sich der Leser nicht wundern, dass sich die Privatdetektivin in die Mordermittlungen einmischt.

Annegret Koerdt hat einen leichten, lockeren, schnell zu konsumierenden Krimi zu einem tiefernsten Thema geschrieben, der es bei aller Lockerheit nicht an Spannung und Action vermissen lässt. Das meist aus der Werbebranche stammende Vokabular wird nicht überstrapaziert und selbst der Unbedarfte kommt mit, worüber die „Werbefuzzis“ reden. Real existierende Personen oder Institutionen haben einen fiktiven Namen erhalten, damit keine Rückschlüsse gezogen werden können. Von Beginn an wird der Leser in das Geschehen hineingezogen. Dennoch wird es im Verlaufe der Handlung zunehmend rasanter und die Wendungen kommen jedes Mal wie ein unerlaubter Tiefschlag beim Boxen. Da der Leser gerne mitermittelt oder eher spekuliert, wird er mit der einen oder anderen Sackgasse rechnen müssen, bevor er zum Schluss mit der Auflösung konfrontiert wird.

Ein Kriminalroman, der Spaß macht, deren Figuren einem ans Herz wachsen – die Guten natürlich nur – und der einigen Lokalkolorit rüberbringt, obwohl er als Kriminalroman natürlich auch in der anderen Großstadt spielen könnte. Dafür gebe ich gerne die volle Punktzahl.

Koerdt, Annegret
BrandHeiß
320 Seiten, broschiert
ars vivendi, Cardolzburg
ISBN-10: 3869132787
ISBN-13: 978-3869132785

© Detlef Knut, Düsseldorf 2014
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