Olivier Ameisen: Das Ende meiner Sucht

Olivier Ameisen: Das Ende meiner Sucht

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Krankheit und Heilung von der Alkoholsucht: ein Erfahrungsbericht.

1986 erlebt der angesehene Kardiologe Dr. Olivier Ameisen einen Schock, als er sich blutend in ein Krankenhaus begeben muss: er hat so viel getrunken, dass er sich kaum an die Ursache der Verletzung und den vergangenen Abend mit seinem Freund Jeff erinnern kann.
Er leidet schon zeitlebens an Ängsten, die sich in der letzten Zeit zu Panikattacken steigern. Der erste Konsum von Alkohol auf einer Feier bei Freunden hatte ihm vorübergehend Erleichterung verschafft. Die Sucht nahm damit leider ihren tragischen Anfang.

Seine Eltern kamen aus dem polnisch-jüdischen Bürgertum und hatten die Nazizeit knapp überlebt. Sie wohnten bei seiner Geburt 1953 gut situiert in Paris. Man verkehrt in den besten Kreisen. Olivier ist ein begabter Musiker und hoch intelligenter Schüler, der bereits mit 16 Jahren das vorgezogene Abitur macht und mit dem Medizinstudium beginnt. Erfolg und Neugier treiben ihn 1983 nach New York, wo er in einer renommierten Klinik in Forschung, Lehre und in der Praxis arbeitet. Seine Ängste steigern sich 1986 zu unerträglichen Panikattacken, von denen ihn nur der zunehmende Alkoholkonsum befreit.
Atemberaubend liest sich die Schilderung von Olivier Ameisen über seine Versuche, dem Alkohol abzuschwören. Er wird Mitglied der AA ( Anonyme Alkoholiker ) und erliegt doch immer wieder seiner Gier nach der erlösenden Betäubung durch dem Alkohol. Kliniknotaufnahmen im Wechsel mit Entzugskliniken und Therapien aller Art bieten ihm keine Entlastung. Bald kann er die vielen Entzugskliniken nicht mehr bezahlen. Die ärztliche Arbeit hat er aufgegeben, weil er seine Patienten nicht gefährden will. 1999 kehrt er nach Paris zurück.
Es geht ihm immer schlechter. Das exzessive Trinken schadet seiner Gesundheit, denn er zieht sich gefährliche Brüche zu, und die Leber nimmt Schaden. Er vernachlässigt sich. Wenige Freunde bleiben ihm, und die ärztliche Hilfe bei angesehenen Alkoholspezialisten, Psychiatern und Neurologen bewirkt nichts. Es ist ein steiler Niedergang, der auf den Tod zusteuert.
Seine immer wieder vorgetragenen Argumente, dass seine Ängste die Ursache und nicht das Symptom für den Alkoholmissbrauch sind, werden von niemandem ernst genommen.
Selbsthass und Gefühle des Versagens werden unerträglich. Mitfühlend wird man zum Zeugen einer Krankheit, die herkömmlich mit Charakterschwäche und mangelndem Willen verwechselt wird.
Als Olivier Ameisen durch einen Zufall auf ein Medikament aufmerksam wird, das bei Muskelkrämpfen eingesetzt wird, macht er sich auf die Suche nach Forschungsergebnissen. Er nimmt Kontakt zu befreundeten Ärzten auf und beginnt schließlich einen Selbstversuch mit dem Medikament Balcofen. Binnen kürzester Zeit ist seine Sucht verschwunden, ja er wird sogar gleichgültig gegenüber den Verlockungen des Alkohols. Fast ohne Nebenwirkungen kann er entspannt schlafen und beginnt, am Leben wieder aktiv teilzunehmen. Er geht an die Öffentlichkeit mit seinem Selbstversuch, schreibt einen von Sachverständigen bestätigten Bericht über seine Erfolge beim Kampf gegen den vernichtenden Alkoholismus und beginnt ein neues Leben.

Erschütternd, spannend wie ein Krimi und aufklärend ist sein Buch über die eigene Erkrankung, die mit dem Vorurteil aufräumt, es läge nur an der eigenen Schwäche, wenn man dem Alkohol verfällt. Sein Bericht über den Kampf gegen die Sucht ist hoch engagiert geschrieben. Er ist Ausdruck größter Not und Todesangst und weckt Verständnis und Mitgefühl. Neben der sehr persönlichen Berichterstattung gibt er als kompetenter Arzt fachlich Auskunft über die Wirksamkeit seiner Medikamente. Die Ehrlichkeit und bemerkenswerte Eigendiagnose wird zum Motor, mit dem Ameisen sich dem Kampf gegen die Sucht und ihrer Heilung widmet. Er wird zum Forscher für Suchtkrankheiten und lehrt und arbeitet heute wieder in New York und Paris.

Olivier Ameisen
Das Ende meiner Sucht
Gebunden 320 S.
Verlag Antje Kunstmann
ISBN -10 3888975859
ISBN-13 978-3888975851
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Matthew und Ainsley Johnstone: Mit dem schwarzen Hund leben

Matthew und Ainsley Johnstone: Mit dem schwarzen Hund leben

Was tun, wenn ein Angehöriger oder man selbst an einer Depression erkrankt?

