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Schlagwort: Liebe

Kate Atkinson: Glorreiche Zeiten

Kate Atkinson: Glorreiche Zeiten

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Familiensaga mit charaktervollen Einzelschicksalen

Versehen mit wechselnden Jahreszahlen wird in diesem neuen Roman von Kate Atkinson über das 20. Jahrhundert hinweg von einer besonderen Familiensaga berichtet.

Angefangen mit Hugh und Silvie 1927 über ihren Sohn Teddy mit seiner Frau Nancy 1939-47 bis zu deren Tochter Viola und ihren Kindern in den sechziger Jahren erleben wir verschiedene Episoden, die als markante Eckpunkte in der Familiengeschichte angesehen werden können.

Wir befinden uns in England, wo die Familien ihrem Tageslauf nachgehen.

Die zwanziger Jahre bieten das Bild in Politik und Gesellschaft zu ihrer Zeit, die Kriegsjahre 1939 -1945 die andere Seite der Geschichte.

Die sechziger Jahre schließlich mit der unsteten Viola, Teddys und Nancys Tochter, zeigen die Auflösung alter Familienstrukturen mit ihren fest gefügten Normen und Regeln.

Im Zentrum der Geschichte steht Teddy, an dessen Lebenslauf in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sich die Erzählung orientiert.

Er hat seine Sandkastenliebe Nancy geheiratet, die mit Geschick ihrer beider Leben durch die Stürme des Lebens leitet. Am Lebensstil ihrer sehr verspätet geborenen Tochter wird man in die Umbruchjahre der 68 ziger Generation erinnert.

Liebe, Vergehen, Elternschaft, Geburt und Tod sind die Eckpfeiler des Lebens. Hier werden sie dokumentarisch am Beispiel einer Familie festgemacht.

Teddy ist ein Träumer und Fantast, der die Langeweile des Lebens schon lange satt hat. Doch wie ein Leben aufgeben, das Sicherheit, Stabilität und Geborgenheit bietet?

Der opulente Familienroman bietet zur Unterhaltung alles, was das Herz begehrt. Es gibt die gut geratenen und die weniger gut geratenen Kinder, die, die geliebt wurden und die, die es weniger gut hatten in ihrer Kindheit. Der jeweiligen Zeit gemäß sind die Verhaltenweisen und Umgangsformen untereinander. Der zweite Weltkrieg bietet einen Umbruch, der zur Prüfung für die damals Jungen wurde. Dieser Teil der Geschichte nimmt breiten Raum ein.

Doch auch Geschwisterliebe, Neid oder Eifersucht bleiben in der Erzählung nicht ausgespart. Man taucht ein in die Welt der Familien und hört erst auf zu lesen, wenn mit dem Tod Teds alle Zusammengehörigkeit ein Ende gefunden hat. Jeder ist seinen eigenen Weg mehr oder weniger erfolgreich gegangen. Die Schicksale und Charaktere sind vielfältig. Das Jahrhundert bekommt am Beispiel dieser einen Familie Konturen, die den Leser noch einmal tief in die Vergangenheit eintauchen lassen.

Was am Ende bleibt: eine gute Unterhaltung!

Kate Atkinson
Glorreiche Zeiten
512 Seiten, gebunden
Droemer HC, November 2015
ISBN-10: 3426281295
ISBN-13: 978-3426281291
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Jonathan Franzen: Unschuld

Jonathan Franzen: Unschuld

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Purity, genannt Pip, hadert mit sich und der Welt. Sie ist ohne Vater aufgewachsen. Ihre Mutter weigert sich, ihrer Tochter auch nur den kleinsten Hinweis zu geben. Das führte seit Pips Kindheit zu einem Kleinkrieg mit der Mutter, der sich in einem ständigen Hin und Her zwischen Hass und Liebe zeigt.

