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Schlagwort: Schicksal

Ulrike Renk: Die Australierin

Ulrike Renk: Die Australierin

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Der Roman ist der Auftakt einer Reihe von Romanen, die sich um die Auswanderung der Emily Bregartner und ihrer Familie drehen. Es geht ins Hamburg des 19. Jahrhunderts. Hamburg erlebt gerade den größten Brand seines Bestehens. Die Häuser vieler Stadtteile sind bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Die Familie Martin Bregartners, Emilias Vater, wohnt außerhalb in Othmarschen. Das Haus seines Bruders in der Stadt ist vom Feuer getilgt worden, weshalb Hinrich mit seiner Frau bei den Verwandten in Othmarschen aufgenommen wird. Was eigentlich für kurze Zeit gedacht war, entwickelt sich wegen der Schwierigkeiten beim Aufbau der Stadt zu einem Dauerzustand. Hinrichs Frau übernimmt das Haus in Othmarschen in ihrer Selbstgefälligkeit. Darunter leidet nicht nur Emilia, sondern auch alle Bediensteten.

Ulrike Renk hat das Bild einer bürgerlichen Familie in der Mitte des 19. Jahrhunderts gezeichnet. So entgeht ihm nicht eine gewisse Ähnlichkeit mit Thomas Manns „Die Buddenbrooks“, was nicht zuletzt auch an der norddeutschen Regionalität liegen mag. Die Figuren sind umfangreich charakterisiert. Nicht nur Emilia als Protagonistin und tragende Figur, auch alle ihre Verwandten und Freunde werden umfassend dargestellt, so dass sich der Leser eine entsprechende Meinung zu ihnen bilden kann. Schnell ist die Unterscheidung zwischen „gut“ und „böse“ möglich, um letztendlich doch noch überrascht zu werden. Einzelne Figuren werden sehr sympathisch gezeichnet, wozu die Autorin auch die Macht der Dialoge nutzt. Da mit den Bediensteten nicht nur die Oberschicht dargestellt wird, werden auch Dialekte wie das Hamburger Platt eingesetzt.
Fesselnd ist die Schiffsreise um das Kap Horn beschrieben. Mit sehr viel Akribie hat Renk auf den Einsatz der seemännischen Sprache wertgelegt. Diesen Passagen sind weitgehend stimmig und erinnern an dem im Buch oft genannten Roman „Moby Dick“ oder andere Seefahrergeschichten.

Seite für Seite gibt es für den Leser immer wieder Neues zu entdecken. So erschließt sich ihm schließlich ein Gesamtbild der damaligen Zeit, wie sie tatsächlich hätte sein können. Zwar wird heute nicht mehr in einem solchen Umfang von Hamburger „Pfeffersäcken“ gesprochen, aber so, wie im Roman geschildert, kann der Leser sie sich gut vorstellen.

Hass und Freude liegen für den Leser nah beieinander. Rührend so manche Episode. Für Liebhaber einer Familiensaga, die er nicht verpassen sollte. Allein deshalb ist der Roman schon empfehlenswert.

Renk, Ulrike
Die Australierin
Aufbau Verlag, Berlin
ISBN 9783746630021

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016
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Petra Durst-Benning: Kräuter der Provinz

Petra Durst-Benning: Kräuter der Provinz

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Petra Durst-Benning hat mit dem vorliegenden Roman ihren ersten Gegenwartsroman veröffentlicht. Nach überragenden Erfolgen mit historischen Romanen hat sie sich in ein anderes Genre gewagt. Auch dies erfolgreich, wie ich finde. Denn auch in dieser Geschichte geht es um Frauen, Frauen, die ihr Leben auf den Kopf stellen wollen oder müssen, Frauen, die sich durchsetzen, und am Ende ihr Glück finden … oder auch nicht.

Therese hat in ihrem Heimatdorf Maierhofen im Allgäu einen Landgasthof zum Erfolg gebracht. Als Bürgermeisterin möchte sie solch einen Erfolg auch für das Dorf schaffen. Es gibt nur ein Hindernis: Eine Diagnose „Krebs“ liegt ihr im Nacken und lässt sie immer häufiger den Optimismus verlieren. Durch Zufall wird sie an ihre Cousine Greta erinnert, die sie seit ihrer Kindheit nie wieder getroffen hatte und die eine erfolgreiche Werbefachfrau geworden ist. Das bringt sie auf die Idee, Greta in das beschauliche Maierhofen zu holen und auf fachfrauliche Hilfe bezüglich des Dorfes zu hoffen. Greta, der gerade in der Agentur, in der sie arbeitet, eine viel jüngere neue Werbefrau an die Seite gestellt wurde, verliert die Lust an der Arbeit für diese Agentur. Aber ebenso wenig kann sie sich zunächst eine Kampagne für ein Dorf vorstellen. Sie ist ausgebrannt. Doch sie greift die Idee einer Auszeit und eines kleinen Checkups in dem Allgäu-Dorf ihrer Kindheit auf. Als ihre Ideen für eine Kampagne Gestalt annehmen, wird sie zusätzlich von Thereses Freundin Christine, der Frau des örtlichen Autohändlers und von Beruf Hausfrau, unterstützt.

