Elyria – Im Visier der Hexenjäger

Elyria – Im Visier der Hexenjäger

Elyria ist nun im heiratsfähigen Alter. Ihr Vater, der Anführer einer Gauklertruppe, möchte sie gerne verheiraten. Doch wie er von der Wahrsagerin erfährt, wartet ein anderes Schicksal auf seine Tochter.
Tatsächlich ändert sich bald alles für Elyria. Sie findet ein Medaillon, das eigentlich in den Tempel gehört. Obwohl ihr Bruder Gwynn ihr abrät, bringt sie es zurück. Sie wird von Ordenskriegern erwischt und in den Kerker gesperrt. Hier wird sie als Diebin gebranntmarkt, weil ihr niemand die wahre Geschichte glauben will.
Ihre Augen faszinieren den obersten Hexenjäger Eddan Peristae. Es ist das goldene Strahlen von dem er in alten Schriften, die einer Prophezeiung gleichkommen, gelesen hat. Und schon steht Elyria unter Verdacht, eine Hexe zu sein. Unter der Folter kommt ihre magische Kraft, von der die junge Frau selbst nichts wusste, zum Vorschein. Nun ist ihr der Scheiterhaufen sicher. Weil sie Hilfe von Crean, einem Hexenjäger in den Diensten Eddan Peristaes, erfährt, gelingt ihr die Flucht. Sie will zurück zu ihrem Vater. Verfolgt wird sie aber nicht nur von den Hexenjägern, sondern auch von Ardan von Daomir, dem sie im Kerker vor der Folter begegnet war. Er glaubt, sie habe ihm ihre Magie gestohlen. Aber davon kann keine Rede sein, Elyria weiß nicht, wie die Magie überspringen konnte. Die beiden bleiben zusammen, weil es im Moment nicht gelingt, die Magie zurückzugeben. Diese bricht wieder hervor, als Krieger die beiden in einer Schenke entdecken. Die Magie lässt sich jedoch nicht von Elyria lenken, so dass sie und Ardan schon wieder in Gefahr sind. Bald ist ein Kampf unausweichlich und Ardan muss einsehen, dass er Elyria beschützen muss, wenn er seine Magie wiederhaben will. Die beiden müssen Kathmóhar, die Stadt der Magier erreichen, eine Stadt, die nach dem Krieg der Mächte aber zum Großteil vernichtet ist.

„Elyria – Im Visier der Hexenjäger“ ist ein sehr gelungener fantastischer Roman. Man wird sofort von der Geschichte in den Bann gezogen, so spannend ist sie gemacht. Elyria ist eine beeindruckende Persönlichkeit, man folgt ihr gern auf ihrer abenteuerlichen Reise. Sie ist eine sehr glaubwürdige Helden, die sich im Laufe des Romans zu einer Magierin, die ihre Fähigkeiten immer besser beherrscht, weiterentwickelt. Zunächst wird sie von Ardan begleitet. Die beiden verlieben sich ineinander und er wird ihr Beschützer, so dass auch die Romantik in diesem Buch nicht zu kurz kommt. Ihren Weg begleiten weiter ihr Bruder Gwynn und der Hexenjäger Crean, der die Seiten gewechselt hat. Auch diese Kombination sorgt für Spannung.
Zusammen kämpfen sie gegen Gegner, die nicht zu unterschätzen sind.
Der Spannungsbogen stimmt. Nach und nach werden die Hintergründe, die zu Elyrias Verfolgung geführt haben, offengelegt und man erlebt so manche Überraschung. Kurzum, man wird mit diesem Buch ausgesprochen gut unterhalten. Es ist flüssig geschrieben und liest sich ganz wunderbar.

Rezension von Heike Rau

Brigitte Melzer
Elyria
Im Visier der Hexenjäger
352 Seiten, gebunden
Ueberreuter Verlag
ISBN: 978-3800053865
Bestellen

Klippen

Klippen

Melancholische Reflexionen über eine verlorene Kindheit!

Schwer trägt der Protagonist in diesem kleinen Roman am Leben!