Pip arbeitet im Direktmarketing bei einer Firma, die „Lösungen“ anbietet. Schwerpunkte sind Klimawandel, Energieressourcen und andere ökologische Themen. Doch schon bald merkt sie, dass sie mit ihrer telefonischen Akquise die Menschen in Verträge drückt. Das entspricht so gar nicht ihrer eigenen Lebensauffassung. Da lernt sie die Deutsche, Annagret, kennen. Die vermittelt Pip einen Job bei dem als Hacker und Whistleblower bekannten Andreas Wolf. Bevor Pip nach Bolivien, dem geheimen Unterschlupf von Wolfs Unternehmen, reist, startet sie einen letzten Versuch bei ihrer Mutter, etwas über ihren Vater zu erfahren und droht ihr, zu Andreas Wolf zu gehen, der ihr bei der Suche nach dem Vater helfen wird.

So weit der erste Teil des Romans „Unschuld“ vom sehr gut deutsch sprechenden Jonathan Franzen. Der zweite Teil liest sich wie ein eigenständiger Roman. Der Leser lernt Andreas Wolf kennen, der in der DDR aufgewachsen ist. Sein Nachname lässt erkennen, dass er zum großen Familienclan der „Wolfs“ gehört. Friedrich Wolf war ein überaus bekannter Schriftsteller, Konrad Wolf ein sehr guter Filmregisseur und dessen Bruder Markus Wolf war Chef der Auslandsspionage bei der Staatssicherheit der DDR. Vor diesem Hinterghrund erhielt die Figur des Whistleblowers und Dissidenten einen Vater, der Mitglied des Zentralkomitees der SED war. In diesem Teil erfährt der Leser auch von der Liebesbeziehung zwischen Annagret und Andreas Wolf, ohne jedoch allzusehr in das Romantische zu verfallen.

Im dritten Teil wird von Leila berichtet, die investigativ recherchiert und Pip bei sich aufgenommen hat. Pip arbeitet inzwischen bei der Organisation Andreas Wolfs, spielt in diesem Teil eine eher untergordnete Rolle. Viel spannender sind Leilas Recherchen und die Machenschaften der kriminellen und/ oder politischen Elemente.
Obwohl Franzen auch diesen Roman wieder wortgewaltig und unterhaltsam (subtile Ironie lässt er selten vermissen) schreibt, übertrifft er in meinen Augen nicht seinen Roman „Die Korrekturen“. Auch, wenn es erneut um eine Familiensaga geht. Immer wieder stößt man auf langwierige Passagen, die der Lust am Lesen entgegenstehen. Hätte ich nicht schon andere Romane des Schriftstellers und diesen Klappentext, der mir bereits verrät, wohin die Geschichte gehen soll, gelesen, hätte ich wahrscheinlich nach spätestens fünfzig Seiten abgbrochen und mir das darauffolgende Lesevergnügen versagt. Indem ich das nicht tat, wurde ich belohnt mit eines faszinierenden Lebensgeschichte verschiedener Figuren. Denn hier gibt es nicht nur einen Protagonisten, jede der Figuren ist facettenreich und höchst interessant.

Erstaunlich fand ich den Abschnitt um Andreas Wolf in der Zeit von den 1960er Jahren bis zur Wendezeit 1989/1990. Sehr gut recherchiert kommt Franzen dem tatsächlichen Geschehen verdammt nahe, was nicht zuletzt an der Unterstützung von Thomas Brussig gelegen haben mag, der ja bekanntlich sehr erfolgreiche „DDR-Romane“ schreibt.
Trotz zwischenzeitlicher Überlängen hat mich dieser Roman gefesselt. Wie auch bei seinen anderen Romanen werden die Protagonisten in separaten Teilen vorgestellt. In komplexen Situationen gibt er den Figuren Raum, um sich den Lesern zu präsentieren. Nur selten erfolgen unmittelbare Rückgriffe auf die anderen Teile, was alleine schon wegen der nicht chronologisch verlaufenden Teile schwierig sein dürfte. Erst im Großen und Ganzen werden die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Figuren aufgelöst und sichtbar. Mit jeder Seite, die man liest, fügt sich ein Rädchen ins andere, und man kommt in den Rhythmus der Gesamthandlung. Diese außergewöhnliche Komposition der einzelnen Teile, die jeder in einer anderen Zeit zu spielen scheinen, hat mich stark beeindruckt.