Petra Durst-Benning zeigt mit diesem spannenden Roman Wege auf, um sich von persönlichen Tiefschlägen nicht in die Knie zwingen zu lassen. Sie will Mut machen und plädiert dafür, den Kopf nie in den Sand zu stecken, immer nach vorne zu schauen und gegebenenfalls neue Wege zu beschreiten. Das Buch trägt selbst in den Wintermonaten, in denn die Handlung teilweise spielt, so viel Sonne in sich, dass man glaubt, stets von dieser beim Lesen begleitet zu werden. Die Figuren, nicht nur die weiblichen, bringt uns die Schriftstellerin über ihr Handeln und Denken sehr nah. Es ist alles nachvollziehbar und plausibel. Es braucht nicht lange, um sie als Freunde ins Herz zu schließen.
Geschmückt wird der Aufbruch des Dorfes mit vielen Rezepten, die Leserin oder Leser gleich ausprobieren kann. Selbst Edy vegane Bratwurst ist dabei. Und wer beim Lesen Appetit auf ein dickes Butterbrot, bestreut mit Kräutersalzen, bekommt, muss sich keinen Zwang antun. Drei kleine Gläschen mit Kräutersalzen gehören ebenfalls zum Buch. Eine wunderschöne Idee für ein wunderschönes Buch, welches Lust auf die Zukunft macht.

Durst-Benning, Petra
Kräuter der Provinz
Blanvalet, München
ISBN 9783734100116

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015
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Matthew Thomas: Wir sind nicht wir

Matthew Thomas: Wir sind nicht wir

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Familiengeschichte in Amerika.

In einem breit angelegten Epos wird hier über die Geschichte einer irischen Einwandererfamilie in Amerika berichtet. Die Zeit umfasst beinahe ein halbes Jahrhundert: von 1941 bis 2000.

Beginnend mit dem Jahr 1952 erzählt Matthew Thomas die Geschichte der Familie Tumulty und hier insbesondere der Tochter Eileen. Sie wurde 1941 in die ärmlichen Verhältnisse, in denen ihre Eltern lebten, geboren und verbrachte intensive Jahre mit ihrem Vater, den sie sehr verehrte. Doch steht es nicht zum Besten mit der Ehe der Eltern. Der ewige Geldmangel und der Alkohol nehmen allmählich alle Kräfte gefangen. Eileen hat nur den einen Wunsch: diesem Elend zu entkommen! Sie ist intelligent und fleißig und schafft es bis zur Pflegedienstleiterin als Krankenschwester.

Erst als ihr der sensible und feinfühlige Ed Leary begegnet, hofft sie auf bessere Zeiten. Zunächst sieht es auch danach aus. Doch Eileen muss feststellen: Leary lebt nur für seine Wissenschaft. Selbst Aufstiegaussichten und Beförderungen lassen ihn kalt. Für die Bedürfnisse seiner Frau und später seines Sohnes zeigt er nur wenig Einfühlungsvermögen und Sinn.

Das Auf und Ab der Zeiten, Hochzeiten, Geburten und Sterbefälle bestimmen das Geschehen. Matthew Thomas weiß seine Geschichte nachhaltig mit Leben zu füllen. Motiviert durch seine detaillierte Erzählweise vertieft man sich ganz in das beschriebene Mittelschichtmilieu. Die Lebensweisen sind geprägt vom Arbeitsalltag und von losen und unverbindlichen Freundschaften. Mit den Augen von Thomas durchdringt man die Welt der einfachen Leute, die sich durch die Zeiten quälen, immer in der Sorge um das Fortkommen und das Geld. Der gemeinsame Sohn von Ed und Eileen durchlebt seine Kindheit und Jugend, ohne dass die Eltern etwas von seinen kleinen oder großen Nöten ahnen. Hier wird über die Geschichte eines Alltags berichtet, den jeder aus einer anderen Perspektive und unter unterschiedlichen Zielsetzungen und Hoffnungen erlebt. Wunderbar eingängig ist dieses Amerika mit seinen Möglichkeiten aber auch Einschränkungen.

Die Stärke des Romans beruht auf den Details amerikanischer Kleinbürgerlichkeit. Immer fehlt etwas zum vollkommenen Glück. Auf irgendeine Weise scheitern die Personen an ihrer eigenen Unzulänglichkeit. Eileen, Ed und ihr gemeinsamer Sohn Connell wachsen dem Leser ans Herz und man verfolgt ihre Schicksale mit angehaltenem Atem. Ob sie alle ihr Glück finden werden? Die Hoffnungen sind groß, doch die Realität zeigt sich von einer unerwartet grausamen Seite. So ist das Leben! Und wie immer sind amerikanische Erzähler Meister in ihrem Fach: Leben mit allen seinen Brüchen und Glücksmomenten festzuhalten!