Olivier ist mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter am Ferienort seiner Kindheit, einem Badeort an der normannischen Küste. Rührend schweifen seine Blicke zu der schlafenden Frau und zu dem ebenfalls schlummernden Töchterchen. Er findet keine Ruhe und schaut gedankenverloren auf die Klippen hoch über dem Meer.
Schleichend kommen Erinnerungen, die ihm die Kindheit ins Gedächtnis zurück rufen. Wie aber war diese Kindheit?

In poetisch wortreichen Beschreibungen erleben wir ein Leben, das durch den frühen Freitod der Mutter aus den Fugen geriet. Olivier ist erst 11 Jahre alt, als die depressive und gestörte Mutter ihrem Leben ein Ende setzt. Schon vor ihrem Tod gab es keine Fröhlichkeit oder unbeschwerte Kindertage.
Für Olivier ist die Mutter ein schwebender Schatten, zart, leidend und unnahbar. Ihre Beerdigung setzt erdenschwere Akzente, trübe, traurig und unverständlich für das Kind.
Antoine, der ältere Bruder, fällt für lange Wochen in ein Koma, und Olivier ist ganz der düsteren Trauer in einem leeren Haus überlassen.
Wen wundert es, dass Alkohol und Drogen sein späteres Leben bestimmten?

Adams beschreibt eine leere, traurige und schwer erträgliche Jugend unter dem Zeichen der Verlassenheit und überschattet durch den Jähzorn und die Wut eines mit einfachem Gemüt ausgestatteten Vaters. Dieser ist viel zu sehr mit seinem eigenen Unglück beschäftigt ist, als dass er nur das geringste Verständnis für seine verlassenen Söhne aufbringen kann.
Antoine und Olivier bilden die ersten Jahre nach dem Tod der Mutter eine unzertrennliche Einheit. Um sie herum versammeln sich andere Jugendliche, mit denen sie ein Eigenleben aufbauen, in dem sie trinken, Drogen konsumieren und sich gegenseitig mit Sex und Zärtlichkeiten trösten.
Sie sind Outlaws der Gesellschaft, die sozial im Abseits leben.
Nachdem sich ein Freund erschossen hat und die Freundin Loretta mit Magersucht in einer Klinik landet, ist auch diese Zeit der Zuflucht beendet.
Adams beschreibt die Freundin Loretta grandios mit einem Feuerwerk an Worten und tänzelnden Sätzen, die einen Eindruck von der Trostlosigkeit der einsamen und verlorenen Jugendlichen widerspiegelt.
In seinen Gedanken erlebt der Held eine Spurensuche, in der als ferne Gestalt die Mutter immer wieder auftaucht.
Die Lebensgeschichte des jungen Mannes, z.Zt. der Handlung ist Olivier erst 31 Jahre alt, wird zu einer Biographie, an deren Ende eine Art Metamorphose steht. Aus dem in die Tiefen des Lebens abgesunkenen Helden wird ein Schriftsteller, der erste Romane mit Erfolg auf den Büchermarkt bringt.
Die handlungsarme Geschichte ist atmosphärisch nahe an der Wahrheit und so differenziert beschrieben, dass man sich ganz gefangen genommen fühlt. Eine poetischen Gesang gleich wechseln die Stimmungen, tauchen die Verstorbenen aus der Vergangenheit auf und offenbaren ein Leben, das fernab von Glück und Heiterkeit stattfand. Die beschriebene Tristesse steht im krassen Gegensatz zu der leichten, poetisch farbigen und ungeheuer bildhaften Sprache, mit der darüber geschrieben wird.
Wohl selten hat ein Autor über randständige Mitmenschen so verstörend und einfühlsam berichtet.
Olivier Adam ist ein vielfach ausgezeichneter Autor, der mit Frau und Tochter an der bretonischen Küste lebt.

