Irene Götz (Hrsg.): Kein Ruhestand – Wie Frauen mit Altersarmut umgehen

Irene Götz (Hrsg.): Kein Ruhestand – Wie Frauen mit Altersarmut umgehen

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Im Rahmen des DFG-Forschungsprojektes, das Prof. Irene Götz leitete, wurden Frauen im Alter zwischen 63 und 85 Jahren interviewt. Sie stammen aus unterschiedlichen sozialen Schichten, haben aber eins gemeinsam: Das Geld ist knapp. Die Frauen leben von niedrigen Renten, sowie von ergänzender Grundsicherung oder einem kleinen Zusatzverdienst bzw. der Aufwandsentschädigung aus einem Ehrenamt.

Doch was heißt es, im Rentenalter mit wenig Geld auskommen zu müssen? Was bedeutet das im Alltag? Wie gehen die Frauen damit um, wie gestalten sie ihr Leben und auf welche Ressourcen können sie zurückgreifen? Diese Fragen sollen in den Interviews beantwortet werden. Der Leser erfährt ein Stück Lebensgeschichte. Dabei kristallisieren sich die Ursachen für die Altersarmut heraus. Selbst wer immer gearbeitet hat, kann im Alter von Armut betroffen sein. Das kann an den Lebensumständen liegen, am niedrigen Lohn, an Teilzeitarbeit oder an Zeiten, die sich eine Frau ausschließlich der Familie gewidmet hat. Auch hohe Mietkosten, etwa in einer Großstadt, können die Rente unverhältnismäßig schmälern.

Es wird persönlich im Buch, aber die interviewten Frauen sind bereit, viel von sich preiszugeben. Sie zeigen, wie sie mit der Situation umgehen und welche Strategien sie nutzen, um mit der knappen Rente auszukommen. Es geht aber nicht nur um die damit verbundene Sparsamkeit, sonder auch um Unabhängigkeit, Selbstbestimmung, um Teilhabe am Leben und damit den Erhalt von Lebensqualität, solange es möglich ist. Daraus resultieren natürlich auch Zukunftsängste, falls sich Situation und Gesundheit weiter verschlechtern.

Die Bestandsaufnahme analysiert die politischen und gesellschaftlichen Ursachen für Altersarmut auf und zeigt, dass Änderungen dringend nötig sind. Das ist ein ausgesprochen aktuelles Thema, aber auch ein sehr weites. Das Buch kann dazu beitragen, ein Nachdenken und Diskutieren anzuregen.

Für den Moment ist es wichtig zu wissen, wo es Unterstützung gibt oder wo man sich nach Hilfsangeboten erkundigen kann. Hier hilft der Anhang des Buches mit Adressen und Anlaufstellen weiter. Damit ist es Buch auch als Ratgeber anzusehen.

Rezension von Heike Rau

Irene Götz (Hrsg.)
Kein Ruhestand – Wie Frauen mit Altersarmut umgehen
Unter Mitarbeit von Esther Gajek, Alex Rau, Marcia von Rebay, Petra Schweiger, Noémi Sebök-Polyfka
280 Seiten, broschiert mit Schutzumschlag
Verlag Antje Kunstmann
ISBN-10: 3956142926
ISBN-13: 978-3956142925
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Máxim Huerta: Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta

Máxim Huerta: Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta

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Die Anzeige des Pariser Blumenhändlers Dominique Brulé lockt Violeta in den Blumenladen. Die junge Spanierin ist aus Verzweiflung nach Paris gekommen. Ihr Freund hat eine andere und mit ihren Eltern versteht sie sich nicht. Sie bekommt die Arbeit, weil ihr Name an eine Blume erinnert, so wie Monsieur Dominique das gerne wollte. Aber die junge Frau ruft auch Erinnerungen an seine große Liebe wach. Er hat Julie, die jung verstorben ist, nie vergessen. Violeta ist froh, nun ein Auskommen zu haben, zumal Monsieur Dominique ein sehr freundlicher alter Mann ist.

Jeden Tag kommen zwei alte Damen in den Laden. Mercedes und Tilde, beide stammen ebenfalls aus Spanien, kämpfen gegen ihre Einsamkeit. Auch Dominique kennt dieses Gefühl nur zu gut. Das Leben geht dem Ende entgegen. So ist das leider nun mal. Doch Violeta ist jung! Genau wie die drei alten Menschen hat auch sie ein Geheimnis. So beginnt etwas Neues. Und die ältere Generation mischt sich auf liebenswerte Weise ein und baut Brücken für Violeta.