Im Jahre 2008 erschien ein erster Band des Artdirektors und Designers Matthew Johnstone, in dem er seine Depression mit kurzen Texten und einprägsamen Bildern beschrieb.
Inzwischen hat er zusammen mit seiner Frau Ainsley ein weiteres Buch zum Thema erstellt, in dem es um die Angehörigen von Menschen geht, die an einer Depression erkrankt sind. Ainsley Johnstone zeigt in ihrer Einleitung, wie überraschend und quälend die ersten Schritte für sie waren, bis sie verstanden hat, was es mit der Depression ihres Mannes auf sich hat.

Nachweislich ist die Depression eine weit verbreitete Volkskrankheit. Doch nach wie vor grassiert auch die Meinung, man müsse sich „ nur zusammenreißen,“ dann gehen die Lethargie und das Unbehagen schon vorüber.
Die Verlegenheit und Bedrückung, ja Peinlichkeit, an einer Depression erkrankt zu sein, macht es Menschen schwer, über ihre Krankheit mit deren Begleiterscheinungen zu sprechen. Angehörige und Freunde sind oft hilflos in ihrem Begehren, dem Kranken, denn um eine Krankheit handelt es sich hier, mit den richtigen Worten und Taten zu helfen.

Das nun erschienene zweite Buch bietet Unterstützung und Hinweise für jene, die den Kranken zur Seite stehen möchten. Wie im ersten Buch wird mit der Bildgestaltung der Sinngehalt der geschriebenen Texte verdeutlicht.
Manches ist Wiederholung, z.B. wie sich die Depression zeigt.
Dieses Mal aber dreht es sich um die Reaktionen, mit denen man auf die äußere Vernachlässigung, die Müdigkeit oder die Wutanfälle reagieren könnte. Der schwarze Hund ist der stumme oder auch überwältigende Begleiter, der unter dem Stuhl, hinter der Tür oder unter dem Tisch lauert, und den Depressiven mit seinen Klauen bremst. Die Reaktionen der Helferinnen und Helfer auf den Kranken bedürfen der intensiven Selbstbeobachtung, damit sie nicht schädigend wirken. Da geht es um Geduld, freundliche Zuwendung, Akzeptanz, eventuelle Abmachungen und um mögliche Abgrenzungen, damit man von der Krankheit im wahrsten Sinne des Wortes nicht angesteckt wird.

Das Buch ist ermunternd und hilfreich. Es wird nicht um die Krankheit herumgeredet, und es wird nichts beschönigt. Die Bilder zeigen anschaulich, wie es im Haus und Heim aussehen kann, wenn jemand mit einer Depression darin wohnt. Tröstliche Worte aber zeigen: auch der schwarze Hund kann verschwinden. Man kann ihn bekämpfen, mit ihm leben lernen und ihn vielleicht sogar besiegen!
Die Wege bis dahin sind vielfältig. Dass man Hilfe finden kann und Angehörige wichtig sind, das beweisen Matthew und Ainsley Johnstone im besten Sinne mit ihrem Gemeinschaftswerk.
Sogar die Arbeit an dem Buch konnte zu einem Gewinn für die Heilung werden. Man sollte es lesen und verschenken, wenn man im eigenen Umkreis von einer Depression erfährt,–wenn! Denn das bleibt das große Fragezeichen: wer bekennt sich und lässt es zu, über sich und diese unheimliche Krankheit zu sprechen?
Dieses Buch dient der Ermutigung dazu!

Matthew und Ainsley Johnstone
Mit dem schwarzen Hund leben
80 S., gebunden
Kunstmann Verlag
ISBN-13: 978-3888975943

Richard Stark: Das Geld war schmutzig

Richard Stark: Das Geld war schmutzig

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Der Überfall ist gelaufen. Doch im Besitz der Gangster ist das Geld nicht. Es musste notgedrungen in einer alten Kirche zwischengelagert werden. Parker und seine Freundin Claire mieten sich in einer Frühstückpension in der Nähe ein. Sie sind als Touristen getarnt, die ein paar Tage die Natur genießen wollen. Der Raubüberfall auf den Geldtransporter hat einen Journalisten angezogen, der ein Buch schreiben will. Mit ihm kommen Parker und Claire in Kontakt. Aber das Gespräch gestaltet sich harmlos.
Dass später Sandra Loscalzo in der Pension auftaucht, ist wesentlich Besorgnis erregender. Die Kopfgeldjägerin braucht Geld. Sie würde sich mit einem Anteil aus der Beute zufrieden geben. Und dann davon absehen, sich das Kopfgeld für Parkers Partner Nicholas Dalesia zu verdienen, den sie in der Nähe glaubt. Parker muss sich einverstanden erklären und es versteht sich von selbst, dass Sandra ihm ab sofort an den Fersen hängt.
Einen Tag später erscheint Detektive Gwen Reversa in der Pension. Sie kann Parker identifizieren. Die Pensionswirtin Mrs. Bartlett könnte es auch, wenn das Fahndungsbild besser gelungen wäre.
Es wird also langsam eng. Zumal ein neues Fandungsplakat in Arbeit ist. Als der neugierige Journalist es in der Fahndungszentrale sieht, geht ihm ein Licht auf. Er hat Parker schon einmal gesehen, nur wo fällt ihm nicht ein. Als endlich zwei und zwei zusammengezählt wird, sind Parker und seine Freundin aber längst aus der Pension verschwunden.

