Jess Jochimsen: Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst?

Jess Jochimsen: Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst?

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Sehr humorvolle Geschichten eines Vaters im Zusammenleben und bei der Erziehung seines Sohnes Tom. Der größte Teil der Geschichten macht Spaß beim Lesen, wohl jede Mutter oder jeder Vater erkennen viele Szenen aus dem eigenen Leben, es wird kaum jemanden geben, der sich nicht in einer der Geschichten wiedererkennt.

Bedauerlicherweise kippt dieser Spaß im dritten Drittel der Geschichten. Nahezu jede Geschichte muss ab da dafür herhalten, dass der Autor mit den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen in Deutschland abrechnet. Politiker, Manager und Griechen, alle kriegen ihr Fett ab. Der erhobene Zeigefinger kommt aus seinen Höhen nicht mehr herunter. Die Sprache des Erzählers ist nicht mehr kindgerecht und die Geschichten haben auch nichts mehr mit dem Sohn zu tun, dessen Name nur noch plakativ hingeworfen wird. Der hintere Teil ist leider der verzichtbarste Teil des ansonsten überaus unterhaltsamen Buches.

Zwischendurch tauchen Widersprüche in der Familie des Erzählers auf. Meist durchweg geht man als Leser von einem alleinerziehenden Vater aus. Das wird verstärkt, als er berichtet, mit einer Freundin nicht ins Kino gehen zu können. Anschließend wird dann von Ehefrau und Mutter gesprochen. Hier ist zwischen den Geschichten keine Homogenität gegeben. Die Plausibilität leidet darunter.

Jochimsen, Jess
Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst?
160 Seiten, broschiert
dtv, München
ISBN-10: 3423347155
ISBN-13: 9783423347150

© Detlef Knut, Düsseldorf 2012

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John Harvey: Schrei aus der Ferne

John Harvey: Schrei aus der Ferne

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Ruth lebt, nach dem sie sich von Simon getrennt hat, mit Andrew zusammen. Die beiden haben eine gemeinsame Tochter. Beatrice ist zehn Jahre alt. Um ihre Tochter Heather trauert Ruth immer noch. Sie verschwand während eines Campingausfluges, den sie mit ihrer Freundin und deren Familie unternommen hatte. Heather wurde später tot in einem alten Minenschacht gefunden, während die Freundin von einem in der Nähe lebenden Einsiedler gerettet werden konnte. Was genau passiert war, konnte nie zweifelsfrei nachvollzogen werden. Ihre Ehe mit Simon ist daran zerbrochen.

Dennoch ist Ruth glücklich in ihrer zweiten Beziehung, soweit man das sagen kann. Sie versucht ihr Leben zu leben, auch wenn die Gespenster der Vergangenheit ihr auch nach fünfzehn Jahren oft bedenklich naherücken.

Als Beatrice nach ihrem Flötenunterricht verschwindet, beginnt der Albtraum neu. Die Kleine sollte von ihrem Vater abgeholt werden, stand aber nicht wie erwartet vor dem Haus des Lehrers. Da Andrew sich verspätet hatte, ist es möglich, dass Beatrice sich alleine auf den Weg gemacht hat. Doch sie taucht nicht wieder auf.

Detective Inspector Will Grayson und seine Kollegin Helen Walker werden mit dem Fall betraut. Dass zwei Mädchen einer Mutter, wenn auch mit großem zeitlichem Abstand verschwinden, kann kein Zufall sein. Also wird auch Trevor Gordon, der Ermittler von damals, hinzugezogen.

Für Will Grayson sind noch andere Entführungsfälle von Mädchen relevant. Er hat einen ganz bestimmten Verdacht. Ohne Beweise kann er allerdings nichts tun. Er hält die Augen offen und übt Druck auf die betreffende Person aus. Damit handelt er sich aber im Gegenzug eine Bedrohung seiner Familie gegenüber ein. Nach und nach verschärft sich die Lage bis sich dann die Ereignisse überschlagen.