Ältere haben die Lebenserfahrung, die jungen Leuten fehlt. So ist das Buch voll von gut gemeinten Lebensweisheiten, einfühlsamen Botschaften und liebevollen Gesten. Lebenswege kreuzen sich, gehen auseinander oder ineinander über. Aus einer alten Geschichte entwickelt sich eine neue.

Das Buch ist auf eine bezaubernde Art geschrieben, die vor allem romantisch veranlagten Lesern gefallen wird. Schon wie Monsieur Dominique an seinem Blumenladen gekommen ist, ist schicksalhaft. Die Blumen sind ihm Trost und Hoffnung. Auch Violeta spürt diese magische Anziehungskraft. Damit ist der Blumenladen in Paris die perfekte Kulisse als Dreh- und Angelpunkt.

Der Erzählstil ist elegant, verträumt und märchenhaft. Nur die Zeitsprünge sind etwas schwierig einzuordnen und stören den Lesefluss ein bisschen. Aber das Buch lebt nun mal auch von Erinnerungen, Träumen und Vorstellungen. Immer schwingt eine gewisse Melancholie mit, die wunderbar passend ist.

Rezension von Heike Rau

Máxim Huerta
Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta
Aus dem Spanischen von Anja Rüdiger
360 Seiten, gebunden
Thiele Verlag
ISBN-10: 3851793773
ISBN-13: 978-3851793772
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Pia Krøyer und Christina B. Kjeldsen: Sammeln, Finden, Schönes schaffen – Nimm die Natur mit in dein Zuhause

Pia Krøyer und Christina B. Kjeldsen: Sammeln, Finden, Schönes schaffen – Nimm die Natur mit in dein Zuhause

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Die Natur bietet im Jahresverlauf reichlich Inspiration für Kreativität. So lädt das Buch ein, hinauszugehen und Funde mit nach Hause zu nehmen. Diese verschiedenen Naturmaterialien können Grundlage für schöne Dekorationen sein. Die Autorinnen verstehen sich dabei als Ideengeber. Es gibt keine genauen Pläne oder Anleitungen, sondern Vorschläge für Projekte, die dann auf eigene Weise verwirklicht werden können.

Es beginnt mit dem Frühling. Auf der Fensterbank wird Platz für ein kleines Gewächshaus geschaffen. Stauden werde innerhalb der Gärten in der der Nachbarschaft getauscht. Die ersten Kräuter für die Frühlingsküche können geerntet werden. Es gibt Frühlingsquiche mit Lauch und Bärlauch, ein selbst gemachtes Gierschpesto und einen Brennnessel-Smoothie mit Apfel. Frühlingszweige werden in der Wohnung zum Blühen gebracht. Wer mag, kann die Jahreszeit mit der Kamera dokumentieren und aus den Fotos eine Collage kreieren.

Die weiteren Kapitel sind ähnlich aufgebaut. Es kommen natürlich immer die jeweiligen Besonderheiten jeder Jahreszeit zum Tragen. Im Sommer wird ein rustikales Hängesofa gebaut und es gibt ein Abendessen am Lagerfeuer mit Salat, Focaccia-Brot und Lagerfeuersuppe. Im Herbst wird Holunderbeersaft gemacht. Die Flaschen werden mit holunderbeerfarbenen Geschenkanhängern verziert. Aus Hagebutten lassen sich Kränze fertigen und aus Herbstholz entsteht ein kleiner Hocker. Im Winter ist es Zeit, aus den gesammelten Zapfen eine Weihnachtsdekoration zu basteln oder das Geschenkpapier mit einem Naturdruck zu versehen.

Das Buch lockt auch Stubenhocker nach draußen! Es motiviert, mit offenen Augen in der Natur spazieren zu gehen und natürlich schönes Bastelmaterial, das kostenlos ist, für Dekorationen zu sammeln. Wer handwerkliches Geschick und den entsprechenden Platz hat, kann Anspruchsvolleres umsetzen.