Matthew Thomas
Wir sind nicht wir
896 Seiten, gebunden<
Berlin Verlag, Februar 2015
ISBN-10: 3827012066
ISBN-13: 978-3827012067
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Günter Franzen: Dein Tod wird uns nicht scheiden

Günter Franzen: Dein Tod wird uns nicht scheiden

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Liebe über den Tod hinaus.

Was passiert, wenn eine nicht mehr ganz junge Frau mit ihrem schon etwas älteren Mann eine späte Liebe erlebtund nach zehn glücklichen Jahren an einer Krebskrankheit innerhalb kürzester Zeit stirbt? Zu ihrem Glück und ihrer Freude haben sie noch eine Tochter bekommen, die beim Tod der Mutter gerade einmal 10 Jahre alt ist.

Günter Franzen beginnt seinen Bericht mit einer Rede, die er anlässlich der Trauerfeier für seine so sehr geliebte Frau den Verwandten und Freunden hält. 49 Jahre sind kein Alter, um zu sterben. So fallen auch die Worte des Witwers harsch und wütend aus gegenüber einem Gott, den es für ihn schon lange nicht mehr gibt!

Die Trauerrede geht über in ein Buch der Erinnerung. Erinnerung an die erste Begegnung und an die Beharrlichkeit, mit der er um diese zögernde aber liebenswerte Frau geworben hat. Sie ließ sich Zeit, bevor sie seinem Werben nachgab, doch dann wird es für beide eine innige und sehr intensive Phase des Glücks, die schon bald von der Geburt einer Tochter gekrönt wird.

Mit zu Herzen gehenden Worten und wunderschönen Allegorien aus Gedichten, Bibeltexen und Märchen beschwört Günter Franzen eine Liebe, die wohl in ihrer gegenseitigen Bewunderung, Achtung, Freundschaft und Zugeneigtheit von seltener Beständigkeit war. Die innere Verbundenheit teilt sich mit durch gemeinsame Erlebnisse in der Natur, Gedankenaustausch und das äußere Erscheinungsbild von Franziska. Sie war Psychoanalytikerin und man darf annehmen, dass sie über das menschliche Zusammenleben mehr wusste als andere, und dieses Wissen die Beziehung beflügelte. Günter F. ist hingerissen und erfüllt von tiefer Liebe zu seiner Frau.

Ihr Tod bleibt für ihn unsäglich schmerzhaft und immer wieder unakzeptabel. Er hadert, trauert und nur die Fürsorge für seine Tochter hält ihn aufrecht.

Unter den zahlreichen Berichten über den vorzeitigen Tod von Partnern, Kindern und Angehörigen leuchtet dieser Bericht hervor, weil er in poetischer Sprache über tiefe Erfahrungen und die tragische Trauer einer unvollendeten Liebe spricht.

Wie soll man derartige Schicksale akzeptieren und wie ihnen standhalten, wenn der Glaube an eine besserer Welt oder ein Glück in einem zukünftigen Leben oder Jenseits fehlt?

Es ist nicht auszuhalten! Wir alle wünschen uns, vom Glück der ersten Jahre über die Lösung alter Beziehungen bis zur Erfüllung mit einem gleichwertigen Partner den Kreis des Lebens zu beschließen. Doch unzählige Steine können diesen Weg beschweren und sogar zerstören. Dafür gibt es keinen Trost und keine Erklärung. Der Bericht bleibt trotz kläglicher Befreiungsversuche des Witwers von seiner anhaltenden Erschütterung geprägt. Die Lage für ihn scheint schier ausweglos.

Ratlos und unerklärlich sind die Wege des Menschen, und nichts ist wirklich planbar bis zuletzt. Am Ende bleibt nur die Erinnerung.

Günter Franzen
Dein Tod wird uns nicht scheiden
Kindle Edition
Kreuz Verlag,November 2013
ASIN: B00GO4QE9C
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Wolfgang Herrndorf: Arbeit und Struktur

Wolfgang Herrndorf: Arbeit und Struktur

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Tod, Abschied, Kreativität…

Ein schwer kranker Mann bemüht sich, dem Leben Tage und Wochen abzuringen, ehe der Tod kommt.

In einem Blog, dem Internettagebuch, erzählt Wolfgang Herrndorf von den Erfahrungen, die er mit der Diagnose Glioblastom machen musste. Angefangen mit den unheimlichen Symptomen, die schleichend kommen und an allerhand andere Krankheiten denken lassen bis zur endgültigen Diagnose vergeht wertvolle Zeit. Doch meistens führt der sehr aggressive Krankheitsverlauf bei dieser Krebserkrankung in sehr kurzer Zeit zum Tode.

Wolfgang Herrndorf erkrankt mit 45 Jahren an diesem unheilbaren Krebs. Hin und her gerissen zwischen Unglauben und Verzweiflung notiert er jede Regung, die ihn überwältigt. Wie soll man sich in so jungen Jahren auf der Höhe seines literarischen Erfolgs einem solchen Schicksal stellen?