Der Überfall fand statt in „Keiner rennt für immer“. Ein wirklich gutes Buch! Jetzt in „Das Geld war schmutzig“ geht es darum, das in einer unbenutzten Kirche gebunkerte Geld zu holen. Das ist nicht einfach, denn die Polizei ist natürlich vor Ort. Parker hat einen perfekten Plan geschmiedet, doch wie das so ist, geht einiges schief und es muss improvisiert werden. Den Leser erwartet also ein abwechslungsreicher Krimi.
An „Keiner rennt für immer“ kommt das Buch aber nicht heran. Er ist zwar sehr unterhaltsam und liest sich auch gut, aber es fehlt an der gewohnten Spannung. Auch Parkers Charakterzüge kommen nicht so recht zum Tragen. Zwar handelt er wie immer wohlüberlegt und mit unübertrefflicher Dreistigkeit, aber ganz das Wahre ist es nicht. Sein Charme ist irgendwie verloren gegangen. Auch dieser typische bitterböse Humor kommt diesmal nicht so raus.
Aber trotzdem, man kann das Buch lesen, auch wenn es die Erwartungen nicht ganz erfüllt. Interessant ist es allemal.

Rezension von Heike Rau

Richard Stark
Das Geld war schmutzig
Ein Parker Roman
Aus dem Amerikanischen von Rudolf Hermstein
253 Seiten, Klappenbroschur
Zsolnay Verlag
ISBN-10: 3552054790
ISBN-13: 978-3552054790

Markus Bötefür: Morde an Fronleichnam

Markus Bötefür: Morde an Fronleichnam

In Oberhausen wird die Leiche eines Verlegers aufgefunden. Sie befindet sich in ungewöhnlicher Position. Sein Verlag publiziert neonazistische und rechtsradikale Schriften. Betraut mit den Ermittlungen zu diesem Fall wird Thi Fischer, deutsche Kommissarin mit vietnamesischer Abstammung. Mit dem Tod des Verlegers ist seine Assistentin spurlos verschwunden. Es ist gerade die Sterkrader Kirmes, auf der sich die Kommissarin von ihrer überaus starken Erkältung und der Trennung von ihrem Freund ablenken möchte. Da gerät sie in eine Schlägerei zwischen jungen Neonazis und Türken. Während der Ermittlungen sowohl im Mordfall als auch in Sachen Schlägerei geht ein Notruf ein. Auf der Kirmes wäre an einem Fahrgeschäft die Gondel abgerissen und es gäbe drei Tote, allesamt Obdachlose, die in dieser Gondel saßen.

Das sind der Toten zunächst einmal genug. Die Polizei hat hinreichend zu tun. Der Autor beschreibt im insgesamt dritten Fall seiner Oberhausener Ermittlerin das Milieu der Schausteller mit Witz und Detailtreue. Die darüber hinaus auch das Neonazi-Milieu streifende Handlung gibt dem Leser jede Menge Rätsel auf. Nicht zuletzt auch deshalb, weil erste Ermittlungen zu dem Schluss führen, dass der von Neonazis verprügelte Türke schwul wäre, und sein Freund der prominenteste Autor des Verlages ist. Hiermit werden so viele Löcher aufgerissen, dass es schier hoffnungslos wirkt, sie wieder stopfen zu wollen. Doch das sei schon mal vorweg genommen: natürlich schafft es der Autor, den Knoten für die Leser zu entwirren.

Plötzlich werden die Leichen der Obdachlosen geraubt, nach ihrem Auffinden aber stellt die Kripo eine Leichenschändung fest. Die Frage, ob dies etwas mit dem toten Verleger oder der Schlägerei zu tun hat steht immer noch im Raum. Doch die Kommissarin braucht sich keine Sorgen machen. Eigentlich hat sie immer sofort einen Täter: ihren alten „Freund“ Dieter Brom, ein liebenswerter Spinner, dem nichts lieber ist, als von der Polizei für jedes Verbrechen in der Stadt als Schuldiger festgenommen zu werden. Und bei ihren Treffen mit ihm, die mal in der Kneipe, mal auf der Kriminalwache stattfinden, hat Thi Fischer selten Skrupel, ihn wie einen solchen zu behandeln. Hilfreich ist ihr diese Bekanntschaft mit dem Spinner oft genug, seine Recherchen, um sich als Schuldiger zu präsentieren liefern zumindest handfeste Indizien.