Der nordische Stil erscheint kühl und schlicht. Die bunten Naturfarben, die es hierzulande gibt, werden sparsam eingesetzt. Es macht Spaß, sich inspirieren zu lassen, kleine Arrangements für den Tisch, Wandgestaltungen oder andere Dekorationen zu erschaffen und so dem Jahresverlauf bewusst zu folgen.

Rezension von Heike Rau

Pia Krøyer und Christina B. Kjeldsen
Sammeln, Finden, Schönes schaffen – Nimm die Natur mit in dein Zuhause
Fotos von Heide Lerkenfeldt
Aus dem Dänischen von Julia Gschwilm
217 Seiten, gebunden
Jan Thorbecke Verlag
ISBN-10: 3799512993
ISBN-13: 978-3799512992
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Mathijs Deen: Unter den Menschen

Mathijs Deen: Unter den Menschen

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Jan wohnt allein auf einem abgelegenen Bauernhof an der Nordsee. Seine Eltern hatten ihm dem Hof übergeben und waren ins Dorf gezogen. Aus ihren Reiseplänen ist nichts geworden. Sie sind bei einem Unfall ums Leben gekommen. Von seiner Mutter ist ihm ein tägliches Mittagessen geblieben. Die Gefriertruhen sind voll davon. Das Essen hilft allerdings nicht gegen die Einsamkeit, schon gar nicht im Winter, wenn es nichts zu tun gibt auf dem Hof. Wie gerne hätte er eine Frau! Tatenlos ist er nicht, der Bauernsohn gibt eine Anzeige auf.

So kommt Wil auf seinen Hof. Jan weiß nicht, dass sie keinen Mann und keine Liebe sucht. Sie will ihre Ruhe und in einem Haus am Meer leben. Sie ist bereit, sich ein Stück weit anzupassen. Sie hat sich eine Identität verpasst, die Jan gefallen muss. Und was ihm gefällt, so glaubt sie, hat sie erkannt. Ohne dass er es weiß, hat sie ihn auf die Probe gestellt.

Von Anfang an besteht eine große Distanz zwischen den Figuren. Das stellt der Autor gut dar. Wil und Jan reden nicht viel. Jeder hat seine eigenen Probleme. Wil hat nicht vor sich auf Jan einzulassen, und Jan merkt, dass er vorsichtig mit ihr umgehen muss. Er ist ein gutmütiger Mensch, der viel verzeihen kann. Dennoch ist es ein seltsames Miteinander. Und man kommt nicht umhin, darüber nachzudenken, was eine gute Beziehung eigentlich ausmacht.

Der Schreibstil wirkt recht nüchtern. Die Handlung ist auf Wesentliches begrenzt. So scheint das Buch wie seltsames Experiment. Und trotzdem geht die Geschichte zu Herzen. Jan und Wil tun sich schwer damit, aber sie nähern sich, aus Mangel an besseren Möglichkeiten, auf eine subtile Weise aneinander an. Es ist faszinierend, das zu beobachten und sich auszumalen, wie es weitergeht. Es ist kaum vorstellbar, dass die beiden zusammenbleiben. Aber die Alternative ist ja, wieder in das alte Leben zurückzukehren und das will auch keiner. Die merkwürdige Beziehung entwickelt sich also fort. Und wie es so ist, keine Entscheidung zu treffen, ist auch eine Entscheidung.

Rezension von Heike Rau

Mathijs Deen
Unter den Menschen
Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke
192 Seiten, gebunden
Mareverlag
ISBN-10: 3866482809
ISBN-13: 978-3866482807
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Halldis Engelhardt: Sieh dich nicht um!

Halldis Engelhardt: Sieh dich nicht um!

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Halldis Engelhardt hat ein Buch über ihre Eltern geschrieben.

Es ist die anrührende Geschichte von zwei jungen Menschen, die sich beim Einmarsch der deutschen Soldaten in Norwegen sahen und sofort unsterblich verliebten. Halldis Engelhardt hat von der Vorgeschichte ihrer Eltern erst nach deren Tod erfahren und sich auf Spurensuche begeben. Sie sucht in Archiven, spricht mit Zeitzeugen und findet einem Puzzle gleich die Zusammenhänge, die ihr ein ganz neues Bild ihrer Mutter vermitteln.

Was war also passiert?