Der Krimi überzeugt durch einen guten Aufbau. Vergangenheit und Gegenwart werden parallel beleuchtet. Ob ein Zusammenhang zwischen dem damaligen und dem heutigen Fall besteht, wird dem Leser aber nicht offenbart. Man kann, wie zunächst auch die Ermittler, nur Vermutungen anstellen. Das macht die Sache spannend. Mit der Zeit kommen Puzzleteile zusammen. Manche erweisen sich als hilfreich, andere Hinweise enden in einer Sackgasse. Einiges ist nicht greifbar, obwohl augenscheinlich.

An Dramatik ist der Krimi kaum zu überbieten. Fesselnd und routiniert schreibt der der Autor die Geschehnisse fort. Den handelnden Personen kommt dabei sehr viel Aufmerksamkeit zu. Das Privatleben der beiden Ermittler spielt eine große Rolle. Besonders Will hat es irgendwann nicht mehr in der Hand, seine Familie herauszuhalten. So bleibt das Buch bis zum Schluss ausgesprochen spannend.

Rezension von Heike Rau

John Harvey
Schrei aus der Ferne
Deutsch von Sophie Kreutzfeldt
544 Seiten, broschiert
Dtv – Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423213922
ISBN-13: 978-3423213929
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Robin LaFevers: Grave Mercy – Die Novizin des Todes

Robin LaFevers: Grave Mercy – Die Novizin des Todes

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Als Ismaes frisch angetrauter Ehemann hinter ihr Geheimnis kommt, scheint ihr Schicksal besiegelt. Doch eine alte Kräuterfrau verhilft ihr zur Flucht. Im Kloster St. Mortain findet Ismae Sicherheit. Ihr wird offenbart, eine Tochter des Todes zu sein, ausgestattet mit beachtlichen Gaben. Ihr ist bestimmt, dem Gott des Todes zu dienen und für ihn zu töten. Drei Jahre wird Ismae im Kloster ausgebildet, dann wird ihr der erste Auftrag zugeteilt. Sie meistert ihn mit Bravour. Auch der zweite Auftrag wird ausgeführt. Doch beide Male kreuzt sie die Wege von Gavriel Duval, dem Ratgeber der Herzogin der Bretagne, und vereitelt seine Pläne. Um eine bessere Zusammenarbeit zu gewährleisten, oder vielmehr um ihn auszuspionieren und seine wahren Motive in Erfahrung zu bringen, beschließen die Äbtissin und Kanzler Crunard, ihm Ismae als seine Mätresse zur Seite zu stellen. Duval ist alles andere als begeistert.

Ismae gerät mitten hinein in Intrigen, politische Machenschaften und Ränkespiele bei Hofe. Dementsprechend spannend ist das Buch. Lange Zeit lässt sie sich von den Befehlen des Klosters leiten und spielt ihre Rolle zuverlässig. Was den Leser an ihr zweifeln lassen könnte, ist ihre Kaltblütigkeit auf der einen Seite und ihre Naivität auf der anderen. Diese Naivität gibt sie aber später auf, als sie beginnt, die Mordaufträge nicht mehr unbedacht auszuführen, sondern die Geschehnisse zu hinterfragen.

Es geht im Buch vor allem darum, einen gut getarnten und sehr schlauen Verräter zu finden und diesen aus dem Weg zu räumen. Dabei läuft einiges schief, weil man im Kloster mit falschen Informationen versorgt wird, aber daraus das weitere Vorgehen plant. Es kommt zu sehr vielen spannenden und auch sehr gefährlichen Szenen.

Wie zu erwarten spielt auch die Liebe eine Rolle in dieser Geschichte. Ismae verliebt sich in Duval. Sie wehrt sich heftig gegen ihn, könnte doch auch er ein Verräter sein. Doch nach und nach verliert sich ihr Misstrauen und man kann beobachten, wie beide aufhören, sich an die Kehle zu gehen und sich langsam annähern. Die Autorin wählt oft sehr schöne Worte, um diese romantisch aufgeladene Atmosphäre zu beschreiben.