Mit seinem Roman “Tschick“ hat W. Herrndorf eine ganze Generation mit ihren Sehnsüchten nach Aufbruch angesprochen. Er wurde mit seiner lakonischen Komik in diesem modernen Jugendroman jedenfalls in Deutschland sehr berühmt. Preise und Ehrungen wurden ihm zuteil; doch immer und überall fällt er nach der Diagnose wieder in das Loch des Unvermeidbaren: den nahenden Tod!

Kein Selbstmitleid und keine Rührseligkeiten stören das Bild eines Mannes, der mit aller Energie bis zuletzt schreiben will. In seinem „Blog“ registriert er sein Selenleben und den physischen Verfall. Seine Aussagen wirken authentisch und beschreiben in poetischen Worten die schwankenden Stimmungen, denen er sich ausgesetzt sieht. Anrührende Kindheitserinnerungen, sehr gute Freunde, die ihm zur Seite stehen und das Auf und Ab seines physischen und psychischen Befindens finden ausgeprägt ernsthafte Würdigung.

Er wolle Herr über sein Handeln bleiben. Diese Aussage kommt früh. Er denkt über die Möglichkeiten einer Selbsttötung nach, zu der es am Ende denn auch kommt. Doch die Intensität seines Schaffens hat uns noch weitere Werke beschert; zuletzt erschien der Roman „Sand“ und nachträglich diese von Lektoren und Freunden herausgegebenen Tagebuchaufzeichnungen. Sie gehören in ihrer klaren und freien Sprache zu den anrührend tief empfundenen  Zeugenaussagen eines von Tod Gezeichneten. Man legt das Buch nur schwer aus der Hand und möchte dem Erzähler, der uns so viel zu sagen hat, immerfort weiter zuhören.

Überraschend sind in den letzten Jahren mehrere Ausnahmekünstler in vergleichbarem Alter von um die fünfzig Jahre ihrem vorzeitigen Lebensende durch bösartige Krebserkrankungen erlegen. Neben W. Herrndorf gehören dazu Jakob Arjouni und Christoph Schlingensief.

Sie werden uns in ihren künstlerischen Nachlassenschaften in Erinnerung bleiben.

Wolfgang Herrndorf
Arbeit und Struktur
448 Seiten
Rowohlt Berlin, Dezember
ISBN-10: 3871347817
ISBN-13: 978-3871347818
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Iny Lorentz: Das goldene Ufer

Iny Lorentz: Das goldene Ufer

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Der Roman des Autorenpaares ist der Auftakt einer neuen Romanserie um die Auswanderungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Handlung beginnt im Morast und Schlamm, im Krieg. Der kleine Walter marschiert in einem Heer von Soldaten an der Seite eines Musketiers. Sein Regiment hatte erst vor zwei Tagen mit einem Teil von Napoleons Armee gekämpft. Nun sind sie auf dem Marsch nach Waterloo. Seit zwei Jahrzehnten marschiert der Kaiser der Franzosen von Sieg zu Sieg, doch nun wollen ihm die deutschen Truppen den Garaus machen.

Die Schlacht brachte viele Verluste, viele Weggefährten, darunter die Frauen, die im Tross mitmarschierten, wurden getötet. Während der Kämpfe rettet der kleine Junge, der stets mit seiner Trommel wegen ihrer Größe zu kämpfen hat, dem Regimentskommandeur das Leben. Oberst Graf Regnitz hat ein gutes Herz und belohnt den Trommler damit, ihn nach dem Krieg mit auf sein Anwesen zu nehmen und ihm gleichermaßen wie seinem eigenen Sohn eine Bildung angedeihen zu lassen. Walter bittet den Grafen, auch Gisela, die während der Schlacht zur Waise geworden war, mit auf das Gut zu nehmen. Die fürsorglichen Gedanken, die der Oberst pflegt, sind vor allem dessen Sohn, ein Luftikus und Möchtegern, und seiner Ehefrau, die wiederum den Sohn über alles schätzt und beschützen möchte, ein Dorn im Auge. So werden Ehefrau und Sohn zwangsläufig Widersacher in einem perfiden Spiel. Walter und auch Gisela bekommen Schulbildung auf dem Anwesen und werden später vom Grafen angestellt. Während Gisela als Magd in Diensten genommen wird, wird Walter, der der Sohn des alten Försters ist, gleichermaßen als Förster in Diensten genommen. Doch die außerordentliche Intelligenz Walters missfällt dem Sohne des Grafen überaus, lässt ihn schier vor Neid platzen.