In ein besonderes Licht setzt sich der neonazistische Sachbuchautor, als er beim Begräbnis seines Verlegers einen vollgeladenen Revolver auf den Sarg in der Grube leer schießt, sich bei der anschließenden Vernehmung jedoch stur stellt und behauptet, nichts mit dessen Tod zu tun zu haben. Dass er auf freien Fuß gesetzt werden muss, weil sich heraus stellt, in die Neonaziszene als V-Mann des Verfassungsschutzes eingeschleust worden zu sein, ist ein herber Rückschlag für die Kriminalistin.

Der Autor verstrickt den Leser in immer weiteren und konfuser werdenden Handlungen. Ähnlich einem Labyrinth macht das Lesen dennoch oder gerade deshalb Spaß. Schließlich wird er mitgenommen vom Autor und nicht mit offenen Enden stehen gelassen. Obwohl schon nach kurzer Lesezeit klar ist, dass man hier mit ständigen Wechseln rechnen muss, wird der Handlungsstrang nicht unüberschaubar. Wiedererkennbare Eckpunkte sind zu jeder Zeit erreichbar, ob es sich um den dienstlichen Partner der Kommissarin, dem psychologischen Berater, dem liebenswerten Spinner oder der heilpraktizierenden Freundin handelt. Ein solcher Eckpunkt ist aber leider auch eine Eigenschaft der Kommissarin, die meines Erachtens zu weit hergeholt scheint: sie trinkt. Es vergeht kein einziger Tag, an welchem sie keinen Alkohol zu sich nimmt. Dieser Charakterzug der ungewöhnlichen und durchaus interessanten Romanfigur passt nicht unbedingt ins Bild und wirkt an manchen Stellen deplatziert, nimmt der Handlung jedoch nichts von ihrer Spannung. Ebenso unpassend ist die Wahl der Nachnamen. Zugegeben, es gibt sehr außergewöhnliche Namen, aber alle zusammen in einem einzigen Buch scheint einfach zu viel des Guten und wirkt eher gekünstelt.

Trotz der kleinen Kritikpunkte ein überaus kurzweiliges und empfehlenswertes Buch. Es ist vom Umfang her nicht zu stark und passt in nahezu jede Tasche, bereitet immer Spaß und Spannung für Zwischendurch.

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Markus Bötefür
Fronleichnam
211 Seiten, broschiert
KBV Verlag
ISBN: 978-3-940077-53-0

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© Detlef Knut, Düsseldorf 2009

Alan Bennett: Die Lady im Lieferwagen

Alan Bennett: Die Lady im Lieferwagen

Würde und koketter Anstand des Alters.

Alan Bennett ist ein Komiker, der sein Talent in vielen witzigen und äußerst fantasievollen Texten bewiesen hat.
In dieser Erzählung geht es um eine schrullige Alte, Miss Shepherd, die sich mit ihrem Lieferwagen in einer guten Wohngegend Londons eingenistet hat.
Dort lebt der gehobene Mittelstand, dessen Wohnkomfort im Kontrast zur politisch fortschrittlichen und aufgeklärten Haltung seiner Bewohner steht.
Miss Shepherd kann nichts aus der Ruhe bringen. Sie nimmt ihren Aufenthalt für selbstverständlich und die Hilfen der Anwohner ebenfalls. Ihr gelb verfärbter und verbeulter Lieferwagen ist Wohnort, Schlafstatt und Vehikel in einem und parkt auf Dauer am Straßenrand der Wohnsiedlung. Das Fahrzeug springt nicht immer an, so dass helfende Hände es anschieben müssen. Vorbeifahrende Flegel pöbeln Miss Shpherd an, und als Alan das nicht mehr aushält, bietet er ihr zunächst Unterschlupf in einem Schuppen auf seinem Grundstück an. Nicht genug damit ist eines Tages der ganze Lieferwagen breit auf seiner Hauseinfahrt platziert. Nachdem aus dieser vorübergehend gedachten Lösung ganze zwanzig (!) Jahre werden, kann man sich vorstellen, wie es am Ende im und um den Wagen herum aussieht!
Bennett führt ein Tagebuch über die Alte, das durch die Jahre von 1969 -1989 führt.

Dank seines Humors und seiner Erfindungsgabe mangelt es Bennett nicht an witzigen und skurrilen Einfällen, mit denen ihn Miss Shepherd auf Trapp hält. Das Verkommen von Frau und Fahrzeug ist mit der Dauer des Aufenthalts vorprogrammiert. Da geht es um Hygiene und Abfälle, um Reinlichkeit, Wünsche und Vorschläge der Alten und um die Würde, die Miss Shepherd zur Schau stellt.
Er gibt in seiner Geschichte über die Lady im Lieferwagen eine seiner typischen Menschenbeobachtungen wieder, die, wenn auch übertrieben, so doch zur Unterhaltung auf höchstem Niveau anregt. Die Grenze zwischen Unglaubwürdigkeit und Realitätsnähe ist fließend, so dass menschliche Schwächen und Verrücktheiten immer nahe am menschlichen Sein entlang gleiten.
Bennett ist der begabte Dramatiker und Autor, der eine verrückte Lebensgeschichte herbei zaubert, die ihresgleichen sucht. Mit seinem trockenen Humor, mit dem er auch noch in den absurdesten Situationen die komischen Seiten aufzeigt, bringt er uns wie immer zum Schmunzeln und Kichern.
Hervorragend wie in seinen anerkannten Vorgängerwerken, man denke nur an „ Die souveräne Leserin,“ ergötzlich und spaßig eignet sich das Büchlein zum selber Lesen und Verschenken gleichermaßen!