Weiterhin beeindruckt hat mich die Genauigkeit, mit der Franzen die Stimmung und Verhältnisse in der DDR wiedergibt. Von der oberflächlichen Arbeitsweise der Amerikaner keine Spur. Außerdem hat mir die leise Ironie gefallen, mit der der Autor beispielsweise die Naivität der Jugend in ihrem Drang nach „etwas bewegen wollen“, oder auch den Aufstieg eines DDR-Bürgers zum Whistleblower, oder das schwierige Verhältnis zweier sich Liebender, beschreibt. Schließlich setzte ich mich am Ende des Romans in meinem Sessel zurück, atmete durch und dachte: Was für eine Geschichte.

Franzen, Jonathan
Unschuld
Aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell und Eike Schönfeld
Rowohlt Verlag
ISBN 9783498021375

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015
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Oliver Schlick: So kalt wie Eis, so klar wie Glas

Oliver Schlick: So kalt wie Eis, so klar wie Glas

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Cora Dorneyser erfährt erst nach dem tragischen Tod ihrer Mutter, dass sie einen Großvater hat. Obwohl schwer erkrankt und im Rollstuhl sitzend, gibt er ihr Rückhalt und lädt sie nach Rockenfeld ein. Coras Großvater hat sich einer alten traditionellen Handwerkskunst verschrieben. Er fertigt Schneekugeln. Die erste und einzige unzerbrechliche Kugel soll seinem Urahn einer Legende zufolge direkt vom Teufel übergeben worden sein. Cora ist fasziniert von der einzigartigen Kunst. Sie hat ein neues Ziel vor Augen und möchte sich zur Kugelmacherin ausbilden lassen. Doch als sie dem geheimnisvollen Niklas begegnet und ein Gespräch zwischen ihm und ihrem Großvater belauscht, wird ihr klar, dass sich um die Schneekugeln ein Geheimnis rankt.

Im Dorf gehen seltsame Dinge vor. Nicht jeder ist von ihrer Ankunft begeistert und schon gar nicht davon, dass sie in die Fußstapfen ihres Großvaters treten will. Elsa, mit der der Großvater eng befreundet ist, hilft ihr, sich in Rockenfeld einzuleben. Bei ihr darf sie wohnen. Und auch im nahen Internat, wo sie ihren Schulabschluss machen soll, findet sie bald jemanden, mit dem sie Freundschaft schließen kann, während sie von anderen Schülern sehr befremdlich behandelt wird.

Alles was geschieht, hat seine Gründe. Das winterliche Rockenfeld wird zum Schauplatz übernatürlicher Kräfte, die außer Niklas niemand einzuschätzen weiß. Cora ahnt nicht, wie tief sie eingebunden ist in eine Legende, von der bisher niemand glaubte, dass sie wahr sein könnte.

Die Geschichte hat einen sehr geheimnisvollen Charakter. Das winterliche Rockenfeld ist die perfekte Kulisse dafür. Man kann die frostige Kälte fast spüren und die zauberhaften Schneeflocken sehen!

Der Autor rollt eine wirklich perfekte Handlung auf, die mir von Anfang bis Ende sehr gut gefallen hat. Auch die handelnden Personen sind gut gezeichnet, wobei Elsa immer etwas über die Stränge schlägt. Sie ist eine laute Person, was der Geschichte zwar Humor verleiht, ihr aber auch etwas von dieser unheimlichen Wirkung nimmt.

Die Schneekugeln sind sehr interessante und märchenhaft wirkende Requisiten, die immer mehr an Faszination gewinnen. Das überrascht doch sehr.

Der Autor hat einen sehr schön fließenden Schreibstil. Die Geschichte hat mich gefangen genommen und immer wieder aufs Neue überrascht.

Rezension von Heike Rau

Oliver Schlick
So kalt wie Eis, so klar wie Glas
384 Seiten, gebunden
Ueberreuter Verlag
ISBN-10: 3764170433
ISBN-13: 978-3764170431
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Zeruya Shalev: Schmerz

Zeruya Shalev: Schmerz

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Wie lebt es sich mit andauerndem Schmerz?

Iris ist Mutter zweier heranwachsender Kinder. Sie lebt in Israel und ist verheiratet mit Micki, der lieb und fürsorglich ist. Doch das wahre Glück empfindet sie mit ihm nicht!