Der deutsche Soldat Heinz marschiert 1940 in den Ort Flekkefjord in Südwestschweden mit seiner Kompanie ein, und Jorna, die Norwegerin, schaut ihm in einem unbeobachteten Moment in die Augen. Sie kann diesen Blick nicht vergessen. Natürlich darf das nicht sein! Norweger haben die Besatzung durch die Deutschen nicht gebilligt. In den Augen der Bevölkerung war ein Liebesabenteuer mit Deutschen Soldaten eine Schmach. Jorna findet Mittel und Wege, um den Soldaten Heinz wieder zu sehen. Zwischen beiden entwickelt sich eine innige Liebesbeziehung. Sie muss äußerst behutsam vorgehen, um nicht mit ihm erkannt zu werden.„Deutschfreundinnen“ wurden von der Bevölkerung geschnitten und verachtet.

Halldis Engelhardt findet anrührende Worte, um über die große Liebe ihrer Eltern zu berichten.

Sie fügt in ihren Bericht über deren Schicksal liebevolle Schriften in der Art fiktiver Briefe ein. Darin zeigt sie Verständnis, Mitgefühl und Verehrung für die Eltern.

Man erfährt, woher die Mutter kam, wie begabt, hübsch und fleißig sie war, und wie sie um ihre Liebe zu dem humorvollen und galanten Heinz gekämpft hat. Sie erleben glückliche Monate bis Heinz an die Ostfront in Russland zum Einsatz verssetzts wird. Dieser Krieg ist ein Fluch, und vorübergehend verlieren sich die beiden Liebenden bei Kriegsende mit seinem Untergangsszenario ganz aus den Augen. Vergessen können sie sich nicht!

Es bedarf noch zahlreicher Umwege, um wieder zu einander zu finden.

Die Biographie liest sich leicht und angenehm. Halldis hat eine besondere Begabung, sich der Wahrheit zu nähern und sich sowohl nüchtern als auch anteilnehmend zu artikulieren.

Norwegen erscheint uns als landschaftlich wunderschönes Land mit Bewohnern, die mit dem Krieg mit dessen Auswirkungen schwer getroffen wurden. Hunger, Not und Kälte machte den Bewohnern ebenso zu schaffen, wie das in anderen Ländern der Fall war. Norwegen wurde in einen Krieg hineingezogen, ohne sich widersetzen zu können. Man hasst die Deutschen Besatzer.

Niemand sollte hier ein literarisch anspruchsvolles Werk erwarten. Es geht um ein Stück Norwegischer und Deutscher Geschichte, in die Halldis’ Eltern unfreiwillig verstrickt waren. Auch zeigt diese Geschichte einmal mehr, dass immer, auch im Krieg, der einzelne als Mensch zählt und nicht ein ganzes Volk als Täter abgetan werden kann.

Halldis Engelhardt
Sieh dich nicht um!
320 Seiten, gebunden
DuMont Buchverlag, Mai 2018
ISBN-10: 3832198717
ISBN-13: 978-3832198718
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Courtney Summers: Sadie – Stirbt sie, wird niemand die Wahrheit erfahren

Courtney Summers: Sadie – Stirbt sie, wird niemand die Wahrheit erfahren

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Sadie hat sich immer liebevoll um ihre jüngere Schwester gekümmert. Aber nun ist Mattie tot. Sie wurde ermordet. Für die 19-jährige bricht die Welt zusammen. Dass die Polizeiermittlungen ergebnislos bleiben, kann sie nicht hinnehmen. Sie will den Mörder auf eigene Faust finden. Und so verschwindet Sadie, ohne jemanden etwas zu sagen.

Der Journalist West McCray will einen Podcast über die Geschehnisse entwickeln. Er startet in Cold Creek. Hier haben die Schwestern gelebt. Die drogenabhängige Mutter hat die Familie vor einigen Jahren verlassen. Eine Nachbarin hat sich gekümmert, so gut es ging. May Beth Foster ist zur Ersatzoma geworden. West McCray erhält erste Information von ihr. Sie möchte, dass er Sadie ausfindig macht. Die Zeit drängt, denn mit jedem Tag Ungewissheit wird die Gefahr für Sadie größer.