Claudine Borries

Olivier Adam
Klippen
Eine Spurensuche
ISBN:3865550517
Bestellen

Landliebe – Mein immer währender Geburtstagskalender

Landliebe – Mein immer währender Geburtstagskalender

Geburtstage sollte man immer in Erinnerung behalten. Damit kein Termin vergessen wird, kann man alle im immerwährenden Geburtstagskalender notieren. Platz zum Eintragen der Termine gibt es genug. Auf sechs Zeilen ist Platz, zudem gibt es ein kleines Feld, das man mit Notizen füllen kann.
Der Kalender ist ein echter Hingucker. Passend zum Motto „Landliebe“ ist er geschmückt mit herrlichen Bildern, meist von Blumenarrangements, die dem Jahresverlauf folgen. Im Januar sprießen die ersten Schneeglöckchen. Töpfchen mit Krokussen sehen sehr dekorativ aus. Im Februar kommen Tulpen in vielen Farben dazu. Für den März stehen Blumenkübel mit Stiefmütterchen und Osterglocken. Im April findet man Arrangements mit Traubenhyazinthen. Ein Korb bepflanzt mit Kräutern steht für den Mai. Im Juni wird es rot. Schalen sind mit köstlichen Erdbeeren gefüllt. Im Juli darf man einen umwerfenden Blick in einen zauberhaft angelegten Garten werfen. Im Juli kommen Blaubeeren und Lavendel zusammen. Im August werden Gestaltungsideen mit Rosen gezeigt. Im September wirkt Heidekraut schmückend. Im Oktober dienen Kürbisse als Schmuck und im November überwiegen die gelben und roten Farbtöne von Astern. Im Dezember wird weihnachtlich geschmückt. Es macht viel Spaß, die Fotos anzusehen. Sicher kann man damit auch anderen eine Freude machen und das Buch verschenken.

Rezension von Heike Rau

Hella Henkel
Landliebe – Mein immer währender Geburtstagskalender
140 Seiten, gebunden, 200 Farbfotos
Eugen Ulmer Verlag Stuttgart
ISBN: 978-3-8001-5637-5
Bestellen

Blaufeuer

Blaufeuer

Das Blaufeuer steht für ein Notsignal von Schiffen und Menschen auf den Weltmeeren, die Hilfe suchen. Der Titel signalisiert, dass es in der vorliegenden Geschichte um Untergang und Verderben geht.
Janne, eigentlich zweite Geigerin in einem Berliner Orchester, gerät in Angst und Bedrängnis, als sie mit der Nachricht konfrontiert wird, dass ihr Bruder Erik ertrunken ist.
Im großbürgerlichen Haus des Adoptivvaters, einem erfolgreichen Reeder, ist Janne in Cuxhaven wohl behütet aufgewachsen. Dann hört sie von Tod ihres Bruders, der vermutlich einem Mord zum Opfer gefallen ist. Er ist auf sehr ungewöhnliche und grausame Weise ums Leben gekommen. Assoziationen an den Unfalltod der eigenen Eltern kommen ihr in Erinnerung.
Von Beginn an sind die Tatsachen und Umstände des Mordes bekannt. Die Hintergründe und das Motiv aber bleiben unfassbar und harren der Aufklärung.
Bei der Beerdigung von Erik brodeln Gefühle auf. Die Familie zeigt sich nicht so stabil wie zunächst vermutet. Janne entdeckt im Zuge der Ermittlungen, dass ihre Geburt von einem Geheimnis umgeben ist. Sie versucht, diesen Nebel zu lüften und dem Mörder ihres Bruders auf die Spur zu kommen. Beide Unterfangen führen sie in unerwartete Gefahren!

Die Nordseeküste mit ihren Stimmungen, das Städtchen Cuxhaven und die Einwohner mit ihrer Spießigkeit und Verschlossenheit bieten das Bild einer zufriedenen Welt, die in Ordnung ist. Erst langsam spürt man, dass ein äußeres Bild täuschen kann.
Die wohlhabende Reederfamilie zeigt sich allmählich als brüchiges Gebilde, in dem jeder sein Geheimnis hat.
Janne erfährt bei ihrer Suche nach Aufklärung einige Neuigkeiten, die sie verunsichern. Das Schweigen aller Beteiligten macht sie wütend und ärgerlich. Der Vater erleidet nach der Beerdigung des Sohnes einen schweren Schlaganfall und liegt im Hospital. Er kann kaum bei der Beantwortung so vieler Fragen behilflich sein, und Janne muss die Geschäfte der Firma führen. Als sie mehrfach Opfer von missglückten Anschlägen wird, spitzt sich die Lage zu.