Als sie vor zehn Jahren bei einem Attentat schwer verletzt wurde, blieb für immer ein körperlicher Schmerz, der sie zermürbt. Doch daneben gibt es einen anderen Schmerz, einen, der sie tiefer berührt, als der körperliche. Ihre frühe Jugendliebe Eitan hatte sich nach dem Tod seiner Mutter von ihr getrennt. Sie wusste nicht warum, doch sie empfand diesen Schmerz ebenso nachhaltig und beklemmend, wie den körperlichen Schmerz. Hier ist die Schnittstelle, die erklärt, dass der seelische und der körperliche Schmerz identische Pein auslösen können.

Zeruya Shalev schreibt ihre Geschichte von Iris in einem traumähnlichen und visionären Stil. Immer wieder tauchen Fragen nach der Vergangenheit auf. Iris sinniert und fantasiert und wird von ihren körperlichen und seelischen Schmerzen geschüttelt.

Eines Tages trifft sie Eitan nach dreißig Jahren auf einer Krankenstation wieder. Er ist Arzt und Schmerztherapeut. Sie kann es nicht fassen und folgt ihm, sucht ihn, trifft ihn. Wie soll ihr Leben weitergehen?

In einer langen Abhandlung folgt die Autorin den Spuren der Vergangenheit von Iris. Kann man versäumtes Glück nachholen?

Ist die Gegenwart mit der abdriftenden Tochter Alma nicht bedrängend genug, um sich Rechenschaft abzulegen über das, was war und was heute ist?

Der Reiz der Erzählung liegt in dieser taumelnden, schmerzhaften Befindlichkeit, der Zeruya Shalev beredt Ausdruck zu geben vermag. Der Erzählstrang dreht sich neben dem Alltag immer wieder um die Vergangenheit. Die Liebe zwischen Müttern und Töchtern wird ebenso thematisiert wie deren Heranwachsen und die Folgen einer lange bestehenden Ehe. Iris und Micki, der Sohn Omer und Alma sind alle auf ihre Weise in Entwicklungen verstrickt, die auf unterschiedliche Wege der Bewältigung warten.

Zeruya Shalev ist eine überzeugende Erzählerin, deren Geschichten durch lang anhaltende Reflexionen zu fesseln verstehen. Ihre Familiengeschichten sind generell von wechselnden Stimmungen, Erkenntnissen und Entwicklungen bestimmt. Subjektive Sichtweisen der einzelnen Protagonisten führen zu Missverständnissen, und eigene Anteile unerfüllten Lebens bringen Aufruhr und Unruhe in das gemeinsame Leben. Ihre Sprache ist eindringlich, poetisch und zuweilen fast biblisch in ihrer Diktion. Sie beschreibt emphatisch, wie es tief im Inneren ihrer Figuren aussieht.

Zeruyas Shalevs ist eine hoch angesehene israelische Autorin, deren Werke in viele Sprachen übersetzt wurden. Die Übersetzerin Mirjam Pressler darf man ebenfalls für ihre Übersetzungen rühmen.

Zeruya Shalev

Schmerz
368 Seiten, gebunden
Berlin Verlag, September 2015
ISBN-10: 382701185X
ISBN-13: 978-3827011855
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Bregje Hofstede: Der Himmel über Paris

Bregje Hofstede: Der Himmel über Paris

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Fluch und Segen der Liebe…

Mit feinem Stift und klugen Worten erzählt die Autorin Bregje Hofstede von einem Paar, das sich auf ungewöhnliche Weise kennen lernt und sich zu einander hingezogen fühlt.

Der mittel alte Professor der Kunstgeschichte Olivier soll sich auf Bitten seines Dekans um eine junge holländische Studentin kümmern, die er vorübergehend bei sich aufgenommen hat. Diese erinnert Olivier in auffallender Weise an seine frühe Jugendliebe Mathilde. Immer wieder muss er hinschauen und sich wundern über diese Ähnlichkeit!

Seine jetzige Freundin Sylvie, mit der er nicht zusammen lebt, ist patent und gegenwärtig. Die frühere Freundin aber lebt noch immer in seinen Fantasien in ihm fort.

Zuerst nur zögerlich, dann immer interessierter beschäftigt sich Olivier mit Fie, wie die junge Studentin heißt. Er lässt sich dazu herab, ihre Übungen zu Kunstbetrachtungen zu überprüfen und mit ihr zu diskutieren. Fie ist spröde, zurückhaltend und wartet ab.