Das Buch hat einen speziellen Stil. Da ist einmal die sehr emotional beschriebene Geschichte um Sadie, die der Leser direkt verfolgen kann. Sie ist dem Mörder auf der Spur. Es ist eine extrem anstrengende und fordernde Aktion, zumal Sadie damit auch die bedrückenden Geschehnisse der Vergangenheit aufarbeiten muss. Sie begibt sich in größte Gefahr, sieht aber keinen anderen Weg!

West McCray folgt Sadie in seinem Podcast zeitversetzt. Er geht also ihren mittlerweile doch etwas verwischten Spuren nach. Er führt nicht nur Interviews mit May Beth Foster, sondern auch mit den Menschen, die Sadie getroffen haben muss, um an Informationen zu kommen. Als Journalist weiß er, wie er Erinnerungen wecken kann. Und so tastet er sich voran. Was er erfährt, macht ihn betroffen. Immer mehr versteht er, wie verzweifelt Sadie sein muss. Er kann ihre Motivation gut nachvollziehen. Er entwickelt Folge um Folge für den Podcast. Und das ist der zweite Erzählstrang im Buch.

Die Autorin erreicht mit ihrem ungemein raffiniert aufgebautem Buch eine ungewohnte Tiefe. Diese entsteht durch ihre melancholische Art zu erzählen und durch die wechselnden Perspektiven. So ergeben sich zwei unterschiedliche Blickwinkel, die erst zusammengenommen zu einem halbwegs vollständigen Bild führen. Die Geschichte mit ihren gut ausgearbeiteten Figuren wirkt ausgesprochen realistisch. Keine Minute flaut die Spannung ab. Das Buch ist durchweg fesselnd!

Rezension von Heike Rau

Courtney Summers
Sadie – Stirbt sie, wird niemand die Wahrheit erfahren
Aus dem Englischen von Friederike Levin
359 Seiten, Klappenbroschur
Beltz & Gelberg
ISBN-10: 340781240X
ISBN-13: 978-3407812407
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Dr. Malte Rubach: Die Kaffee-Apotheke – Die Bohne für mehr Gesundheit

Dr. Malte Rubach: Die Kaffee-Apotheke – Die Bohne für mehr Gesundheit

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Kaffee kann am frühen Morgen Muntermacher sein und nachmittags ein besonderer Genuss. Viele Menschen trinken mehrere Tassen am Tag und können sich nicht vorstellen, auf das Vergnügen zu verzichten. Doch ab und an heißt es, dass Kaffee ungesund sei. Sollten wir lieber verzichten?

Ernährungswissenschaftler Dr. Malte Rubach hat im Bereich der Kaffeeforschung promoviert. Er ist also Experte auf diesem Gebiet. Er schreibt dem Kaffee positive Wirkungen zu und kann das auch begründen. Seine Aussagen untermauert er mit Studienergebnissen. Hinten im Buch findet sich ein zugehöriges Quellenverzeichnis.

Zunächst vermittelt der Autor Kaffee-Basiswissen. Hier geht es Geschichtliches und Hintergrundwissen zur Kaffeepflanze.

Interessant sind natürlich die Inhaltsstoffe des Kaffees, hier insbesondere die bioaktiven Substanzen wie Chlorogensäuren und Koffein. Die Aromastoffe sind ebenfalls von Interesse. Auch von den Farbstoffen, die dem Kaffee die schwarze Farbe geben, ist die Rede. Diese Melanoidine haben ebenfalls antioxidative Eigenschaften. Auch wie Acrylamid und Furan zu bewerten sind, wird aufgezeigt.
Besonders spannend zu lesen ist es, wie Kaffee auf den Körper wirkt und welche gesundheitlichen Vorteile sich daraus ergeben. Kaffee kann offensichtlich präventiv wirken und sogar Heilmittel sein.

Diese Vorteile, die Kaffeetrinken mit sich bringt, kann jeder nutzen, auch derjenige, der Kaffee nicht verträgt oder der vom Kaffeetrinken absieht, weil er beispielsweise hohen Blutdruck hat. Es kommt nämlich auf die Dosis, die Kaffeesorte und die Zubereitungsart an. Der Kaffee-Konfigurator hilft hier weiter, einen verträglichen Kaffee zu finden. Auch ist die Liste mit den Kaffee-Varianten hilfreich und regt dazu an, Neues zu probieren.

Es macht sehr viel Spaß sich bei einer Tasse Kaffee mit dem Buch zu beschäftigend! Der Autor geht ins Detail und erklärt dabei aber verständlich und gut unterhaltend. Aufgelockert wird der Text von Zeichnungen und Grafiken.