Alan Bennett
Die Lady im Lieferwagen
Wagenbach Verlag 
ISBN-10: 3803126215
ISBN-13: 978-3803126214

Birgit Linde: Pilze, Pilze, Pilze

Birgit Linde: Pilze, Pilze, Pilze

Pilze können auf ganz unterschiedliche Weise zubereiten. In vielen Rezepten finden sie Verwendung, ob es sich nun um gekaufte oder selbst gesammelte Pilze handelt. Sie eigenen sich für Vorspeisen, Suppen, als Beilagen zu
Fisch-, Geflügel- und Wildgerichten.

Nachkochen kann man „Blätterteigpastete mit Pilzrührei“, „Champignon-Cremesuppe mit Räucherlachs“, „Schweinemedaillons mit Spargel und Pilzen“, „Goldbrassenfilet in Pilz-Nuss-Sauce“, „Gänsebrust im Wirsingmantel mit Pilzen“, „Pilzlasagne“ und vieles mehr.

Man findet im Buch also klassische Gerichte, aber auch überaus fantasievolle neue Kreationen. Die Rezeptbeschreibungen sind übersichtlich gestaltet und lassen sich gut nachvollziehen. Manchmal gibt es auch ein Bild.

Das Buch hat neben den Rezepten noch andere interessante Aspekte. So erfährt man wie man Pilze lagert und putzt und küchenfertig macht. Man erfährt, welche Pilze zum Rohverzehr zum Beispiel in Salaten geeignet sind und welche nicht.

Auch andere Verarbeitungsmöglichkeiten werden im Buch genannt. Man erfährt, wie man Pilze trocknet, wie man sie einkocht oder auch durch das Einlegen in Essig haltbar macht. Sogar das Salzen und Silieren wird erklärt. Man bekommt zudem gezeigt wie man Pilzfond bzw. Pilzextrakte oder eine Pilzpaste herstellt.

Was Pilze betrifft, eröffnet sich mit dem Buch ein breites Betätigungsfeld. Gerade auch dann, wenn man in einem Pilzjahr sehr viel Pilze zur Verfügung hat. Man lernt eine Menge über die Zubereitung von Pilzen in Topf und Pfanne und über das Haltbarmachen. Die Auswahl an Pilzrezepten ist sehr groß. Das gefällt gut. Wer Freude am Kochen hat, wird Spaß daran haben, die Rezepte auszuprobieren.

Rezension von Heike Rau

Birgit Linde
Pilze, Pilze, Pilze
Pilze für Topf und Pfanne
127 Seiten, gebunden
Neumman-Neudamm Verlag
ISBN: 978-3788812041

Stéphane Audeguy: Das Leben des François Rousseau, von ihm selbst erzählt

Stéphane Audeguy: Das Leben des François Rousseau, von ihm selbst erzählt

Abenteuer und Aufbruch: Leben im 18. Jahrhundert.

Das Leben des François Rousseau wirft ein besonderes Licht auf das 18. Jahrhundert, das als das Jahrhundert der Aufklärung in die Geschichte eingegangen ist und mit der französischen Revolution endete.
Als Greis blickt François Rousseau auf sein Leben zurück und schildert in fiktiven Erlebnissen seinem Bruder Jean-Jacques sein vergangenes Leben.
Während der Bruder zu den großen Vordenkern der französischen Revolution gehörte und mit seinen
„ Bekenntnissen“ und vielen anderen Werken weltberühmt wurde und bis heute unvergessen blieb, frönte sein Bruder François den sinnlichen Genüssen und erfreute sich eines ausschweifenden Lebenswandels!
In Genf als erster Sohn seiner Eltern geboren, begegnete er schon in frühen Kinderjahren dem Marquis de Saint – Fonds, Sohn aus altem französischem Adel, der sich in Genf niedergelassen hatte. Die beiden ungleichen Freunde genießen gemeinsame Lehrstunden und gehen ihren sinnlichen Gelüsten nach.