Überhaupt gefällt der Schreibstil ausgesprochen gut. Es ist leicht zu lesen, die Worte und Sätze fließen und man wird gut von diesem historischen Fantasy-Roman unterhalten.

Rezension von Heike Rau

Robin LaFevers
Grave Mercy – Die Novizin des Todes
Aus dem Englischen von Michaela Link
544 Seiten, broschiert
cbj, München
ISBN-10: 3570401561
ISBN-13: 978-3570401569
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Mariam Kühsel-Hussaini: Attentat auf Adam

Mariam Kühsel-Hussaini: Attentat auf Adam

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Religion und Glaube, zweierlei Maß

Auf einer Krankenstation in Jerusalem findet sich der ehemalige katholische Priester Adam Tressdorf benommen wieder. Sein alter Lehrer aus Regensburg, unschwer als Joseph Kardinal Ratzinger zu erkennen, beugt sich über ihn, und sie haben eine kurze Diskussion über den Glauben, dem beide anhängen. Adam allerdings war in eigener Mission hier in Jerusalem und ist bei einem Attentat verletzt worden.

In einer mystifizierenden Sprache meint man zu spüren, wie fragil Fragen des Glaubens zuweilen die Menschen bewegen.

Gespannt folgt man den Einlassungen der einzelnen Kapitel, die mit Sätzen aus den Rollen des Qumran überschrieben sind und sich an Kompositionen von Mozart anlehnen. Auf ein Fragment der Qumranrollen hatte es Adam bei seinem Besuch in Jerusalem abgesehen. Ein Zwischenhändler sollte es ihm übergeben. Bei diesem, dem Juden Daniel Seeliger, findet er Aufnahme und Gastfreundschaft. Im Gespräch zwischen den beiden Männern geht es u.a. um den Islam und das Christentum und den jüdischen Glauben. Es geht um ihre Verschiedenartigkeit und ihre Gemeinsamkeiten.

Die Tochter Seeligers, Nurit, wird zu einer beseligenden Liebeserfahrung für Adam, der früher Mitarbeiter beim Radio Vatikan war. In ihr findet er die Frau seines Herzens.

Die poetische Sprache der Autorin ist noch in Erinnerung durch ihren Roman „Gott im Reiskorn.“ Hier wiederholt sich ihre zarte Ausdruckweise in der Darlegung der tiefen Innerlichkeit der Gefühle zweier Männer, die sich als ehrenwerte Gegenüber erleben.

Wie die Autorin im Vorwort schreibt, ist dieses Buch „nicht für Menschen geeignet, die sich vor Schönheit und Seele, vor Wortrausch und Sprachfülle schützen wollen.“ In der Tat sind die Gefühlsausbrüche und tränenreichen Seelenergüsse nicht jedermanns Sache. Sätze wie “.. diese gegenseitige Hilfe, das packte nach Adams Herzen, schleuderte es in seinem Brustkorb umher…“ S.148 oder“..ihre Küsse verwandelten sich in den Gesang Papagenas…“ S. 150. Auch dieser Satz “neben ihm schlummerte Nurit, die Schwanenschultern leicht hebend und senkend. Der Atem eines Vögelchens kam aus ihrer Brust.“ Das ist alles ein wenig viel und nahe am Kitsch.

Mariam Kühsel-Hussaini ist Nachfahrin einer hoch angesehenen afghanischen Familie. Sie bedient sich einer blumigen und poetischen Sprache, in der sie die Tradition ihrer Vorfahren hoch hält. Mit ihrem neuen Roman beschreibt sie eine Liebesgeschichte, die eingebettet ist in Glaubensfragen und in die von Anschlägen gekennzeichnete Stadt Jerusalem. Sie verbindet Aktualität mit der seelenvollen Liebesgeschichte und tief innerlich erlebten Glaubensfragen.

Mariam Kühsel-Hussaini lebt heute in Berlin.

