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Schlagwort: Einsamkeit

J.D. Salinger: Der Fänger im Roggen

J.D. Salinger: Der Fänger im Roggen

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Kultbuch und literarisches Kleinod.

Nach dem Tod von Jerome David Salinger, abgekürzt und bekannter unter dem Namen J.D. Salinger, der mit 92 Jahren vor kurzem gestorben ist, überschlugen sich die Feuilletons der großen Zeitungen mit Nachrufen auf den berühmten Autor. Ist doch sein bekanntestes Buch „Der Fänger im Roggen“ in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts zum Kultbuch der Jugend der westlichen Welt, vor allem aber in Amerika geworden. Eine ganze Generation von jungen Menschen fanden sich in der Hauptfigur des Holden Caulfied wieder. Ähnlich wie der Schauspieler James Dean verkörperte der Held von „Der Fänger im Roggen“, den aufmüpfigen und widerspenstigen Helden, der die Erwachsenenwelt mit ihren Lügen durchschaut und gegen sie rebelliert.

Holden ist 17 Jahre alt, als er wieder einmal, wie schon einige Male zuvor, von der Schule fliegt. Sein schnodderiger Jugendjargon durchzieht das Buch von der ersten bis zur letzten Zeile. Er widerspricht allen, misstraut vielen und in seinem ununterbrochenen Redefluss erzählt er von seinen Eindrücken über Mitschüler, Lehrer und Geschwister. Seine jüngste Schwester liebt er, seinen ältesten Bruder bewundert er, und den nächsten Bruder betrauert er, denn er starb an Leukämie.

In seiner so vermeintlich coolen Weltbetrachtung bekommen fast alle ihr Fett weg. Ob es die Pickel des älteren Mitschülers sind, die Arroganz oder die vermeintlichen „Weibererfolge“ von anderen, -er lässt kaum ein gutes Haar an ihnen. Aber man spürt, wie er sich  nach Liebe sehnt, und dass er sich aus seiner Haut nicht befreien kann. Ganz versteckt hört man den rührenden Satz: „Ich bin so verdammt einsam“.

Und das ist es wohl: noch nicht erwachsen und kein Kind mehr spiegelt die Erzählung die wechselvollen Gefühle, denen man sich mitten in der Teenagerphase, um das Wort  „Pubertät“ zu vermeiden, ausgesetzt sieht.

Der Roman ist für Jugendliche wie Erwachsene gleichermaßen geeignet.

J. D. Salinger hat nach diesem großen Erfolg nie wieder einen vergleichbaren Roman veröffentlicht. Als junger Mensch hübsch und ansehnlich, war er am Ende ein verknitterter alter Mann, der auf einem der letzten Fotos misstrauisch in die Welt schaut. Er lebte zurückgezogen und misanthropisch bis zu seinem Tode auf seinem Landgut in Cornich, New Hampshire.

J.D. Salinger
Der Fänger im Roggen
Taschenbuch: 269 Seiten
Verlag: Rowohlt Tb. 9. Auflage, Januar 2004
ISBN-10: 3499235390
ISBN-13: 978-3499235399

Nick Cave: Der Tod des Bunny Munro

Nick Cave: Der Tod des Bunny Munro

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Sexbesessenheit und ein verkrachtes Leben.
Bunny Munro ist eine ziemlich verkrachte Existenz. Er ist unterwegs in England, wo er lebt und als Vertreter für Kosmetikartikel Geld verdient und seine Tage verbringt. Mit Sex, Alkohol und Zigaretten vertreibt er sich die Zeit, während seine Frau zu Hause auf ihn wartet. Schon bald wird bekannt, dass sie depressiv ist, eine traurige Mitteilung, wenn man bedenkt, wie viele berühmte und unscheinbare Menschen daran kranken und auch sterben.
Bunny taxiert Frauen vor allem nach ihrer Verwertbarkeit für sein Sexbedürfnis. Dieses zusammen mit seinen anderen animalischen Triebbedürfnissen macht ihn zu einer armseligen Gestalt der Öde und der Leere.
Dann kommt er eines Tages nach Hause und seine Frau Libby hat sich umgebracht. In dem heftigen Durcheinander der Wohnung sitzt sein Sohn Bunny Junior und sieht fern!
Damit ist die Urszene des Buches vorgegeben: es handelt sich um ein psychisch und physisch abgewracktes Paar, das an den armseligen Bedingungen eines äußerst dürftigen Lebens herumlaboriert. Nach dem Tod von Libby steht den beiden Verlassenen, Vater und Sohn, ein trostloses Weiterleben bevor.
Durch das ganze Buch hindurch wird Bunny seine Sexfreuden, alleine oder mit vorübergehenden Partnerinnen, als Trost suchen, während Bunny Junior seine Zeit im Auto oder Hotelzimmern alleine verbringt. Nur teilweise komisch, wie es im Klappentext heißt, mehrheitlich aber traurig folgt man den beiden auf ihrem Weg, der heimatlos und entwurzelt erscheint. Freuden sind bescheiden angelegt: ein Essen zu zweit, Gespräche in Zweisamkeit und auf die Fragen des kleinen Bunny, z.B. warum er nicht wie andere Kinder zur Schule gehen darf, legt sich Munro eine Antwort nach seinen eigenen Bedürfnissen zurecht. Man gewinnt überhaupt den Eindruck, dass hier ein Egoist par excellence am Werke ist. Nur merkt er gar nicht, wie er selber nach und nach zugrunde geht. Die Leere bleibt durch das ganze Buch hindurch spürbar. Unter den verborgenen Strömungen dieser Lebensstrukturen spürt man die Hoffnungslosigkeit und eine Ergebenheit ins Schicksal, die einen schaudern lassen! Bunny wird und kann sich nicht wirklich zu einem beruhigten Leben aufraffen. Verstörend ist die Lektüre, wenn man nicht über die gelegentlich slapstickartig angelegten Ereignisse auch schmunzeln könnte.