Dem Autorenpaar ist mit diesem Roman wieder ein großes Abenteuer gelungen, in welchem sie das Auf und Ab der Gefühle der Leser bedienen. Der Leser wird hineingezogen in eine Geschichte, die es ihm unmöglich macht, nicht für die eine oder andere Figur im Roman Partei zu ergreifen. Atmosphärisch hat mich dieser Roman sehr stark an einige Werke von Karl May erinnert. Besonders an die Werke Mays, die in Deutschland spielen. Sie handeln im gleichen Jahrhundert wie der vorliegende Roman, und Förster, Grafen, Bedienstete sind dort ebenso bekannt wie die in diesem Buch. Iny Lorenz haben sich wieder mal in eine andere Zeit begeben und verstehen es fantastisch, die Liebe zweier Menschen während eines chaotischen und zerstörenden Umfelds erwachsen zu lassen.

Abenteuer und Lust auf Abenteuer zeichnen für einen sehr unterhaltsamen Roman. Dafür kann es nur eine volle Punktzahl geben.

Lorentz; Iny
Das goldene Ufer
Taschenbuch
Knaur, München
ISBN-10: 342651169X
ISBN-13: 978-3426511695

© Detlef Knut, Düsseldorf 2013
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Rebecca Gablé: Das Haupt der Welt

Rebecca Gablé: Das Haupt der Welt

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Einer Schriftstellerin, die als Mediävistin wie kaum eine andere die englische Geschichte aus dem FF beherrscht, sei es gegönnt, sich in anderen europäischen Landstrichen mit dem Schreiben abzulenken. Mit dem gerade erschienenen Roman „Das Haupt der Welt“ wendet sich Gablé dem deutschen Volke zu und nimmt das 10. Jahrhundert unter die Lupe.

Der Leser befindet sich zu Beginn in Brandenburg des Jahres 929. Besser gesagt: auf der Brandenburg. Hier herrschen die Heveller, ein slawischer Stamm im Havelland. Sie haben sich auf der Burg verschanzt, um einer Belagerung des Frankenkönigs Heinrich zu widerstehen. Doch wie mit einem Handstreich werden die Slawen besiegt. König Heinrich hält es mit seinen Vorgängern und bemüht sich, das Reich der Sachsen nicht nur zu festigen, sondern es auch zu erweitern und die heidnischen Stämme dem christlichen Glauben zuzuführen. Bei Brandenburg erreicht er einen wesentlichen Sieg gegen den Hevellerfürsten Vaclavic, dessen Sohn Bolilut bei diesem Kampf ums Leben kommt. Vaclavics zweiter Sohn, Prinz Tugomir, und seine Tochter Dragomira werden von Heinrich als Geiseln gefangen genommen und nach Magdeburg verschleppt. So soll ein erneutes Aufbegehren der Heveller verhindert werden. Während der Geiselhaft wird Dragomira von Otto, Heinrichs Sohn, geschwängert. Nicht gegen ihren Willen. Sie hat sich in ihr Schicksal gefügt und findet den Prinzen ebenso attraktiv wie er sie. Ihrem Bruder Tugomir jedoch ist das ein Dorn im Auge. Doch so sehr er auch die Sachsen wegen ihrer Gewalttaten gegen die Slawen hasst, kann er sich aufgrund seines edlen Geblüts nicht eines gewissen Respekts seiner Unterdrücker gegenüber erwehren. Das Wort Freundschaft wäre zu viel des Guten, aber Otto, Tugomir und Ottos älterer Bruder Thankmar schwimmen quasi auf einer Wellenlänge.

Gablé hat auf 850 Seiten erneut ein großes Werk der Illusion geschaffen, die Illusion einer Welt, in die die Leser entführt werden. Quasi eine Geiselnahme mit dem Unterschied, dass sich die Leser hierhin gerne entführen lassen. Romane wie dieser dienen mehr denn je dem Eintauchen oder Abtauchen der Leser in andere Welten. Während es im täglichen Alltag immer mehr Stress und Hektik gibt, so kann man sich in diesem Roman trotz aller rasanten Spannung, die ab der Hälfte des Buches noch an Fahrt aufnimmt, in eine ruhigere und überschaubarere Welt versetzen. Die Heldinnen und Helden erscheinen wie Menschen zum Anfassen, sie sind sympathisch und liebenswert, genauso wie die Schurken hassenswert sind. Besonders gelungen ist die Nachvollziehbarkeit der Gedanken der Helden. Natürlich kann heute keiner sagen, was sich ein König bei einer Entscheidung gedacht hat. Aber der fiktive Roman darf das und Rebecca Gablé nutzt das entsprechend. Sie lässt den Leser teilhaben an der Entscheidungsfindung, sie lässt die Zweifel, Ängste, Freiheiten, Zwänge und Gewissensbisse ihrer Helden nachvollziehen. Die Entscheidungen der Herrscher wirken dadurch nicht mehr historisch abstrakt, sondern menschlich. Stundenlang wird der Leser in dieser Welt festgehalten, deren fiktive Handlung mit handwerklichem Geschick und Können durch historische Fakten und Belege untermauert wird. Die Schriftstellerin hat sich nach dem Studium altertümlicher Chroniken und Schriften ihre eigene Meinung gebildet und bietet den Lesern eine Alternative zu manchen Geschichtsschreibern darüber an, wie das Leben am Hofe König Ottos verlaufen sein könnte. In gewohnter Weise hat sie real existierende, historische Persönlichkeiten mit fiktiven Figuren gemischt, um ein dramaturgisch verdichtetes Geschehen der Jahre 929 bis 941 im ostfränkischen Reich aufleben zu lassen.