Mariam Kühsel-Hussaini
Attentat auf Adam
189 Seiten, gebunden
Berlin University Press, August 2012
ISBN-10: 3862800407
ISBN-13: 978-3862800407
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Sonja Riker: Mehr Suppenglück

Sonja Riker: Mehr Suppenglück

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Nach “Suppenglück” geht es nun mit „Mehr Suppenglück“ weiter. Sonja Rikers Suppen sind alle etwas Besonderes und auch im neuen Buch kann man so manche geschmackliche Überraschung entdecken.

Die Rezepte im Buch sind in interessante Rubriken untergliedert. Es gibt „Wochenendbegleiter“ wie Kartoffel-Steinpilz-Topf, „Partykracher“ wie Wiesnbiersüppchen mit Marktgemüse und gerösteten Weißwurstradln. Dann „Luxuslöffler“ wie Reiscremesuppe mit Safran und geröstetem Parmaschinken und „Nestwärmer“ wie Linseneintopf in Rote-Bete-Sud. Unter „Weltenbummler“ findet man Griechische Reissuppe mit Zitronenhühnchen und unter „Küchenreformer“ sogar süße Suppen wie Schokoladencremesuppe mit Himbeerspiegel und Granatapfel.

Die Suppen sind raffiniert. Manchmal ist es auch die besondere Würze, die eine Suppe zum Geschmackserlebnis macht. Gekocht wird ja nicht mit Brühpulver, das womöglich noch Geschmacksverstärker enthält. Vielmehr sind selbstgemachte Brühen die Basis für die Suppen. Auch diese Rezepte sind mit im Buch, ebenso einen kleine Warenkunde zu verschiedenen Gewürzen. In den Rezepten verwendete Gewürzmischungen sind ebenfalls verzeichnet.

Dass Sonja Riker Suppen liebt, spiegelt sich in den Rezepten wieder. Aber auch die Wertschätzung gegenüber Selbstgekochtem wird von ihr vermittelt. Ihre Suppen sind gesunder Genuss und damit eben auch ein Stück Lebensfreude.

Viele Suppen sind ganz einfach nachzukochen. Zunächst erscheinen die Zutatenlisten sehr lang. Das liegt aber vor allen an den verwendeten Grundzutaten und Gewürzen. Man kann hier leicht nach und nach seinen Vorrat erweitern. Auch Brühe oder Fond können immer gleich reichlich gekocht und eingefroren werden.
Die Rezeptanleitungen sind einfach nachzuvollziehen. Und die wirklich schönen Fotos zeigen schon einmal, auf was man sich freuen kann.

Rezension von Heike Rau

Sonja Riker
Mehr Suppenglück
Fotos von Patrick Wittmann
176 Seiten, gebunden
Verlag Antje Kunstmann
ISBN-10: 3888977908
ISBN-13: 978-3888977909
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Verliebt, verlobt…verrückt?

Verliebt, verlobt…verrückt?

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Geheimnisse einer glücklichen Ehe…

Wenn eine/einer aus dem Nähkästchen der eigenen „Eheerfahrung“ sprechen möchte noch dazu, wenn die/der Betreffende bekannt ist aus Funk und Fernsehen, macht das durchaus neugierig.

Amelie Fried ist eine sympathische Moderatorin, die man einfach immer sehr nett, freundlich und offen erlebt hat.

Mit ihrem Mann Peter Probst hat sie es gewagt, eine Art Anleitung zum „Glücklichsein“ zu verfassen. Dazu gehört die Schilderung der amüsanten ersten Begegnung ebenso wie die störrische Abwehr, mit der zunächst auf das Ansinnen von „Ehe“ reagiert wurde und die unkonventionell verlaufene Hochzeit der beiden.