Die subtile Art, mit der A. Kui ihr Familienepos aufbereitet hat, ist beeindruckend. Sie lüftet nach und nach die Geheimnisse der Familie. Janne bleibt im Fokus, denn sie ist es, die mit den Wahrheiten, die ans Tageslicht drängen, nur schwer fertig wird. Dabei bleibt sie stark und ungebrochen; nur das Vertrauen in alt gewohnte Familienstrukturen ist dahin, und ein allgemeines Misstrauen gegen alle und jeden macht sich breit.
Sie findet Helfer, und sie wird auf ihrer Spurensuche in die Irre geleitet. Birger Harms, ein ehemaliger Mitarbeiter ihres Vaters, ist ihr treuster Helfer. Welche Rolle hat er im Leben ihres Vaters gespielt? Und wie steht es um Meinhard, den älteren zweiten Bruder, Arzt und in der dritten Welt engagiert?

Die atmosphärische Schilderung ist wirklichkeitsnah und echt.
Werden doch häufig bei Katastrophen Dinge ans Licht gespült, die lange verborgen blieben und zugunsten des äußeren Scheins kaschiert wurden. Janne macht sich zur Sprecherin der radikalen Wahrheitsfindung, unbeirrbar und mutig. Dabei erlebt man das Zusammenbrechen der heilen Welt, und ihr Gleichgewicht geht verloren. So wird eine Spur nach der anderen aufgedeckt, und der Krimi ist in seiner Struktur perfekt.
Das Ende zeigt die Lösung eines gut geplanten Verbrechens.
Die Autorin baut die Spannung geschickt auf, ohne die Familiengeschichte mit allen psychologischen Finessen dabei zu vernachlässigen. Man sollte sich den gut zu lesenden Krimi nicht entgehen lassen!

Die junge deutsche Autorin Alexandra Kui hat ihren vierten Roman geschrieben, —– und er ist gelungen!
Sie lebt als Musikerin, Journalistin und Autorin bei Hamburg.

Claudine Borries

Alexandra Kui
Blaufeuer
Ein Mord in der Familie,–und was nun?
ISBN:3455401147
Bestellen

Tirza

Tirza

Arnon Grünberg
Tirza Diogenes
ISBN 3257066376

Schrecklich können Familienbande sein!
Die Rolle eines neurotischen und zerrissenen Vaters, an dessen Abnormität seine ganze Familie zugrunde geht, steht in Grünbergs neuem Roman im Fokus.
Väter mit Besitz ergreifender, grausamer und beherrschender Allmacht sind suspekt. Die neuesten Nachrichten aus der Hölle eines die Zivilisation missachtenden Vaters kann man täglich in den Medien verfolgen. Der Kulturschock ist immens. Die Übergriffe gegen Kinder und Frauen ziehen sich durch alle Schichten.