Mit diesem Beginn ist schon alles gesagt, was in dem Roman der jungen Autorin abgehandelt wird.

Verstrickt in Vergangenes und fasziniert vom Gegenwärtigen gerät der renommierte Professor immer tiefer in eine Lebenskrise. Sein ganzes bisheriges Leben kommt dabei auf den Prüfstand. Am Ende steht nicht mehr ein Stein auf dem anderen. Es gilt, neue Perspektiven zu finden und nach ihnen zu leben.

Bregje Hofstede erzählt prägnant und weitblickend. Was Menschen mit ihrem Leben anfangen, und was aus ihnen werden kann. Scheu und verloren wirken die einen, stark und sicher die anderen. Die junge Studentin verantwortet mit ihrem Verhalten allerlei Widrigkeiten, unter denen Olivier unterzugehen droht. Die Nebenfiguren bieten die Reibungsfläche, unter der Schicksale zu zerschellen drohen.
Gelegentlich verwischen die Konturen zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Ist das aber nicht im wirklichen Leben sehr ähnlich?

Menschen können an sich selber verzweifeln, wenn sich Wahrnehmung und Fantasie vermengen.

Es geht in dem Roman um Liebe, Treue und Zuverlässigkeit und um Rache und Verrat.

Eine erstaunlich einfühlsame Studie ist der jungen holländischen Autorin und der Übersetzerin Heike Baryga mit diesem Roman gelungen.

Bregje Hofstede
Der Himmel über Paris
224 Seiten, gebunden
H.Beck, August 2015
ISBN-10: 3406683436
ISBN-13: 978-3406683435
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Irene Ruttmann: Adèle

Irene Ruttmann: Adèle

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Die Notizbücher sind abgegriffen. Erst lange nach dem Tod ihres Vaters beschließt die Tochter, darin zu lesen. Der erste Eintrag wurde im Sommer 1916 gemacht. Der Vater ist Anfang 20. Er hat sich freiwillig zum Sanitätsdienst gemeldet. Im Dezember 1916 ist er an der Aisne in Frankreich. Hier soll nach schlimmen Wochen etwas Ruhe einkehren. Es ist eine Zeit des Wartens in Ungewissheit. Als Kameraden unter Bauchschmerzen leiden, weiß Max, was helfen kann. Im Ort hatte er eine Apotheke gesehen und macht sich auf den Weg, um Salbeiblätter zu beschaffen. Das Geschäft hat nicht geöffnet. Ein Haus gegenüber weckt sein Interesse. Es hat einen Garten und hier könnte es auch Salbei geben. Er macht sich auf die Suche, ist aber nicht allein. Eine junge Frau sitzt hinter dem Haus auf einer Bank. Sie spricht kaum Deutsch und er auch nur ein paar Worte Französisch, dennoch gelingt eine Verständigung. So kehrt Max nicht mit leeren Händen zum Quartier zurück. Lange reicht der kleine Vorrat jedoch nicht. Wieder muss Max zu Adèle. Die beiden verlieben sich ineinander. Es ist eine Liebe auf Zeit, denn der Krieg geht weiter.

Die Autorin erzählt die Geschichte auf eine sehr schlicht wirkende Art und Weise, die dennoch die Vorstellungskraft anspricht und vor allem auch das Mitgefühl des Lesers weckt. Eine tiefe Melancholie liegt zwischen den Zeilen. Es gibt keine Zukunft für die Liebenden, denn Max wird gezwungen sein, weiterzuziehen. Die kurzen Zusammenkünfte sind gestohlener Zeit zu verdanken. Und Max wagt mit seinen Besuchen viel zu viel. Jedes Treffen kann das letzte sein. Auch ohne Abschied könnte die Liebe ein Ende nehmen. Es schmerzt unendlich, sich in dieser Gewissheit zu begegnen. Die Geschichte berührt. Die Autorin beschränkt sich auf Wesentliches. Die Handlung wird nicht besonders ausgeschmückt. Aber es sind gerade die nicht gesagten Worte, die die Tragik verdeutlichen.