Die Partner lieben sich sehr, und das ist ja schon einmal eine sehr wichtige Voraussetzung fürs Gelingen einer Ehe. Eingepackt in den Text kann man erfahren, wie es nicht gut gehen kann: wenn man z.B. falsche Erwartungen koppelt an den Verlust der Selbstbestimmung, dann ist das Ende oder die Langeweile in der Ehe nach diesem Buch schon vorprogrammiert. Abwechselnd sprechen Peter Probst und Amelie Fried über ihre Gemeinsamkeiten, die Akzeptanz der Verschiedenheiten, das Loslassen und die Rollenverteilung in ihrer Ehe. Dass sie eine glückliche Gemeinschaft sind, dringt aus jedem Satz heraus. Selbst die unausbleiblichen Krisen werden zuletzt als Wachstum begriffen. In die Texte der beiden Hauptakteure fließen Interviews mit glücklichen und weniger glücklichen Paaren ein. Die Aufführung einer ganzen Reihe von einschlägigen Sach- und Fachbüchern ergänzen die Analyse einer Ehe, die sicher zu den gelungenen Ausnahmen zählt. Es gehören Klugheit, Reife und der Grundtenor des Wohlwollens zu dieser Ehegemeinschaft. Ohne diese Eigenschaften sind leider doch zahlreiche Ehen vom Untergang bedroht, wenn die Liebe eines guten Tages in Hass umschlägt.

Jeden Tag und jede Lebensphase zu reflektieren, wie es Amelie Fried und ihr Mann Peter Probst offensichtlich gelingt, dazu gehört Wissen und die Erfahrung auch über die Endlichkeit unseres Lebens. Das haben die beiden sehr genau begriffen. Alles Aufbegehren und vermeintliche Verjüngen kann nicht über das unausweichliche Ende aller Dinge hinwegtäuschen. Das klingt in den leicht melancholischgefärbten Sätzen Amelie Frieds über das bevorstehende Alter an.

Leicht und flüssig geschrieben und gelegentlich mit einem Schuss Selbstironie und Humor versehen lassen sich auch die schlechten Tage bewältigen.

Es ist ein kluges, amüsantes und sehr leicht geschriebenes Anleitungsbuch zum Glücklichsein. Beispiele können ja zuweilen sehr hilfreich sein!

Insofern ist dieses Buch ein Lehrbuch für „Fortgeschrittene“, das man jedoch guten Gewissens jedem am Eheleben Interessierten empfehlen kann!

Amelie Fried und Peter Probst
Verliebt, verlobt…verrückt?
240 Seiten, gebunden
Heyne Verlag, September 2012
ISBN-10: 3453195248
ISBN-13: 978-3453195240
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Gabriele Goettle: Der Augenblick – Reisen durch den unbekannten Alltag

Gabriele Goettle: Der Augenblick – Reisen durch den unbekannten Alltag

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Im Buch sind verschiedene Gespräche dargestellt, die Gabriele Goettle mit ganz unterschiedlichen Frauen zwischen den Jahren 2007 und 2009 geführt hat und die bereits nach und nach in der TAZ erschienen sind.
Insgesamt sechsundzwanzig lebenserfahrene Frauen ganz unterschiedlichen Alters erzählen aus ihrem Leben, aus dem privaten und dem beruflichen, darunter eine Buchhändlerin, eine Arbeitslose, eine Medizinhistorikerin, eine Altenpflegerin, eine Bestatterin, eine Kioskfrau, eine Schulleiterin, eine Bienenforscherin und eine Bio-Bäuerin.
Es sind keine ausgefeilten Texte, aber gut und flüssig lesbare. Die Frauen erzählen einfach, sanft motiviert von der Journalistin. Alles ganz ohne jede Wertung und Kritik.
Beim Lesen des Buches wird man zum Zuhörer und lernt sein Gegenüber kennen. Dieser Eindruck entsteht tatsächlich beim Lesen.
Es wird beschrieben, in welchem Umfeld die Gespräche stattfanden, welche Ausstrahlung die Gesprächspartnerin vermittelt, so dass man ein Bild vor Augen hat.
Man kann nachvollziehen, welche ganz unterschiedlichen Wege diese Frauen gegangen sind und wie vielfältig das Leben sein kann. Es ist spannend zu lesen, was Menschen antreibt und was sie bewegt. Wo ihre Interessengebiete liegen, wie sie zu ihren Überzeugungen gelangt sind und welche Ziele sie durchgesetzt oder es zumindest versucht haben durchzusetzen. Auch wie die Frauen rückblickend ihr Leben einschätzen, kommt zur Sprache.
Das Buch fasziniert und fesselt auf ganz besondere und ungewöhnliche Art und Weise.
Was man liest, es erweitert den Horizont und trägt zur eigenen Meinungsbildung bei. Jeder könnte über sich selbst eine solche Reportage schreiben. Jeder hat etwas zu erzählen, denn es gibt ihn nicht, den geradlinigen Weg. Das Leben ist vielmehr bestimmt von Höhen und Tiefen und daraus entstehen dann spannende Geschichten.