Nick Cave ist ein erfolgreicher und berühmter Rockstar. Leben auf der Bühne kommt sicher dem Leben „on the road“ nahe, so dass er aus dem eigenen Leben beim Verfassen des Romans geschöpft haben mag.

Nick Cave
Der Tod des Bunny Munro
Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN-10: 3462041290
ISBN-13: 978-3462041293

Gerard Donovan: Winter in Maine

Gerard Donovan: Winter in Maine

Zuweilen sind es erste Sätze, die einen Leser in Bann schlagen und sofort Neugierde wecken, weiter zu lesen.
Diese Erfahrung verbindet sich für mich mit dem „ Winter in Maine.“

Ruhe, Geruch nach Wald und Holz, Stille und das Knacken der Äste, dazu das prasselnde Feuer im Ofen: hier fühlt man sich wohl, hier möchte man sein! In der Hütte an den Wänden stehen  Bücherregale mit zahlreichen Büchern, erste und seltene Ausgaben sind darunter.

Julius Winsome, ein Mann von 51 Jahren, sitzt in seiner Hütte  hoch oben im Wald nahe der kanadischen Grenze am Feuer und liest. Dann peitscht ein Schuss nicht weit entfernt. Wer könnte da geschossen haben?
Nach kurzer Zeit vermisst der Mann seinen Hund  Hobbes. Es dauert nicht so lange, da findet er ihn angeschossen nicht weit von der Hütte entfernt. Der Tod des Hundes verändert sein Leben und trifft ihn tief.

Er ist ein einsamer Mann, der in Verehrung für und mit seinem Vater lange Jahre zusammen hier in der einsamen Hütte im Wald  gelebt hat. Mit Sätzen wie diesen: „ er war ein freundlicher Mensch, „ und „ solche Menschen gibt es nicht oft “ bis zu dieser besonders charakteristischen Bemerkung „von ihm lernte ich auch, wie man still ist,“ kann man sich ein Bild von Vater und Sohn machen.

Was so still und freundlich beginnt, wandelt sich allmählich in eine zuerst beschauliche und zuletzt gefährliche Lebensgeschichte. Der große Shakespeare begleitet mit seinen Worten und Werken das Leben von Julius Winsome, den nach dem Verlust seines Hundes eine stete Unruhe treibt, der Boshaftigkeit des Menschen auf die Spur zu kommen.

Philosophisch und weise sucht er nach der Fährte des Hundemörders. Er begegnet seiner erneut seiner einzigen Gefährtin, die ihn vorübergehend vor einigen Jahren aus seiner Einsamkeit beglückend erlöst hatte. Schon bald aber kam sie nicht mehr und überließ ihn wieder seinem Leben in der Abgeschiedenheit.

Löst die Ruhe und Stille und der verschneite Wald eher poetische und besinnliche Gedanken aus, so treibt eine unausgesprochene Spannung den Leser in Gedanken zu dem trauernden Mann, der auf Rache am Tod seines Hundes sinnt.
Das Böse und das Gute stehen sich gegenüber. Die anhängliche, arglose Kreatur und der nachdenklich- mitleidige Held bilden eine Einheit, die in Spannung zur Gnadenlosigkeit und Unmenschlichkeit in Gestalt eines plumpen und bedenkenlosen Polizisten steht.
Man ist berührt und steht dem Widerspruch zwischen sensibler Beobachtung und grausamer Handlung ratlos gegenüber.

Das Ende der Geschichte entspricht der Intention des Romans, in dem es um Einsamkeit, Sehnsucht nach Gemeinschaft und Liebe, Verlust, Güte, Verzeihen und die dem Menschen innewohnende Aggression geht. Eine ungewöhnliche  und widersprüchliche Geschichte bringt den Leser ganz nahe an die existenziellen Gefühle des Menschen und stimmt nachdenklich, anregend, traurig und wütend.