Mit diesem Roman lässt sich Weihnachten sehr, sehr gut überwintern.

Gablé, Rebecca
Das Haupt der Welt
864 Seiten, gebunden
Hardcover
Lübbe, Köln
ISBN-10: 3431038832
ISBN-13: 978-3431038835

© Detlef Knut, Düsseldorf 2013
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Julia Stagg: Madame Josette oder ein Dorf trumpft auf

Julia Stagg: Madame Josette oder ein Dorf trumpft auf

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Dieser Roman ist der unmittelbare Nachfolger des ein Jahr zuvor erschienenen Romans „Monsieur Papon oder ein Dorf steht Kopf“ Er beginnt etwa wenige Tage nach der Handlung des ersten Romans. Hautnah kann der Leser den Mikrokosmos in einem Bergdorf in Frankreich erleben. Während im ersten Roman die Einwohner des Dorfes Fogas durch den Zuzug eines englischen Ehepaares, die die Dorfschenke betreiben wollen, erschüttert, so werden die Einwohner in diesem zweiten Roman auf ein neues durcheinandergewirbelt.

Fabian, der Neffe von Josette, die die Inhaberin des kleinen Tante-Emma-Ladens ist, hat in Paris studiert und gearbeitet. Nun kehrt er nach Fogas zurück. Zurück deshalb, weil er als Kind jedes Jahr von seinen Eltern hier hergeschickt wurde, um die Sommerferien zu verbringen. Deshalb ist ihm das Dorfleben nicht unbekannt. Nach all dem Trubel in der Metropole Paris sehnt er sich nach dem Landleben und hat die großartige Idee, seiner Tante beim Betrieb des Tante-Emma-Ladens unter die Arme zu greifen. Diese Idee kommt natürlich nicht von ungefähr, schließlich ist aus den Erbschaftsunterlagen von Jacques, dem verstorbenen Onkel, herauszulesen, dass Fabian die Hälfte des Ladens geerbt hat. Weil sich Josette nicht im komplizierten Erbschaftsrecht auskennt, war sie nie auf den Gedanken gekommen, dass ihr der Laden nicht allein gehörte. Getreu dem Sprichwort „Neue Besen kehren gut“ hat der junge Banker ganz frische und mutige Ideen, den Laden im Dorf wieder in Schwung zu bringen. Selbstverständlich kommt er nicht auf die Idee, irgendjemanden, und schon gar nicht seine Tante, zu fragen, ob sie damit einverstanden sei. Dass er damit alle Vorurteile der Dorfbewohner gegenüber den Großstädten unterstützt, fällt ihm nicht im Traum ein.
Parallel dazu erleben wir die Geschichte von Stephanie, die auch vor kurzer Zeit in das Dorf gekommen war mit ihrer Tochter Chloé. Keiner ahnt, dass Stephanie vor ihrem Mann geflüchtet ist, um mit ihrer Tochter den ständigen Wutausbrüchen ihres ewig betrunkenen Ehemanns zu entgehen. Stephanie hatte sich in Fogas bereits ein neues Heim aufgebaut und sich hervorragend in die Dorfgemeinschaft eingearbeitet.
Doch Stephanie und Fabian geraten des Öfteren mächtig aneinander. Zwischen den beiden scheint sich eine Mauer des Unglücks aufgerichtet zu haben.

Wie schon im ersten Roman hat sich die englische Schriftstellerin auf einen kleinen Trick zurückgezogen, um die Geschichte mit einem zusätzlichen zwinkernden Auge erzählen zu können: Der Geist von Jacques, dem verstorbenen Inhaber des Tante-Emma-Ladens, lebt noch in diesem Dorfladen. Meist sitzt er auf dem Kaminsims. Doch manchmal starrt er auch aus dem Fenster. Jacques ist eigentlich für alle Dorfbewohner unsichtbar außer für zwei von ihnen. Seine Witwe Josette kann ihn sehen und mit ihm sprechen genauso wie die kleine Chloé, Stephanies Tochter. Dieser Geist gibt oft Anlass zu amüsanten Szenen, wenn sich Fabian beispielsweise wundert, dass seine Tante ständig irgendwelche Selbstgespräche führt. Oder wenn Jacques Stephanie warnen möchte. Dazu schreibt er etwas in den Staub. Aber als Geist kann er nicht mit seinen Fingern im Staub schreiben, sondern er muss pusten. Und das bringt den Geist im wahrsten Sinne des Wortes außer Atem. Aber nicht nur dieser Trick ist es, der das Buch besonders reizvoll macht, sondern auch die stets wechselnde Perspektive, aus der die einzelnen Szenen geschildert werden, ist wunderbar gelungen. Nahezu alle wichtigen Dorfbewohner in dieser Geschichte kommen einmal zu Wort, um aus ihrer Sicht die Dinge zu erzählen. Damit der Leser damit nicht zu sehr überfordert wird, ist in jeder neuen Szene im ersten Absatz jeweils der Name der erzählenden Figur aufgeschrieben. Eine schöne Vorgehensweise, die ich so in anderen Romanen noch nicht entdeckt habe.