Rezension von Heike Rau

Gabriele Goettle
Der Augenblick – Reisen durch den unbekannten Alltag
Reportagen
400 Seiten, gebunden
Verlag Antje Kunstmann
ISBN-10: 3888977819
ISBN-13: 978-3888977817
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Lionel Shriver: Dieses Leben, das wir haben

Lionel Shriver: Dieses Leben, das wir haben

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Am Scheideweg zum Tod.

Shepherd und Glynis sind ein Paar in der Mitte des Lebens. Er will sich nach dem Verkauf seiner Firma, der einen großen Ertrag brachte, ein gutes Leben machen. Ob seine Frau Glynis, die Kunstschmiedin, das mitmachen will, steht dahin. Denn ehe man an die Veränderungen eines neuen und anderen Lebens denken kann, entdeckt man bei Glynis Krebs, und sie wird schwer krank. All’ das schöne Geld zerrinnt unter den hohen Ausgaben für das amerikanische Gesundheitssystem, und zerrinnen werden auch alle Hoffnungen und Beziehungen, in denen sich das Paar bisher geborgen fühlte.

Neben den eigentlichen Hauptakteuren bilden die Verwandten und Freunde das Umfeld, in dem sich das gesellschaftliche und “normale“ Leben abspielt.

Begleitet von den Kümmernissen und verletzten Lebenshaltungen der Lebenden, stößt Glynis zu der wahren Erkenntnis vor, die ihr niemand mit noch so verlogenen Zurufen nehmen kann: im Angesicht des Todes werden alle irdischen Vorkommnisse in Politik und Gesellschaft nachrangig. Ihre gesunde Reaktion auf die ganz gewöhnlichen Banalitäten des Alltags ist Wut; Wut auch auf ihren Mann, der ihr in seiner aufopferungswilligen Fürsorge fast suspekt erscheint. Sie, die vom Tod gezeichnet ist, erträgt zuweilen seine entsagungsvolle Zuwendung kaum mehr.

Der Durchbruch zur Realität des bevorstehenden Abschieds und seiner Folgen für alle ist die einzige Wahrheit, die in diesem Roman zählt. Sie wird mit harter Konsequenz unsentimental bis zum Ende durchgespielt.

Eine der stärksten Szenen in dem Buch ist der Ausbruch von Glynis, in dem sie die Lügen und den Eigennutz, die Verlogenheit der Tröstungen und die nachlassende Bereitschaft ihrer Freunde und Verwandten, sich ihrer überhaupt noch anzunehmen, herausschreit. Wie aber kann man es denn überhaupt noch jemandem Recht machen, der mit seinem körperlichen und seelischen Zerfallsprozess für die gesamte Umwelt die Grenzen des Erträglichen berührt?

Lionel Shriver hat in ihrem Buch über „Dieses Leben, das wir haben“, kenntnisreich und wissend berichtet. Selten hat man so realistisch, glasklar und hart gelesen, wie es sich anfühlt, zu sterben, wenn um einen herum das Leben weiter geht.