Jörgen Hofmeester, Ende fünzig, ist Lektor in einem angesehenen Literaturverlag und wohnt mit seiner Familie in einem vornehmen Viertel in Amsterdam. Von seinem Verlag ist er vorzeitig in den Ruhestand verabschiedet worden. Er beginnt, sich ein Scheinleben aufzubauen und klammert sich intensiv an seine Vaterrolle. Auch diese Rolle wird nicht von Dauer sein, denn das letzte ihm verbliebene Familienmitglied, seine jüngste Tochter, will nach dem Abitur nach Afrika. Die ältere Tochter und seine Frau haben ihn schon vor längerer Zeit verlassen.
Sein ganzes Sinnen und Trachten gilt der jüngsten Tochter, die in Anlehnung an das Alte Testament Tirza genannt wurde, Übersetzung für „die Anmut/ das Wohlgefallen.“ Er bemerkt nicht, dass auch sie ihm längst entglitten ist. Hofmeester zeigt sich wie besessen von seiner Vaterrolle, die ihm bei der Trübsal seines Lebensalltags als einzige noch geblieben ist.
Er ist gerade bei den Vorbereitungen für das Abiturfest, als unerwartet seine Frau wieder auftaucht.
Nun beginnt ein makaberes Spiel, das wie ein Kammerspiel aufgezogen ist und nicht weit entfernt von Tennessee Williams und seinem Theaterstück „Wer hat Angst vor Virginia Woolf “ angesiedelt zu sein scheint.
Zwischen den Eheleuten kommt es zu wortreichen Auseinandersetzungen und Anspielungen. Alle bisher unausgesprochenen Gemeinheiten der Ehejahre werden aufgetischt. Seine Frau schleudert ihm mit wütenden Ausbrüchen entgegen, wie er sie verkannt und beleidigt hat, und wie sehr sie ihn als ewigen Nutznießer ohne Gefühle für andere erlebt hat, so dass sie geradezu gezwungen war, das Weite und andere Männer zu suchen.
Offensichtlich geht Hofmeester verblendet durchs Leben. Seine Wahrnehmung ist getrübt, weil er überhaupt nicht fähig ist, die Realität zu sehen. Seine Tochter Tirza wird zu seinem einzigen Lebenselixier, und er entpuppt sich als Psychopath und aggressiver Sonderling, der schnell tätlich wird.
Unfassbare Abgründe tun sich auf!
Die Rolle eines Mieters im Obergeschoss seines Hauses wirft ein weiteres Schlaglicht auf die penible und verrückte Persönlichkeit des J. Hofmeester. Er reibt sich auf und ärgert sich, wenn die Miete nicht pünktlich entrichtet wird. Längst hat sich die älteste Tochter beim Eintreiben der Miete verdient gemacht,–und sich sexuell mit dem Mieter eingelassen. Immer wieder verliert Hofmeester daraufhin die Kontrolle über sich, und seine Mitmenschen sind ernstlich in Gefahr.
Wie kann man überhaupt die Kontrolle über sich gewinnen?
Tirza zeigt es ihm, denn die Probleme in der Familie haben eine lange Geschichte!
Der Protagonist wird als bedauernswerter Verlierer porträtiert. Keiner mag ihn wirklich, schon als Junge bekam er Prügel, und am Ende steht er nur noch mit leeren Händen und einer kaputten Familie da.

Grünberg lässt keinen Augenblick ungenutzt, um das abnorme Verhalten seines Protagonisten zu illustrieren, so dass man sich unweigerlich in den Sog eines psychischen Ausnahmezustands hinein versetzt fühlt. Die Helden bei Grünberg versuchen, Mensch zu sein und scheitern an ihrem eigenen Irrwitz.
Mit ausufernder Phantasie und Talent baut der Autor seine Geschichte langsam auf, bis er zielstrebig auf einen überraschenden und grausamen Schluss zusteuert.

Als Meister der feinen psychologischen Beobachtung zeigt sich der Autor Arnon Grünberg einmal mehr! Wie in seinem Buch “ Gnadenfrist“ setzt Grünberg die Zeichen, die einen Mann in seiner Verrücktheit und Absonderlichkeit zeigt.
Es ist ein Stück aus dem Tollhaus, das aber durchaus im Bereich der Realität liegt.

Claudine Borries

Bestellen

Vom Forscher, der auszog, das Zaubern zu lernen

Vom Forscher, der auszog, das Zaubern zu lernen

Christian Rätsch Begeisterung für die Lakandonen, einem indianischen Volk, das im Dschungel Mexikos lebt, ist groß. So groß, dass er mit ihnen zusammenleben möchte, um ihre Kultur kennen zu lernen. Die Lakandonen sind die direkten Nachfolger der Maya. Sie haben sich ihre Ursprünglichkeit weitgehend erhalten. Die Zeit bei den Lakandonen will Christian Rätsch nutzen, um alten Heiltraditionen des schamanischen Volkes nachzuspüren.

Im Buch beschreibt der Autor seinen Lebensweg und geht dabei bis in seine Kindheit zurück, wo der Grundstein für sein Interessengebiet gelegt wurde. Voller Enthusiasmus erzählt er über seine Erlebnisse als Kind, über die erste Südamerikareise mit 16, wo er noch auf Touristenpfaden wandelt. Doch das ist ihm bald nicht mehr genug. Es gelingt ihm Freundschaft mit den Lakandonen zu schließen. In ihrer Unvoreingenommenheit nehmen diese den Wissenschaftler auf und gewähren im Einblick in ihr Alltagsleben. Christian Rätsch lernt ihre Magie kennen.