Rezension von Heike Rau

Dr. Malte Rubach
Die Kaffee-Apotheke – Die Bohne für mehr Gesundheit
176 Seiten, gebunden
Knaur MensSana
ISBN-10:3426658445
ISBN-13:978-3426658444
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Julian Barnes: Die einzige Geschichte

Julian Barnes: Die einzige Geschichte

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Julian Barnes führt uns in seiner einzigartigen Erzählweise die Geschichte seines Icherzählers und dessen erster großer Liebe vor.

Auf dem Tennisplatz, wohin Paul im Alter von 19 Jahren auf Drängeln seiner Mutter zur Ausschau nach einer geeigneten Partnerin fürs Leben geschickt wurde, lernt er die zwanzig Jahre ältere Susan kennen.

Paul lebt mit seinen Eltern in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in einer bürgerlichen Siedlung südlich von London in Gemeinschaft mit saturierten Bürgern der Mittelschicht.

Paul ist reichlich angeödet von dem englischen, prüden und langweiligen Milieu, in dem er aufwuchs, und das ihn nach dem ersten Studiensemester noch mehr auf die Nerven geht. Seine pauschale Bezeichnung für die Kinder dieser Schicht sind Hugos und Carolines, die nur darauf warten, in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten. Dort gibt es dann die obligatorische Eheschließung, Kinder, Hund und Haus.

Paul aber sucht anderes und rebelliert gegen die Vorgaben seiner Eltern.

In Susan findet er den Gegenpart zum Spießerleben seiner Umgebung. Sie hat Mann und Töchter, die sogar älter als Paul sind, ist lustig, lebt dem Augenblick, und freut sich an ihrer gemeinsamen Liebe. Ihr sexuelles Eheleben ist schon lange erloschen. Umso euphorischer ist die Erkenntnis, dass sie von ihrem jungen Liebhaber als anziehend und liebenswert empfunden wird. Leider bleibt die Zeit nicht stehen, nie, und so verliert sich die Geschichte nach und nach in einer tragischen Lebensform. Susan trennt sich von Mann und Kindern und lebt mit Paul zusammen. Er vollendet sein Jurastudium. Die Leidenschaft der Anfangszeit weicht bald einem langweiligen Alltag.

Beide wollen das lange nicht wahrhaben und klammern sich an die Erinnerung ihrer frühen ersten Begegnung.

Daneben ereignet sich eine innere Wandlung, die in erschütternder Weise Susan als innerlich leer und dem Alkohol verfallende Frau zeigt. Der Alltag spielt nun bald keine Rolle mehr. Barnes geht in die Tiefe und versucht vergeblich zu ergründen, was zu der entgleisenden Entwicklung beigetragen haben könnte. Paul ist gewissenhaft und hilft noch lange, wo und wie er kann, gibt aber schließlich auf.

Die Mischung aus Alltagsgeschichten und Beleuchtung des spießigen Bürgertums mit Ausflügen in philosophische Gedankenwelten sind es, die uns die Geschichte nahebringt, zu eigenem Nachdenken reizt und von tiefer Weisheit zeugt. Die nach und nach enthüllende Leere zwischen dem Paar lässt keine Hoffnung keimen.

In einem dritten Teil des Romans zieht Paul seiner Wege und lebt in Zukunft ein einsames Leben. Eine neue Liebesgeschichte ist nach kurzen Versuchen nicht in Sicht.

Julian Barnes wäre nicht der Schriftsteller von Weltruf, wenn er seine Geschichte nicht mit Erkenntnissen, Weisheiten, Reflexionen und der Darstellung momentaner Gefühlslagen gespickt hätte. Poetisch und brillant sind seine Stimmungsbilder, mit denen er äußere und innere Befindlichkeiten ans Licht bringt. Man ist tief bewegt und angerührt darüber, wie Lebenswege verlaufen können. Was ist determiniert, und was selbst verschuldet? Die Frage nach der Schuld stellt sich nicht. Es wird seziert und wiedergegeben, was passiert. Fazit: Lebensläufe werden von unerwarteten äußeren und inneren Entwicklungen mitbestimmt.