Jean-Jacques wurde nach dem Tod der Mutter zum erklärten und verzärtelten Liebling des Vaters, während sich François alleine behaupten musste. Er ist gewissermaßen ein Antipode, der, wenngleich klug, das Leben aus der bodenständiger Position heraus betrachtet. Ein schwieriges, leichtlebiges und genussvolles Leben führt ihn von Ort zu Ort, und er lernt, sich in guten und schlechten Tagen durchzuschlagen. Aus Genf geht es unter abenteuerlichen Umständen nach Frankreich, der Hochburg des Feudalismus und der Knechtung der Armen. Er findet Freunde, Gönner und Gönnerinnen, und sein Leben verläuft reich an Höhen und Tiefen. Bei seinen Ortswechseln lernt er Reichtum und Armut, Ungerechtigkeit und Ausbeutung, Verluste von Menschenrechten und den Kampf ums Überleben kennen. Zuletzt erreicht er Paris, wo er sich in Philosophenkreisen bewegt und in Bordellen verkehrt und mitten hinein in die Unruhen der französischen Revolution gerät. Hier wird der Bericht ein wenig langatmig, zeigt jedoch zwei Brüder, von denen der eine der Denker, er andere der praktische Teilnehmer der französischen Revolution wurde. Francois lernt Diderot kennen, sitzt in der Bastille ein, entgeht seinen Henkern, trifft den Marquis de Sade und überlebt schließlich als alter Mann die Verfolgungen und Auswüchse der Jakobinischen Herrschaft.

Stéphane Audeguy hat den Ton der vorrevolutionären Stimmung getroffen und in eindrucksvollen Bildern in Szene gesetzt. Man fühlt sich als stiller Beobachter des jungen und älter werdenden Reisenden, und fiebert mit ihm seinen Abenteuern entgegen. Ärmliche Unterkünfte, bewegende Verführungskünste und dunkle Verliese lassen ein mittelalterliches Szenario lebendig werden, das einen berührt und gelegentlich das Fürchten lehrt. Verschiedene Lehrherren demonstrieren die herrische Grausamkeit, die als Mittel zum Zweck der Züchtigung an der Tagesordnung war. Soziale Missstände zeigen das Ausmaß der Ungleichheit und Verkommenheit, in der sich die Menschheit befand. Audeguy ist ein hervorragender Rechercheur und Interpret dieses von der französischen Revolution beherrschten Jahrhunderts. Sein Entwurf richtet sich strikt am Zeitgeist aus, so dass man fast überzeugt ist, es hier mit den richtigen Lebenserinnerungen des François Rousseau zu tun zu haben.
Und doch ist alles nur Fiktion!

Stéphane Audeguy
Das Leben des François Rousseau, von ihm selbst erzählt
Schirmergraf
296 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3865550439

Werner J. Egli: Black Shark

Werner J. Egli: Black Shark

Black Shark bei Amazon bestellen!Tarek und Omar befürchten ein Massaker in dem kleinen Dorf in Somalia. Aus dem Hinterhalt heraus töten sie deshalb die fremden Soldaten. Ihr weiterer Plan ist es, sich Black Shark anzuschließen. Die Regierung hat auf den gefürchteten Piraten ein hohes Kopfgeld ausgesetzt. Doch er hilft den Armen und genau das, wollen Tarek und Omar auch tun. Sie wollen sich dem Freiheitskampf anschließen.

Tommy ist Kombüsengehilfe auf der „Emma Lou“. Ziel des Frachtschiffes aus Großbritannien ist es, Hilfsgüter nach Kenia zu bringen. Doch aus dem, was der Junge hört, schlussfolgert er, dass möglicherweise noch eine gefährliche Ladung mit an Bord ist. Tommy wird allerdings bald von diesen Gedanken abgelenkt. Ein Fischkutter mit Flüchtlingen, die aus Libyen kommen, ist in Seenot geraten. Kapitän Rooney unterbricht die Weiterfahrt bis die italienische Küstenwache sich der Flüchtlinge annimmt. Ein Mädchen aus Somalia wird später noch aus dem Wasser gefischt. Sie muss an Bord bleiben. Kapitän Rooney überlegt sogar, sie später mit nach Europa zu nehmen. Auch, weil Nuria sich so gut mit seiner Tochter Amy, die mit an Bord ist, versteht.

Was der Kapitän nicht weiß, ist, dass er noch etwas anderes außer Hilfsgüter transportiert. Auch ahnt er nicht, dass Mitglieder seiner Mannschaft ihm gegenüber nicht loyal sind.
Black Shark plant den Frachter zu überfallen. Er hat es nicht nur auf die Hilfsgüter abgesehen, sondern auch auf die mitgeschmuggelten Waffen. Tarek und Omar wollen ihm helfen. Es scheint Schicksal zu sein, dass Nuria an Bord ist. Die beiden haben sie in dem Dorf kennen gelernt, das Tarek und Omar vor dem Überfall durch die Soldaten bewahrt haben. Omar ging Nuria seit dem nicht mehr aus dem Kopf.

Es ist ein modernes Piraten-Abenteuer, das dem Leser hier präsentiert wird. Dabei stehen die Jugendlichen Tarek, Omar, Tommy, Amy und Nuria im Vordergrund, die das Schicksal auf so dramatische Art und Weise zusammenführt. Es ist ein hartes Schicksal. Leichte Kost ist das Buch also nicht. Wer politisch interessiert ist, findet eine spannende und sehr brisante Geschichte vor. Viele Informationen wurden hier eingestrickt, gerade auch über Afrika und hier insbesondere Somalia.
Die Beweggründe der Handelnden werden nicht kritisiert, sondern vielmehr so dargestellt, wie sie sind. Gerade die Jugendlichen im Buch, die noch nicht über genügend Lebenserfahrung verfügen, ändern ihre Meinungen immer wieder. Sie müssen erst herausfinden, was falsche Leitbilder sind, welchen Informationen richtig sind und was sie im Leben erreichen wollen. Es ist Teil der Selbstfindung hier Fehler zu machen. Das wird mit dem Buch sehr schön vermittelt. Die Geschichte ist also äußerst realistisch gehalten.