Das Erlebte wird in Tagebuchform wiedergegeben. Beginnend am 26.10.1982. Sicher wird es jeden Leser in Erstaunen versetzten. Es gibt sogar einen Bildteil mit Fotos. Christian Rätsch hat sich eingefügt in eine fremde Welt, so dass ihm wohl kaum Geheimnisse verborgen geblieben sind. Seine Erlebnisse und Erkenntnisse teilt er mit dem Leser. Natürlich stellt er auch Vergleiche an mit seinem Leben in der Heimat und übt Kritik. Man muss sich seiner Meinung sicher nicht in allen Punkten anschließen, aber Stoff zum Nachdenken ist es allemal. Einem so vielseitig interessierten, offenen und lebensbejahendem Menschen „zuzuhören“ mach einfach Spaß.

Rezension von Heike Rau

Christian Rätsch
Vom Forscher, der auszog, das Zaubern zu lernen
Meine Erlebnisse bei den Erben der Maya
304 Seiten, gebunden
Kosmos Verlag
ISBN: 978-3440112403
Bestellen

Baggersee

Baggersee

Katalin kommt mit vielen Koffern am Baggersee an und bleibt. Dann kommt Kálmán mit einem Bündel Angelruten. Er sucht nach Katalin, die er über eine Zeitungsanzeige kennen gelernt hat. Er bleibt jedoch in der Trinkstube hängen, weil er sich nicht in ihre Nähe wagt. Man hört nie wieder etwas von den beiden.
Der Wächter weiß warum. Es ist der Baggersee.
Auch Ervin dem Landschaftsmaler ging es so. Er ist gekommen, um zu bleiben. Bei Vera. Doch auch die beiden verschwinden.
Wer am Baggersee lebt, braucht nicht auf Glück hoffen. Da hilft es auch nichts, dass ein Mann darüber wacht. Vielmehr ist der Wächter ein Beobachter. Er verändert nichts.

Der Leser lernt die merkwürdige Welt um den Baggersee herum kennen und das mit den Augen des Wächters. Es ist keine schöne Gegend, eher etwas Provisorisches, und trotzdem werden die Menschen vom Baggersee angezogen. Dabei sollte man hier nicht baden gehen, wie der Wächter weiß, auch wenn er das nicht direkt an etwas festmachen kann. Die verschwunden Menschen sind der Beweis. Es kann nicht anders sein, sie liegen tot auf dem Grund des Baggersees. Der See ist ein dreckiger Morast, voller Müll und Leichen. Wer dort badet, wird unweigerlich in den Dreck gezogen.

Das Buch vermittelt eine düstere, Angst machende Stimmung. Man liest mit erhöhter Aufmerksamkeit, diese unfassbare Geschichte. Dabei ist es nicht nur der Inhalt des Buches, sondern auch der Schreibstil des Autors, der aufhorchen lässt. Die Geschichte bleibt geheimnisvoll bis zum Schluss. Und das bringt ins Grübeln. Einfach weglegen und vergessen kann man dieses Buch nicht. Auch, weil so viele Fragen offen bleiben. Dabei ist das Buch durchaus philosophisch, nur das das Nachdenken zu nichts führt. Das Buch bleibt rätselhaft.

Rezension von Heike Rau

Gergely Péterfy
Baggersee
Aus dem Ungarischen von Agnes Relle
144 Seiten, gebunden
Paul Zsolnay Verlag
ISBN: 978-3552054301
Bestellen

Hundeleben

Hundeleben

Dieses Buch ist eines der unbequemsten und gleichzeitig diskussionswürdigsten, das ich jemals gelesen habe.

Nun einmal zum Schlagwort „unbequem“:

1. Behandelt das 142 Seiten starke Buch das Thema „sexuelle Gewalt“. Ein Thema, von dem man höchstens theoretische Ausführungen erträgt: so und so viel Prozent von Gewalt gegen Frauen werden von Männern ausgeübt, so und so viele Kinder werden sexuell missbraucht. Was das aber genau bedeutet, das mag man sich schon gar nicht mehr vorstellen. Stofftier „Putzi“ schaut aber nicht weg, sondern hin. Und daraus entstehen stellenweise sehr drastische Szenen. Unbequem ist das auch deshalb, weil der einfach lesbare Stil des Buches eine Art Sog entwickelt, dass man immer weiter und weiter lesen möchte. Und doch nicht möchte.