Am Ende erfahren wir eine resignierte Weltsicht, nüchtern und ohne Zukunftsvision oder Hoffnung.

Was bleibt ist die Erkenntnis, dass hier ein Autor wirklich viel vom Leben und von seinen Höhen und Tiefen versteht und dieses Wissen in geeigneter Form dem Leser zu vermitteln versteht. Dr Bogen von erster Liebe bis zum Aus ist weit gespannt und fasziniert von der ersten bis zur letzten Zeile!

Julian Barnes
Die einzige Geschichte
304 Seiten, gebunden
Kiepenheuer&Witsch, Februar 2019
ISBN-10: 3462051547
ISBN-13: 978-3462051544
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Judith Winter: Finsterwald – (4. Buch mit Emilia Capelli und Mai Zhou)

Judith Winter: Finsterwald – (4. Buch mit Emilia Capelli und Mai Zhou)

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Niemand sollte sie finden! Der Mörder hatte sein Opfer gut im Wald versteckt. Doch ein Tierschützer hat hier einen Beobachtungspunkt. Kurz nachdem er die Leiche entdeckt hat, läuft er Kommissarin Emilia Capelli vors Auto und bringt sie zum Anhalten. Die Autopsie ergibt Schreckliches. Eine monatelange Gefangenschaft muss der Tat vorausgegangen sein. Einige Zeit später wird eine Lehrerin ermordet in ihrem Haus aufgefunden. Der Täter hat sie in eine seltsame Position gebracht. So unwahrscheinlich es auch klingt, Emilia Capelli und ihre Kollegin Mai Zhou sehen trotz des ungleichen Tathergangs einen Zusammenhang zwischen den beiden Taten. Sie müssen davon ausgehen, dass ein weiterer Mord geplant ist.

Eine andere Perspektive schildert die unglaublichen Strapazen, die eine Frau, die in einem Kellerverlies gefangen gehalten wird, erdulden muss. Es ist stockdunkel hier, sodass sie, was Raum und Zeit betrifft, völlig orientierungslos ist. Und sie weiß, dass sie so schnell niemand vermissen wird. Sie versucht dennoch einen Plan zu entwickeln, erkennt schließlich eine Möglichkeit und bewahrt sich damit einen Rest Hoffnung.

Emilia Capelli Kollegin Mai Zhou müssen diesen Serienkiller stoppen. Es gibt erschreckend deutliche Parallelen zu einem alten Fall, das ist ein wichtiger Hinweis. Doch der Täter ist in Sicherheitsverwahrung im Kronenhof. Er hat keine Möglichkeit, die Klinik zu verlassen oder Kontakte zu knüpfen. Doch er verfügt über Wissen, das er nicht haben dürfte. Geschickt spielt er seine Karten aus, und treibt damit die Ermittlerinnen in den spürbar Wahnsinn.

Der Krimi ist extrem spannend. Die Autorin lässt Capelli und Zhou Hand in Hand arbeiten, auch wenn sie sich wie bei jedem neuen Fall, nicht immer einig sind. Ihre verschiedenen Sichtweisen und Herangehensweisen sorgen für Abwechslung und regen zu eigenen Spekulationen an. Es bringt die beiden voran, sich auf den anderen einzulassen, Gedanken aufzugreifen und weiterzudenken. Was zunächst abwegig erscheint, wird irgendwann greifbar. Dennoch bleibt die Spur zum Täter unerträglich dünn. Die beiden Ermittlerinnen stehen unglaublich unter Druck. Es fehlt an Zeit. So fühlt man sich auch als Leser gehetzt. Dazu kommen die Szenen aus dem Kellerverlies, die nervenzerreißend sind. Kein Wunder also, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte.

Rezension von Heike Rau

Judith Winter
Finsterwald – (4. Buch mit Emilia Capelli und Mai Zhou)
496 Seiten, broschiert
dtv Verlagsgesellschaft
ISBN-10: 3423217480
ISBN-13: 978-3423217484
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Jan van Es: Das Mädchen mit dem Poesiealbum

Jan van Es: Das Mädchen mit dem Poesiealbum

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Bart van Es hat über eine wichtige Episode seiner Familiengeschichte geschrieben.

Er bedient sich dafür sehr genauer Recherchen über die Nazizeit und den Holocaust in Holland. Es ist auch ein Stück schlimmer holländischer Geschichte!