Rezension von Heike Rau

Irene Ruttmann
Adèle
160 Seiten, gebunden
Paul Zsolnay Verlag
ISBN-10: 3552057382
ISBN-13: 978-3552057388
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Beate Sauer: Der Stern der Theophanu

Beate Sauer: Der Stern der Theophanu

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In diesem historischen Roman wird die Geschichte der byzantinischen Prinzessin Theophanu erzählt. Diese junge Prinzessin wird im Jahre 972 aus machtpolitischen Erwägungen heraus mit dem Anwärter auf den deutschen Thron, dem jungen Otto II. verheiratet. Zu dieser Zeit ist die Macht des Kaisers, der im Geiste der römischen Cäsaren sowohl die weltliche als auch die kirchliche Macht beherrschen möchte, nicht unangefochten. Ebenso strebt der byzantinische Herrscher nach der großen Macht. Die Heirat zwischen dem jungen Mädchen Theophanu und dem Kaisersohn Otto dient also der Befriedigung der beiden großen Mächte. Die Eingewöhnung in der neuen Heimat fällt dem jungen Mädchen aus der südländischen Metropole der damaligen Welt jedoch schwer, denn nicht nur in den deutschen Gefilden, sondern auch am Kaiserhof selbst ist das Klima rau, sehr rau. Erst nachdem sich Theophanu unerwartet und dennoch leidenschaftlich in ihren sympathischen Gatten verliebt, wird ihr das Fremde in dieser Welt vertraut. Es gelingt ihr jetzt nicht nur, den Männern, die sich ihr in den Weg stellen, sondern auch ihrer Schwiegermutter Adelheid die Stirn zu bieten. Darüber hinaus kämpft sie beherzt an der Seite Ottos um die deutsche Kaiserkrone.

Um das große Reich zu befrieden, reisen der Kaiser und seine Gattin mit dem gesamten Hofstaat durch die Ländereien. Es gab zu damaliger Zeit keinen festen Stammsitz an einem einzigen Ort, der Kaiserhof hatte mehrere Stammsitze die so genannten Pfalzen, von denen aus regiert und Gericht gehalten wurde. Theophanu begleitet ihren Mann und bestärkt ihn in seinen Entscheidungen. Sie gebiert ihm Kinder und auch den möglichen Stammhalter, der ebenfalls den Namen Otto erhält. Der Widersacher hat Otto viele sowohl am Hofe als auch im Umfeld unter den zahlreichen Fürsten. Nicht nur Theophanu sondern auch ihr Gatte wird von vielen Fürsten angefeindet, besonders von Heinrich von Bayern, der als sein Kosein ebenfalls Anspruch auf die Kaiserkrone erhebt.

Die Autorin Beate Sauer hat akribisch recherchiert und viele Fakten in diesem fiktiven Roman eingearbeitet, um die Geschichte lebendig werden zu lassen. In einem langen Nachwort erläutert sie, an welchen Stellen sie die Wahrheit etwas gebeugt hat oder wo sie der Wahrheit etwas hinzugefügt hat, um dem dramaturgischen Handlungsstrang noch mehr Plausibilität und Spannung zu verleihen. Sie gibt mit diesem Roman ein ziemlich exaktes Gesellschaftsbild der damaligen Zeit wider. Viele Begebenheiten sind in Dokumentationen und Sachbüchern nachzulesen. So wird auch der Königsraub von Kaiserswerth, in welchem Otto III. als Kind durch Heinrich von Bayern entführt wurde, aus einer ganz spezifischer Sicht geschildert.

Wer in die deutsche Geschichte eintauchen möchte und die Welt von Theophanu und Otto II. erleben möchte, der ist mit diesem Roman bestens beraten. Er ist unterhaltsam spannend und gut fundiert. Diesen Roman empfehle ich sehr gerne.

Sauer, Beate
Der Stern der Theophanu
Goldman Verlag, München
ISBN 9783442468164
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Lucy Clarke: Der Sommer, in dem es zu schneien begann

Lucy Clarke: Der Sommer, in dem es zu schneien begann

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Ambitiös und fantasievoll kommt ein Roman daher, der sich bestens zum Schmökern eignet.