2. Wer hat nicht selbst genug Probleme und will sich daher mit unangenehmem Lesestoff gar nicht erst befassen? Es ist aber das Wesen eines Tabus, dass die Auseinandersetzung damit zunächst einmal unbequem ist.

3. Unbequem ist auch die Tatsache, dass das betroffene Mädchen, das später zur jungen Frau wird, nur eine sehr vage Stimme hat. Die Hauptperson/Das Opfer wird eigentlich nicht gehört bzw. äußert sich auch nicht. Doch wieviele Frauen schweigen jahrelang über erlittene (sexuelle) Gewalt?

Nun ein paar Gedanken zum Schwerpunkt „diskussionswürdig“:

1. Die Geschichte ist ziemlich schwarz-weiß „gestrickt“: erst folgt der Missbrauch durch den Vater, dann vergeht sich ein Lehrer an dem (verliebten) Mädchen, später verlangt der Lebensgefährte unbedingten Gehorsam in jeder Hinsicht. Dadurch entsteht der Eindruck, dass es um nicht um ein individuelles Schicksal geht, sondern um das Beispiel eines von Gewalt geprägten Lebenslaufes. Das kann man gut finden oder auch nicht. Literatur kann auch durch Verfremdung etwas bewirken, andererseits berührt sie uns vielleicht eher durch Schilderung eines „Schicksales“. Also bleibt man in diesem Buch irgendwie außen vor, berührt werden kann man nur durch die Tatsache, dass es solche Abhängigkeiten/Gewalterlebnisse tatsächlich gibt.

2. Die Geschichte bietet kein Happy End, nicht einmal einen kleinen Lösungsansatz. (Es sei denn, wenn man das psychologische Nachwort als Hinweis auf eine mögliche Lösung interpretiert). Das läßt den Leser/die Leserin ziemlich hoffnungslos, sprachlos und erschlagen zurück. Andererseits ist das genau das, was Opfer von Gewalt nur allzuoft erleben. So werden die LeserInnen selbst zum Opfer, erkennen aber auch genau dadurch, dass das Problem „sexuelle Gewalt“ stärker wahrgenommen und artikuliert werden muss.

3. Diskussionswürdig ist für mich auch die Frage, ob man sich dieses Themas sinnvollerweise auf literarische Art überhaupt nähern kann. Es ist immer eine Gratwanderung zwischen Voyeurismus, Anklage und Empörung. Die „Auslagerung“ des „Ich“ in ein Stofftier ist einerseits ein ziemlich origineller Schachzug und thematisiert auch Fragen von „Abspaltung“. Andererseits ermöglicht die einfache Sprache auch nur einfache (relativ brutale und unreflektierte)Beobachtungen.

Fazit: Jedenfalls habe ich schon lange kein Buch mehr gelesen, das mich zu so intensiven Betrachtungen eines gräßlichen Themas verleitet hat. Und darum gebe ich dem Buch trotz seines einfachen, zugespitzten Plots fünf Punkte.

Gabriela Stockmann
Hundeleben
Wie lange kann ein Mensch blind sein und wie gut kann ein Stofftier sehen? Stoffhund „Putzi“ erzählt die Geschichte eines sexuellen Missbrauchs in der Kindheit und seiner Folgen für das weitere Leben der betroffenen Frau.
ISBN:3902589019
Bestellen

Der Fluss

Der Fluss

Die Quelle entspringt hoch oben in den Alpen. Zunächst ist es ein kleines Rinnsal. Doch der schmelzende Schnee sorgt dafür, dass daraus ein Bach wird. Dieser schlängelt sich an den Wurzeln einer Lärche vorbei. Fünf Zapfen am Baum nehmen es als Einladung zu einer Wasserreise. Damit beginnt für sie ein großes Abenteuer.