Volle Punktzahl für einen wunderschönen Roman, der in Frankreich spielt. Wer den Spielfilm um die „Schtis“ kennt, kann sich etwa eine Vorstellung von diesem Roman machen, wer den Film der „Schtis“ liebt, der wird auch dieser Roman lieben.

Stagg, Julia
Madame Josette oder ein Dorf trumpft auf
348 Seiten, gebunden
Hoffmann und Campe, Hamburg
ISBN-10: 3455404316
ISBN-13: 978-3455404319

© Detlef Knut, Düsseldorf 2013
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Gina Mayer: Das Lied meiner Schwester

Gina Mayer: Das Lied meiner Schwester

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Die in Düsseldorf lebende Schriftstellerin Gina Mayer entführt den Leser mit diesem Roman in die Zeit des Dritten Reiches. Im Mittelpunkt des Romans stehen die beiden Schwestern Anna und Orlanda. Anna, die ältere von beiden, arbeitet als Krankenschwester in einem Krankenhaus, während Orlanda als Sängerin eine Anstellung an der Düsseldorfer Oper hat. Nachdem sie diese verloren hat, entdeckt sie die Swingmusik für sich und wird Sängerin der Melody Girls. Sie wird hin und her gerissen von der Liebe zu dem Jazz-Geiger Leopold und dessen Freund Clemens, der ebenfalls an der Oper arbeiten. Als im Krankenhaus ein neuer Chefarzt erscheint, steigt Anna zur OP-Schwester auf. Seit der Machtübernahme der Nazis wird das Leben in Deutschland immer schwerer. Auch Orlanda wird mit einem Berufsverbot belegt, weil Swingmusik zur entarteten Musik gehört und die Melody Girls nicht mehr auftreten dürfen. Aber auch im Krankenhaus sind Ärzte und Krankenschwestern unterschiedlicher Meinung zu den Geschehnissen in Deutschland. Anna kann und will nicht allem zustimmen, was die Nazis anstellen. Als die Situation im Verlauf der Jahre immer schwieriger wird, schließt sich die religiöse Anna einer Gruppe an, die im Untergrund Widerstand leistet. Erst viel später erzählt sie ihrer jüngeren Schwester Orlanda davon. Die ist sofort hellauf begeistert und möchte so schnell wie möglich ebenfalls am Widerstand teilnehmen.

Sehr vielschichtig und mit vielen Details aus dem damaligen Düsseldorf, aber auch aus der Zeit des Dritten Reiches, wird von Gina Mayer einen anrührende Geschichte zweier Schwestern im Widerstand gezeichnet. Schwerpunkt liegt dabei ganz klar auf der Entwicklung der Figuren. Während einzelne Nebenfiguren noch einem klassischen Schwarzweißbild entsprechen, so ist dies bei den Hauptfiguren nicht mehr erkennbar. Sie bestehen aus unendlich vielen Grautönen. Auf diese Weise versucht die Schriftstellerin dem Leser nahezubringen, dass die Zeit des Dritten Reiches nicht einfach schwarz-weiß gesehen werden darf. Obwohl die Schwestern bei weitem nicht immer einer Meinung sind, gehen sie doch einen gemeinsamen Weg auf ein gemeinsames Ziel zu. Bei den Freunden und anderen ist dies nicht mehr der Fall. Während der Jazzmusiker Leopold an seinem Berufsverbot beinahe zu Grunde geht, schafft es der Opernsänger Clemens bis in die höchsten Kreise und wird sogar von Göbbels hofiert. Eine gemeinsame Freundin Fritzi, die schon in ihrer Jugend ihren jüdischen Nachnamen abgelegt hat, weil sie nichts mit der jüdischen Religion zu tun hat, zeigt, dass auch Juden nicht in einen gemeinsamen Topf zu werfen sind. Annas Chefarzt ist ein Mensch, der durchaus Verständnis für das menschliche Miteinander aufbringt, der den Nazis aber keinen Widerstand entgegenbringt und eher, seinen Wohlstand und seine Karriere im Sinn, bei öffentlichen Anlässen den Nazis nach dem Mund redet. Diese Vielschichtigkeit von Figuren und Charaktereigenschaften wird von der Autorin in eine spannende Handlung gepackt und mit sehr vielen Bildern und Detailtreue in die Köpfe der Leser gepflanzt. Während der Leser lange Zeit im Glauben gelassen wird, dass die Fronten innerhalb dieser Figurenkonstellation ziemlich klar sind, gibt es zum Ende hin immer mehr Überraschungen. Die Hinundhergerissenheit zwischen den beiden Männern Leopold und Clemens zieht sich durch den gesamten Roman und immer wieder muss sich der Leser fragen, wie sich Orlanda am Ende entscheiden wird. Wird sie sich überhaupt entscheiden müssen, oder macht die Liebe ihr eigenes Spiel mit ihr?