Nachdem Eva seit kurzem das höchste Eheglück mit ihrem Mann Jackson genießt, fällt sie in tiefste Tiefen, als er unerwartet beim Angeln verunglückt. Kann man sich ein größeres Unglück vorstellen? Sie lebte mit ihm in London in einer schönen Wohnung, in der sie plötzlich alleine ist.

Eva reist nach Tasmanien, der Heimat von Jackson, um Trost bei seinem Vater und Bruder zu finden. Doch hier beginnt eine lange Geschichte, die einen auf Wogen der Erinnerung in das vergangene Leben von Jackson spült.
Schon zwischen den Zeilen darf man alsbald wahrnehmen, dass das Glück mit diesem Mann auf tönernen Füßen stand.
Wunderschöne Meeresbeschreibungen bereichern den Blick auf Tasmanien, einer vor Australien gelegenen Insel. Jacksons Bruder Saul arbeitet an einem Strand als Meeresbiologe. Eva darf die Hütte nebenan bewohnen. Saul lässt sie nach anfänglichem Zögern an seinen Meereserkundungen teilnehmen. Bahnt sich da etwa ein neues Glück an? Die gemeinsamen Tauchgänge und spürbare emotionale Erregungen legen die Vermutung nahe.

Ein leichtes Leben scheint hier zu herrschen, und Eva beginnt fast ein wenig, ihr Unglück zu vergessen.
Was so dramatisch beginnt, entwickelt sich zu einer sehr geheimnisvollen Erzählung, in der nichts mehr an seinem Platz zu bleiben scheint.

Schmissig, gefühlvoll und voll berückender Lust und Liebe setzt eine komplizierte Kriminalgeschichte der äußerst fantasiereichen Erzählung zuletzt die Krone auf.

Lucy Clarke hat eine spannende Geschichte erfunden. In ihr wimmelt es nur so von Überraschungen, Geheimnissen und unerwarteten Eröffnungen über Jackson. Die Lektüre ist sehr unterhaltsam, zuletzt auch immer spannender, so dass man sich gemächlich den geheimnisvollen Hintergründen im Leben eines rätselhaften Mannes nähert.
Literarischen Anspruch darf man nicht erwarten. Das Buch ist im besten Sinne ein Schmöker für öde Regen – oder Ferientage.

Lucy Clarke
Der Sommer, in dem es zu schneien begann
400 Seiten, broschiert
Piper, April 2015
ISBN-10: 3492060129
ISBN-13: 978-3492060127
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Carola Saavedra: Blaue Blumen

Carola Saavedra: Blaue Blumen

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Liebe, Verlust, Leben, Leidenschaft…

Ein Mann und ein Frau geraten sehr zufällig in einen geheimen Kontakt zueinander.

Die Frau schreibt Liebesbriefe an ihren verflossenen Liebhaber, die sie an die Adresse richtet, in der mittlerweile ein anderer Mann wohnt.

Wortgewandt im Ausdruck und tiefschürfend in den Gefühlen kann man den Liebesbriefen entnehmen, dass die unbekannte Frau ihren Freund sehr geliebt hat. Sie lässt in ihren Schilderungen keine Einzelheiten dieser für sie mit Sehnsucht nach Glück besetzten Beziehung aus. Ihr Liebhaber hat sie verlassen, und nun geht sie in ihren Gedanken den gemeinsamen Erlebnissen und gelebten Erinnerungen nach. Indem sie ihn direkt anspricht, wähnt man die Frau in einer Art Selbstgespräch mit dem verflossenen Liebhaber. Die langen Monologe bieten Erinnerungen, gute, schlechte, traurige und melancholische.

Der fremde Mann, der in den Besitz dieser an einen anderen gerichteten Briefen gelangt, wird neugierig und gerät nach und nach ganz in den Bann der für ihn so fremden Frau. Doch er ist selber ein Verlassener, der ab und zu seine dreijährige Tochter bei sich hat. Er fühlt sich fremd in seiner Haut mit dem kleinen Kind und einer Frau, die ebenfalls die Trennung herbeigeführt hat.

Mit zahlreichen Beispielen und Wendungen in der Wortwahl darf man sich in eine Welt hinein versetzen, in der Gefühle aufgespürt und aufgerührt werden, die beide Protagonisten im tiefsten Inneren anrühren und verbinden.