Alle die Eitelkeiten, Sehnsüchte und Pläne, ja selbst das Scheitern anderer Existenzen, sind nur die Begleitmusik zu einem Scheitern ganz anderer Art: nämlich den Tod als unbesiegbar zu erleben.

Lionel Shriver entwirft das Bild einer zerfallenden familiären und freundschaftlichen Gemeinschaft mit allen begleitenden Kalamitäten.

Es ist ein starkes und beeindruckendes Buch, mit dem die Autorin über ein allseits fälliges aber häufig tabuisiertes Thema berichtet.

Sehr empfehlenswert!

Lionel Shriver
Dieses Leben, das wir haben
544 Seiten, broschiert
Piper Taschenbuch, Juni 2012
ISBN-10: 3492274579
ISBN-13: 978-3492274579
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Grégoire Delacourt: Alle meine Wünsche

Grégoire Delacourt: Alle meine Wünsche

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Die Geschichte dieses ruhigen, besinnlichen Romans ist schnell erzählt. Jo hat einen kleinen Kurzwarenladen. Hin und wieder verirren sich Kunden dorthin. Sie hat also viel Zeit. Deshalb beginnt sie im Internet-Zeitalter einen kleinen Blog und gibt dort Tipps zu Nadel, Faden und Stoffe. Sie erzählt aus ihrem Leben, von ihren Kindern, von ihrem Mann, den sie trotz aller männlichen Eigenheiten sehr liebt. Sie weiß zwar nicht warum, aber sie liebt ihn. Auch ein Flirt schafft es nicht, sie von ihrem Mann wegzuziehen. Sie träumt davon, ihrem Mann vielleicht einmal alle seine Wünsche erfüllen zu können: einen Porsche, eine teure Armbanduhr, eine Kreuzfahrt. Alles solche Sachen, von denen Männer träumen, wenn sie als kleiner Arbeiter oder Angestellter in einem großen Konzern arbeiten, bei dem sie nie das Geld zur Verwirklichung ihre Träumen verdienen werden. Da passiert etwas Unvorhergesehenes: Jo gewinnt in der Lotterie 18 Millionen Euro. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf.

Der 1960 geborene Delacourt hat einen besinnlichen Roman geschrieben. Als Mann hat er die Geschichte aus der Sicht der Protagonistin erzählt und daher eine nüchterne, beinahe naive Sprache gefunden. Viele Sätze klingen wie belanglos dahin geredet, lassen aber um so mehr Tiefe zu. Sicherlich trägt auch die Übersetzerin Claudia Steinitz einen Anteil daran, wenn die schlichten Worte so wirkungsvoll klingen, wie beispielsweise in dem Abschnitt, in welcher Jo von ihrem Ehemann Jo erzählt: „Wir machten lange Spaziergänge auf der Steilküste und hielten uns bei den Händen; manchmal, wenn keine Spaziergänger da waren, drückte er mich an den Felsen und küsste mich auf den Mund, seine freche Hand verirrte sich in meine Unterhose. Er hatte schlichte Worte, um sein Verlangen zu beschreiben. Schinken ohne Schwarte. Ich kriege einen Ständer. Du machst mich geil. Und an einem Abend …“ Übrigens erfährt der Leser natürlich im Roman, warum der Ehemann von Jo ebenfalls Jo heißt.

Doch auch ein zweites Zitat soll Auskunft darüber geben, wie schön so manche Tatsache beschrieben werden kann. Als die Protagonistin von dem Freund ihrer Tochter erzählt und eigentlich nur aussagt, dass sie eine Nebenrolle in einem Film spielen durfte: „Einmal war er mit uns in Bristol und zeigte mir das Ardman Studio, wo er arbeitet; er gab der Blumenverkäuferin, an der Gromit im Film vorbeirennt, mein Gesicht. Ein Tag so schön wie die Kindheit.“

Der Schriftsteller zeigt mit viel Feingefühl, dass Besinnlichkeit nicht bedeutet, humorlos zu sein. Denn immer wieder platzen der Hauptfigur Worte heraus, die dem Leser ein Lächeln auf das Gesicht zaubern.