Ein hinreißender Roman, der in Düsseldorf spielt und viel Liebe zur Musik durchschauen lässt. Ein Roman, der die Gefühle anspricht, und den Menschen von heute, die meistens die Zeit des Dritten Reiches nicht am eigenen Leib erfahren haben, emotional nahe bringt. Ein solcher Roman hat einfach die volle Punktzahl verdient.

Gina Mayer
Das Lied meiner Schwester
544 Seiten, broschiert
Aufbau, Berlin
ISBN-10: 3746628679
ISBN-13: 9783746628677
© Detlef Knut, Düsseldorf 2013

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Nina George: Die Mondspielerin

Nina George: Die Mondspielerin

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Dieser Roman der inzwischen zu einigen schriftstellerischen Ehren gelangten Nina George ist bereits 2011 erschienen. In ihm lässt die Autorin bereits die sanften und sinnlichen Töne anklingen, durch die sie im Roman „Das Lavendelzimmer“ berühmt geworden ist. Er besticht durch seine gefühlvolle und besinnliche Art, Dinge und Geschehnisse zu beschreiben, als würde man in die Protagonistin hinein schauen.

Wir befinden uns in Paris an der Seine, in die sich Marianne hineinstürzt, um aus dem Leben zu scheiden. Sie hat es satt, an der Seite ihres Mannes weiterhin das graue Mäuschen zu spielen, sie hat es satt, nicht mehr zu wissen, wo sie im Leben steht, sie mag einfach nicht mehr und will einen Schlussstrich unter ihr Leben ziehen. Doch so leicht wird es der Deutschen nicht gemacht. Sie wird aus dem Fluss gerettet. Enttäuscht darüber dass ihr der gewählte Weg versagt bleibt, schlägt sie einen neuen Weg ein. Ihr Mann zeigt nach wie vor kein großes Interesse an ihr. Er begreift einfach nicht, wie sie sich fühlt. Mariannes neuer Weg führt in die Bretagne. Hier, in einem kleinen Ort, lernt sie viele nette Menschen kennen, die ihr eine zweite Chance zum Leben geben. Marianne lernt französisch sprechen und sie bekommt einen Job in der Küche eines kleinen Restaurants. Sie wird mit viel Wärme und Liebe in die kleine Gemeinschaft der Bretonen aufgenommen. Doch Marianne bleibt hin- und hergerissen zwischen ihrem alten Leben an der Seite ihres Ehemannes und dem neuen, freien Leben an der Seite eines Malers, in den sie sich verliebt, so wie sie bislang noch nie verliebt gewesen war.

Mariannes Gefühle fahren auf der Achterbahn und Nina George lässt den Leser ganz tief eintauchen in die Gefühlswelt der Protagonistin. Das Schwanken zwischen dem alten und dem neuen Leben wird unheimlich nachvollziehbar und authentisch. George hat einerseits einen Blick und ein Ohr für das feinsinnige in den Beziehungen der Menschen untereinander, andererseits ist sie dank ihres handwerklichen Könnens in der Lage, diese Feinsinnigkeit so akkurat in ihre niedergeschriebenen Worte zu legen, dass dem Leser nichts anderes übrig bleibt, als mit allen Sinnen das Geschehen mitzuerleben und die Gefühlswelt der Menschen nachzuempfinden.

Angenehm ist auch der Ausklang des Buches, in welchem in kurzen Abschnitten die Bretagne von A bis Z erläutert wird. Dem einen oder anderen mag dies eine Hilfe sein, im Nachhinein so manche Kleinigkeit im Roman mit anderen Augen zu sehen.

„Die Mondspielerin“ ist ein Entwicklungsroman, bei der eine von Lethargie und Gram gebeugte Frau jenseits der 50 den aufrechten Gang lernt und sich von ihrem bisherigen Leben lossagt und vom Ehemann emanzipiert. Es ist ein großartiger Roman für alle, die Frankreich lieben, die die Bretagne lieben, und die, die nicht auf actionreiche Szenen aus sind, sondern vielmehr auf das Kopfkino, welches sich bei feinfühligen Sätzen, wie die von George, etabliert. Ich komme nicht umhin und muss diesem Roman, genauso wie zuvor schon seinem Nachfolger, die volle Punktzahl geben.

George, Nina
Die Mondspielerin
Taschenbuch
Knaur, München
ISBN-10: 342650135X
ISBN-13: 978-3426501351

© Detlef Knut, Düsseldorf 2013

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