Bald geht es durch einen lichten Wald. Hier gefällt es einem Zapfen so gut, dass er nicht mehr weiterreisen will und bleibt. Für die anderen geht die Reise weiter durch ein breites schneebedecktes Tal. Als das Eis schmilzt, durchqueren die Zapfen einen Bergsee und stürzen dann einen Wasserfall hinunter. Während drei der Zapfen große Angst haben, findet einer Gefallen. Er bleibt in der Felswand, um hier später Wurzeln zu schlagen.
Für die drei anderen Zapfen geht die Reise weiter. Sie sind nun auf dem Bach unterwegs durch Wiesen, Weiden und Dörfer. Ob sie wohl auch einen Platz finden werden, an dem sie bleiben wollen?

Der Lauf der Natur wird anhand der fünf Lärchenzapfen sehr schön beschrieben. Dort wo sie sich zu bleiben entschließen, wird ein neuer Baum wachsen. Die kleine Geschichte dazu ist sehr gefühlvoll und poetisch erzählt. Das Buch ist durchgehend illustriert. Die Zeichnungen sind sehr aufwändig und fallen durch eine sehr feine Linienführung auf. Die Farbauswahl sorgt für Harmonie in den Bildern. Zarte Farbtöne sind bestimmend. Es macht viel Spaß, dass Buch anzusehen. Um Kindern die Natur näher zu bringen, ist die Geschichte bestens geeignet.

Rezension von Heike Rau

Brigitte Sidjanski / Bernadette Watts
Der Fluss
32 Seiten, gebunden
Minedition
ISBN: 978-3865660770
Bestellen

Der durstige Löwe

Der durstige Löwe

Auf der Suche nach Wasser irrt der Löwe durch den Wüstensand. Da kommt eine Giraffe des Weges. Sie verkauft Krawatten. Das aber interessiert den Löwen nicht. Eine Krawatte hilft ihm nicht weiter, er hat Durst!

Endlich kommt der Löwe zu einem Gasthaus. Allerdings wird dem Löwen kein Wasser verkauft. Es werden an diesem Tag nur Gäste mit Krawatte bedient. Der Löwe irrt weiter durch die Wüste, bis er die Krawattenverkäuferin wieder trifft. Eilig kauft er eine ihrer Krawatten und geht am nächsten Tag zurück zum Gasthaus. Doch wieder gibt es kein Wasser für den Löwen. Heute ist nämlich Hut-Tag. Der Löwe schleicht davon und trifft andere Tiere der Wüste – alle mit Hut. Auch der Löwe braucht einen. Stundenlang braucht er, um die Giraffe zu finden, die nun Hüte verkauft. Bis er wieder zum Gasthaus kommt, ist ein Tag vergangen. Der Hut nützt nichts mehr, denn heute ist Brillen-Tag.

Die Geschichte könnte unendlich lange so weitergehen. Das tut sie natürlich nicht. Aber wie der Löwe doch noch an sein Wasser kommt, soll hier nicht verraten werden.
Die Geschichte ist für Kinder sehr interessant gemacht. Wenn sie gut aufpassen und die Bilder mit Aufmerksamkeit betrachten, sind sie nämlich bald schlauer als der Löwe, der es einfach nicht schafft, die Zeichen zu deuten und so immer wieder durstig davonziehen muss.
Sehr sehenswert sind die Illustrationen. Die Collagen haben eine ganz besondere Wirkung und passen gut zum Wüstenhintergrund. Was scheint es als würde die Luft vor Hitze flimmern und die Bilder dadurch etwas undeutlich werden lassen.
Auch dass die Zivilisation in der Wüste mit einem fahrbaren Gasthaus Einzug gehalten hat, um die Tiere mit Wasser zu versorgen ist ein lustiger Aspekt der Geschichte.

Fazit: Es ist für Kinder sicherlich ein ganz besonderes Erlebnis, diese originelle Geschichte mit den außergewöhnlichen Illustrationen vorgelesen zu bekommen.

Rezension von Heike Rau

Heike Ellermann
Der durstige Löwe
32 Seiten, durchgehend illustriert
ab 4 Jahren
Lappan Verlag, Oldenburg
ISBN: 978-3830311331
Bestellen