Das Land wurde schon zu Beginn des Zweiten Weltkrieges von deutschen Truppen besetzt.

Einmal mehr aber wird über den Mut und die Hilfsbereitschaft einer großen Anzahl von Hilfswilligen berichtet. Neben einer starken Widerstandsbewegung gab es wie überall auch Mitläufer und Handlanger des Systems.

Betroffen in diesem Bericht ist Bart van Es selber, als er herausfindet, dass seine Großeltern ein kleines jüdisches Mädchen vorübergehend versteckt hielten, bis sie ihr nach einem Verrat keinen Schutz mehr bieten konnten.

Die dramatische Geschichte von Lien de Jong beginnt 1941. Sie wohnte mit ihren Eltern in Den Haag, als es zu den ersten jüdischen Abtransporten kommt. 1942 schicken die Eltern sie mit einem Poesiealbum und einem Brief auf eine Reise ins Ungewisse. Es beginnt eine Odyssee, deren Verlauf voller Schrecken ist. Das kleine Mädchen wird immer weitergeschickt zu fremden Menschen und Orten. Als ihre Reise beginnt, ist sie 9 Jahre alt. Innerlich schottet sie sich allmählich ab. Wie soll ein Kind auch verstehen, was da mit ihm geschieht? Fühlt sie zuerst noch Kummer und Sehnsucht nach der Mutter, wird ihre Gefühlswelt schließlich ganz vom Sog des Untergangs mitgerissen.

Bart van Es holt weit aus, beschreibt Städte, Orte und Unterkünfte und findet vor allem Kontakt zu Lien, die ihm ihre ganze Geschichte nach und nach erzählt.

Die Familie van Es, aus der Bart van Es stammt, spielte die größte Rolle in ihrem Fluchtleben. Lien fühlte sich dort im Kreise der Kinder, die sie wie Geschwister empfand, sehr wohl. Sie muss das Versteckt verlassen, als sie aufgespürt wird. Und weiter geht es von einem Versteck in das andere, von einem Ort zum anderen und schließlich in die bigotte Familie van Laar, wo sie Dienstmädchenaufgaben verrichten muss.

Nach dem Krieg wünscht sich Lien in die Familie van Es zurück, wo sie auch wieder wie ein eigenes Kind aufgenommen wird, da ihre Eltern im KZ umgekommen sind. Unerklärlicherweise riss der Kontakt zu der Familie Jahre später ab. Warum?

Bart van Es beschreibt in einem angenehmen Tempo und mit zahlreichen intensiven und charakteristischen Ausschmückungen, was dem Mädchen Lien in ihrem jungen Leben alles passiert ist. Er folgt ihrer Lebensgeschichte auch nach dem Krieg und bis in ihr hohes Alter.

Man liest die Beschreibung dieser ganzen Zeit während und nach dem Zweiten Weltkrieg mit Spannung und Empörung darüber, zu was Menschen, auch die angeblich guten, fähig sind. Immer wieder mag man es nicht glauben, wie die jüdische Tragödie während der Nazizeit und danach unser aller Leben und das unserer Nachbarstaaten verändert hat.

Dass es zu menschlichen Missverständnissen und Brüchen in Beziehungen kommen kann, ist eine der Begleiterscheinungen einer Familiengeschichte, die intensiv auch den zwischenmenschlichen Vorkommnissen nachgeht.

Zahlreiche Fotos dokumentieren Liens Leben und komplettieren eine Lebensgeschichte, die voller Dramatik und an guten und schlechten Erfahrungen reich war.

Wiewohl man  denken mag, nun ist es einmal genug mit den Erinnerungsbüchern an die jüdische Geschichte, ist gerade dieses Buch noch einmal von besonderen Bedeutung. Geht es doch hier um ein Familienporträt von außerordentlicher Brisanz in seiner Komplexität des menschlichen Miteinanders.

Die Aufmachung des Buches ist edel, die Übersetzung aus dem Englischen von Silvia Morawetz und Theresia Übelhör gelungen.

Der Autor lebt mit seiner Familie in England und lehrt Englische Literatur in Oxford.

Bart van Es
Das Mädchen mit dem Poesiealbum
320 Seiten, gebunden
DuMont Buchverlag, Februar 2019
ISBN-10: 3832198563
ISBN-13: 978-3832198565
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