Rezension von Heike Rau

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Werner J. Egli
Black Shark
192 Seiten, gebunden
ab 14 Jahren
Carl Ueberreuter Verlag
ISBN: 978-3800054961
ISBN-10: 3800054965

James Agee: Ein Todesfall in der Familie

James Agee: Ein Todesfall in der Familie

Familienfrieden, Glück und Zweifel; eine Geschichte von Glaubensfragen und unvorhersehbaren Schicksalsschlägen.

Knoxville in Texas, weit im Süden der USA gelegen, ist der Ort einer Handlung, die von der ersten Zeile an mit dramatischem Sog in ein schicksalhaftes Geschehen führt.
Atmosphärisch dicht und von tief innerlichen Gefühlen geprägt lenkt der Roman des bereits 1955 verstorbenen Autor James Agee die Aufmerksamkeit auf das Geschick einer jungen Familie, das fast in einer Art Kammerspiel dargeboten wird.
Umhüllt von heimeliger Dunkelheit und dem Sternenglanz kommen ein Vater und sein kleiner Sohn von einem Kinobesuch nach Hause. Das Leben zeigt sich friedlich, geborgen und trostreich. Die liebevollen Familienbande sind intakt und versprechen harmonische Idylle.
Catherine und Rufus, die beiden Kinder, gehen zu Bett.

Szenenwechsel: mitten in der Nacht schrillt das Telefon. Unruhig geht Jay, der junge Familienvater, ans Telefon. Jeder Ton und jeder Schritt wird verzeichnet, so dass eine untergründige Spannung entsteht.
In einem stockenden Telefonat berichtet der Bruder von Jay, dass der Vater erkrankt sei, wie schwer, ist kaum auszumachen. Zögerlich, zuletzt aber doch überzeugt, dass er besser gleich aufbricht, bereitet sich Jay auf die Nachtfahrt zu seinen Eltern vor. Liebevoll bereitet ihm Mary noch ein Frühstück und liebevoll ist der Abschied, fast, als wäre es für immer. Er denkt an die Kinder und versichert mehrfach, dass er schon morgen zurück sein werde.

Mary findet kaum Ruhe nach seiner Abfahrt. Sie hält Zwiesprache mit Gott, und aufmerksam hört man von einem Familienkonflikt, der das Glück überschattet: Mary ist fromm katholisch, Jay aber teilt ihren Glauben nicht. Sie fürchtet, dass die von ihr und ihrem Glauben geforderte katholische Erziehung der Kinder den Familienfrieden und den Zusammenhalt der Familie gefährden könnte.
Diese Szene ist grandios in ihrer dichterischen Aufbereitung.

In der Folge steigert James Agee noch die Spannung, denn
erst spät am nächsten Vormittag kommt ein Anruf, in dem von einem Unfall die Rede ist, vom dem Jay betroffen sei.
Das Protokoll einer Todesnachricht wird zu einem minutiösen Bericht des Unfallhergangs.

Wie die Verwandten sich um Mary scharen, was gesprochen, vermutet und befürchtet wird, das schwankt zwischen Hoffnung, ahnungsvollen Untergangsängsten, Glauben und Verzweiflung. Stimmungen und Gefühle, jeder Gang und jede Gebärde oder Verrichtung im Haushalt werden registriert. So entsteht ein genaues Abbild der Vorgänge, und man gelangt zu tiefen Einblicken in die Seelenzustände und Handlungen der Protagonisten. Fast fühlt man sich an Musil erinnert, dessen Gefühlswahrnehmungen ähnlich dauerhaft und präzise in seinem „ Mann ohne Eigenschaften“ abgehandelt werden. Der Zustand zwischen Realität und seelischer Befindlichkeit rührt an die Schmerzgrenze.
Die eingeschobenen Reflexionen einzelner bieten den eigenartigen und faszinierenden Eindruck von lyrisch vorgetragenen Gedanken, die fast Gebeten gleichen.
Der vom Vater an die Tochter gerichtete Satz: „Du musst immer daran denken, dass kein Mensch auf dieser Welt ein Vorrecht genießt. Jeden Augenblick kann die Axt auf den Nacken jedes Menschen niedersausen, ohne vorherige Warnung und ohne Rücksicht auf Gerechtigkeit “ hinterlässt Schauer der Erschütterung mit seiner fast biblischen Weissagung.

Hinreißend ist die Beobachtung, wie ein Schmetterling aus dem versinkenden Sarg in den Himmel steigt. Symbolträchtiger geht es nicht, und symbolhaft beleuchtet er einen Religionskonflikt, der die Familiengeschichte unterschwellig durchzieht.