Während die Briefschreiberin merkwürdig fleischlos wirkt, ist der Mann auch im Alltag zu sehen: er führt Gespräche mit neuen Liebhaberinnen, mit seiner Exfrau, seinem Kind und seiner Sekretärin. Er ist ein trauriger und ganz in sich zurück gezogener Zeitgenosse. Voller Melancholie verirrt er sich in seinen Phantasien zu der geheimnisvollen Briefschreiberin, von der er sich ein illusionäres Bild macht. Sie ist ja nicht greifbar, nicht real und nur immer in ihren sehnsuchtsvollen Briefen vorhanden.

Insgesamt ist der Roman von tiefer Melancholie, Resignation aber auch Leidenschaft und Einsamkeit getragen. Fiktion bestimmt das Leben der Protagonisten, die den Weg ins reale Leben nicht zu bewältigen scheinen.

Die Geschichte bietet ein nachdenkliches und poetisches Bild einer Welt zwischen Traum und Wirklichkeit.

Das Ende bietet noch einmal eine überraschende Wende, in der so recht deutlich wird, wir leicht wir von unseren Phantasien überwältig werden können, die uns ein Leben mit Leidenschaft und Glück verheißen wie es sie in dieser reinen Form wohl niemals gibt.

Maria Hummitzsch ist eine kongeniale Übersetzerin. Man lese das Buch in einer ruhigen Stunde, um sich ganz dem Eindruck des Lebens dieser beiden Hauptfiguren zu überlassen.

Carola Saavedra
Blaue Blumen
223 Seiten, gebunden
C.H.Beck, März 2015
ISBN-10: 3406675670
ISBN-13: 978-3406675676
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Martin Suter: Montecristo

Martin Suter: Montecristo

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Martin Suter ist der Meister des intelligenten Thrillers. Auch dieser neue Roman macht da keine Ausnahme!

Worum geht es?
Jonas Brand ist Videojournalist, der mit seinen Reportagen nicht unbedingt reich zu werden verspricht. Zu gerne wäre er Filmregisseur. Er hat auch schon eine Geschichte für einen Film im Kopf.

Auf einer Zugfahrt mit Personenschaden, sehr häufig verursacht durch Suizid, lernt er die Eventmanagerin Marina Ruiz kennen. Man kommt sich rasch näher, und beide haben sich viel zu erzählen.

In wechselnden Szenen erfährt man, dass in Jonas Wohnung eingebrochen wurde. Kurz drauf wird er auch noch auf der Strasse überfallen. Er trägt ein Geheimnis mit sich, dass entsprechende Verfolger auf seine Spur getrieben haben könnten. Was nur ist die Ursache dieser verschiedenen Überfälle?

Suter führt uns in die aufregende und skrupulöse Welt der Banker, Gewinnler und Börsenmakler. Bis in die höchsten Kreise gibt es unerklärliche Morde und Totschlag. Über fatale Verdächtigungen bis zum vollendeten Mord weiß Suter in seinem Roman zu berichten. Er steigert den Thriller zu einem wüsten Bankenskandal mit Ausläufern in die höchsten Schweizer Regierungskreise. Das alles ist spannend und reizvoll und nicht nur irreal: man weiß von den Skandalen um die lehmann brothers bankhaus ag in New York und kann sich vorstellen, dass sich in diesem Thriller Anteile aus dem wahren Leben wiederfinden.

Von Geheimnissen zu Betrug und Verfolgungsjagden werden wir getrieben. Letztere sind subtil und perfide in Absicht und Durchführung. Garniert ist die Geschichte wie immer durch genaueste Beschreibungen von mehr oder weniger kultivierten Unterkünften, eigenwilligen Charakteren bis zur beachtenswerten Liebesgeschichte von Jonas mit der Eurasierin Marina.

Das Buch liest sich spannend, kurzweilig und unterhaltsam. Die Vielfalt und Verschiedenartigkeit der Einfälle von Martin Suters Romanen sind immer wieder überraschend. Man kann sich zuversichtlich auf gute Unterhaltung freuen!

Martin Suter
Montecristo
320 Seiten, gebunden
Diogenes; Auflage, Februar 2015
ISBN-10: 3257069200
ISBN-13: 978-3257069204
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