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Schöne Verhältnisse

Schöne Verhältnisse

Wenn man eine Geschichte in Lacoste in der Provence ansiedelt, so lässt das schon Schlüsse auf die Handlung zu.
Hier befindet sich nämlich das Schloß des Marquis de Sade!

Die Villa der Familie Melrose liegt bei Lacoste.
Der Hausherr David Melrose, Engländer wie seine Frau, beschießt gerade mit dem Wasser aus einem Gartenschlauch Ameisen, die sich auf ihrem Weg trollen oder erledigt sie mit einer glühenden Zigarette Er ist an die sechzig Jahre alt. Seine Frau Eleanor trinkt, raucht und nimmt jede Menge Medikamente. Ein kleiner Sohn von fünf Jahren spielt zwischen alten Gemäuern im Garten. Er ist sich selbst überlassen und offensichtlich nicht sehr erwünscht.

Was leicht sadistisch mit dem Jagen und Töten von Ameisen beginnt, wird weitergeführt mit dem Bericht über eine Reihe von Menschen, die uns in dieser ländlichen Villa begegnen.
Die englische Adelsschicht gibt sich ein Stelldichein und zu jeder Person gehört eine Geschichte.

Ein älterer Philosophieprofessor jüdischer Herkunft gehört zu den Freunden des Hauses ebenso wie seine amerikanische Freundin Anne, Nicholas und seine vulgäre Freundin Bridget.

Die Gesellschaft pflegt Kontakte und hält die Etikette ein. Gespräche sind geistreich und beweisen Bildung, wechseln jedoch häufig zu zynischer Überheblichkeit, bei der jeweils der eine erniedrigt, der andere mit dem Mythos der Überlegenheit ausstattet wird. Man weiß, woher jeder kommt. Eton als Ort der Bildungsherkunft ist die mindeste Voraussetzung, um hier dazu zu gehören.

Insgesamt handelt es sich um eine dekadente und überdrüssige Gesellschaft. Jeder beäugt jeden und jeder weiß über jeden Nachteiliges zu berichten.
Keiner kann sicher sein, dass er nicht Zielscheibe von bösartigen Gerüchten und morbiden Unterstellungen wird.
Im Zentrum aller Figuren steht David, ein bösartiges Ungeheuer, der mit seinen Sarkasmen alle übertrifft.
Ein unerhörter Zwischenfall lässt ahnen, dass sich an diesem Ort Tragödien sadistischen Ausmaßes abspielen.

Die Geschichte ist packend und randvoll mit scharfen Monologen und Dialogen. Dazwischen gibt es malerische Landschaftsbeschreibungen, mit denen die Provence ins Blickfeld gerückt wird.
Mit schwarzem Humor und kritischem Blick karikiert der Autor Abgründe in der Gesellschaft. Eine scheinheilige Adelswelt, ihre verlogenen Ansichten und die gegenseitigen Abhängigkeiten werden entlarvt.
Da die Geschichte in Frankreich spielt, wird Distanz zu DER englischen Oberschicht geschaffen. Es sind einzelne, die dieses Leben führen. Sie haben keine Aufgaben, frönen dem Müßiggang und sind vor allem reich.

Die Figuren werden einfallsreich und tiefgründig beschrieben. Einige der Schilderungen sind mir fast ein wenig zu weitschweifig. Z.B.: ein Glas Pastis stand wie eine eingefangene Wolke auf dem Klavier.
Man kann darüber hinwegsehen.
St Aubyn ist ein renommierter englischer Autor. Das beweist er mit diesem Buch erneut.
Die Geschichte ist anspruchsvoll und spannend erzählt. Sehr lesenswert!

Edward St Aubyn
Schöne Verhältnisse
Eine morbide Gesellschaft
ISBN:3832180125
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Perfekte Verhältnisse

Perfekte Verhältnisse

Die Cook-Goldmans sind eigentlich eine ganz normale Familie. Mirella ist Anwältin, Howard ist Architekt. Den Traum vom eigenen Haus haben sie sich erfüllt. Und zwei zuckersüße Kinder sind auch da. Pearl ist fünf und Jacob fast drei Jahre alt. Das Einzige, was der Familie fehlt, ist Zeit. Es ist für Mirella einfach nicht machbar, Familie und Beruf ausgewogen unter einen Hut zu kriegen. Es ist nicht möglich Ordnung zu halten. Die vielen Verpflichtungen nehmen überhand. Aber zum Glück gibt es ja Kindermädchen. Und als Randi ins Haus kommt, können die Cook-Goldmanns erleichtert aufatmen. Randi nimmt ihre Verantwortung ernst, sie packt zu. Sie ist in der Lage Vater und Mutter zu ersetzen und den ganzen Haushalt zu schmeißen. Bald brauchen die Kinder ihre Eltern gar nicht mehr. In den Griff bekommen Mirella und Howard ihr Leben trotzdem nicht. Mirella wird wieder schwanger und Howard hat berufliche Probleme. Doch selbst ihnen geht irgendwann ein Licht auf. Etwas stimmt in ihrem Haushalt ganz und gar nicht oder besser gesagt, mit Randi stimmt etwas nicht.

Die Autorin setzt sich mit dem alltäglichen Familienleben auseinander und der Schwierigkeit, Familie und Beruf zu vereinbaren. „Perfekte Verhältnisse“ zu schaffen bleibt ein Traum. Dabei wirkt das Buch keineswegs ironisch, wenn die Autorin auch den Finger auf so mache Wunde legt. Die Geschichte macht betroffen und beunruhigt sehr, sind doch die Gegebenheiten alle dem wahren Leben entnommen und gut nachvollziehbar, glaubwürdig und verständlich. Und die Lösung all dieser Probleme, ein Patentrezept gibt es nun mal nicht. Und doch weckt die Geschichte Hoffnung, dass nicht alles in einer Katastrophe enden muss.

Über die Autorin: Suzanne Berne ist Jahrgang 1961. Sie lebt mit Mann und zwei Kindern in der Nähe von Boston. Sie unterrichtet in Harvard und schreibt u.a. für die „New York Times“.

Rezension von Heike Rau

Suzanne Berne
Perfekte Verhältnisse
Aus dem Amerikanischen von Anette Grube
350 Seiten, gebunden
Paul Zsolnay Verlag Wien
ISBN: 3-552-05263-1

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