Nur drei Tage umfasst der Bericht, mit dem fast im Zeitlupentempo eine Aussage gelingt über das, was in den Empfindungen und Köpfen der einzelnen Familienmitglieder vor sich geht.

Wiewohl der Roman zur modernen amerikanischen Klassik gezählt wird, würde ich ihn aus der Menge der Neuerscheinungen als einen der besten dieses Frühjahrs herausheben.
James Agee wirkte in den vierziger Jahren als einflussreicher Drehbuchautor, Filmkritiker und Journalist in den USA. Sein unvollendet gebliebener Roman wurde in Deutschland 1962 zum ersten Mal auf Deutsch veröffentlicht. Nach seinem Tod wurde der Autor posthum mit dem Pulitzerpreis geehrt.

James Agee
Ein Todesfall in der Familie
C.H.Beck
368 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3406583889

Thomas Clavinic: Das Leben der Wünsche

Thomas Clavinic: Das Leben der Wünsche

Drei Wünsche will der Fremde erfüllen. Und weil der seltsame Mann so viel über Jonas weiß, ist er geneigt, im ein kleine wenig zu glauben. Jonas hat viele Wünsche. Sie auf drei zu reduzieren, ist ein Unding. Da er nicht auf den Kopf gefallen ist, wünscht er sich mehr Wünsche.

Nach diesem seltsamen Erlebnis holt ihn der Alltag wieder ein. Ein Alltag mit seiner Frau und den zwei Kindern, einem ungeliebten Job und seiner Geliebten Marie. Im Hinterkopf hat Jonas die Sache mit den Wünschen. Er kauft sich ein Los, gewinnt aber nicht. Im Büro stellt er dann fest, dass seine Aktien um fast 15 Prozent gestiegen sind. Das macht den entgangene Losgewinn wett.

Ein glücklicher Mann ist Jonas nicht. Er will seine Frau Helen nicht verlieren, aber auch mit Marie zusammensein. Von dem, was er sich wirklich wünscht, erfüllt sich aber nichts. Durch Ausprobieren ist er zu diesem Schluss gekommen. Der Alltag ist das übliche Chaos. Dann, wie aus dem Nicht und direkt vor seinen Augen, geschieht dieser Unfall. Ein LKW erwischt einen Mann, der Jonas wegen dessen Langsamkeit genervt hat. Einem Wunder gleich kommt, dass sein Sohn Chris, dessen Wachstum Grund zur Sorge gegeben hat, plötzlich ein paar Zentimeter in die Höhe schießt.
Dann geschieht etwas Unfassbares. Jonas findet seine Frau in der Badewanne besinnungslos vor. Seine Wiederbelebungsversuche zeigen keine Wirkung. Der herbeigerufene Notarzt kann nichts mehr tun. Helen erlag einem Herzversagen.
Später sitzt Jonas wieder auf der Bank. Da, wo er den seltsamen Mann traf, der ihm drei Wünsche erfüllen wollte. Es ist unfassbar für Jonas, was bisher geschah.

Im Grunde spielt sich hier eine ganz normale Geschichte ab, so wie das Leben sie tausendfach schreibt, wäre da nicht die Sache mit den Wünschen. Jonas scheint nicht viel drauf zu geben. Er probiert einiges aus. Manches läuft wunschgemäß, anderes nicht. Bald spielt es für ihn keine Rolle mehr. Für den Leser schon. Man verfolgt sehr gespannt den Lauf der Geschichte und beobachtet Jonas genau. Man kommt nicht umhin, sich zu fragen, inwieweit er sein Schicksal und das anderer durch seine Gedanken steuert. Der ein oder andere geheime Wunsch ist darunter. Der Verdacht liegt also nahe, dass Jonas das Geschehen wenn auch nicht immer bewusst, so doch durch sein Unterbewusstsein steuert.
Nach und nach entsteht eine sehr drückende Atmosphäre. Spätestens als Jonas’ Frau Helen unter mysteriösen Umständen stirbt, ist der Spaß vorbei.
Jonas befindet sich ab da in einem Zustand der Schwerelosigkeit. Die Trauer überfällt ihn ungebremst. Er läuft nur noch auf Autopilot.
Der Leser ahnt, das Jonas auf eine Katastrophe zusteuert. Unbehagen findet sich ein. Es ist ein Spiel mit den Erwartungen des Lesers. Wirklich sehr gelungen! Man liest nicht einfach so, man wird beschäftigt. Der Anfang der Geschichte kommt einem Märchen gleich, später wird daraus der blanke Horror.
Dabei erzählt der Autor im Grunde seine Geschichte sehr sachlich. Es ist die eigene Fantasie, die beim Lesen nicht im Zaum zu halten ist. Das ist eine sehr interessante Erfahrung!

Rezension von Heike Rau

Thomas Clavinic
Das Leben der Wünsche
320 Seiten, gebunden
Carl Hanser Verlag
ISBN: 978-3446233904