Gerard Donovan ist ein Meister der überzeugenden Erzählkunst, der sich in die Herzen der Leser hineinschreibt, weil man sich seiner menschlichen Wärme und Anteilnahme nicht entziehen kann.

Gerard Donovan
Winter in Maine
Gebunden 208 S.
Luchterhand
ISBN-10: 3630872727
ISBN-13: 978-3630872728
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Die Einsamkeit des Thomas Cave

Die Einsamkeit des Thomas Cave

Der Debütroman von Georgina Harding in ein literarisches Kleinod!
Es geht um Abenteuer, um Walfang, das ewige Eis, den Gottesglauben, um menschliche Tragödien und psychologische Einsichten von höchster Klarheit.

Die Heartsease, ein Dreimaster, befindet sich weit im Norden zum Walfang. Der kurze arktische Sommer des Jahres 1616 neigt sich dem Ende zu, und die Heimreise ist beschlossene Sache.

Unter den Männern des Schiffes herrscht ein raues Klima. Zwei Seeleute schließen eine Wette ab, denen sich noch andere anschließen: es geht darum, ob man alleine in der eisigen Kälte mit ihren Stürmen, in der Dunkelheit und mit der aufwendigen Nahrungssuche den arktischen Winter überleben könne.
Thomas Cave, ein ruhiger und gesetzter Mann, hat seine Überzeugung geäußert, dass er dieses Experiment wagen werde. Die Wette gilt!

Er berichtet in einem Logbuch er über seine Erlebnissen auf einer nicht verzeichneten Insel von Spitzbergen im Winter 1616-1617.

In einem ruhigen und der Stille der Landschaft Rechnung tragenden Erzählstil nimmt eine Geschichte ihren Lauf, die von feiner poetischer Schönheit und Ausdruckskraft ist. Das Licht und die glänzende Eiswelt, die Berge und der langsam schwindende Mond, Sonne und Sterne sind in ungewohnter Klarheit zu sehen. Sie oszillieren das Licht, bevor die lange Winternacht anbricht.
Cave richtet sich ein, sorgt für Vorräte, sammelt Holz aus gestrandeten Planken und schießt das Wild, so lange es noch zu erkennen ist. Bald schon gesellt sich zu dem ewigen Winter eine Totenstille, bei der man nur noch das eigene Ohrenrauschen hört.
Über die Qualen der Einsamkeit und den Kampf ums Überleben in der Eiswüste mit ihren Naturgewalten, dem Eis und Schnee wird abenteuerlich berichtet.
Zeit und Raum scheinen eins zu werden unter dem gläsernen Himmel mit dem Brausen von Stürmen, die ungeahnte Kräfte entfachen.

Thomas Cave ist ein Held. Sein Wille, seine Erfahrung und seine Weisheit bestimmen den Gehalt der Geschichte.
Mit rationalem Verstand sucht er sich selber in seiner Ausnahmesituation zu beobachten und hält seine Betrachtungen in seinem Logbuch fest.
In seinen Alpträumen und den einsamen Nächten umgaukeln ihn Figuren aus seiner Vergangenheit.
Er hatte eine Frau und ein Kind, und er hatte in Dänemark ein Zuhause gefunden.
Unaufdringlich und sparsam wird über seine Gedanken berichtet, die ihn heimsuchen. Alten Gemälden gleich kann man sich eine Frau vorstellen, die im Kindbett stirbt, während die Frauen und Mägde ihr zu helfen versuchen.

Die historische Recherche ist gründlich. Selbstverständlich und wie nebenbei gehören Gebete und Zwiegespräche mit Gott zum Leben dazu. Der Mythos des ewigen Eises und ein Männlichkeitswahn, der bis in unsere Tage reicht, findet in der Figur von Thomas Cave Gestalt. In harscher Kulturkritik wird gezeigt, wie sich die Jäger der Wale und die Robbenfänger einen Spaß daraus machen, eine Robbe bei lebendigem Leibe zu häuten und in diesem Zustand dem Meer zu überlassen. Eine Blutspur markiert das Ergebnis!

Ebenso klar wird inhaltlich Zivilisationskritik geübt, mit der die Urbanisierung der Natur als Ursache epochaler Veränderungen des Klimas und der Meeresressourcen aufs Korn genommen wird.

Die weise Abgeklärtheit des Thomas Cave bestärkt uns in dieser Anschauung. „Wir hätten niemals dorthin fahren dürfen“ ist sein Fazit.

Neben den angemessen kritischen Eindrücken ist die Geschichte über das ungewöhnliche Leben des Thomas Cave mit einem stoischen Gleichmaß ausgestattet. Als wäre man selber an diesem Ort der Stille und Entsagung, folgt man mit anhaltender Spannung dem Bericht. Die vielfach gepriesene Schönheit der Natur und die flüchtig angedeuteten Erinnerungen erzeugen einen Klang, dem man gerne folgt!

Claudine Borries

Georgina Harding
Die Einsamkeit des Thomas Cave
Literarisches Kleinod
ISBN:3827007259
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