Ein kurzer (127 Seiten), beinahe zu kurzer Roman, der den Leser an viele Alltäglichkeiten erinnert und ihn in eine kleine Welt zieht. Ein Genuss für jede Jahreszeit.

Delacourt, Grégoire
Alle meine Wünsche
Aus dem Französischen von Claudia Steinitz
126 Seiten, gebunden
Hoffmann und Campe, Hamburg
ISBN-10: 3455403840
ISBN-13: 978-3455403848

© Detlef Knut, Düsseldorf 2012

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Marie Lu: Legend – Fallender Himmel

Marie Lu: Legend – Fallender Himmel

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Junes Bruder ist tot. Er wurde ermordet von einem gesuchten Verbrecher. June wird vom Unterricht befreit. Ihren Abschluss bekommt sie vorzeitig und fängt mit der Ausbildung als Agentin an. Ihr erster Auftrag ist, den Mörder ihres Bruders zu finden.
Sie fragt sich, warum Day ins Krankenhauslabor eingedrungen ist. Er muss auf der Suche nach einem Medikament gewesen sein, dass er für jemanden braucht, den er kennt. Vielleicht grassiert die Seuche auch in seiner Familie. Auf seiner Flucht hat Day dann Metias in den Tod gerissen.
Day muss schwer verwundet sein. June stellt ihm eine Falle, doch er geht nicht hinein. Der Junge, der schon öfter Militäreinsätze sabotiert hat, ist schlau und gerissen. Obwohl er das nicht sein dürfte, hat er doch den großen Test nicht bestanden.
June macht sich auf die Suche nach Day. Irgendwo muss er zu finden sein. Sie begegnet ihm bei einem Straßenkampf, bei dem sie schwer verletzt wird. Sie ist der wütenden Menge ausgesetzt, aber ein Junge hilft ihr.
Als sie merkt, dass er der Gesuchte ist, ist es zu spät. Sie hat sich in ihren Gegner, ihren erbitterten Feind verliebt.

Was für ein Buch! Es spielt in einer grausamen Welt. Es herrschen kriegsähnliche Zustände. Day ist ein engagierter Regimegegner, während June dazu ausgebildet ist, den Feind aufzuspüren und auszuschalten. Doch beide verbindet ihr Gerechtigkeitssinn und später ihre Liebe.
Während Day auf eigene Faust handelt, wird June vom Bestreben und Überzeugungen anderer geleitet, ohne es zu merken. Bis Day ihr die Augen öffnet. Und dann zeigt sich, dass June längst nicht so hart und herzlos ist, wie sie für ihren Job sein sollte.

Inhaltlich überzeugt das Buch also. Die Handlung ist überaus spannend gemacht. Die Geschichte könnte fesselnder nicht sein. Das liegt auch an der Schreibweise der Autorin. Beide, also June und Day, kommen abwechselnd zu Wort. Man kennt beider Auffassungen und die Beweggründe für ihr Handeln und kann das alles gut nachvollziehen. Ihre Gedanken werden auf eine Art wiedergegeben, die sehr tief geht. Als Leser hat man das Gefühl, direkt dabei zu sein.

Zudem gefällt, wie die Geschichte aufgebaut ist. Schon in diesem ersten Band findet man eine in sich abgeschlossene Handlung, die aber Zukunft hat und weitergeführt werden kann. Natürlich kann man den zweiten Band kaum erwarten, aber es fällt nicht so schwer, weil man eben nicht abrupt aus der Handlung gerissen wird.

Rezensionen von Heike Rau

Marie Lu
Legend – Fallender Himmel
Band 1 der Trilogie
Aus dem Amerikanischen von Sandra Knuffinke und Jessika Komina
368 Seiten, gebunden
Loewe Verlag
ISBN-10: 3785573944
ISBN-13: 978-3785573945
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